SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MARCO DARMON

vom 3. Oktober 1984 ( *1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. 

Die Cour d'appel Poitiers hat Ihnen eine Auslegungsfrage vorgelegt, der nicht nur wegen der aufgeworfenen Grundsatzfragen, sondern auch wegen der Erwartungen nationaler Gerichte, die mit ähnlichen Streitsachen befaßt sind, große Bedeutung zukommt.

Dieses Vorabentscheidungsersuchen betrifft nämlich das Problem der Rechtmäßigkeit von hoheitlichen öffentlichen Interventionen eines Mitgliedstaats auf dem Gebiet des Wettbewerbs im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht. Im vorliegenden Fall wird der rechtliche Rahmen dieser Intervention durch das Gesetz Nr. 81-766 vom 10. August 1981 über den Buchpreis ( 1 ) bestimmt; ich werde kurz dessen Zielsetzung sowie diejenigen Vorschriften des Gesetzes darstellen, die für die dem nationalen Gericht zu erteilende Antwort von Bedeutung sind.

2. 

Anders als sein Titel möglicherweise vermuten läßt, will das Gesetz vom 10. August 1981 nicht die Höhe des Buchpreises vorschreiben, sondern die Verleger und Importeure verpflichten, einen Preis (Endverkaufspreis) festzusetzen, den es für die Einzelhändler — vorbehaltlich der den letzteren eingeräumten Möglichkeit, einen 5 % dieses Preises nicht überschreitenden Preisnachlaß zu gewähren ( 2 ) — verbindlich macht.

Die Verleger und Importeure sind außerdem verpflichtet, „die Qualität der Leistungen ... zur Verbreitung des Buches“ zu berücksichtigen, und zwar durch Wertrabatte, die höher sein müssen als die Rabatte, die für die von den Einzelhändlern erworbenen Mengen gewährt werden ( 3 ).

Diese beiden Vorschriften dürften das Anliegen des Gesetzgebers deutlich machen — Unterbindung der von bestimmten Verbrauchermärkten praktizierten Politik der Preisbrechung, die als ruinös für die kleinen Einzelhändler sowie als eine Bedrohung für die Qualität des Buches und letztlich für das literarische Schaffen angesehen wurde.

Zwar beinhaltet das damit geschaffene System personengebundene Ausnahmen zugunsten bestimmter Vereinigungen oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts ( 4 ), doch findet es auf alle Bücher Anwendung, die unabhängig von ihrem Ursprung zum Einzelverkauf im französischen Gebiet bestimmt sind. Aufgrund seines örtlichen Anwendungsbereichs gilt es also für eingeführte Bücher, ohne daß es darauf ankommt, ob es sich um im Ausland verlegte oder in Frankreich verlegte, aber ursprünglich in anderen Mitgliedstaaten in den Verkauf gebrachte Werke handelt ( 5 ).

Seine zeitliche Tragweite ist unterschiedlich ausgestaltet, da die getroffene Regelung den Endverkaufspreis nicht definitiv „einfriert“. Die gesetzliche Regelung findet nämlich keine Anwendung auf Bücher, die durch Vermittlung, Abonnement oder schriftliche Bestellung verbreitet werden, wenn die erste Ausgabe der Werke mehr als neun Monate zurückliegt, sowie auf alle Bücher, deren erste Ausgabe vor mehr als zwei Jahren erfolgte, sofern die letzte Lieferung mehr als sechs Monate zurückliegt ( 6 ).

Obwohl das Dekret Nr. 82-1176 vom 29. Dezember 1982 nach den streitigen, dem Vorlagebeschluß zugrunde liegenden Tatsachen erlassen wurde, ist darauf hinzuweisen, daß es Verstöße gegen das Gesetz mit Geldstrafe bedroht.

Die Frage einer Kollision zwischen diesen Vorschriften und dem EWG-Vertrag bildet den Hintergrund des nationalen Rechtsstreits.

3. 

