61986C0014

Schlussanträge des Generalanwalts Mancini vom 17. März 1987. - PRETORE DI SALO' GEGEN X. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VON DER PRETURA DI SALO'. - VORABENTSCHEIDUNG - UMWELTVERSCHMUTZUNG. - RECHTSSACHE 14/86.

Sammlung der Rechtsprechung 1987 Seite 02545
Schwedische Sonderausgabe Seite 00111
Finnische Sonderausgabe Seite 00111


Schlußanträge des Generalanwalts


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Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1 . Der Pretore von Salò ( Provinz Brescia ) ersucht Sie im Rahmen eines gegen Unbekannt eingeleiteten Strafverfahrens um Auslegung der Richtlinie 78/659 des Rates vom 18 . Juli 1978 über die Qualität von Süßwasser, das schutz - oder verbesserungsbedürftig ist, um das Leben von Fischen zu erhalten ( ABl . L*222, S.*1 ). Das vorlegende Gericht möchte wissen, a)*ob das italienische Recht auf dem Gebiet des Schutzes der Gewässer vor Verschmutzung den Grundsätzen und Qualitätszielen dieser Richtlinie entspricht; b)*ob die Vorschriften der Richtlinie die Verpflichtung begründen, den für das Überleben der geschützten Fischarten unerläßlichen Mindestwasserstand zu erhalten .

2 . Am 5.*Juli 1984 ging bei der Pretura Saló ein Schriftsatz des "Gruppo ecologico pescatori per la salvaguardia del fiume Chiese" ein . Diese Vereinigung zeigte damit vor allem zahlreiche Fälle von Fischsterben an, die in dem Wasserlauf beobachtet worden waren, der zwischen dem Idro-See und dem Fluß Oglio durch das Gebiet (" mandamento ") verläuft, auf das sich die Zuständigkeit dieses Gerichts erstreckt; sie führte dann aus, der Grund für dieses Phänomen seien vor allem die starken und plötzlichen Schwankungen des Wasserstands des Flusses Chiese, die durch die zahlreichen zur Bewässerung und zur Stromerzeugung errichteten Dämme herbeigeführt würden; die Vereinigung forderte schließlich, daß gegen die Konzessionäre oder jedenfalls gegen die Verantwortlichen derartiger Wasserableitungen Maßnahmen ergriffen würden, und zwar nicht nur zum Schutz des Fischbestands, sondern auch aus hygienischen Erwägungen und solchen des Umweltschutzes .

Im Vorlagebeschluß wird ausgeführt, daß die in der Anzeige geschilderten Handlungen eine Reihe von Vergehens - und Übertretungstatbeständen erfuellen . Die Vergehenstatbestände - schwere Gewässerschädigung, Umleitung von Gewässern und Veränderung des Zustands von Gewässern - sind in den Artikeln 635, 625 Absatz 7 und 632 des italienischen Strafgesetzbuches geregelt . Die Übertretungstatbestände finden sich in drei Gruppen von Vorschriften : in den Artikeln 6 und 33 des Testo unico der Fischereigesetze Kkönigliches Dekret Nr . 1604 vom 8.*Oktober 1931 ), in Artikel 21 des Gesetzes Nr . 319 vom 10 . Mai 1976, der die Einleitung von für Fische schädlichen Stoffen im Rahmen von Vorschriften zum Schutz der Gewässer die Verschmutzung unter Strafe stellt, und in den Artikeln*25 bis 29 des Dekrets des Präsidenten der Republik Nr . 915, mit dem der italienische Gesetzgeber die Ratsrichtlinien 75/442 über Abfälle, 76/403 über die Beseitigung polychlorierter Biphenyle und Terphenyle sowie 78/319 über giftige und gefährliche Abfälle umgesetzt hat .

Auf dieser Grundlage leitete der Pretore - der, wie wir später genauer sehen werden, auch Aufgaben der Staatsanwaltschaft wahrnimmt - ein Strafverfahren ein und nahm einige Vorermittlungshandlungen vor . Genauer gesagt zog er drei Schriftsätze heran, die ihm andere Fischervereinigungen einige Jahre zuvor zugeschickt hatten und die er den Akten eines am 31 . Dezember 1982 eingestellten Verfahrens entnahm : In diesen Schriftsätzen hieß es, daß der Chiese für die Fortpflanzung von Lachsen besonders geeignet sei, und es wurde darüber geklagt, daß aus ihm übermässig viel Wasser für die Bewässerung oder die Erzeugung von elektrischer Energie entnommen werde und daß die Industrie und die Städte schädliche Stoffe in ihn einleiteten . Daneben forderte der Pretore die Bürgermeister der am Fluß liegenden Gemeinden auf, ihm weitere Informationen über den Zustand des Wasserlaufs zu liefern .

An diesem Punkt entwickelte der Richter den Syllogismus, der der Ausgangspunkt unserer Rechtssache ist; er vertrat nämlich die Auffassung, a)*daß die strafrechtliche Verantwortung für die Verschlechterung des Zustands des Flußbetts des Chiese und insbesondere für die regelmässig wiederkehrende Zerstörung des Fischbestands nur auf der Grundlage und im Lichte von Rechtsvorschriften bestimmt werden könne, in denen die Gewässer spezifisch als Lebensraum von Fischen angesehen würden; b)*daß derartige Vorschriften in der Richtlinie 78/659 enthalten seien; c)*daß es zweifelhaft sei, ob das italienische Recht des Gewässerschutzes - das sich aus dem Gesetz Nr . 319 aus dem Jahre 1976 mit den späteren Ergänzungen und Änderungen sowie aus anderen Gesetzen des Staates und der Region Lombardei über den Umweltschutz ergebe - mit dieser Richtlinie vereinbar sei, auch was den "Schutz der von den Gewässern geführten Wassermenge im Verhältnis zu der blossen Existenz der aquatischen Umwelt als Lebensraum für Fische" angehe .

