61986C0178

Schlussanträge des Generalanwalts Vilaça vom 7. Oktober 1987. - MARIETTE TURNER GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTER - BEURTEILUNG. - RECHTSSACHE 178/86.

Sammlung der Rechtsprechung 1987 Seite 05367


Schlußanträge des Generalanwalts


++++

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1 . I - Die Klägerin, Frau Mariette Turner, setzt eine schon lange bestehende und vielgestaltige Auseinandersetzung mit der Kommission der Europäischen Gemeinschaften fort und begehrt nun

a ) die Aufhebung der Entscheidung des Leiters der Generaldirektion Personal und Verwaltung vom 19 . September 1985, durch die ihre endgültige Beurteilung für den Zeitraum 1981-1983 bestätigt worden ist;

b ) Schadensersatz wegen der verspäteten Erstellung dieser Beurteilung und des Fehlens jeglicher Beurteilung zwischen 1977 und 1981;

c ) die symbolische Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Franc als Ersatz des immateriellen Schadens, der ihr dadurch entstanden sein soll, daß ihre auf eine Änderung der Beurteilung für den Zeitraum 1981-1983 gerichtete Beschwerde nicht beantwortet wurde .

2 . Die Klägerin ist Ärztin und Beamtin der Kommission seit April 1966 .

3 . Gemäß Artikel*43 des Beamtenstatuts wurden über sie bis zu dem Zeitraum zwischen dem 1.*Juli 1975 und dem 30 . Juni 1977 regelmässig Beurteilungen erstellt .

4 . Die Beurteilung für den Zeitraum vom 1.*Juli 1977 bis zum 4.*Mai 1979 wurde auf die von der Klägerin beim Gerichtshof erhobene Klage hin aufgehoben ( Urteil vom 21 . März 1985 in der Rechtssache 263/83, Turner/Kommission, Slg . 1985, 893 ) und war bis zur Erhebung der Klage in der vorliegenden Rechtssache nicht neu erstellt worden .

5 . Was den Zeitraum vom 5.*Mai 1979 bis zum 30 . Juni 1981 angeht, ist die entsprechende Beurteilung niemals erstellt worden, und zwar infolge des Urteils des Gerichtshofs vom 9.*Juli 1981 in den verbundenen Rechtssachen 59 und 129/80 ( Turner/Kommission, Slg . 1988, 1883 ), durch das die Entscheidungen vom 5 . und vom 20 . Mai 1979, durch die die Klägerin im Rahmen der Reorganisation des Ärztlichen Dienstes eine neue dienstliche Verwendung gefunden hatte und auf einen Dienstposten innerhalb der GD*XII versetzt worden war, wegen Ermessensmißbrauch aufgehoben wurden .

6 . Durch Entscheidung vom 20 . Oktober 1981 wurde die Klägerin der Abrechnungsstelle für die Leistungen der Krankenkasse ( GD*IX ) als Vertrauensärztin zugewiesen . Gegen diese Entscheidung erhob sie eine Nichtigkeitsklage, die durch Urteil vom 12 . Januar 1984 in der Rechtssache 266/82 ( Turner/Kommission, Slg . 1984,*1 ) abgewiesen wurde .

7 . III - Prüfen wir nun die von der Klägerin gestellten Anträge der Reihe nach unter Berücksichtigung des Vorbringens der beiden Parteien, das im Sitzungsbericht zusammengefasst ist .

Erster Antrag : Aufhebung der Entscheidung vom 19 . September 1985 durch die die endgültige Beurteilung der Klägerin für den Zeitraum 1981-1983 bestätigt wird

8 . A - Der erste Klagegrund, auf den die Klägerin ihren Antrag auf Aufhebung dieser Entscheidung stützt, bezieht sich auf die verspätete Erstellung der Beurteilung für den Zeitraum 1981-1983 .

9 . Die Kommission habe keine der in dem 1979 gemäß Artikel 43 des Statuts erlassenen "Leitfaden für die Beurteilung" vorgeschriebenen Fristen beachtet .

10 . Die Klägerin hätte nach den in diesem Leitfaden festgelegten Fristen den Beurteilungsentwurf des Beurteilenden spätestens am 30 . November 1983 erhalten müssen, während sie ihn tatsächlich erst im Laufe des Monats Juli 1984 erhalten habe . Von da an seien alle von der Verwaltung vorzunehmenden Handlungen mit Verspätung erfolgt, so daß das gesamte Verfahren ( durch die endgültige Entscheidung vom 19 . September 1985 ) ungefähr neun Monate später abgeschlossen gewesen sei, als dies nach dem Leitfaden für die Beurteilung hätte der Fall sein müssen .

