SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

CARL OTTO LENZ

vom 16. Dezember 1986

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

A — Sachverhalt

1.

Dem Ausgangsverfahren in der Rechtssache, zu der ich heute Stellung nehme, liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

2.

Die Klägerin, die Vereniging van Vlaamse Reisbureaus, möchte dem Sociale Dienst van de Plaatselijke en Gewestelijke Overheidsdiensten, der beklagten Partei, gerichtlich unter Androhung eines Zwangsgeldes untersagen lassen, seinen Mitgliedern oder Dritten für bei ihm gebuchte Reisen Nachlässe zu gewähren.

3.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine zur Wahrung und Förderung der Berufsinteressen der flämischen Reisevermittler gegründeten Gesellschaft ohne Erwerbszweck. Die Beklagte, ebenfalls eine Gesellschaft ohne Erwerbszweck, soll zum einen dem Personal der kommunalen und regionalen Verwaltungsdienststellen ein eigenes Reiseprogramm anbieten und zum anderen als Reisevermittler auftreten, wenn einzelne Bedienstete eine Reise aus dem kommerziellen Angebot bei einem Reiseveranstalter buchen wollen. Bei der letztgenannten Tätigkeit gewährt sie Preisnachlässe bei Reisen, indem sie die Provision, die normalerweise den Reisevermittlern zusteht, ganz oder teilweise an den Reisenden weitergibt.

4.

In dem Verfahren vor der Rechtbank van Koophandel (Handelsgericht) Brüssel stützt sich die Klägerin auf Artikel 22 der Königlichen Verordnung vom 30. Juni 1966 über das Statut der Reisebüros. Nach dieser Vorschrift, die sich in Kapitel III (Berufspflichtenkatalog) der Königlichen Verordnung befindet, muß der Reisevermittler

„1)

gegenüber seinen Kunden:

...

b)

sich an die vereinbarten oder gesetzlich vorgeschriebenen Preise und Tarife halten;

...

3)

gegenüber den anderen Reisevermittlern:

jede Handlung unterlassen, die gegen die redlichen Handelsbräuche verstößt und durch die er den anderen Vermittlern oder einem von ihnen einen Teil ihrer Kundschaft wegnimmt oder wegzunehmen versucht oder ihr Ansehen beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen versucht oder ganz allgemein ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen versucht.

Eine Handlung, die gegen die redlichen Handelsbräuche verstößt, begeht, wer

...

e)

sich nicht an die vereinbarten oder gesetzlich vorgeschriebenen Preise und Tarife hält;

f)

unter Voraussetzungen, die, in welcher Form auch immer, gegen die Handelsbräuche verstoßen, Provisionen teilt, Rückvergütungen gewährt oder Vorteile anbietet.

...“

5.

Der Regelung des Artikels 22 der Königlichen Verordnung lag ihrerseits Artikel 22 des „Berufspflichtenkatalogs“ zugrunde, die sich die Union Professionnelle des agences de voyages belges (BBR) bereits im Jahre 1963 gegeben hatte.

6.

Gemäß Artikel 54 des belgischen Gesetzes vom 14. Juli 1971 über die Handelsbräuche sind Handlungen, die gegen die redlichen Handelsbräuche verstoßen, verboten.

7.

Darüber hinaus enthalten die von der belgischen Regierung vorgelegten Verträge zwischen Reiseveranstaltern und Reisevermittlern unter der Überschrift „Allgemeine Bedingungen für die Zusammenarbeit“ einen Hinweis auf den „Pflichtenkatalog“ der Reisevermittler. Verstößt ein Reisevermittler gegen diesen „Pflichtenkatalog“, so kann der Reiseveranstalter seine Geschäftsbeziehungen mit ihm abbrechen.

8.

Nach Ansicht des Handelsgerichts Brüssel laufen die Bestimmungen des Artikels 22 der Königlichen Verordnung vom 30. Juni 1966 praktisch darauf hinaus, daß die anerkannten Reisebüros untereinander die Preise festsetzen können oder zumindest, daß durch einen einfachen Erlaß der Verwaltung eine nur zum Schutz rein beruflicher Interessen erfolgende Preisfestsetzung angeordnet werden könne. Es äußert Zweifel daran, ob eine solche Regelung mit Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag vereinbar ist, und hat deswegen dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„A)

Sind die Bestimmungen des Artikels 22 Absatz 3 Buchstaben e und f des belgischen Koninklijk Besluit vom 30. Juni 1966, wonach ein anerkanntes Reisebüro (d. h. ein Reisebüro, das Inhaber der im Gesetz vom 21. April 1965 vorgeschriebenen Konzession ist) eine Handlung begeht, die gegen die redlichen Handelsbräuche verstößt, wenn es

1)

sich nicht an die vereinbarten oder gesetzlich vorgeschriebenen Preise und Tarife hält und

2)

unter Voraussetzungen, die, in welcher Form auch immer, gegen die Handelsbräuche verstoßen, Provisionen teilt, Rückvergütungen gewährt oder Vorteile anbietet,

mit Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag vereinbar, vor allem wenn sich ergibt, daß Handlungen, die gegen die redlichen Handelsbräuche verstoßen, gemäß Artikel 54 des belgischen Gesetzes vom 14. Juli 1971 über die Handelspraktiken verboten sind?