Nach Auffassung des Pretore steht die genannte Richtlinie daher aus mindestens drei Gründen im Mittelpunkt des von ihm eingeleiteten Verfahrens : weil sie die "wesentliche Prämisse" für die Kriterien sei, nach denen die Untersuchung ablaufen müsse, weil sie "ausschlaggebende Bedeutung" als "Voraussetzung der geltenden strafrechtlichen Regelung" habe und weil sich aus ihr "unbestreitbar eine Erweiterung des strafrechtlich geschützten Bereichs" ergeben könne . Diese Überzeugung hat ihn veranlasst, das Verfahren auszusetzen und Ihnen mit Beschluß vom 13 . Januar 1986 folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen :

"1 ) Entspricht das derzeitige Recht der Italienischen Republik auf dem Gebiet des Schutzes der Gewässer vor Verschmutzung den Grundsätzen und Qualitätszielen der Richtlinie 78/659/EWG über die Qualität von Süßwasser, das schutz - oder verbesserungsbedürftig ist, um das Leben von Fischen zu erhalten?

2 ) Erfordern diese Qualitätsziele nicht eine umfassende Bewirtschaftung der Gewässer und damit eine Garantie hinsichtlich des Wasserabflusses und der Wassermenge, also für stehende und fließende Gewässer den Erlaß von Bestimmungen, durch die sichergestellt wird, daß jederzeit genügend Wasser zufließt, um den für die Entwicklung der verschiedenen Fischarten unerläßlichen Mindestwasserstand zu erhalten?"

3 . In ihren schriftlichen Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung haben die italienische Regierung und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Auffassung vertreten, das gesamte Vorabentscheidungsersuchen, jedenfalls aber die erste Frage, sei unzulässig . Was das Vorabentscheidungsersuchen angeht, stützt sich das Vorbringen der beiden Verfahrensbeteiligten a)*auf die Stellung des Pretore im Rahmen des Strafverfahrens, b)*auf das Verfahrensstadium, in dem die Vorlage erfolgt ist, und c)*auf den Umstand, daß das Ausgangsverfahren sich gegen Unbekannt richtet .

Beginnen wir mit den unter a und b genannten Problemen, die eng miteinander verknüpft sind . Die italienische Regierung zweifelt daran, daß in unserem Fall die Voraussetzungen des Artikels 177 Absatz 2 EWG-Vertrag erfuellt sind, und fragt sich insbesondere, ob das Ersuchen von einem echten "Gericht" ausgeht . Der Grund für diese Ungewißheit ist die Ambivalenz der Stellung des Pretore, einer Institution der italienischen Gerichtsverfassung ganz besonderer Art, die Aufgaben der Anklagebehörden mit gerichtlichen Aufgaben in sich vereine . Als er den Gerichtshof angerufen habe, habe der Pretore von Salò das Strafverfahren gerade eingeleitet und einige Vorermittlungshandlungen vorgenommen . Er habe also in seiner Eigenschaft als Staatsanwalt und demnach als Partei gehandelt, und es liege auf der Hand, daß eine Partei keine Auslegungsfragen stellen könne . Richter sei der Pretore jedenfalls nicht gewesen . Wenn der Gerichtshof ihm nämlich eine Antwort gebe, die ihn veranlasse, die Strafbarkeit der Wasserableitungen auszuschließen, werde er das Verfahren einstellen müssen . Der entsprechende Beschluß könne aber keine Rechtskraft erlangen, er könne auch aufgrund einer anderen Beurteilung des bereits bekannten Sachverhalts aufgehoben werden und brauche nicht begründet zu werden; damit sei für ihn nicht gewährleistet, was Artikel 111 der Verfassung für Rechtsprechungsakte im eigentlichen Sinne vorschreibe ( siehe Corte di Cassazione, V . Strafkammer, Urteil Nr . 688 vom 6.*Dezember 1984, Cassazione penale, 1985, S.*1130 ).

Dies sei aber unter dem Gesichtspunkt b noch nicht alles . An der Verfahrenslage, in der der Pretore die Fragen formuliert habe, falle am stärksten ihre, um es so auszudrücken, Unausgereiftheit auf : Die Lage sei nämlich noch im Fluß oder besser im Werden und weit davon entfernt, irgendein auch nur vorläufiges Ergebnis erkennen zu lassen . Bei diesem Stand der Dinge fehle sogar die Festlegung einer Anklage : Dieser Mangel beruhe wohlgemerkt nicht so sehr auf einem subjektiven Faktor ( die Verantwortlichen für die Wasserableitungen seien in Wirklichkeit allgemein bekannt ) als vielmehr auf einem objektiven Gesichtspunkt, nämlich der Ungewißheit darüber, ob der Sachverhalt die Tatbestände von Vergehen und von Übertretungen erfuellt .

Im Ergebnis ist die italienische Regierung der Auffassung, daß das Vorabentscheidungsersuchen, das in einem Stadium vorgelegt worden sei, in dem kein Richter tätig sei, und das eindeutig zum Vorverfahren gehöre, verfrüht und daher sogar fehlerhaft sei . Diese Vorlage nämlich entziehe die Anwendung des in Artikel 177 vorgesehenen gemeinschaftsrechtlichen Mechanismus dem Stadium des Prozesses im eigentlichen Sinne .

4 . Nach Ihrer Rechtsprechung ist dieser Auffassung nicht zu folgen . Sie steht in grundsätzlichem Widerspruch zu den Entscheidungen, in denen festgestellt wird, daß der Begriff "Gericht" im Sinne von Artikel 177 gemeinschaftsrechtlichen Charakter hat ( Urteile vom 30 . Juni 1966 in der Rechtssache 61/65, Vaassen-Göbbels/Beambtenfonds voor het Mijnbedrijf, Slg . 1966, 584, vom 27 . November 1973 in der Rechtssache 36/73, NV Nederlandse Spoorwegen/Minister van Verkeer en Waterstaat, Slg . 1973, 1299, und vom 6.*Oktober 1981 in der Rechtssache 246/80, Brökmeulen/Huisarts Registratie Commissie, Slg . 1981, 2311 ). Dieser Grundsatz und der daraus folgende Umstand, daß nicht auf die Voraussetzungen abgestellt werden kann, die ein Rechtsakt erfuellen muß, um nach den Rechten der verschiedenen Staaten Rechtsprechungscharakter zu haben, machen zum Beispiel das Argument, das aus der Rechtsnatur des Einstellungsbeschlusses hergeleitet wird, gänzlich unerheblich . Die Unhaltbarkeit dieses Arguments liegt aber auch auf der Hand, wenn man die Gegebenheiten berücksichtigt, die uns das italienische Recht bietet : Bei den Straftaten, für die das Tribunale und die Corte d' assise zuständig sind, steht nämlich die Befugnis, das Verfahren einzustellen, in der gleichen Ausgestaltung und mit den gleichen Wirkungen dem Untersuchungsrichter zu, das heisst einem Organ, dessen eindeutige Zugehörigkeit zur Gerichtsbarkeit keinem Zweifel unterliegt .