Da ihr durch einstweilige Verfügung untersagt worden war, einen unter dem von den Verlegern festgesetzten Endverkaufspreis liegenden Verkaufspreis anzuwenden, legte die Association des Centres distributeurs Edouard Leclerc (im folgenden: Centres Leclerc) bei der Cour d'appel Poitiers Berufung gegen diese einstweilige Verfügung ein; das Gericht, das die Übereinstimmung des Gesetzes mit den Gemeinschaftsregeln über den freien Wettbewerb wegen der Vorschriften über eingeführte Bücher für fraglich hält, hat Ihnen die folgende Frage vorgelegt:

„Sind die Artikel 3 Buchstabe f und 5 EWG-Vertrag dahin auszulegen, daß sie verbieten, in einem Mitgliedstaat durch Gesetz oder Verordnung für in diesem Mitgliedstaat verlegte und für unter anderem aus den anderen Mitgliedstaaten eingeführte Bücher eine Regelung zu treffen, die die Einzelhändler verpflichtet, die Bücher zu dem vom Verleger oder Importeur festgesetzten Preis zu verkaufen, und ihnen verbietet, eine Ermäßigung von mehr als 5 % dieses Preises zu gewähren?“

Im Interesse der Klarheit meiner Ausführungen möchte ich die Begriffe definieren, die ich verwenden werde.

Unter französischen Büchern werde ich das in Frankreich verlegte Buch verstehen, unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Autors und der Sprache des Werkes.

Als ausländisches Buch werde ich das in einem anderen Land des Gemeinsamen Marktes verlegte Buch bezeichnen.

Französischer Verleger (oder Importeur) wird unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit sein, wer seine Tätigkeit in Frankreich ausübt, und ausländischer Verleger, wer seine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt.

4. 

Da die von den Centres Leclerc, der französischen Regierung und der Kommission abgegebenen Erklärungen im Sitzungsbericht erschöpfend zusammengefaßt sind, kann ich auf dieses Dokument verweisen und mich darauf beschränken, auf die wesentlichen Argumente einzugehen, die insbesondere in Beantwortung der in der Sitzung gestellten Fragen vor Ihnen ausgetauscht worden sind, und dabei vor allem den jeweiligen Ansatzpunkt der Beteiligten zur Lösung des Problems der Vertragsgemäßheit aufzuzeigen.

Die Centres Leclerc machen eine zweifache Verletzung des EWG-Vertrages geltend, um die Vertragswidrigkeit des Gesetzes zu begründen.

Erstens stellten die Vorschriften über eingeführte Bücher eine Behinderung des innergemeinschaftlichen Handels dar und stünden im Widerspruch zu Artikel 30 EWG-Vertrag, der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen verbiete.

Zweitens beeinträchtigten die französischen Rechtsvorschriften mit der Einführung eines nationalen Gesamtsystems der Preisbindung den Handel zwischen den Mitgliedstaaten, indem sie den französischen Markt durch eine Reihe von vertikalen, den Wirtschaftsteilnehmern vorgeschriebenen Vertriebsvereinbarungen abschotteten.

Dieses System, das gegen Artikel 85 Absatz 1 verstoße, könne nicht gemäß Artikel 85 Absatz 3 freigestellt werden. Das Gesetz vom 10. August 1981 verstoße daher gegen die Artikel 3 Buchstabe f und 5 in Verbindung mit Artikel 85 EWG-Vertrag.

5. 

Nach Auffassung der französischen Regierung und der Kommission sind die Artikel 3 Buchstabe f und 5 im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Das Gesetz vom 10. August 1981 müsse vielmehr anhand der für den freien Warenverkehr maßgeblichen Grundsätze, und zwar in der Auslegung, die sie in Ihrer Rechtsprechung erhalten hätten, geprüft werden.

Zur Begründung dieser Ansicht hat die Kommission ausgeführt, diesen beiden Artikeln komme nur im Zusammenhang mit den sie konkretisierenden Bestimmungen des Vertrages — den Artikeln 85 und 86 — normative Bedeutung zu. Sie hat auch auf die Besonderheiten der Verbotsvorschriften gegenüber den Unternehmen einerseits sowie gegenüber den Mitgliedstaaten andererseits hingewiesen und schließlich vorgetragen, Artikel 5 Absatz 2 EWG-Vertrag sei in zwei Fällen anwendbar:

wenn ein Mitgliedstaat Verhaltensweisen von Unternehmen, die nach den Artikeln 85 und 86 verboten seien, vorschreibe, begünstige oder verstärke,

wenn „ausnahmsweise“ eine hoheitliche Maßnahme lediglich den Zweck verfolge, es den Unternehmen zu ermöglichen, sich den in diesen Artikeln verankerten Verboten zu entziehen, ohne daß ein allgemeines Interesse geltend gemacht werden könne.