B)

Sind Vereinbarungen, die von Reisebüros aufgrund der oben genannten Bestimmungen getroffen worden sind, mit Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag vereinbar?

C)

Sind die oben genannten Bestimmungen des innerstaatlichen belgischen Rechts und die möglicherweise in Anwendung dieser Bestimmungen getroffenen Vereinbarungen mit den Artikeln 30 und 34 EWG-Vertrag vereinbar?“

9.

Zu diesen Vorabentscheidungsfragen haben die Parteien des Ausgangsverfahrens, die belgische, die französische und die irische Regierung sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften Erklärungen abgegeben.

10.

Die belgische und die französische Regierung sowie die Kommission weisen darauf hin, daß es dem innerstaatlichen Gericht in seiner ersten Frage darum gehe, ob eine gesetzliche Vorschrift eines Mitgliedstaats mit Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag vereinbar sei, obwohl diese Bestimmung nur das Verhalten von Unternehmen betreffe. Sie schlagen daher vor, diese Frage dahin gehend zu verstehen, ob die belgische Regelung mit den Pflichten der Mitgliedstaaten aus Artikel 5 EWG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 3 Buchstabe f und Artikel 85 des Vertrages vereinbar sei.

11.

Nach Auffassung der Klägerin des Ausgangsverfahrens, der französischen Regierung, der belgischen Regierung und der irischen Regierung ist die strittige Regelung mit den Bestimmungen des EWG-Vertrags vereinbar; die gegenteilige Auffassung vertreten die Beklagte des Ausgangsverfahrens sowie, wenn auch nicht ganz so deutlich, die Kommission.

12.

Zur zweiten Frage tragen die Parteien des Ausgangsverfahrens vor, es gäbe im vorliegenden Fall keine Vereinbarungen, auf die Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag anwendbar sei.

13.

Für die belgische Regierung ist es nicht klar, welche Vereinbarungen das vorlegende Gericht im Auge gehabt habe. Vereinbarungen zwischen den Reisevermittlern über die Preise lägen nicht vor, da die Preise von den Reiseveranstaltern festgesetzt würden. Sollte das vorlegende Gericht jedoch Vereinbarungen zwischen Reisevermittlern und einem Reiseveranstalter gemeint haben, so seien diese Vereinbarungen mit Artikel 85 EWG-Vertrag vereinbar, da diese sich nicht auf den Wettbewerb und auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten auswirken könnten.

14.

Nach Auffassung der französischen Regierung wären die Vereinbarungen, falls sie beständen, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar. Dies festzustellen wäre jedoch Aufgabe des vorlegenden Gerichts.

15.

Auch nach Meinung der irischen Regierung könnten Vereinbarungen selbst dann, wenn sie die von den zuständigen staatlichen Behörden festgesetzten Preise und Tarife anerkennen und anwenden würden, unter Artikel 85 fallen, wenn sie die von diesen Behörden festgesetzten Preise als Grundlage benutzten, den Wettbewerb in anderen Bereichen auszuschalten. Zusätzlich fordert die irische Regierung den Gerichtshof auf, nichts in sein Urteil aufzunehmen, was die staatliche Festsetzung von Flugtarifen beeinträchtigen könnte.

16.

Nach Ansicht der Kommission ist das in dem „Pflichtenkatalog“ des belgischen Reisebüroverbands enthaltene Verbot, den Kunden Nachlässe zu gewähren, als Beschluß einer Unternehmensvereinigung im Sinne von Artikel 85 EWG-Vertrag anzusehen. Da die Tätigkeit der belgischen Reisevermittler sich auch auf Reisen aus dem Programm ausländischer Reiseveranstalter erstrecke, werde auch der Handel zwischen Mitgliedstaaten durch diesen Beschluß berührt.

17.

Zur dritten Frage äußern sich alle Beteiligten übereinstimmend, daß die Artikel 30 und 34 des EWG-Vertrags nicht berührt seien, da es im vorliegenden Fall nicht um den Warenaustausch, sondern um Dienstleistungen gehe.

18.

Darüber hinaus hält es die belgische Regierung für zweckmäßig, die Frage dahin gehend zu verstehen, daß sie sich auf Artikel 59 EWG-Vertrag über den freien Dienstleistungsverkehr beziehe. Sie kommt jedoch zu der Auffassung, daß Artikel 22 der Königlichen Verordnung den freien Dienstleistungsverkehr weder auf dem Markt für Reiseveranstaltungen noch auf dem für Vermittlungsdienste begrenze.

19.

Hinsichtlich der Einzelheiten der abgegebenen Erklärungen verweise ich auf den Inhalt des Sitzungsberichts.

B — Stellungnahme

Zur Frage A

20.

Vorweg ist festzustellen, daß die erste Frage des Handelsgerichts Brüssel in der Tat umformuliert werden muß. Artikel 85 EWG-Vertrag gehört zu den Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags, die sich zunächst an die Unternehmen richten. Direkte Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten hat der Gerichtshof aus Artikel 85 EWG-Vertrag nicht abgeleitet.

21.

