SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

SIR GORDON SLYNN

vom 14. Mai 1985 ( *1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

Diese Rechtssache beruht auf einem Ersuchen um Vorabentscheidung nach Artikel 177 EWG-Vertrag des Tribunal de grande instance Briey vom 16. Dezember 1983 in einem vor diesem Gericht anhängigen Strafverfahren.

In diesem Verfahren wird der Angeklagte, Président-directeur général eines Unternehmens, das ein „Leclerc“-Einkaufszentrum betreibt, beschuldigt, gegen die französischen Vorschriften über die Festsetzung von Mindestpreisen für den Einzelhandelsverkauf von Treibstoffen, insbesondere die Ministerialverordnung Nr. 82-13/A vom 29. April 1982, verstoßen zu haben. Der Angeklagte machte zu seiner Verteidigung geltend, die Ministerialverordnung verstoße gegen das Gemeinschaftsrecht. Um über diese Frage entscheiden zu können, hat das Tribunal de grande instance dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„Sind die Artikel 3 Buchstabe f und 5 des Vertrages vom 25. März 1957 zur Gründung der EWG dahin auszulegen, daß sie es verbieten, in einem Mitgliedstaat durch Gesetz oder Verordnung verbindliche Mindestpreise für den Verkauf von Super- und Normalbenzin festzusetzen?

Kann die Festsetzung derartiger Mindestpreise eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung oder eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Artikel 30 EWG-Vertrag darstellen?“

Dieselbe nationale Regelung war Gegenstand der Rechtssache 231/83 (Cullet/Centre Leclerc), in der der Gerichtshof am 29. Januar 1985 ein Urteil erließ. Abgesehen davon, daß die Rechtssache Cullet aus einem Zivilrechtsstreit über eine einstweilige Verfügung hervorging, mit der Zuwiderhandlungen gegen diese Regelung untersagt werden sollten, während die vorliegende Rechtssache aus einem Strafverfahren hervorgeht, das auf dieser Regelung beruht, geht es in beiden Rechtssachen im wesentlichen um dieselben gemeinschaftsrechtlichen Fragen. Obwohl in den Vorlagefragen in dieser Rechtssache nicht alle Vertrags artikel erwähnt werden, die in dem Urteil Cullet behandelt wurden, gehen diese Fragen eindeutig dahin festzustellen, ob die fragliche nationale Regelung mit den Grundsätzen und Zielen des EWG-Vertrags und den ihrer Durchführung dienenden besonderen Vertragsbestimmungen übereinstimmen.

Die von der französischen Regierung, dem Angeklagten des Ausgangsverfahrens und der Kommission abgegebenen Erklärungen fügen dem Vorbringen der Beteiligten in der Rechtssache Cullet nichts Wesentliches hinzu. Im Urteil des Gerichtshofes ín jener Rechtssache sind alle Fragen behandelt worden, um die es hier geht.

Meines Erachtens sollten aus den im Urteil vom 29. Januar 1985 in der Rechtssache Cullet dargelegten Gründen die vom Tribunal de grande instance Briey vorgelegten Fragen wie folgt beantwortet werden:

„1)

Die Artikel 3 Buchstabe f, 5, 85 und 86 EWG-Vertrag verbieten eine nationale Regelung nicht, nach der die nationalen Behörden Mindestpreise für den Einzelhandelsverkauf von Treibstoffen festsetzen.

2)

Artikel 30 EWG-Vertrag verbietet eine solche Regelung, wenn sie die Mindestpreise allein aufgrund der Übernahmepreise der inländischen Raffinerien bestimmt und diese Übernahmepreise an einen Höchstpreis bindet, der ausschließlich auf der Grundlage der Selbstkostenpreise der inländischen Raffinerien berechnet wird, sofern die europäischen Treibstoffkurse um mehr als 8 % von diesen Selbstkostenpreisen abweichen.“

Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Kosten der Beteiligten des Ausgangsverfahrens zu entscheiden. Die Kosten der Französischen Republik und der Kommission sind nicht erstattungsfähig.


( *1 ) Aus dem Englischen übersetzt.