Ausschlaggebend ist aber ein anderer Punkt . Die Kriterien, nach denen der gemeinschaftsrechtliche Begriff des "Gerichts" bestimmt wird, könnten nicht weiter gefasst sein; dies erklärt, warum der Gerichtshof die Befugnis, ihn um Vorabentscheidung zu ersuchen, nationalen Gerichten jeder Art zuerkannt, und dabei Art und Zweck der Verfahren, in denen sie die Frage stellen, oder die mehr oder weniger ausgeprägt richterliche "Robe", die sie bei der Stellung der Frage anlegen, ausser acht gelassen hat . Zu dieser Gruppe gehören die italienischen Pretori im Strafverfahren mit vollem Recht; es ist ohne Bedeutung, ob sie Ihnen ihre Fragen als Richter oder als Ankläger stellen, da die jeweiligen Funktionen sich überlagern, miteinander verflochten sind und zu einem unteilbaren Ganzen verschmelzen . Der Pretore - so ist recht zutreffend geschrieben worden - ist eine Person, dem die Gerichtsverfassung die Stellung eines Richters einräumt und die in dieser Funktion "die Anklage formuliert, durch die das Verfahren eingeleitet wird, die Untersuchung durchführt und die Ermittlungen zu Lasten und zur Entlastung des Angeklagten vornimmt, darauf bedacht ist, die Beschuldigungen zu präzisieren, über die Begründetheit der Anklage entscheidet, indem sie entweder die Ladung des Angeklagten zur Verhandlung anordnet oder die Einstellung des Verfahrens ausspricht, und die in der Hauptverhandlung ... eine ausschlaggebende Rolle (( spielt ))" ( Dominioni, Parte : "Diritto processuale penale", in Enciclopedia del diritto, Vol . XXXI, Mailand, 1981, S.*957 ).

Gewiß können diese Ausnahmen von dem Grundsatz "ne procedat iudex ex officio", diese Konzentration von bis zur Unvereinbarkeit heterogenen Befugnissen bei demselben Organ und der Umstand, daß dieses sie in einer einzigen funktionalen Tätigkeit vereinigt, Ablehnung hervorrufen . Mir selbst fällt es schwer, mich mit einem Phänomen abzufinden, das dem Modell des alten Inquisitionsprozesses so nahe ist; die Corte costituzionale - die mit grösserer Autorität ausgestattet ist - hat den Gesetzgeber vor wenigen Monaten aufgefordert, dieses Phänomen aus der Rechtsordnung zu entfernen ( Urteil Nr . 268 vom 10 . Dezember 1986, GURI, 1a, serie speciale, Nr . 60, S.*20 ). Die Versuche, dieses Phänomen dadurch abzumildern, daß man die vom Pretore ausgeuebten Funktionen nach dem Rhythmus seiner Handlungen in der Weise trennt, daß er wieder in das übliche dualistische Schema passt, sind daher verständlich . Dies macht sie aber nicht weniger verfehlt auf dem Gebiet des jus conditum, und, wie ein bekannter Wissenschaftler geschrieben hat, nicht weniger exemplarisch für die Tendenz vieler Juristen, "die Tatsachen, mögen sie sich dem auch noch so sehr widersetzen, zu verfälschen" und "seltsame Formeln zu erfinden, um die Wahrheit zu verschleiern" ( Cordero, Procedura penale, 6 . Auflage, Mailand, 1982, S.*27 ).

Ich räume allerdings ein, daß jemand, der durch die Stellung als "Partei" beeindruckt wird, die dem als Staatsanwalt tätigen Pretore zukommt, diese Bemerkungen nicht für ausreichend hält . Er möge dann nur das Urteil vom 12.*November 1974 in der Rechtssache 32/74 ( Haaga, Slg . 1974, 1201 ) lesen . Der Gerichtshof hat dort seine Anrufung durch ein Gericht als rechtmässig angesehen, das um einen Beschluß auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit ersucht worden war : Bekanntlich ist aber das Gericht in diesem Bereich nicht "Dritter", das heisst kein Aussenstehender im Verhältnis zu den zu schützenden Interessen; zumindest ist diese Frage streitig .

5 . Kommen wir nun zu dem Vorbringen, mit dem das Vorabentscheidungsersuchen deshalb beanstandet wird, weil es zu einem Zeitpunkt ergangen sei, als der Pretore den Sachverhalt noch nicht rechtlich qualifiziert hatte oder besser noch nicht qualifizieren konnte . Dies erinnert stark an die Worte, mit denen Lord Denning den Augenblick bestimmt hat, der für eine Vorlage zur Vorabentscheidung am besten geeignet ist : "As a rule", so hat der englische Richter festgestellt, "you cannot tell whether it is necessary to decide a point until the facts are ascertained . So in general it is best to decide the facts first" ( Bolmer/Bollinger, 1974, 2 All . ER 1226, S.*1235 ).

Sie haben jedoch anders entschieden . So wird im Urteil vom 10.*März 1981 in den verbundenen Rechtssachen 36 und 71/80 ( Irish Creamery Milk Suppliers Association, Slg . 1981, 735, Randnrn . 6 und 7 ) anerkannt, daß es für den Gerichtshof von Vorteil ist, wenn der Richter den "Sachverhalt" und "die ausschließlich nach nationalem Recht zu beurteilenden Rechtsfragen" vor der Vorlage geklärt hat . "Durch diese Erwägungen", so wird hinzugefügt, "wird jedoch keinesfalls das Ermessen" des vorlegenden Gerichts "eingeschränkt ". Da dieses allein "über eine unmittelbare Kenntnis des Sachverhalts und der von den Parteien vorgetragenen Argumente verfügt und die Verantwortung für die zu fällende Entscheidung zu tragen hat", besitzt es nämlich "die besseren Voraussetzungen für die Beurteilung der Frage *..., in welchem Verfahrensstadium es einer Vorabentscheidung ... bedarf ". Die Wahl des geeigneten Zeitpunkts für die Vorlage des Ersuchens hängt daher "von Gesichtspunkten der Prozessökonomie ab, die abzuwägen Sache des nationalen Gerichts ist" ( Randnr . 8; siehe auch Urteil vom 10 . Juli 1984 in der Rechtssache 72/83, Campus Oil Ltd . u.*a ., Slg . 1984, 2727, Randnr.*10 ).