11 . Die Kommission erkennt in ihrer Klagebeantwortung an - wie der Berufungsbeurteilende es bereits in seinem Schreiben vom 25 . März 1985 getan hatte *-, daß die im Leitfaden für die Beurteilung festgelegten Fristen nicht beachtet worden seien .

12 . Welche Folgerungen sind daraus zu ziehen?

13 . Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes geht hervor, daß dieser Fehler als solcher nicht die Aufhebung einer Beurteilung nach sich ziehen kann, insbesondere wenn der Kläger nicht nachweist, daß er durch die Verspätung einen Schaden erlitten hat*(1 ). Der Gerichtshof hat sogar festgestellt, daß die Verspätung unter bestimmten Voraussetzungen für den Beamten von Vorteil sein kann*(2 ).

14 . Im vorliegenden Fall hat die Klägerin keinerlei Beweise dafür vorgelegt, daß sie durch diese Verspätung irgendeinen Schaden erlitten hätte .

15 . Die Klägerin beruft sich jedoch zur Begründung ihres Antrags auf die Feststellung des Gerichtshofes im Urteil Castille*(3 ), wonach "die Verspätung bei der Abgabe der Beurteilungen *... für sich allein schon deshalb geeignet (( ist )), dem Beamten zu schaden, weil der Ablauf seiner Laufbahn beeinträchtigt werden kann, wenn zu einem Zeitpunkt, zu dem Entscheidungen, die ihn angehen, getroffen werden müssen, eine solche Beurteilung fehlt ". Gestützt auf diese Passage beschränkt sich die Klägerin auf die Behauptung, daß eine potentielle Beeinträchtigung der normalen Entwicklung ihrer Laufbahn vorliege, und hält damit ihren Antrag für begründet .

16 . Meiner Ansicht nach passt diese Argumentation im vorliegenden Fall jedoch nicht : Im Urteil Castille wird das Problem bei der Prüfung des vom Kläger gestellten Schadensersatzantrags behandelt, ohne daß daraus für die Gültigkeit der Beurteilung irgendetwas abgeleitet würde .

17 . Ich werde deshalb die Frage, in welchem Sinn das Urteil Castille meiner Ansicht nach auszulegen ist, später behandeln, wenn ich den ersten Schadensersatzantrag der Klägerin prüfe .

18 . B - Die Klägerin macht aber noch einen weiteren Klagegrund für ihre Nichtigkeitsklage geltend : Die Kommission habe die Änderung der Einzelbeurteilungen gegenüber der früheren Beurteilung ( für den Zeitraum 1975-1977 ) nicht begründet, wie es Artikel 5 Absatz 2 des Leitfadens für die Beurteilung vorschreibe .

19 . Auf diesen Fehler hat im übrigen auch der paritätische Beurteilungsausschuß in der Stellungnahme hingewiesen, die er am 29 . Juli 1983 auf Antrag der Klägerin nach der Beurteilung durch den Berufungsbeurteilenden abgab; dieser war teilweise von der Beurteilung durch den Erstbeurteilenden abgewichen, ohne jedoch die verschiedenen Einzelbeurteilungen zu ändern .

20 . Nach Auffassung des paritätischen Ausschusses war die Beurteilung für 1975-1977 als die letzte gültige Beurteilung anzusehen, da die Beurteilung für 1977-1979 vom Gerichtshof aufgehoben ( Rechtssache 263/83 ) und noch nicht durch eine neue ersetzt gewesen sei und da es keine Beurteilung für 1979-1981 gegeben habe . Da die sich aus der Beurteilung für 1981-1983 ergebenden Einzelbeurteilungen offensichtlich weniger günstig als die Einzelbeurteilungen für 1975-1977 gewesen seien, hätten sie ausdrücklich begründet werden müssen .

21 . Der Berufungsbeurteilende teilte der Klägerin jedoch lediglich mit ( Schreiben vom 19 . September 1985 ), daß er von der Beurteilung von 1975-1977 Kenntnis genommen habe, daß aber bei der Bewertung der in der Beurteilung für 1981-1983 enthaltenen Benotungen im Verhältnis zu denjenigen, die ihr in der früheren Beurteilung erteilt worden seien, berücksichtigt werden müsse, daß das Beurteilungssystem in der Zwischenzeit geändert worden sei und daß die Aufgaben der Klägerin sich seit dem 20 . Oktober 1981 geändert hätten .

22 . Die Kommission ist der Auffassung, diese von dem Berufungsbeurteilenden angeführten Umstände reichten aus, um die Änderung der Einzelbeurteilungen der Klägerin zu begründen : Die Beurteilungssysteme seien nicht vergleichbar, die neue Beurteilung sei von einem anderen Beurteilenden zu erstellen gewesen und die wahrgenommenen Aufgaben seien verschieden .