Zwar ließe sich die Auffassung vertreten, angesichts der unmittelbaren Anwendbarkeit des Artikels 85 EWG-Vertrag könnten innerstaatliche Gerichte entgegenstehendes nationales Recht unberücksichtigt lassen ( 1 ). Dieser Auffassung hat sich der Gerichtshof bislang jedoch nicht angeschlossen, sondern die Vereinbarkeit innerstaatlicher Rechtsvorschriften mit dem Wettbewerbsrecht des EWG-Vertrags anhand der Bestimmung des Artikels 5 EWG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 3 Buchstabe f und Artikel 85 des Vertrages geprüft.

22.

Auf diese Weise sollte auch im vorliegenden Verfahren vorgegangen werden, da sich ein Vorrang des unmittelbar anwendbaren Artikels 85 EWG-Vertrag vor innerstaatlichen Rechtsvorschriften nur bei einer ausdehnenden Auslegung bejahen ließe, bei der man, wie ich später ausführen werde, auf das Vorliegen des Tatbestandmerkmals der „Vereinbarung“ verzichten müßte.

23.

Ich schlage Ihnen deswegen vor, die erste Frage des Handelsgerichts Brüssel dahin gehend zu verstehen, ob es mit den Pflichten der Mitgliedstaaten aus Artikel 5 EWG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 3 Buchstabe f und Artikel 85 des Vertrages vereinbar sei, den Reisevermittlern durch eine Rechtsvorschrift vorzuschreiben, sich an die vereinbarten oder gesetzlich festgelegten Preise und Tarife zu halten, oder ihnen zu verbieten, die ihnen für den Verkauf dieser Reisen zustehenden Provisionen zu teilen oder den Kunden Rückvergütungen zu gewähren oder Vorteile anzubieten.

24.

Bei der Beantwortung dieser Frage sind zwei Problemkreise auseinanderzuhalten:

Einmal ist zu untersuchen, ob sich aus den Wettbewerbsvorschriften des EWG-Vertrags überhaupt Pflichten für den innerstaatlichen Gesetzgeber ergeben; zum anderen ist zu prüfen, ob Regelungen der hier strittigen Art mit dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft vereinbar sind.

— Zur Pflicht der Mitgliedstaaten, die Wettbewerbsordnung der Gemeinschaft zu respektieren

25.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes betreffen die Artikel 85 ff. EWG-Vertrag zwar das Verhalten von Unternehmen, nicht jedoch die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten; gleichwohl begründet der EWG-Vertrag aber auch für letztere die Verpflichtung, keine Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten, die die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmungen ausschalten könnten ( 2 ).

26.

Nach dieser Rechtsprechung ist somit eine innerstaatliche gesetzliche Regelung, die den Abschluß von Vereinbarungen zwischen Unternehmen vorschreibt, mit den Bestimmungen des Artikels 5 in Verbindung mit Artikel 3 Buchstabe f und Artikel 85 EWG-Vertrag unvereinbar.

27.

Zwischen den Beteiligten, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, war es jedoch streitig, ob es nach Erlaß der strittigen Königlichen Verordnung noch zum Abschluß von Vereinbarungen zwischen Unternehmen gekommen ist bzw. ob der „Pflichtenkatalog“ des belgischen Reisebüroverbandes überhaupt noch angewandt wurde. Auch das vorlegende Gericht hat insoweit keine näheren Angaben gemacht. Es ist deswegen weiter die Frage zu prüfen, ob eine gesetzliche Regelung wie diejenige, um die es im vorliegenden Falle geht, auch dann noch als mit den Wettbewerbsvorschriften des Vertrages unvereinbar anzusehen ist, wenn sie nicht darauf gerichtet ist, den Abschluß von Vereinbarungen vorzuschreiben, sondern diese gerade überflüssig zu machen. Vereinbarungen werden nämlich im vorliegenden Fall dadurch in der Tat entbehrlich, als die Reiseveranstalter einseitig die Preise festsetzen können und die Reisevermittler an diese Preisfestsetzung gebunden sind.

28.

Über eine vergleichbare Problematik hatte der Gerichtshof bereits in dem zitierten Urteil vom 10. Januar 1985 in der Rechtssache 229/83 zu befinden; dem Grunde nach hat er die aufgeworfene Frage bejaht.

29.

Lediglich für den konkret zu prüfenden Fall hat der Gerichtshof festgestellt, daß für den Buchsektor die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 3 Buchstabe f und Artikel 85 EWG-Vertrag nicht hinreichend bestimmt seien, weil es bisher in bezug auf rein innerstaatliche Systeme und Praktiken im Buchsektor keine Wettbewerbspolitik der Gemeinschaft gegeben habe, die die Mitgliedstaaten zu respektieren hätten.

30.

Auf diese Erwägung stützt sich die belgische Regierung, wenn sie ausführt, auf dem Gebiete der Reiseveranstaltung existiere bislang ebenfalls keine Politik der Gemeinschaft; deswegen seien die Pflichten der Mitgliedstaaten aus Artikel 5 EWG-Vertrag nicht hinreichend bestimmt.

31.