Meiner Meinung nach steht diese Auffassung in vollem Einklang mit dem Geist des Artikels 177; ausserdem wird sie von der herrschenden Lehre geteilt ( siehe Wälbrök : "Commentaire à l' article 177", in AA.VV ., Le droit de la Communauté économique européenne, Brüssel, 1983, Vol . 10, Tome 1, S.*208 ) und stimmt mit derjenigen der italienischen Corte costituzionale überein . Genau in bezug auf die Frage, mit dem wir uns gerade befassen, sind nämlich im Urteil Nr . 104 vom 18 . April 1974 ( Giurisprudenza costituzionale, 1974, I, S.*878 ) Vorlagebeschlüsse als zulässig angesehen worden, die von einem Pretore in limine litis oder sogar vor Einleitung des Strafverfahrens und vor Beginn der Ermittlungen erlassen worden sind .

6 . Der dritte Grund, aus dem das Ersuchen des Pretore von Salò unzulässig sein soll, liegt in dem Stadium, in dem sich das Ausgangsverfahren befindet, und ist vor allem von der Kommission vorgebracht worden . Ihrer Ansicht nach führt der Umstand, daß es sich um ein Verfahren gegen Unbekannt handelt, alternativ zu zwei Folgen, die beide unannehmbar seien, nämlich entweder dazu, daß das Urteil des Gerichtshofes praktisch nutzlos werde, oder dazu, daß es beim Gerichtshof zu einer schwerwiegenden Beschränkung des rechtlichen Gehörs komme .

Zwar habe es der Gerichtshof, wie die Kommission zunächst vorträgt, vor zehn Jahren nicht abgelehnt, dem Pretore von Cento zu antworten, obwohl auch dieser den Gerichtshof im Rahmen eines Verfahrens gegen Unbekannt angerufen habe ( Urteil vom 5.*Mai 1977 in der Rechtssache 110/76, Slg . 1977, 851 ). Dieser Richter habe jedoch eine verfahrensrechtliche und jedenfalls präzise Frage gestellt; er habe Sie gefragt, ob die Gemeinschaft in dem von ihm eingeleiteten Verfahren als Verletzte angesehen werden könne und er habe Ihre Auslegung benötigt, um zu entscheiden, ob er die Gemeinschaft von der Einleitung des Verfahrens in Kenntnis zu setzen hätte . Dagegen ersuche der Pretore von Salò Sie darum, ihn durch die Auslegung der Richtlinie 78/659 bei der Feststellung zu unterstützen, ob der von den Fischern seines Gerichtsbezirks angezeigte Sachverhalt unter einen Straftatbestand zu subsumieren sei . Ein solches Ersuchen erinnere aber an die wohlbekannten Fragen, die Ihnen der Pretore von Bra in der Rechtssache 244/80 ( Foglia/Novello; Urteil vom 16 . Dezember 1981, Slg . 1981, 3045 ) vorgelegt habe; auch diese Rechtssache habe nämlich den Geruch des Gekünstelten oder des Vorgetäuschten, und es bestehe, wenn auch unter einem anderen Gesichtspunkt, die konkrete Aussicht, daß Sie nutzlose Arbeit leisteten . Der Grund dafür liege auf der Hand . Es bestehe die Gefahr, daß es dem Pretore nicht gelinge, die Beschuldigten zu ermitteln; in diesem Fall könnte das Verfahren nicht abgeschlossen werden . Der Pretore selbst müsste es nämlich mit einem Einstellungsbeschluß beenden .

In der mündlichen Verhandlung hat sich die Kommission noch zu dem Fall geäussert, daß unser Richter genügend Anhaltspunkte bekomme, um die Verantwortlichen für die im Chiese errichteten Dämme zu ermitteln, und daß der Gerichtshof ausserdem seine zweite Frage in der gewünschten Weise beantworte, nämlich dahin, daß die durch die Richtlinie vorgeschriebenen Qualitätsparameter eine Verpflichtung darstellten, die für das Leben der Fische erforderliche Wassermenge zu erhalten . In einem solchen Fall sei anzunehmen, daß der Pretore die Hauptverhandlung gegen die Beschuldigten wegen einer Straftat - der mißbräuchlichen Wasserableitung - eröffne, für die Artikel 632 des italienischen Strafgesetzbuchs Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und eine Geldbusse bis zu 400*000 LIT vorsehe .

Diese Lage wäre aber noch schwerwiegender als die zuvor ins Auge gefasste . Den für die Errichtung der Dämme Verantwortlichen drohe nämlich eine schwerwiegende Maßnahme, durch die ihnen die persönliche Freiheit entzogen werde, ohne daß sie in der Lage gewesen seien, in das vorliegende Verfahren einzugreifen, sei es, weil der Vorlagebeschluß ihnen nicht habe zur Kenntnis gebracht werden können, sei es, weil sie nach Artikel 20 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes als noch nicht Beteiligte des Ausgangsverfahrens keine Erklärungen hätten abgeben können . Es sei auch nicht gesagt, daß sie diese Möglichkeit in Zukunft in Anspruch nehmen könnten, wenn es zutreffe, daß der Pretore die Auslegungsfrage als bereits beantwortet ansehen könne und sie deshalb nicht mehr erneut vorzulegen brauche . Das vorliegende Ersuchen könne im Ergebnis ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs beeinträchtigen, der hier in der Möglichkeit bestehe, vor dem Gerichtshof die für sie am günstigsten Auffassungen über die Auslegung der Richtlinie 78/659 vorzutragen; weil das Ersuchen geeignet sei, eine so wichtige Garantie zu beschränken, müsse es der Gerichtshof für unzulässig erklären .