Keiner dieser Fälle liege hier vor.

Im Hinblick auf den freien Warenverkehr trägt die französische Regierung vor, das Gesamtsystem der Preisbindung habe keine Auswirkung auf die Einfuhren ausländischer Bücher, da diese denselben Beschränkungen unterworfen seien wie die französischen Bücher. In dieser Hinsicht stelle die Festsetzung des Preises durch den Importeur/Hauptdepositär ( 7 ) keine Behinderung des Handels dar, da diese Person im französischen Gebiet nur das entsprechende Äquivalent zum französischen Verleger sei. Die Angleichung des Endverkaufspreises reimportierter Bücher an den Preis der gleichen, in Frankreich verbliebenen Werke stelle die lückenlose Geltung des Gesetzes sicher und verhindere jeden Mißbrauch.

Dagegen behindern nach Ansicht der Kommission die lediglich auf eingeführte französische oder ausländische Bücher anwendbaren Rechtsvorschriften den innergemeinschaftlichen Handel. Bei Reimporten sei der französische Importeur daran gehindert, den in einem anderen Mitgliedstaat erzielten günstigeren Preis weiterzugeben. Die Festsetzung des Endverkaufspreises der im Ausland verlegten Bücher durch einen einzigen Importeur (den Hauptdepositär) verbiete es jedem anderen Importeur, einen niedrigeren Preis festzusetzen. Diese nach Artikel 30 EWG-Vertrag verbotenen Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen ließen sich nicht mit Artikel 36 EWG-Vertrag rechtfertigen. Hilfsweise meint die Kommission weiter, Ihre Rechtsprechung Cassis de Dijon ( 8 ) sei nicht einschlägig, da die gesetzlichen Maßnahmen in Anbetracht der kulturellen Zielsetzung weder angemessen seien noch den Handel am wenigsten behinderten.

Diese Zusammenfassung der Erklärungen macht deutlich, worin die Besonderheit des im vorliegenden Fall aufgeworfenen Problems der Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht liegt: Es sind diejenigen Regeln des Vertrages zu ermitteln, die auf die mit den französischen Rechtsvorschriften geschaffene Situation anwendbar sind. Welche Anhaltspunkte finden sich dazu in Ihrer Rechtsprechung?

6. 

Wie bereits gesagt, verpflichtet das für alle Bücher unabhängig von ihrem Ursprung geltende Gesetz vom 10. August 1981 alle Einzelhändler, die von den Verlegern oder den Importeuren festgesetzten Preise bis auf einen Rabatt von höchstens 5 % einzuhalten. Dieses System läßt sich als ein halbstaatliches ( 9 )System einer teilweisen Preisbindung auf dem Buchsektor beschreiben.

Bei der Analyse dieses Systems kann — soweit ich es übersehe — nicht nur auf einen völlig analogen Präzedenzfall aus der Rechtsprechung zurückgegriffen werden.

In ihrem kürzlich ergangenen Urteil in der Rechtssache VBBB-VBVB/Kommission, in dem Sie den Schlußanträgen des Herrn Generalanwalts VerLoren van Themaat folgten, mußten Sie zwar über ein Gesamtsystem gebundener Buchpreise befinden, doch handelt es sich nicht um ein staatliches System ( 10 ).

Im Hinblick auf die Vertragsgemäßheit von staatlichen oder halbstaatlichen Preisbindungssystemen auf einem anderem Sektor als dem des Buches ist Ihre Rechtsprechung reichhaltiger; lassen Sie mich vor allem die Rechtssachen Inno-ATAB ( 11 ), van Tiggele ( 12 ) und Kaveka ( 13 ) erwähnen.

7. 

Soweit es sich um vertragliche Systeme gebundener Buchpreise handelt, ist Ihr Urteil in der Rechtssache VBBBVBVB betreffend das niederländischsprachige Buch im vorliegenden Fall von Interesse, und zwar sowohl im Hinblick auf die Vereinbarung zwischen der belgischen und der niederländischen Vereinigung als auch im Hinblick auf die Grenzen, die Sie der Prüfung dieser Vereinbarung gesetzt haben.