Dieser Auffassung kann so nicht gefolgt werden. Wenn der Gerichtshof es in dem Urteil vom 10. Januar 1985 auch nicht ausdrücklich als seine eigene Auffassung gekennzeichnet hat — und in seinen Ausführungen zu Artikel 36 EWG-Vertrag distanziert er sich auch etwas von dieser Auffassung —, so ist diese Entscheidung doch durch eine Besonderheit beeinflußt, die es nicht zuläßt, ihre vorsichtige Beurteilung unbesehen auf andere Wirtschaftszweige zu übertragen: Im Hintergrund stand nämlich die Besonderheit des Buches als Kulturträger. Generalanwalt Darmon hat in seinen Schlußanträgen ( 3 ) ausdrücklich diesen Umstand betont, der das Buch von anderen Wirtschaftsgütern unterscheide.

32.

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 5 EWG-Vertrag unterschiedliche Verpflichtungen der Mitgliedstaaten enthält. Gemäß Absatz 1 treffen die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus dem Vertrag oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben. Sie erleichtern der Gemeinschaft die Erfüllung ihrer Aufgabe. Soweit es somit um die Unterstützung der Organe der Gemeinschaft in der Erfüllung ihrer Aufgabe geht, ist sicherlich zu fordern, daß die Organe bei der Erfüllung ihrer Aufgaben bereits tätig geworden sind, da ansonsten die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten nicht hinreichend bestimmt wären, weil sie gar nicht wissen können, was sie zu unterstützen hätten.

33.

Absatz 2 des Artikels 5 legt den Mitgliedstaaten jedoch weitergehend die Verpflichtung auf, alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Verwirklichung der Ziele des Vertrages gefährden könnten. Da zu diesem Ziel gemäß Artikel 3 Buchstabe f die Errichtung eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schützt, gehört, welches in Artikel 85 ff. seine nähere Konkretisierung gefunden hat, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Errichtung eines Systems eines unverfälschten Wettbewerbs gefährden könnten.

34.

Soweit die Organe der Gemeinschaft dieses Ziel konkretisiert haben, haben die Mitgliedstaaten diese Ziele in ihrer offiziellen Konkretisierung zu respektieren. Doch auch solange die Gemeinschaftsorgane auf bestimmten Sektoren keine Maßnahmen zur Konkretisierung der Ziele getroffen haben, sind die Mitgliedstaaten in ihrer Handlungsfreiheit dennoch nicht völlig unbeschränkt. Sie haben in diesem Fall zumindest die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen der Gemeinschaftsrechtsordnung zu achten und sind somit verpflichtet, alle Maßnahmen zu unterlassen, die die praktische Wirksamkeit der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln ausschalten könnten.

35.

Wäre es den Mitgliedstaaten nämlich erlaubt, durch gesetzgeberische Maßnahmen den Geltungsbereich der Wettbewerbsvorschriften des EWG-Vertrags einzuengen, so würden die Mitgliedstaaten einseitig über die Tragweite des Gemeinschaftsrechts befinden können. Damit aber wäre die einheitliche Geltung des Gemeinschaftsrechts innerhalb der ganzen Gemeinschaft in Frage gestellt. Daß dies nicht zulässig sein kann, hat der Gerichtshof bereits in seinem Urteil vom 13. Februar 1969 in der Rechtssache 14/68 entschieden, in dem er ausgeführt hat, es würde dem Wesen dieser Rechtsordnung widersprechen, wenn es den Mitgliedstaaten gestattet wäre, Maßnahmen zu ergreifen oder aufrechtzuhalten, weiche die praktische Wirksamkeit des Vertrages beeinträchtigen könnten. Die Geltungskraft des Vertrages und der zu seiner Anwendung getroffenen Maßnahmen dürfe nicht von Staat zu Staat aufgrund der innerstaatlichen Rechtsakte verschieden sein; andernfalls würde die Wirkung der Gemeinschaftsrechtsordnung beeinträchtigt und die Verwirklichung der Vertragsziele gefährdet werden.

36.

Die Mitgliedstaaten sind somit gehalten, auch bei gesetzgeberischen Maßnahmen die Wettbewerbsordnung der Gemeinschaft zu achten — und zwar auch auf Wirtschaftssektoren, auf denen die Gemeinschaftsorgane noch nicht tätig geworden sind.

37.

Allerdings ist noch auf die Frage einzugehen, ob bei gesetzgeberischen Maßnahmen Artikel 85 EWG-Vertrag vollständig angewandt werden kann. Wenn Artikel 85 EWG-Vertrag für gesetzgeberische Maßnahmen gilt, so müßte auch sein Absatz 3 für diese Maßnahmen gelten, es müßten also Maßnahmen des Gesetzgebers unter bestimmten Voraussetzungen auch vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 freigestellt werden können. Für eine derartige Freistellung ist jedoch kein Verfahren vorgesehen.

38.