7 . Die Argumente der Kommission scheinen mir nicht überzeugender zu sein als diejenigen, die die italienische Regierung vorgebracht hat . So ist das Vorbringen, das sich auf den Anspruch der Beschuldigten auf Gewährung rechtlichen Gehörs bezieht, nur haltbar, wenn man die Besonderheit des Verfahrens nach Artikel 177 und die Stellung, die die Beteiligten in seinem Rahmen innehaben, ausser acht lässt oder bagatellisiert .

Daß das Vorabentscheidungsverfahren sich dem Grundsatz der Regeln des kontradiktorischen Verfahrens entzieht, ist seit langem gesichert . Bereits im Beschluß vom 3.*Juni 1964 in der Rechtssache 6/64 ( Costa/ENEL, Slg . 1964, 1307 ) ist festgestellt worden, daß das Verfahren nach Artikel 177 "kein Streitverfahren zur Entscheidung eines Rechtsstreits, sondern ein besonderes Verfahren" ist, mit dem die Gerichte "die Auslegung von Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts ... beantragen, die auf vor ihnen anhängige Streitsachen anzuwenden sind"; aus diesem Grundsatz ist in der Entscheidung vom 9.*Dezember 1965 in der Rechtssache 44/65 ( Hessische Knappschaft/Singer et Fils, Slg . 1965, 1268 ) die Folgerung gezogen worden, daß "die Parteien keinerlei Initiativrechte ... haben ". Sie haben "nur Gelegenheit zur Äusserung ". ( In gleichem Sinne siehe die Beschlüsse vom 14 . Juli 1971 in der Rechtssache 6/71, Rheinmühlen/Einfuhr - und Vorratsstelle Getreide, Slg . 1971, 719, und vom 18 . Oktober 1979 in der Rechtssache 40/70, Sirena/Eda, Slg . 1979, 3169 ).

Das in dieser Hinsicht - auch wegen des offensichtlichen Bezugs zu unserem Problem - aufschlußreichste Urteil ist jedoch am 16 . Juni 1981 erlassen worden ( Rechtssache 126/80, Salonia/Poidomani und Giglio, Slg . 1981, 1563 ). Das innerstaatliche Gericht hatte Sie um eine Entscheidung über die Vereinbarkeit einer Kollektivvereinbarung mit dem Gemeinschaftsrecht ersucht, deren Vertragspartner - zwei Verbände von Zeitungsverlegern und Zeitungsvertriebsunternehmen - nicht Parteien des Ausgangsverfahrens waren und daher keine Erklärungen einreichen konnten . Sie haben die Auffassung der Beklagten dieses Rechtsstreits, das Ersuchen sei als unzulässig zurückzuweisen, mit einer Begründung verworfen, die vielleicht etwas knapp war, der sich aber entnehmen lässt, daß die Abwesenheit der Unterzeichner der Vereinbarung die Zuständigkeit des Gerichtshofes nicht in Frage stellt, "da die Anwendung von Artikel 177 EWG-Vertrag ausschließlich an das Erfordernis geknüpft ist, den nationalen Gerichten alle sachgemässen Gesichtspunkte des Gemeinschaftsrechts zugänglich zu machen, die sie für den Erlaß ihrer Urteile benötigen" ( Randnr . 8, Hervorhebung von mir ).

Meiner Ansicht nach ist offenkundig, zu welchen theoretischen Ergebnissen der in dieser Weise gezogene Rahmen führt : Adressat Ihrer Auslegungsentscheidung ist nur das vorlegende Gericht, während sich für die Parteien des Ausgangsverfahrens daraus nur mittelbare und rein tatsächliche Folgen ergeben, die durch das innerstaatliche Urteil vermittelt werden, das ihnen gegenüber die einzige Entscheidung mit rechtlicher Wirkung ist . Daraus folgt - um in der italienischen Lehre geläufige Begriffe zu verwenden -, daß sie in Luxemburg nicht Parteien im materiellen Sinne sind, das heisst Hauptakteure des Rechtsstreits, über den zu entscheiden das Gericht aufgerufen ist, sondern Parteien im formellen Sinne . Als eine solche Partei gilt nämlich, wer, ohne notwendigerweise Inhaber des gerichtlich geltend gemachten Rechts zu sein, befugt ist, Prozeßhandlungen vorzunehmen, etwa zur Durchsetzung der Rechte Dritter oder zur richtigen Auslegung der auf den Fall anwendbaren Rechtsnormen ( vgl . in diesem Sinne Ferrari-Bravo : "Commento all' articolo 177", in AA.VV ., Commentario al Trattato CEE, Mailand, 1965, Vol . III, S.*1319, und Monaco : "Le parti nel processo comunitario", in Studi Morelli, Mailand, 1975, S.*574*f .).

Wenn also die Rolle der Parteien im Vorabentscheidungsverfahren in dieser Weise beschränkt ist, wenn Zweck dieses Verfahrens eine Untersuchung ist, die über die rechtlichen Interessen hinausgeht, deren Träger die Parteien sind, weil diese Untersuchung streng objektiv und tendenziell abstrakt den genauen Inhalt der gemeinschaftsrechtlichen Normen feststellen soll - wenn dies alles richtig ist, lässt sich, ich sage es noch einmal, die Möglichkeit, schriftliche Erklärungen einzureichen, kaum als ein Aspekt des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs ansehen . Der Schutz dieser Garantie muß gegebenenfalls im Rahmen des Ausgangsverfahrens gewährleistet werden . Das heisst, daß das innerstaatliche Gericht entscheiden muß, ob die Abwesenheit der Parteien in Luxemburg sich negativ auf ihre Erfolgsaussichten in dem Verfahren vor ihm ausgewirkt hat; wenn es zu der Auffassung gelangt, daß dies der Fall ist, verbietet ihm nichts, dem Gerichtshof die gleichen Fragen erneut zu stellen ( Urteil vom 24 . Juni 1968 in der Rechtssache 29/68, Milch -, Fett - und Eierkontor/Hauptzollamt Saarbrücken, Slg . 1969, 165, Randnr . 3, und in neuerer Zeit der Beschluß vom 5.*März 1986 in der Rechtssache 69/85, Wünsche, Slg . 1986, 947*f ., Randnr . 15; offenkundig wird in den beiden Entscheidungen im übrigen die unter 3 . a.*E . wiedergegebene Auffassung der italienischen Regierung zurückgewiesen ).