Die Rechtssache liegt so kurze Zeit zurück und ist Ihnen so gut bekannt, daß ich sie nicht im einzelnen darzustellen brauche. In der mündlichen Verhandlung, insbesondere anläßlich der dabei gestellten Fragen, ist aber so häufig darauf Bezug genommen worden, daß es angebracht ist, auf diese Rechtssache einzugehen.

Für unsere Prüfung genügt es, daran zu erinnern, daß die Kommission der Europäischen Gemeinschaften mit Entscheidung vom 25. November 1981 feststellte, die 1949 geschlossene und 1958 geänderte Vereinbarung zwischen der VBBB und der VBVB „über ein kollektives Alleinvertriebssystem und eine kollektive vertikale Preisbindung im Handel mit niederländischsprachigen Büchern zwischen Belgien und den Niederlanden“ stelle eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages dar.

Die Kommission hatte also lediglich die „grenzüberschreitende“ Vereinbarung beanstandet, wonach „die Verlagserzeugnisse ... in Belgien bzw. in den Niederlanden nicht zu einem niedrigeren Preis verkauft oder zum Kauf angeboten werden [durften] als zu dem von den niederländischen bzw. belgischen Verlegern festgelegten Einzelhandelspreis“, nicht aber die von jeder Vereinigung abgeschlossenen nationalen Vereinbarungen; letztere waren ausdrücklich vom Anwendungsbereich dieser Entscheidung ausgenommen, obwohl sie ebenfalls auf nationaler Ebene die Festsetzung eines einzigen Einzelhandelspreises für jedes Verlagserzeugnis vorsahen sowie das Verbot enthielten, diese Werke unter diesem Preis zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten ( 14 ).

Sie haben in Ihrer Entscheidung über die Klage der beiden genannten Vereinigungen gegen diese Entscheidung ausdrücklich festgestellt, daß sich Ihr Urteil ausschließlich auf diese Vereinbarung beziehe ( 15 ). Die Beurteilung der eigentlichen Verdienste des von den Vereinigungen geschaffenen Systems des „internen Ausgleichs“ ( 16 ) könne nämlich „abschließend nur in bezug auf die nationalen Übereinkommen erfolgen“ ( 17 ).

Es ist also hervorzuheben, daß Sie mit diesem Urteil kein Werturteil über ein nationales Preisbindungssystem im Buchsektor abgegeben haben. Ihre Zurückhaltung entspricht der Vorsicht der Kommission, die in ihrer von den betroffenen Vereinigungen vergeblich vor dem Gerichtshof angefochtenen Entscheidung feststellte,

„daß es nicht Sache der Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen ist, Kulturabkommen zu schließen, für die der Staat in ganz besonderem Maße zuständig ist“,

und außerdem erklärte, sie sei davon

„überzeugt, daß die betreffenden Mitgliedstaaten für den Fall, daß Maßnahmen zum Schutz bestimmter kultureller Werte erforderlich werden sollten, sicherlich alle erforderlichen Schritte unternehmen“ ( 18 ).

Es ist aber darauf hinzuweisen, daß Sie in der Rechtssache VBBB die betreffende grenzüberschreitende Vereinbarung insoweit als eine nach Artikel 85 Absatz 1 verbotene Absprache angesehen haben, als sie das Ziel verfolgte, die freie Preisfestsetzung bis zu den Einzelhändlern zu beschränken und den beiden Vereinigungen die Möglichkeit zu geben, damit den Absatz im anderen Mitgliedstaat zu kontrollieren ( 19 ).

8. 

Lassen Sie mich nunmehr die Fälle untersuchen, in denen es um die Vereinbarkeit eines staatlichen oder halbstaatlichen Preissystems mit dem Gemeinschaftsrecht ging.

Ihr Urteil in der Rechtssache Inno ( 20 ) stellt eine bemerkenswerte Entwicklung Ihrer Rechtsprechung auf diesem Gebiet dar ( 21 ), da in ihm das Anliegen zum Ausdruck kommt, diese Preisregelungen rechtlich zu erfassen, und zwar nicht nur in den Fällen, in denen sie den freien Warenverkehr beeinträchtigen, sondern auch in den Fällen, in denen sie den normalen Wettbewerb im Gemeinsamen Markt verändern ( 22 ).