In diesem Zusammenhang ist auf eine Entscheidung des Gerichtshofes aus der Frühzeit der Anwendung des Wettbewerbsrechts hinzuweisen: auf die Entscheidung vom 6. April 1962 in der Rechtssache 13/61 ( 4 ). In dieser Entscheidung hat der Gerichtshof die Anwendbarkeit des Artikels 85 EWG-Vertrag mit Inkrafttreten des Vertrages dem Grundsatz nach bejaht, jedoch gleichzeitig die These aufgestellt, daß bis zum Inkrafttreten einer Durchführungsverordnung oder -richtlinie nach Artikel 87 zu den Artikeln 85 und 86 das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 nur bei denjenigen Vereinbarungen und Beschlüssen eintrete, bezüglich deren entweder die Behörden der Mitgliedstaaten aufgrund von Artikel 88 entschieden hätten, daß sie unter Artikel 85 Absatz 1 fielen und keiner Ausnahme vom Verbot im Sinne von Artikel 85 Absatz 3 fähig seien, oder die Kommission die in Artikel 89 Absatz 2 vorgesehene Feststellung getroffen habe.

39.

Diese These, daß das Fehlen eines Freistellungsverfahrens zur Anwendung des Artikels 85 Absatz 3 die volle Anwendbarkeit des Artikels 85 EWG-Vertrag insgesamt hindere, steht jedoch dem Ergebnis nicht entgegen, daß allgemeingültige gesetzliche Regelungen wettbewerbsbeschränkender Art an den Bestimmungen des Artikels 5 in Verbindung mit Artikel 3 Buchstabe f und des Artikels 85 EWG-Vertrag gemessen werden können.

40.

Eine für einen gesamten Wirtschaftssektor allgemeingültige innerstaatliche Regelung, die den Wettbewerb auf einem bestimmten Sektor ausschließt, könnte nämlich überhaupt nicht gemäß Artikel 85 Absatz 3 von dem allgemeinen Verbot des Artikels 85 Absatz 1 freigestellt werden. Durch eine derartige Regelung würde nämlich der Wettbewerb für diese Waren oder Dienstleistungen völlig ausgeschaltet. Freistellungen gemäß Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag sind jedoch nur dann möglich, wenn den beteiligten Unternehmen nicht Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren oder Dienstleistungen den Wettbewerb auszuschalten. Gerade dies ist jedoch bei einer allgemeingültigen wettbewerbsbeschränkenden Rechtsnorm der Fall.

— Vereinbarkeit der strittigen Regelung mit Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 3 Buchstabe f und Artikel 85 EWG-Vertrag

41.

Wie häufig in Vorabentscheidungsverfahren, die das Wettbewerbsrecht zum Gegenstand haben, kann der Gerichtshof auch hier nur Teilaspekte der Gesamtproblematik behandeln. Der Gerichtshof ist darauf beschränkt, dem vorlegenden Gericht Entscheidungshilfen zu geben, ohne diesem jedoch die Aufgabe abnehmen zu können, den relevanten Sachverhalt in eigener Verantwortung festzustellen.

42.

Bei der Beantwortung der Frage, ob eine gesetzliche Regelung mit Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 3 Buchstabe f und Artikel 85 EWG-Vertrag vereinbar ist, müssen alle Tatbestandsmerkmale des Artikels 85 EWG-Vertrag geprüft werden mit der einen Ausnahme, daß an die Stelle des Tatbestandsmerkmals „Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“ eine gesetzliche Norm tritt, die diese Tatbestandsmerkmale ersetzt und somit überflüssig macht.

43.

Daß es sich bei Artikel 22 der Königlichen Verordnung vom 30. Juni 1966 um eine Rechtsvorschrift handelt, die den Preiswettbewerb zwischen Reisevermittlern unterbindet, hat das Verfahren vor dem Gerichtshof eindeutig ergeben. Das Verbot, Preisnachlässe zu gewähren, unterbindet zumindest den Preiswettbewerb zwischen den Reisevermittlern, es läßt somit nur Wettbewerb auf anderen Gebieten, wie z. B. der Qualität der Vermittlungsleistung, zu.

44.

Bestätigt wird dieses Ergebnis auch durch den Umstand, daß als Vorbild für die strittige Regelung Artikel 22 des „Pflichtenkatalogs“ der BBR gedient hatte, der ohne weiteres als Beschluß einer Unternehmensvereinigung angesehen werden kann.

45.

Umstritten im Verfahren vor dem Gerichtshof war die Frage, ob es sich bei den Reisevermittlern um selbständige Unternehmen im Sinne von Artikel 85 EWG-Vertrag handelt, da die Reisevermittler die von ihnen vermittelte Dienstleistung, das Reiseangebot, nicht selbst schaffen würden, sondern lediglich im Namen und Auftrag der Reiseveranstalter handelten.

46.

Die Frage, ob es sich bei den Reisevermittlern um selbständige Unternehmer handelt, wird das vorlegende Gericht im tatsächlichen zu überprüfen haben. Bereits jetzt kann jedoch dazu bemerkt werden, daß die Reisevermittler nicht jeweils in den Betrieb eines Reiseveranstalters eingegliedert waren, sondern als unabhängige Gewerbetreibende die Reiseangebote mehrerer Reiseveranstalter vermittelt haben. Zusätzlich ist festzustellen, daß es den Reisevermittlern möglich gewesen sein muß, über ihre Provision oder einen Teil davon zu verfügen, weil es ansonsten weder des Artikels 22 des „Pflichtenkatalogs“ der BBR bzw. später des Artikels 22 der Königlichen Verordnung vom 30. Juni 1966 bedurft hätte. Die Reisevermittler dürften somit als eigenständige Unternehmen im Sinne von Artikel 85 EWG-Vertrag anzusehen sein; die abschließende Entscheidung darüber obliegt jedoch dem vorlegenden Gericht.