23 . Dazu ist folgendes festzustellen :

1)*Die Änderung der Beurteilungssysteme hinsichtlich der Einzelbeurteilungen als solche macht deren Vergleich und die Begründung der vorgenommenen Änderungen, wie sie der Leitfaden für die Beurteilung vorschreibt, nicht unmöglich .

Im vorliegenden Fall sind die sich aus der Beurteilung für den Zeitraum 1981-1983 ergebenden Einzelbeurteilungen eindeutig schlechter als die in der Beurteilung für 1975-1977 enthaltenen . Während die Klägerin nämlich in dieser letzten Beurteilung auf einer dreistufigen Beurteilungßkala zweimal die Hoechstnote ( in den Rubriken Befähigung und Leistung ) und einmal die Note "normal" ( dienstliche Führung ) erhalten hatte, wurde ihr in der Beurteilung für 1981-1983 auf einer fünfstufigen Skala nur einmal eine über dem Durchschnitt liegende Bewertung ( sehr gut, vierte Stufe ) gegeben, während sie dreizehn durchschnittliche Noten ( dritte Stufe ) erhielt .

2)*Der Gerichtshof hat bereits im Urteil Castille ( Randnrn . 27 und 28 ) ganz unmißverständlich entschieden, daß die Verpflichtung, jede Abweichung zu begründen, für die Beurteilenden selbst bei einer Änderung des Systems der Einzelbeurteilungen zwingend ist, insbesondere wenn der Kontrast zwischen einer Beurteilung und den vorhergehenden Beurteilungen erheblich ist ( siehe Randnr . 26, in der von ebenso erheblichen Unterschieden in der Bewertung die Rede ist, wie sie in der vorliegenden Rechtssache festzustellen sind ).

Der Gerichtshof hat im übrigen ausdrücklich festgestellt, daß diese Verpflichtung, jede Abweichung zu begründen, für die Beurteilenden selbst für den Zeitraum 1977-1979 zwingend ist, obwohl der Leitfaden für die Beurteilung eine Fußnote enthält, wonach Artikel 5 Absatz 2 für die Beurteilung für diesen Zeitraum, was den Vergleich mit der vorhergehenden Beurteilung angeht, nicht zwingend gelten soll .

Der Gerichtshof hat zu Recht die Auffassung vertreten, daß "diese Verpflichtung *... für die Beurteilenden zwingend (( ist )), die nicht durch eine Fußnote im Leitfaden *..., der den Beurteilenden praktische Ratschläge geben soll, davon entbunden werden können" ( Randnr.*27 ).

3)*Im vorliegenden Fall lassen sich nicht einmal Anhaltspunkte für die erforderliche Begründung in der ( vom Erstbeurteilenden gegenüber dem ursprünglichen Entwurf geänderten ) "allgemeinen Beurteilung" finden, die als eine allgemeine Zusammenfassung erscheint und keine Anhaltspunkte für die Erklärung der Unterschiede gegenüber der früheren Beurteilung bieten kann .

4)*Im allgemeinen machen es auch der Wechsel des Beurteilenden und die Änderungen der Aufgaben des Beamten nicht unmöglich, der Begründungspflicht nachzukommen . Andernfalls würden die Beamten immer dann erheblich benachteiligt, wenn ihnen neue Aufgaben zugewiesen würden und sie dementsprechend von einer anderen Person beurteilt würden . Unter normalen Umständen und wenn keine erhebliche Verzögerung eintritt, ist es diesem neuen Beurteilenden möglich, von dem früheren Beurteilenden und den früheren Vorgesetzten des Beamten die erforderlichen Informationen zu erhalten .

Es handelt sich darüber hinaus im vorliegenden Fall um Aufgaben, die nach der von der Kommission in einer früheren Rechtssache vertretenen Auffassung ( siehe die Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien im Urteil Turner vom 12 . Januar 1984 ) ärztlicher Natur waren sowie der Fachrichtung und der Erfahrung der Betroffenen entsprachen; niemand hat bestritten, daß dies auch bei den von der Klägerin während des Zeitraums 1975-1979 wahrgenommenen Aufgaben der Fall sei, die in der Beurteilung für diesen Zeitraum als "der Ausbildung und den Fähigkeiten der Beamtin" entsprechend angesehen worden sind .

5)*Ausserdem kann der Umstand, daß die letzte zum Vergleich heranzuziehende Beurteilung ( die für 1975-1977 ) noch unter der Geltung des früheren Beurteilungssystems erstellt wurde, der Klägerin nicht angelastet werden, selbst wenn diese sich damit einverstanden erklärt hat, daß die Beurteilung für 1979-1981 nicht erstellt wird .