Unter Bezugnahme auf

„das vom Vertrag gewollte System des einheitlichen Marktes... [, das] jede innerstaatliche Regelung aus[schließt], durch die der Handel innerhalb der Gemeinschaft unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell behindert wird“,

sowie auf

„das in Artikel 3 Buchstabe f niedergelegte ... [und] in verschiedenen Vertragsbestimmungen über die Wettbewerbsregeln erläuterte [Ziel] — zu diesen gehört Artikel 86—“

haben Sie auf der Grundlage von Artikel 5 Absatz 2 daraus die Schlußfolgerung gezogen, daß,

„obgleich sich Artikel 86 an die Unternehmen richtet,... der Vertrag doch auch für die Mitgliedstaaten die Verpflichtung [begründet], keine Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten, die die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmung ausschalten könnten“.

Ebenso wie Artikel 90 ihnen verbietet, die öffentlichen oder gleichgestellten Unternehmen von den Regeln der Artikel 85 bis 94 EWG-Vertrag auszunehmen,

„dürfen die Mitgliedstaaten keine Maßnahmen treffen, die es privaten Unternehmen ermöglichen, sich den ihnen durch die Artikel 85 bis 94 des Vertrages auferlegten Bindungen zu entziehen“ ( 23 ).

Die Zielsetzungen und das System des Vertrages verbieten es also jedem Mitgliedstaat, den normalen Wettbewerb dadurch zu verfälschen, daß er den Wirtschaftsteilnehmern die Möglichkeit eröffnet, sich diesen Regeln zu entziehen. Ein solcher Verstoß gegen die Regeln des Vertrages kommt im allgemeinen in der dadurch verursachten Behinderung des Handels zum Ausdruck. Dies haben Sie mit den folgenden Worten beschrieben:

„Eine innerstaatliche Vorschrift, die in ihrer Auswirkung die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung begünstigt, welche den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist, wird jedenfalls normalerweise mit den Artikeln 30 und 34 unvereinbar sein ...“ ( 24 ).

Eine derartige Maßnahme kann aber auch durch Artikel 86 selbst erfaßt werden, da eine nationale Vorschrift den Mißbrauch einer beherrschenden Stellung gemeinschaftsrechtlich nicht rechtfertigt ( 25 ).

Die Vertragsgemäßheit einer nationalen Maßnahme, die den Einzelhändlern in bezug auf ein Erzeugnis die Beachtung der von anderen Wirtschaftsteilnehmern festgesetzten Preise vorschreibt, kann schließlich im Hinblick auf Artikel 86 in Verbindung mit den Artikeln 3 und 5 Absatz 2 EWG-Vertrag zweifelhaft sein, wenn „ein derartiges System nicht nur möglicherweise die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung begünstigt, sondern auch geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen“ ( 26 ).

Zur Problematik der Übereinstimmung eines halbstaatlichen Preisbindungssystems auf dem Tabakwarensektor mit dem Gemeinschaftsrecht ergibt sich aus Ihrem Urteil in der Rechtssache Inno aufgrund der von der belgischen Cour de cassation gestellten Fragen, daß in bezug auf den Grundsatz des freien Wettbewerbs ein erweiterter Ansatzpunkt gewählt werden muß.

Der Grund dafür liegt in der Vielfältigkeit der Wirkungen, die derartige System erzeugen; daraus folgt, daß das Eingreifen eines Mitgliedstaats in das Wirtschaftsgeschehen die Anwendung der Regeln über das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes einschließlich der Wettbewerbsregeln nicht unberührt lassen kann, wenn dadurch der Handel beeinträchtigt wird.

Obwohl Sie mit ähnlichen Regelungen befaßt waren, hatten Sie bislang nicht die Gelegenheit, die in diesem Urteil aufgestellten Grundsätze anzuwenden.

9. 

In der Rechtssache van Tiggele hatten Sie ein System zu prüfen, bei dem die Endverkaufspreise von nicht einer gemeinsamen Marktorganisation unterliegenden alkoholischen Getränken durch eine staatliche Stelle festgesetzt wurden ( 27 ).