47.

Die eigentlich kritische Problematik bei der Sachverhaltsermittlung ist in der Frage zu sehen, ob Artikel 22 der Königlichen Verordnung geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und ob er eine Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt oder bewirkt.

48.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes sind Beschlüsse, Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen nur dann geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, wenn sich anhand objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen läßt, daß sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell den Warenverkehr oder den Dienstleistungsaustausch zwischen Mitgliedstaaten beeinflussen und dadurch der Errichtung eines einheitlichen Marktes zwischen den Mitgliedstaaten hinderlich sein können ( 5 ).

49.

So hat ein sich auf das gesamte Gebiet eines Mitgliedstaats erstreckendes Kartell schon seinem Wesen nach die Wirkung, die Abschottung der Märkte auf innerstaatlicher Ebene zu verfestigen; es verhindert so die vom Vertrag gewollte gegenseitige wirtschaftliche Durchdringung und schützt die inländischen Wirtschaftsteilnehmer ( 6 ). Darüber hinaus hat der Gerichtshof in dem bereits zitierten Urteil vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen 209 bis 215 und 218/78 festgestellt, daß Wettbewerbsbeschränkungen im Bereich der Handelsspannen geeignet sind, die Handelsströme aus der Richtung abzulenken, die sie andernfalls genommen hätten ( 7 ).

50.

Insbesondere wird in diesem Zusammenhang das vorlegende Gericht festzustellen haben, ob sich das Angebot oder die Nachfrage nach ausländischen Dienstleistungen geändert hätte, wenn es den Reisevermittlern möglich gewesen wäre, frei über ihre Provisionen zu verfügen und möglicherweise in unterschiedlicher Höhe Nachlässe zu gewähren.

51.

Sollte es sich nach den tatsächlichen Feststellungen des vorlegenden Gerichts ergeben, daß eine Regelung wie die der strittigen Königlichen Verordnung nicht mit der Wettbewerbsordnung der Gemeinschaft in Einklang steht und somit nicht anwendbar ist, so könnte ein „Verstoß“ gegen eine derartige Regelung auch innerstaatlich nicht als unlautere Wettbewerbshandlung gewertet werden. Aus diesem Grund braucht der Frage, wieweit ein Verstoß gegen die redlichen Handelsbräuche von Bedeutung für die vom vorlegenden Gericht aufgeworfene Frage ist, nicht näher nachgegangen zu werden.

Zur Frage B

52.

Mit dieser Frage möchte das Handelsgericht Brüssel wissen, ob Vereinbarungen, die von Reisebüros aufgrund der genannten Bestimmung getroffen worden sind, mit Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag vereinbar sind.

53.

Die Parteien des Ausgangsverfahrens haben die Existenz wettbewerbswidriger Vereinbarungen bestritten. Auch das Handelsgericht Brüssel hat leider nicht dargelegt, welche Vereinbarungen mit dieser Frage gemeint sind. Es ließe sich an Vereinbarungen zwischen Reisevermittlern untereinander oder aber zwischen Reisevermittlern und Reiseveranstaltern denken; insoweit ist der Gerichtshof auf Vermutungen angewiesen.

54.

Da dem Gerichtshof der Gegenstand der Frage somit nicht unterbreitet worden ist, halte ich es nicht für vertretbar, eine ausdrückliche Antwort auf diese Frage zu geben. Es wäre dem Gerichtshof zwar vielleicht möglich, unter Auswertung der Schriftsätze und nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung den eventuellen Gegenstand der Frage zu rekonstruieren und eine entsprechende Antwort zu geben; einem solchen Vorgehen stehen jedoch die Rechte der in Artikel 20 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes genannten potentiellen Verfahrensbeteiligten gegenüber, die aufgrund der äußerst knappen Formulierungen des Vorabentscheidungsersuchens nicht in der Lage gewesen sein dürften, dessen genauen Gegenstand zu erkennen und entsprechende Erklärungen vor dem Gerichtshof abzugeben ( 8 ).

55.

Ich rege deswegen an, im Urteil des Gerichtshofes lediglich einige Hinweise zu der in der Frage B vom vorlegenden Gericht möglicherweise angesprochenen Thematik zu geben, auf eine ausdrückliche Antwort auf diese Frage jedoch zu verzichten.

56.

Jeweils unter der Voraussetzung, daß die entsprechenden Vereinbarungen geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und eine Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu bezwecken oder zu bewirken (dazu habe ich oben, Randnr. 47 ff., entsprechende Ausführungen gemacht), ist somit folgendes anzumerken:

a) Zu eventuellen Vereinbarungen der Reisevermittler untereinander

57.