6)*Dem Vorbringen der Kommission, die Klägerin habe nicht wie geboten dargetan, daß sie sich ohne diesen Fehler in einer günstigeren Lage befunden hätte, ist ebenfalls nicht zu folgen : Die Verpflichtung, jede Abweichung zu begründen, soll dem Beamten ermöglichen, die Gründe für die Änderung der über seine Arbeit abgegebenen Beurteilungen zu kennen und zu überprüfen, und ihm dadurch die Möglichkeit geben, Bemerkungen abzugeben und gegebenenfalls sein dienstliches Verhalten zu ändern; die Nichtbeachtung dieser Verpflichtung entzieht dem Beamten deshalb eine Garantie, die ihm durch das Statut eingeräumt wird .

24 . Aus diesen Gründen bin ich der Meinung, daß die Auffassung der Kommission nicht stichhaltig ist : Die Beurteilung durch den Berufungsbeurteilenden enthält keine wirkliche Begründung für die Änderung der Einzelbeurteilungen, sondern vielmehr eine Begründung für das Fehlen der Begründung .

25 . Ich komme daher zu dem Schluß, daß die Beurteilung der Klägerin für den Zeitraum 1981-1983 wegen Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift fehlerhaft und folglich aufzuheben und nach Maßgabe dieser Schlußfolgerung zu ändern ist .

26 . Nur wenn es sich als absolut unmöglich erweisen sollte, diese Korrektur in angemessener Form vorzunehmen ( mit Rücksicht auf die bereits verstrichene Zeit und den in der Zwischenzeit eingetretenen Tod des Erstbeurteilenden ), wäre ich eventuell bereit, Ihnen vorzuschlagen, der Klägerin Schadensersatz als Ausgleich dafür zuzusprechen, daß ihre Personalakte weiter eine Unregelmässigkeit enthält, die sich letztlich nachteilig auf die Entwicklung ihrer Laufbahn auswirken kann .

27 . Meiner Ansicht nach lässt sich dies im vorliegenden Fall jedoch nicht feststellen . Zum einen findet man im schriftlichen und mündlichen Vorbringen der Beklagten Ausführungen darüber, wie die Klägerin ihre Aufgaben in den Jahren 1975-1977 und 1981-1983 wahrgenommen hat, die nicht in ihrer Beurteilung zum Ausdruck gekommen sind, die aber wohl zeigen, daß der Beklagten eine vollständige Begründung der neuen Beurteilungen möglich ist . Zum anderen ist zu berücksichtigen, daß die Kommission, die dabei ist, eine neue Beurteilung für 1977-1979 auszuarbeiten, bereits über diese verfügen dürfte, wenn sie in Durchführung eines Nichtigkeitsurteils in der vorliegenden Rechtssache eine Berichtigung der Beurteilung für 1981-1983 vornehmen und dabei einen Vergleich zwischen den beiden Beurteilungen anstellen wird .

28 . C - In Anbetracht meiner vorstehenden Schlußfolgerung brauche ich die Prüfung der beiden anderen, von der Klägerin incidenter aufgeworfenen Fragen nicht zu vertiefen .

29 . Die erste bezieht sich darauf, daß die Anstellungsbehörde, obwohl die Klägerin darauf bestanden habe, es nicht für notwendig gehalten habe, ihre dienstliche Stellung in ihrer neuen dienstlichen Verwendung zutreffend und genau festzulegen . Abgesehen davon, daß diese Behauptung sehr vage formuliert und in keiner Weise bewiesen ist, ist davon auszugehen, daß über sie durch das Urteil Turner vom 12 . Januar 1984 entschieden worden ist .

30 . Die zweite Frage bezieht sich darauf, daß die Klägerin, die Ärztin ist, von einem Beamten, der nicht Arzt ist und der insbesondere die Befähigung der Klägerin zu bewerten hatte, beurteilt worden ist .

31 . Dazu nur folgendes :

a ) Keine Vorschrift des Statuts oder des Vertrags schreibt vor, daß der Vorgesetzte eines Beamten der gleichen Fachrichtung angehören oder die gleiche Hochschulausbildung haben muß wie sein Untergebener, um ihn nach den geltenden Regeln beurteilen zu können;

b ) in jeder Verwaltung ist es üblich, daß einem Vorgesetzten Beamte verschiedener akademischer oder nichtakademischer Fachrichtungen unterstehen, ohne daß er dadurch daran gehindert wäre, ihre Arbeit nach den jeweiligen Ergebnissen im Rahmen der von der Verwaltung verfolgten Ziele zu beurteilen; c )

wie sich auch aus dem Urteil Turner*(4 ) selbst ergibt, darf man "die Beurteilungsfreiheit, die dem Arzt *... sowohl bei der Diagnose als auch im Hinblick auf die ärztlichen Entscheidungen zuzuerkennen ist", nicht "mit der besonderen Stellung des Arztes, der in einer Behörde beratende Aufgaben erfuellt oder Untersuchungen vornimmt", verwechseln; dabei ist es Sache der Verwaltung, die Art und die Leitlinien dieser Tätigkeit zu bestimmen und zu beurteilen; eine Einschränkung besteht hier nur insoweit, als sie die Unabhängigkeit des Urteils und der Entscheidung der von ihr angestellten Ärzte nicht beeinträchtigen darf .