8 . Auf noch schwächeren Füssen steht das Vorbringen, daß die Gefahr drohe, daß Ihre Auslegung "inutiliter data" sei . Ich löse mich sogleich von der Parallele, die die Kommission zwischen der vorliegenden Rechtssache und der Rechtssache Foglia/Novello zieht . Gewiß haben in den 60er und 70er Jahren zahlreiche Gerichte der ersten Instanz den Satz "enthusiasm is not and cannot be a judicial virtü" ( Lord Devlin : "Judges and Lawmakers", 39, Modern Law Review ( 1976 ), S.*1*ff .) vergessen und einen abenteuerlichen und bisweilen unverantwortlichen Aktivismus an den Tag gelegt . Dieses Phänomen ist jedoch stark rückläufig, und ich schließe aus, daß der uns vorliegende Fall ein Überbleibsel davon ist . Mit anderen Worten, es ist vorstellbar, daß ein Gericht sich verleiten lässt, dem Gerichtshof eine Frage vorzulegen, die ihm von den Parteien eines mehr oder weniger eindeutig "getürkten" Zivilrechtsstreits gestellt worden ist; daß es aber selbst ein Strafverfahren "türkt", um von Ihnen eine Auslegungsentscheidung zu erhalten und auf deren Grundlage seine persönliche Rechtspolitik zu verwirklichen, scheint mir, offen gesagt, unvorstellbar .

Kommt man zum Kern des Problems, so gerät die Kommission mit ihrer Auffassung bereits durch die sehr restriktive Formulierung in Schwierigkeiten, die der Gerichtshof zur Definition der Fälle verwendet hat, in denen eine Entscheidung durch ihn wirklich nutzlos ist : Ein solcher Fall - so haben Sie ausgeführt - liegt nur dann vor, "wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der ... Auslegung des Gemeinschaftsrechts ... und der Wirklichkeit oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits besteht" ( Urteile vom 16 . Juni 1981, a.*a.*O ., Randnr . 6, vom 26 . September 1985 in der Rechtssache 166/84, Thomasdünger, Slg . 1985, 3001, Randnr . 11, und vom 19.*Dezember 1968 in der Rechtssache 13/68, Salgoil, Slg . 1968, 680 ). Nicht weniger aufschlußreich sind dann die Ergebnisse, zu denen die Argumentation der Kommission führt, wenn man sie streng weiterentwickelt . Von ihr ausgehend wäre die Entscheidung des Gerichtshofes zum Beispiel auch dann nutzlos, wenn der Pretore die Beschuldigten identifizieren, aber entscheiden würde, daß er die Hauptverhandlung gegen sie mangels Vorsatzes oder Fahrlässigkeit nicht zu eröffnen braucht . Mehr noch : Bis zu ihren extremen Folgerungen weitergeführt, schließt diese Argumentation die Möglichkeit der Vorlage in Strafverfahren überhaupt aus, solange die Untersuchung oder gar die Hauptverhandlung noch nicht abgeschlossen ist; auf jeden Fall knüpft sie die Vorlage an die Voraussetzung, daß das Vorliegen der nicht vom Gemeinschaftsrecht abhängigen Merkmale des Straftatbestands festgestellt worden ist .

Diese Auffassung wird jedoch durch ein Argument vollständig widerlegt . In ihrem wesentlichen Kern steht auch sie im Widerspruch zu den Regeln, die in dem bereits zitierten Urteil in der Rechtssache Irish Creamery Milk Suppliers Association ( oben unter*5 .) aufgestellt worden sind, und, allgemeiner gesprochen, zu dem Grundsatz, auf den dieses Urteil sich stützt, nämlich der Verteilung der Kompetenzen zwischen dem innerstaatlichen Gericht und dem Gerichtshof in Luxemburg . Der Grund dafür liegt auf der Hand : Ob sie sich dessen nun bewusst ist oder nicht, ersucht die Kommission Sie darum, zu entscheiden, daß nicht nur die Auslegung des Gemeinschaftsrechts Sache des Gerichtshofes ist, sondern auch die Feststellung, ob das Gericht in dem bei ihm anhängigen Verfahren von Ihrer Auslegung Gebrauch machen muß oder kann . Darauf würde es nämlich hinauslaufen, wenn die Verweigerung einer Antwort damit begründet würde, daß eine Auslegungsentscheidung in einem Verfahren, das noch zu wenig fortgeschritten ist, um die Gewähr für seinen Abschluß zu bieten, nutzlos ( konkret : von zweifelhaftem Nutzen ) wäre; eben dies verbietet das Urteil vom 28 . März 1979 in der Rechtssache 222/78 ( ICAP/Beneventi, Slg . 1979, 1163, Randnrn . 11 und 12 ).

9 . Das Vorabentscheidungsersuchen ist also in seiner Gesamtheit zulässig . Lässt sich das gleiche auch von der ersten Frage sagen? Die Kommission verneint das aus zwei Gründen : Das vorlegende Gericht ersuche Sie im Kern um die Entscheidung, ob Italien die Richtlinie 78/659 richtig durchgeführt hat; anstatt auf eine Bestimmung oder eine begrenzte Gruppe von Bestimmungen Bezug zu nehmen, drücke es sich unbestimmt und allgemein aus . Gegenstand des Urteils über die Vereinbarkeit mit der Richtlinie sei nämlich "das derzeitige Recht der Italienischen Republik auf dem Gebiet des Schutzes der Gewässer vor Verschmutzung ".

Dieses Vorbringen ist begründet . Es trifft mit anderen Worten zu, daß ein Vorabentscheidungsverfahren nicht dazu dienen kann, festzustellen, daß ein Staat seine gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nicht erfuellt hat ( ständige Rechtsprechung in zahllosen Urteilen; siehe zuletzt Urteil vom 9.*Oktober 1984 in den Rechtssachen 91 und 127/83, Heineken Brouwerijen, Slg . 1984, 3435 ); ebenso trifft es zu, daß die Frage zu unbestimmt formuliert ist, als daß herausgeschält worden könnte, "was die Auslegung des Vertrages betrifft", und "als daß sie sinnvoll beantwortet werden könnte" ( Urteile vom 21 . März 1972 in der Rechtssache 82/71, Italienische Staatsanwaltschaft/Società agricola industria latte, Slg . 1972, 119, Randnr . 3, und vom 28 . März 1979, ICAP, a.*a.*O ., Randnr . 20 ). Nach diesen Feststellungen halte ich für den Fall, daß der Gerichtshof sich meiner Schlußfolgerung nicht anschließt, folgende Hinweise für zweckmässig : a)*Mit der Nummer 322/86 ist ein Verfahren nach Artikel 169 anhängig, in dem die Kommission beantragt festzustellen, daß unsere Richtlinie von Italien nicht umgesetzt worden ist; b)*zwischen den Methoden des Eingreifens, die die beiden Rechtssysteme, das italienische und das der Gemeinschaft, jeweils gewählt haben, besteht ein erheblicher Unterschied .