Falls Vereinbarungen zwischen Reisevermittlern untereinander überhaupt noch abgeschlossen werden — die Existenz des Artikels 22 der Königlichen Verordnung vom 30. Juni 1966 würde sie eigentlich entbehrlich erscheinen lassen —, so könnten sie im vorliegenden Fall in zwei verschiedenen Formen geschlossen worden sein: in der Form von Einzelvereinbarungen zwischen Reisevermittlern oder aber in einer Art, wie sie in Artikel 22 des „Pflichtenkatalogs“ der BBR enthalten war. In beiden Fällen würden sie unter den genannten Voraussetzungen unter das Verbot des Artikels 85 EWG-Vertrag fallen, sei es als einzelne Vereinbarung, sei es als Beschluß einer Unternehmensvereinigung.

b) Vereinbarungen zwischen Reiseveranstaltern und Reisevermittlern

58.

Nach dem Vortrag der Parteien des Ausgangsverfahrens enthalten die „Bedingungen für die Zusammenarbeit“ keine Vereinbarungen, die die Teilung der Provisionen verböten. Die belgische Regierung hingegen ist der Auffassung, daß derartige Vereinbarungen existieren, sei es in den jährlich neu festgesetzten Rahmenbeziehungen zwischen den Beteiligten, sei es aufgrund der Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten, nämlich dem Rechtsverhältnis des Auftrags nach belgischem Recht.

59.

Sollte ein einzelner Vertrag zwischen einem Reiseveranstalter und einem Reisevermittler ein Verbot enthalten, Preisnachlässe zu gewähren, so fiele er für sich allein noch nicht unter das Verbot des Artikels 85 EWG-Vertrag. Vom Verbot des Artikels 85 EWG-Vertrag hingegen erfaßt würden Einzelverträge dann, wenn sie von einem oder mehreren Reiseveranstaltern mit einer Vielzahl von Reisevermittlern in identischer Weise abgeschlossen würden, da dann nämlich die Preiskonkurrenz zwischen den Reisevermittlern ausgeschlossen würde.

60.

Unter besonderen Voraussetzungen kann jedoch auch eine einzelne zwischen einem Reiseveranstalter und einem Reisevermittler abgeschlossene Vereinbarung unter das Verbot des Artikels 85 EWG-Vertrag fallen: wenn sie nämlich einen Inhalt aufweist, wie die Vereinbarungen, die die belgische Regierung dem Gerichtshof vorgelegt hat.

61.

Obgleich wir nicht wissen, ob das Handelsgericht gerade diese Verträge im Auge gehabt hat und ob diese Verträge typisch sind für die Vertragsgestaltung zwischen Reisevermittlern und Reiseveranstaltern, ist zu ihnen dennoch folgendes zu bemerken:

62.

Unter der Überschrift „Allgemeine Bedingungen für die Zusammenarbeit“ enthalten sie einen Hinweis auf den „Pflichtenkatalog“ der Reisevermittler. Verstößt ein Reisevermittler gegen diesen „Pflichtenkatalog“, so kann der Reiseveranstalter seine Geschäftsbeziehungen mit ihm abbrechen.

63.

Die Verweisung auf den Berufspflichtenkatalog der Reisevermittler umfaßt naturgemäß auch die Verweisung auf Artikel 22 der Königlichen Verordnung vom 30. Juni 1966 mit ihrem Verbot, Preisnachlässe zu gewähren. Da diese Regelung unter den oben (Randnrn. 41 ff.) genannten Voraussetzungen als mit Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 3 Buchstabe f und Artikel 85 EWG-Vertrag unvereinbar anzusehen ist, ist auch ein Einzelvertrag mit Artikel 85 EWG-Vertrag als unvereinbar anzusehen, der auf diese gesetzliche Regelung verweist und sie somit zum Inhalt hat.

64.

Bei einer Vertragsgestaltung, die es dem Reiseveranstalter ermöglicht, bei Verletzung des „Pflichtenkatalogs“ durch den Reisevermittler die Geschäftsbeziehungen abzubrechen, dürfte auch deren Eignung, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den innergemeinschaftlichen Wettbewerb zu verfälschen, eher feststellbar sein: So könnte z. B. ein belgischer Reiseveranstalter mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehungen drohen, wenn ein belgischer Reisevermittler Preisnachlässe ausschließlich auf die Dienstleistungen von Reiseveranstaltern aus anderen Mitgliedstaaten anböte. In einer solchen Konstellation ließe sich die Eignung einer derartigen Vereinbarung, die Angebot und Nachfrage nach ausländischen Dienstleistungen zu beeinflussen, wohl kaum bestreiten.

c) Ergebnis zu Frage B

65.

Wie bereits oben dargelegt, bin ich der Auffassung, daß angesichts der Unklarheit darüber, was Gegenstand der Frage B ist, auf diese Frage des Handelsgerichts Brüssel im Tenor des Urteils keine ausdrücklich formulierte Antwort gegebenen werden sollte. Es ließe sich allenfalls zu dieser Frage anmerken, daß jedenfalls der Umstand, daß Vereinbarungen von Reisebüros der eventuell angesprochenen Art aufgrund gesetzlicher Bestimmungen getroffen worden sind oder sein könnten, sie nicht dem Anwendungsbereich des Artikels 85 EWG-Vertrag entzieht.

Zur Frage C

66.

Mit dieser Frage wirft das Handelsgericht Brüssel die Problematik auf, ob die strittige belgische Regelung mit den Grundsätzen des freien Warenverkehrs, insbesondere den Artikeln 30 und 34 EWG-Vertrag vereinbar sei.