Zweiter Antrag : Schadensersatz wegen der bei der Erstellung der Beurteilungen für 1981-1983 eingetretene Verspätung

32 . Die Klägerin stützt sich auch in diesem Punkt auf Randnummer 36 des Urteils Castille und vertritt die Auffassung, sie brauche die Art des erlittenen Schadens nicht konkret zu belegen; sie beschränkt sich darauf, den Schaden für die Entwicklung ihrer Laufbahn geltend zu machen, der nach ihrer Auffassung nicht nur im Rahmen des vorliegenden Verfahrens, sondern auch im Rahmen der zwischen den beiden Parteien seit 1978 bestehenden Rechtsstreitigkeiten zu beurteilen ist .

33 . Wie man sich erinnern wird, ist der Gerichtshof im Urteil Castille zu der Auffassung gelangt, daß die bei der Erstellung der Beurteilung des Klägers eingetretene Verspätung mit den "Grundsätzen einer ordnungsgemässen Verwaltung" nicht vereinbar war, und hat festgestellt : "Da die Kommission im Rahmen des Beamtenstatuts für die Ordnungsmässigkeit der Verfahren, nach denen ihre Beamten beurteilt werden, verantwortlich ist, hat sie die finanziellen Folgen, die sich aus einem solchen Amtsfehler ergeben, zu tragen" ( Randnr.*34 ).

34 . Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzes setzt jedoch nach Auffassung des Gerichtshofes*(5 ) grundsätzlich voraus, daß irgendein Zusammenhang zwischen dem für die Laufbahninteressen der Klägerin nachteiligen Umstand zum einen und dem Fehlen einer Beurteilung in dem Zeitpunkt nachgewiesen wird, in dem Entscheidungen getroffen wurden, die sich auf diese Laufbahn auswirken konnten ( Randnr.*35 ).

35 . Ist jedoch aus Randnummer*36 des Urteils Castille der Schluß zu ziehen, daß sich der Anspruch auf nach billigem Ermessen festgesetzten Schadensersatz schlicht und einfach aus der der Verwaltung anzulastenden Verspätung bei der Erstellung der Beurteilung ergibt, ohne daß es auf eine andere Voraussetzung ankommt, deren Vorliegen der Beamte nachzuweisen hätte?

36 . Dies ist meiner Ansicht nach nicht der Fall .

37 . Ich räume ein, daß sich aus der bereits zitierten Passage des Urteils Castille ergibt, daß der Beamte nicht nachzuweisen braucht, daß das Fehlen der Beurteilung den Erlaß einer günstigen Entscheidung verhindert hat, die andernfalls getroffen worden wäre . Mit anderen Worten braucht der Beamte nicht nachzuweisen, daß zwischen dem Fehlen der Beurteilung zum einen und dem Erlaß einer nachteiligen Entscheidung oder dem schlichten Fehlen einer ihm günstigen Entscheidung zum anderen ein Kausalzusammenhang besteht .

38 . Meiner Meinung nach - und nach Auffassung der Kommission - ist der Beamte aber nicht davon befreit nachzuweisen, daß während des Zeitraums, während dessen die Beurteilung fehlte, laufbahnrelevante Entscheidungen getroffen worden sind oder hätten getroffen werden müssen, und zwar Entscheidungen, die durch das Fehlen der Beurteilung in irgendeiner Weise hätten beeinflusst werden können .

39 . Das war in der Rechtssache Castille der Fall : Als die mit erheblicher Verspätung erstellte Beurteilung noch fehlte, waren Entscheidungen über Beförderungen getroffen worden, in die der Kläger, Herr Castille, nicht einbezogen worden war ( Randnrn . 9 und 31 ). Der Gerichtshof war deshalb "unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles" ( Randnr . 37 ) der Auffassung, daß ein nach billigem Ermessen zu schätzender Schaden bestand .

40 . Dagegen hat die Klägerin im vorliegenden Fall nicht nachweisen können, daß irgendeine die Entwicklung ihrer Laufbahn betreffende Entscheidung während des Zeitraums, während dessen die Beurteilung noch nicht endgültig erstellt worden war, getroffen worden ist oder hätte getroffen werden müssen, und zwar eine Entscheidung, auf die das Fehlen der Beurteilung sich hätte auswirken können .