Das Gesetz Nr . 319 von 1976 soll zwar gewiß die Gewässer vor Verschmutzung schützen, tut dies aber mittelbar : Anstatt Qualitätserfordernisse festzulegen und Grenzwerte dafür vorzuschreiben, regelt es die Merkmale einiger der Industrie - und Haushaltsabwässer, und legt für sie Obergrenzen, das heisst Hoechstwerte der Schadstoffkonzentration, fest . Abgesehen von einigen Ausnahmen werden im übrigen für das gesamte Staatsgebiet dieselben Grenzen festgesetzt; Bestimmung, Zweck und Verwendung des Vorfluters werden also ausser acht gelassen . Im Gegensatz dazu erfassen die Gemeinschaftsrichtlinien, insbesondere die Richtlinie 78/659, spezifische Umweltbereiche ( wie die zum Leben von Fischen bestimmten Gewässer ) und bezeichnet sie nach dem Gebrauch, der von ihnen gemacht wird . Sie befassen sich deshalb damit, die Endqualität des Vorfluters festzulegen, und setzen zu diesem Zweck die Grenzwerte für die Bezugsparameter fest ( F.*und P.*Giampietro : Commento alla legge sull' inquinamento delle acque e del suolo, 2a ed ., Mailand, 1981, S.*349*ff .).

10 . Die zweite Frage geht dahin, ob die durch die Richtlinie vorgeschriebenen Qualitätsparameter die Erhaltung der für das Leben von Fischen unbedingt erforderlichen Wassermenge miteinschließen .

Die italienische Regierung schlägt vor, diese Frage zu verneinen . Ihrer Ansicht nach bezweckt die Richtlinie damit, daß sie den Schutz der Gewässerqualität vorschreibe, nur den Schutz des Fischbestands vor den schädlichen Folgen - Rückgang oder Aussterben bestimmter Arten *-, die die Einbringung von Schadstoffen auslöse . Andere Formen der Gewässerbewirtschaftung würden nicht unmittelbar vorgeschrieben; insbesondere verpflichte keine Vorschrift die Staaten, die Gesamtsituation des hydrographischen Systems zu beurteilen, zu dem die Süßwasser führenden Gewässer gehörten . Dies bedeute natürlich nicht, daß die nationalen Verwaltungen untätig bleiben dürften . Bei der Aufstellung der Programme zur Verringerung der Verschmutzung und beim Erlaß der durch Grenzwertüberschreitungen erforderlich gewordenen Maßnahmen ( Artikel 5 und 7 Absatz 3 ) könnten diese Behörden daher den Zustand der Gewässer in ihrer Gesamtheit beurteilen und die Eingriffe vornehmen, die zur Erreichung des mit der Richtlinie angestrebten Ergebnisses erforderlich seien .

Die Argumentation ist bestechend, hält aber einer systematischen Auslegung der Gemeinschaftsregelung nicht stand . Die Kommission hat nämlich vorgetragen, wenigstens elf der vierzehn im Anhang I vorgesehenen Parameter seien in Milligramm pro Liter angegeben und die entsprechenden Hoechstwerte könnten auf zwei Arten überschritten werden : durch Vornahme oder Tolerierung übermässiger Immissionen von für Fische schädlichen Stoffen oder durch eine übermässige Verringerung der Wassermenge, in der diese Stoffe gelöst seien . Wenn diese Feststellung zutrifft, lässt sich meiner Ansicht nach kaum bestreiten, daß die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, übermässige Entnahmen aus "bezeichneten Gewässern" zu verhindern, wenn diese automatisch zu einer plötzlichen Erhöhung der Konzentration von Schadstoffen in dem verbleibenden Wasser führen . Man lese im übrigen Artikel 7 Absatz 3 : Zeigt sich, so bestimmt dieser, daß ein von den nationalen Behörden festgelegter Wert nicht eingehalten wird, "so stellt der betreffende Mitgliedstaat fest, ob dies zufallsbedingt oder auf eine Naturerscheinung (( Hochwasser oder andere in Artikel 6 Absatz 2 genannte Naturkatastrophen )) ... zurückzuführen ist, und trifft die geeigneten Maßnahmen" ( Hervorhebung von mir ).

Es kommt aber noch etwas hinzu . Die Kommission hat zu Recht hervorgehoben, der Schutz der "bezeichneten Gewässer" sei nach dem Geiste der Richtlinie kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um das Überleben der in Artikel 1 Absatz 3 genannten Fischarten sicherzustellen; vor der Konzentration von Schadstoffen werden diese Gewässer also vor allem als Lebensraum der Fische geschützt, die in ihnen leben oder leben könnten, wenn die Verschmutzung beseitigt würde . Diese Feststellung zieht aber eine auf der Hand liegende Schlußfolgerung nach sich : Wenn es den Staaten freistuende, Entnahmen zuzulassen, die zu einer Erhöhung dieser Konzentration führen oder die Wassermengen über das Maß des für das Leben der geschützten Arten unbedingt Erforderlichen hinaus verringern würden, wäre nicht nur die eine oder andere Bestimmung, sondern die gesamte Richtlinie vollständig ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt .

11 . Wie ich bei der Prüfung des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens ausgeführt habe ( oben unter 2 .) ersucht Sie der Pretore von Salò um Auslegung der Richtlinie 78/659, weil er in ihr eine für das von ihm eingeleitete Verfahren wichtige "Voraussetzung" der geltenden strafrechtlichen Regelung und eine "unbestreitbare Erweiterung des strafrechtlich geschützten Bereich" sieht . Der Richter scheint also von der Voraussetzung auszugehen - auch wenn er dies nicht expressis verbis sagt und Sie erst recht nicht um eine Entscheidung über seine Auffassung ersucht *-, daß eine nicht oder fehlerhaft durchgeführte Richtlinie den einzelnen Verhaltenspflichten auferlegen kann, deren Verletzung nach innerstaatlichem Recht strafrechtlich geahndet werden kann .