67.

Eine Antwort auf diese Frage erübrigt sich, da im vorliegenden Fall der freie Warenverkehr nicht berührt ist.

68.

Für eine Umdeutung der Frage, wie sie die belgische Regierung vorgeschlagen hat, in dem Sinne, daß zu prüfen wäre, ob der freie Dienstleistungsverkehr berührt wäre, fehlt es im Vorabentscheidungsersuchen ebenfalls an ausreichenden Anhaltspunkten. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß zu der Frage der Dienstleistungsfreiheit jedenfalls dann, wenn durch die strittige Regelung ein Einfluß auf den Dienstleistungsverkehr ausgehen kann, schon bereits im Rahmen der Prüfung der Frage A Stellung genommen wurde.

— Zum Vortrag der irischen Regierung hinsichtlich der Linienflugtarife

69.

Anhand des Vorabentscheidungsersuchens und der Akten des vorlegenden Gerichts kann nicht festgestellt werden, ob und wieweit sich Preisnachlässe der Reisevermittler auf die Preisgestaltung im Luftverkehr auswirken können. Es steht nicht einmal fest, ob Linienflüge in den Reiseangeboten enthalten sind.

70.

Angesichts dieser Umstände sehe ich keine Möglichkeit, auf die Anregung der irischen Regierung näher einzugehen, da nicht ersichtlich ist, in welchem Zusammenhang das hier vorliegende Vorabentscheidungsersuchen mit der Tarifpolitik im Luftverkehr stehen soll.

71.

Die irische Regierung könnte allenfalls darauf hingewiesen werden, daß sie ihre Vorstellungen in der mündlichen Verhandlung in der Rechtssache 66/86 ( 9 ) vortragen könnte, in der es erneut um die Problematik der Flugtarife gehen wird.

C — Schlußantrag

Im Ergebnis schlage ich Ihnen vor, auf die von der Rechtbank van Koophandel Brüssel vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:

72.

„Artikel 5 EWG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 3 Buchstabe f und Artikel 85 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß mit ihm eine innerstaatliche Regelung, die es Reisevermittlern untersagt, ihre Provisionen zu teilen oder ihren Kunden Preisnachlässe auf die vom Reiseveranstalter vorgeschriebenen Preise zu gewähren, auch dann unvereinbar ist, wenn das auf die gesetzliche Regelung gestützte Verhalten von Unternehmen geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und dieses Verhalten eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb der Gemeinschaft bezweckt oder bewirkt, selbst wenn keine Vereinbarungen von Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen oder außerhalb der gesetzlichen Regelung aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen vorliegen.“


( 1 ) Siehe Paulis E., „Les Etats peuvent-ils enfreindre les articles 85 et 86 du Traité CEE?“, Journal des Tribunaux, 1985, S. 209 ff.

( 2 ) Siehe Urteile des Gerichtshofes vom 13. Februar 1969 in der Rechtssache 14/68, Walt Wilhelm u. a./Bundeskartellamt, Slg. 1969, 1; vom 16. November 1977 in der Rechtssache 13/77, GB-Inno-BM/Vereniging van de Kleinhandelaars in Tabak, Slg. 1977, 2115; vom 10. Januar 1985 in der Rechtssache 229/83, Association des Centres distributeurs Édouard Leclerc u. a./Sàrl „Au blé vert“ u. a., Stg. 1985, 17; vom 29. Januar 1985 in der Rechtssache 231/83, Henri Cullet u. a./Centre Leclerc u. a., Slg. 1985, 315, sowie Urteil vom 30. April 1986 in den verbundenen Rechtssachen 209 bis 213/84, Ministère public/Asjes u. a., Slg. 1986, 1425.

( 3 ) Schlußanträge vom 3. Oktober 1984 in der Rechtssache 229/83 Slg., 1985, 2 ff., 15.

( 4 ) Urteil vom 6. April 1962 in der Rechtssache 13/61, kledingverkoopbedrijf de Geus en Uitdenbogerd/Robert Bosch GmbH u. a., Slg 1962. 97)

( 5 ) Siehe das Urteil des Gerichtshofes vom 30. Juni 1966 in der Rechtssache 56/65, Société technique miniere/Maschinenbau Ulm GmbH, Slg. 1966, 281; und Urteil vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen 209 bis 215 und 218/78, Heintz van Landcwyck Sari u. a./Kommission, Slg. 1980,3125,3274.

( 6 ) Siehe Urteil vom 26. November 1975 in der Rechtssache 73/74, Groupement des fabricants de papiers peints de Belgique u. a./Kommission, Slg. 1975, 1491, 1515.

( 7 ) A. a. O., S. 3274.

( 8 ) Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Erklärungen der dänischen Regierung in den verbundenen Rechtssachen 141 bis 143/81, Holdijk u. a., Slg. 1982, 1299, 1307 f., in denen die knappe Formulierung des Vorabentscheidungsersuchens gerügt wurde, weil diese die Regierung daran hinderte, gemäß Artikel 20 der Satzung Erklärungen zur Sache abzugeben.

( 9 ) Rechtssache 66/86, Ahmed Saeed u. a./Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V., Slg. 1989, Band 4.