41 . Der Hinweis auf die Beförderung eines anderen Arztes nach Besoldungsgruppe A*3 als Leiter des Ärztlichen Dienstes der Kommission in Brüssel erscheint vage formuliert; die Klägerin bringt diese Beförderung mit ihrem "Ausschluß" aus diesem Ärztlichen Dienst und nicht mit der bei der Erstellung der Beurteilung eingetretenen Verspätung in Zusammenhang . Diese Beförderung erfolgte im übrigen lange vor dem Zeitraum, auf den sich die gegenwärtig angefochtene Beurteilung erstreckt, und der Gerichtshof hat bereits entschieden, daß sie rechtmässig war und keinen Anlaß bot, den Nichtigkeitsklagen stattzugeben, in deren Rahmen sie angeführt worden war ( 6 ).

42 . Ausserdem ist zu berücksichtigen, daß die Beurteilung des Klägers in der Rechtssache Castille mit erheblich grösserer Verspätung endgültig bestätigt worden war als in der vorliegenden Rechtssache, da sie etwa vier Jahre nach dem Ende des Zeitraums, auf den sich die Beurteilung bezog, abgegeben wurde ( Randnr.*33 ).

43 . Dies alles bedeutet letztlich, daß der Antrag auf Entschädigung wegen verspäteter Erstellung der Beurteilung für den Zeitraum 1981-1983 meiner Ansicht nach zurückzuweisen ist .

44 . Diese Schlußfolgerung drängt sich mir auch im Lichte der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofes auf, die sich aus dem Urteil Vincent der Vierten Kammer ( 7 ) ergibt; diese hat eine Schadensersatzklage abgewiesen, die auf die verspätete Erstellung der Beurteilung und auf deren anfängliches Fehlen in dem Zeitpunkt gestützt war, in dem über ein Beförderungsverfahren entschieden worden war, bei dem der Kläger beteiligt war . Trotz des angeblichen immateriellen und psychologischen Schadens war der Gerichtshof der Auffassung, daß der Kläger keinen Schaden erlitten hatte, da seine Personalakte später ergänzt und die Entscheidungen über die Beförderungen im Lichte der neuen Gesichtspunkte überprüft und bestätigt worden waren; aus diesen Gründen wollte der Gerichtshof ( Randnr . 25 ) die Unterschiede gegenüber der Rechtsprechung im Urteil Geist vom 14 . Juli 1977 ( 8 ) deutlich hervorheben, in der es um das vollständige Fehlen mehrerer den Kläger betreffender Beurteilungen ging und schwierig oder sogar unmöglich war, diesem Mangel "angesichts der inzwischen verstrichenen Zeit, der anderweitigen Verwendung oder des Ausscheidens der für die Beurteilung verantwortlichen Beamten" ( 9 ) abzuhelfen .

Dritter Antrag : Schadensersatz wegen Fehlens jeglicher Beurteilung zwischen 1977 und 1981

45 . Prüfen wir zunächst den Antrag, der sich auf das Fehlen der Beurteilung für den Zeitraum 1979-1981 bezieht .

46 . Während dieses Zeitraums übte die Klägerin neue Aufgaben aus, die ihr von der Verwaltung zugewiesen worden waren; die entsprechenden Entscheidungen sind jedoch, wie wir wissen, durch das Urteil vom 9.*Juli 1981 wegen Ermessensmißbrauch aufgehoben worden . Angesichts dessen schlug der Leiter der Generaldirektion Personal und Verwaltung der Klägerin, die sich damit einverstanden erklärte, vor, die Beurteilung für 1979-1981 nicht zu erstellen, wie aus den zu den Akten gegebenen Unterlagen hervorgeht .

47 . Obwohl es sich dabei um einen eigenartigen Vorschlag handelt, der sich aus den Umständen des Falles erklären lässt, muß ich doch zu der Schlußfolgerung gelangen, daß der Antrag der Klägerin, was diesen Zeitraum angeht, nicht begründet ist, da es nicht legitim ist, daß die Klägerin sich heute auf ihre früher gegebene Zustimmung beruft, um die Folgen dieser Zustimmung zu beanstanden .

48 . Was das Fehlen der Beurteilung für den Zeitraum 1977-1979 betrifft, ist das Problem schon etwas schwieriger . Wie wir wissen, ist die erste für diesen Zeitraum erstellte Beurteilung durch das Urteil vom 21 . März 1985 aufgehoben worden ( Rechtssache 263/83 ).