Dazu ist festzustellen, a)*daß die Richtlinie nur "auf solche Gewässer Anwendung (( findet )), die von den Mitgliedstaaten ... bezeichnet werden" ( Artikel 1 Absatz 1 und 4 ); b)*daß die Mitgliedstaaten nur für solche Gewässer Grenzwerte festzulegen haben ( Artikel 3 ); c)*daß es den Mitgliedstaaten freisteht, strengere Werte festzulegen, als sie im Anhang*I angegeben sind ( Artikel 9 ); d)*daß die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, aber durchaus berechtigt sind, die durch Artikel 17 vorgeschriebenen Maßnahmen mit Strafe zu bewehren . Aus dieser summarischen Prüfung ergibt sich meiner Ansicht nach, daß die Richtlinie den nationalen Gesetzgebern einen weiten Ermessensspielraum lässt, insbesondere was die Bezeichnung der Gewässer angeht, und daß folglich ihre Bestimmungen die Voraussetzungen - Eindeutigkeit, Genauigkeit, Unbedingtheit - nicht erfuellen, unter denen nach Ihrer Rechtsprechung ein Rechtsakt geeignet ist, unmittelbare Wirkungen zu entfalten .

Ich füge hinzu, daß der Gerichtshof in dem kürzlich ergangenen Urteil vom 26 . Februar 1986 in der Rechtssache 152/84 (( Marshall/Southampton and South West Hampshire Area Health Authority ( Teaching ), Slg . 1986, 723, 737 )) wie folgt entschieden hat : "Nach Artikel 189 EWG-Vertrag (( besteht )) der verbindliche Charakter einer Richtlinie, auf dem die Möglichkeit beruht, sich vor einem nationalen Gericht auf die Richtlinie zu berufen, nur für 'jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird' ... Daraus folgt, daß eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen einzelnen begründen kann und daß eine Richtlinienbestimmung daher als solche nicht gegenüber einer derartigen Person in Anspruch genommen werden kann" ( Randnr . 48 ). Die Prämisse dieser Randnummer finde ich - das muß ich gestehen - ziemlich verblüffend; ich stimme aber mit der Schlußfolgerung überein, zumindest soweit man sie in dem Sinne versteht, daß die Richtlinie für sich allein dem einzelnen keine Verpflichtungen gegenüber der staatlichen Verwaltung auferlegen kann . Ich erkenne jedenfalls an, daß die zitierte Entscheidung jeder Diskussion darüber ein Ende macht, ob das Postulat, auf dessen Grundlage der Pretore von Salò anscheinend seine Frage formuliert hat, zutrifft .

Die Frage wird dadurch jedoch nicht unerheblich . In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der italienischen Regierung wie ich ausgeschlossen, daß sich aus der Richtlinie Gebote oder Verbote ergeben, die natürliche ( oder juristische ) Personen treffen können, und ihr damit die und sei es auch nur mittelbare Eignung abgesprochen, eine Voraussetzung für einen Straftatbestand zu bilden . Er hat jedoch anerkannt, daß der in Rede stehende Rechtsakt in dem Sinne wirken könne, daß er Verstösse gegen bestehende oder noch zu erlassende Strafrechtsnormen schwerwiegender mache . Ein Gewässer, das vom Staat nach den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen "bezeichnet" worden sei, sei nämlich ein Rechtsgut, das insoweit, als es einen Nutzen für die gesamte Gemeinschaft sicherstelle, besonderen Wert habe; die Straftaten, deren Gegenstand dieses Gewässer sei, könnten daher strenger bestraft werden, weil sie sich nicht gegen irgendwelche, sondern gegen solche Gewässer richteten, die einen stärkeren Schutz verdienten ( Artikel 133 Absatz 1 Ziffer 2 des Strafgesetzbuches ).

Die Feststellung erscheint mir zutreffend; von ihr ausgehend lässt sich sagen, daß die Richtlinie, sobald Artikel 4 umgesetzt ist, sich auf das von dem Pretore eingeleitete Verfahren zumindest insoweit auswirken kann, als der strafrechtliche Schutz durch sie verstärkt wird . Die "Bezeichnung" des Chiese, die möglicherweise vor Abschluß des Verfahrens erfolgt, wäre tatsächlich ius superveniens; eine solche Bezeichnung bliebe aber unerheblich, weil die Schwere des angerichteten Schadens ganz offensichtlich ein objektives Merkmal ist .

12 . Nach alledem schlage ich vor, die vom Pretore von Salò durch Beschluß vom 13.*Januar 1986 im Rahmen eines Verfahrens gegen Unbekannt vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten :

"1 ) Artikel 177 EWG-Vertrag beruht auf einer klaren Trennung der Kompetenzen der innerstaatlichen Gerichte von denen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften . Er erlaubt dem Gerichtshof daher keine Entscheidung über die Vereinbarkeit der Gesamtheit der der italienischen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Schutzes der Gewässer vor Verschmutzung mit der Richtlinie 78/659 des Rates vom 18.*Juli 1978 über die Qualität von Süßwasser, das schutz - oder verbesserungsbedürftig ist, um das Leben von Fischen zu erhalten .

2 ) Die im Anhang I der Richtlinie 78/659 genannten Qualitätsparameter sind zum grossen Teil in Milligramm pro Liter angegeben; andererseits schließt der Schutz der zum Leben von Fischen geeigneten Gewässer unter dem Gesichtspunkt der Qualität ein, daß den Gewässern nicht im Übermaß oder in einer Weise Wasser entnommen wird, die den Zweck, der mit der Richtlinie angestrebt wird, vereitelt . Daraus folgt für die Mitgliedstaaten die Verpflichtung, die Erhaltung der für das Überleben der geschützten Fischarten unbedingt erforderlichen Wassermenge für die Wasservorkommen sicherzustellen, die sie als "bezeichnete Gewässer" im Sinne dieser Richtlinie ( Artikel*4 ) einstufen .

(*) Aus dem Italienischen übersetzt .