49 . Zur Durchführung dieses Urteils gemäß Artikel 176 Absatz 1 EWG-Vertrag hätte die Kommission eine neue Beurteilung erstellen und dabei den Gesichtspunkten Rechnung tragen müssen, die zuvor nicht berücksichtigt worden waren .

50 . Dies war jedoch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Rechtssache ( am 2.*Juli 1987 ), d.*h . mehr als zwei Jahre nach dem Urteil des Gerichtshofes, noch nicht geschehen . In dieser mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der Kommission lediglich mitgeteilt, daß ein Beurteilungsentwurf gerade erstellt worden sei und daß die Klägerin ihn in Kürze erhalten werde .

51 . Dies ist meiner Ansicht nach mit den Grundsätzen ordnungsgemässer Verwaltung, an die die Kommission sowohl in den Beziehungen zu ihren Beamten als auch bei der Durchführung von Urteilen des Gerichtshofes gebunden ist, absolut unvereinbar .

52 . Zum letztgenannten Punkt hat der Gerichtshof bereits eingeräumt ( 10 ), daß "ein Nichtigkeitsurteil, das bestimmte Verwaltungsmaßnahmen erforderlich macht, normalerweise nicht sofort vollzogen werden kann ". Deshalb ist der Kommission, wie es auch Artikel 34 Absatz 2 EGKS-Vertrag ausdrücklich vorsieht, eine "angemessene Frist" einzuräumen, um einem Urteil nachzukommen, durch das eine im Rahmen des EWG-Vertrags getroffene Entscheidung aufgehoben worden ist .

53 . Im vorliegenden Fall ist jedoch davon auszugehen, daß die bei der Erstellung der neuen Beurteilung eingetretene Verspätung bei weitem über das hinausgeht, was sich als eine "angemessene Frist" ansehen lässt, ohne daß sich die Tatsache als Rechtfertigung heranziehen ließe, daß die Klägerin keinen Antrag in diesem Sinne gestellt hat, da es Sache der Kommission ist, von Amts wegen die zur Durchführung des Urteils erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen .

54 . Was die Stellung der Klägerin und ihren Schadensersatzantrag betrifft, ist festzustellen, daß das Vorbringen, wonach das fortdauernde Fehlen der neuen Beurteilung für 1977-1979 geeignet war, die normale Entwicklung ihrer Laufbahn zu beeinträchtigen, begründet ist . In Anbetracht der Art der Gesichtspunkte ( günstige Meinung des früheren Vorgesetzten der Klägerin ), deren Fehlen den Gerichtshof dazu veranlasst hat, die Beurteilung aufzuheben, wird die Beurteilung, die an die Stelle der früheren Beurteilung treten muß, insgesamt zwangsläufig eine günstigere Bewertung der Klägerin enthalten als die frühere Beurteilung . Dies ist im Urteil Turner vom 21 . März 1985 ausdrücklich festgestellt worden ( Randnr.*21 ).

55 . Die Beurteilung für 1981-1983 ist also ausgearbeitet worden, als die günstigen Bewertungen durch den ersten Vorgesetzten der Klägerin, die sich aus der Beurteilung für 1977-1979 hätten ergeben müssen, fehlten . Die Berücksichtigung dieser Bewertungen könnte nicht nur dazu beitragen, ein besseres Bild von der früheren Laufbahn der Klägerin zu geben, sondern damit läge ausserdem eine gültige Beurteilung vor, die bereits nach dem neuen Beurteilungssystem erstellt worden ist; dies würde verhindern, daß die Änderung des Systems als Erklärung dafür herangezogen wird, daß die Änderungen der Einzelbewertungen nicht begründet worden sind .

56 . Unter diesen Voraussetzungen und insoweit lässt sich meiner Ansicht nach die im Urteil Castille festgelegte Leitlinie in vollem Umfang übertragen, da die Beurteilung zu dem Zeitpunkt fehlte, zu dem für die Laufbahn der Klägerin wichtige Entscheidungen getroffen wurden ( Erstellung der Beurteilung für 1981-1983 ).

57 . Unter diesen Voraussetzungen und wiederum unter Berücksichtigung der Regelung in Artikel 34 Absatz 2 EKS-Vertrag (" Ergreift die Hohe Behörde nicht innerhalb einer angemessenen Frist die Maßnahmen, die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergeben, so kann vor dem Gerichtshof auf Schadensersatz geklagt werden "), schlage ich Ihnen vor, die Kommission zu verurteilen, der Klägerin eine nach billigem Ermessen auf 25*000*BFR festgesetzte Entschädigung zu zahlen .

Vierter Antrag : Verurteilung der Kommission zur Zahlung eines symbolischen Franc als Ersatz des Schadens, der dadurch verursacht worden sein soll, daß die auf die Änderung der Beurteilung für den Zeitraum 1981-1983 gerichtete Beschwerde der Klägerin nicht beantwortet wurde

58 . Trotz der Anstrengungen, die die Klägerin über ihren Rechtsanwalt unternahm, und der Kontakte, die die Klägerin auf Betreiben der Verwaltung selbst mit dem für die Bearbeitung ihrer Angelegenheiten zuständigen Beamten hatte, hat die Kommission es nicht für nötig gehalten, auf die Beschwerde zu antworten, die die Klägerin am 20 . Dezember 1985 eingelegt hat . Die Kommission hat also nicht von der Möglichkeit Gebrauch machen wollen - oder können *-, während der administrativen Phase des in Artikel 90 und 91 des Statuts vorgesehenen Verfahrens eine Antwort zu geben, um die Anrufung des Gerichtshofes gegebenenfalls zu vermeiden .

59 . Unter diesem Gesichtspunkt einer geordneten Rechtspflege kann man dies nur bedauern .

60 . Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Antrag als begründet angesehen werden müsste : Nach der Vorschrift selbst ( Artikel 90 Absatz 2 Unterabsatz 2 ) liegt bei Ablauf der Frist für die Beantwortung der Beschwerde eine stillschweigende Zurückweisung vor; andere Folgen der Nichtbeantwortung sind nicht vorgesehen oder vorgeschrieben . Da diese einer stillschweigenden Zurückweisung gleichkommt, gegen die nach den Voraussetzungen des Artikels 91 eine Klage zulässig ist, ist das Recht der Klägerin auf Verteidigung ihrer Interessen in vollem Umfang gewahrt, und ihre Rechtsstellung wird nicht stärker beeinträchtigt, als sie es bei einer ausdrücklichen Zurückweisung der Beschwerde wäre .

61 . III - Aus den genannten Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor :

a ) die Entscheidung vom 19 . September 1985, durch die die endgültige Beurteilung der Klägerin für den Zeitraum 1981-1983 bestätigt worden ist, aufzuheben;

b ) die Kommission zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 25*000*BFR als nach billigem Ermessen festgesetzten Ausgleich des Schadens zu verurteilen, der der Klägerin durch das anhaltende Fehlen der Beurteilung für den Zeitraum 1977-1979 entstanden ist;

c ) die Klage, was die anderen Klagegründe angeht, für nicht begründet zu erklären;

d ) der Kommission die gesamten Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Klägerin aufzuerlegen, da diese mit ihren Klageanträgen im wesentlichen Erfolg gehabt hat, während die Klageanträge, die als nicht begründet angesehen worden sind, durch das Verhalten der Kommission veranlasst worden sind, das aus dem Gesichtspunkt der wünschenswerten Sorgfalt und der Erfordernisse einer ordnungsgemässen Verwaltung bedenklich ist .

(*) Aus dem Portugiesischen übersetzt .

( 1 ) Siehe die jüngere Rechtsprechung, z.*B .: Urteil vom 25 . März 1982 in der Rechtssache 98/81, Munk/Kommission, Slg . 1981, 1155, insbesondere Randnr . 8; Urteil vom 1.*Juni 1983 in den verbundenen Rechtssachen 36, 37 und 218/81, Seton/Kommission, Slg . 1983, 1789, Randnr . 13; Urteil vom 21 . März 1985 in der Rechtssache 263/83, Turner/Kommission, Slg . 1985, 893, Randnr.*16 .

( 2 ) Siehe Urteil Turner, a.*a.*O ., Randnr.*16 .

( 3 ) Urteil vom 6.*Februar 1986 in den verbundenen Rechtssachen 173/82, 157/83 und 186/84, Castille/Kommission, Slg . 1986, 497, Randnr.*36 .

( 4 ) Urteil vom 9.*Juli 1981 in den verbundenen Rechtssachen 59 und 129/80, Randnrn . 40, 41 und*46 .

( 5 ) Urteil Castille, a.*a.*O ., Randnr.*35 .

( 6 ) Urteil Turner vom 9.*Juli 1981, a.*a.*O ., Randnrn . 47 und 49 .

( 7 ) Urteil vom 10 . Juli 1987 in der Rechtssache 7/87, Vincent/Europäisches Parlament, Randnrn . 26 und 27; siehe auch meine Schlussanträge vom 1.*April 1987 in derselben Rechtssache, Randnr.*62 .

( 8 ) Rechtssache 61/76, Geist/Kommission, Slg . 1977, 1419 .

( 9 ) Urteil Geist, a.*a.*O ., Randnr.*47 .

( 10 ) Urteil vom 12 . Januar 1984 in der Rechtssache 266/82, Turner, a.*a.*O ., Randnr.*5 .