Nachdem Sie festgestellt hatten, daß eine solche Regelung im allgemeinen nur ausschließlich interne Wirkungen habe, wenn sie unterschiedslos für alle inländischen und eingeführten Erzeugnisse gelte, haben Sie dennoch die Ansicht vertreten, diese Regelung könne dann eine Behinderung des innergemeinschaftlichen Handels darstellen, wenn die innerstaatliche Stelle Preise oder Gewinnspannen so festsetze, „daß dadurch die eingeführten Erzeugnisse gegenüber gleichartigen inländischen Erzeugnissen benachteiligt werden, sei es, weil sie zu den festgesetzten Bedingungen nicht gewinnbringend abgesetzt werden können, sei es, weil der sich aus dem niedrigeren Gestehungspreis ergebende Wettbewerbsvorteil neutralisiert wird“ ( 28 ).

Diesen Grundsatz, der Ausdruck einer ständigen Rechtsprechung ist ( 29 ), haben Sie erstmals auf ein System von Mindestpreisen angewendet, da Sie der Meinung waren, „der auf einen bestimmten Betrag festgesetzte Mindestpreis, der, obwohl er für inländische wie für eingeführte Erzeugnisse gleichermaßen gilt, den Absatz der letzteren insoweit zu benachteiligen geeignet ist, als er verhindert, daß ihr niedrigerer Gestehungspreis sich im Preis für den Verkauf an den Verbraucher niederschlägt“ ( 30 ), stelle eine Behinderung des Handels dar.

Es ist festzuhalten, daß Sie sich, obwohl die Kommission in ihren Erklärungen Ihnen nahelegte, die in Artikel 85 EWG-Vertrag aufgestellten Grundsätze zu berücksichtigen, um ein solches staatliches Preissystem im Hinblick auf Artikel 30 EWG-Vertrag zu beurteilen, allein auf die letztgenannte Bestimmung gestüzt haben. Die Erklärung dafür hat in einleuchtender Weise Generalanwalt Capotorti geliefert: Eine Berufung auf die Artikel 85 oder 86 in Verbindung mit Artikel 30 EWG-Vertrag ist nur möglich, „wenn die staatlichen Maßnahmen eine Verletzung der Wettbewerbsregeln durch die eigentlichen Normadressaten, also die Unternehmen, begünstigen“ ( 31 )

Die in jenem Fall mit der Preisfestsetzung beauftragte Stelle war aber, insbesondere wegen ihrer Zusammensetzung, keine Vereinigung von Unternehmen, sondern eine staatliche Stelle.

10. 

Die Gegenüberstellung der Urteile in den Rechtssachen Inno und Van Tiggele macht die Funktion deutlich, die jedem der in den Artikeln 30 sowie 85 und 86 EWG-Vertrag niedergelegten Verbote zukommt, wenn es um ein nationales System staatlich vorgeschriebener Preise geht:

Werden die Preise unmittelbar von der staatlichen Stelle festgesetzt, so ist zu fragen, ob sie so hoch sind, daß sie eine Behinderung des innergemeinschaftlichen Handels darstellen.

Werden dagegen die Preise durch eine Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern festgesetzt und kraft Gesetzes einer anderen Gruppe vorgeschrieben, so kann die Unvereinbarkeit sich nicht nur aus der Anwendung der vorerwähnten Regel ergeben, sondern auch aus der Feststellung, daß die nationale Maßnahme wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen begünstigt. In diesem letzten Fall sind die in den Artikeln 3 Buchstabe f und 5 Absatz 2 aufgestellten Grundsätze in Verbindung mit den Artikeln 85 und 86 EWG-Vertrag anzuwenden.

Diese Überlegungen scheinen mir durch Ihr Urteil in der Rechtssache Kaveka ( 32 ) nicht in Frage gestellt worden zu sein.

Zu dem niederländischen Gesetz über die Verbrauchsteuer auf Tabakerzeugnisse aus dem Jahre 1964, das es verbietet, „an andere Personen als Wiederverkäufer Tabakerzeugnisse zu einem niedrigeren Preis zu verkaufen, zu vertreiben oder zu liefern als dem auf der Steuerbanderole angegebenen“ ( 33 ), haben Sie in klarer Weise die eigenständige Funktion von Artikel 30 bzw. Artikel 85 EWG-Vertrag hervorgehoben:

„Artikel 30 EWG-Vertrag, der auf die Beseitigung der nationalen Maßnahmen abzielt, die geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu behindern, verfolgt einen anderen Zweck als Artikel 85, der einen wirksamen Wettbewerb zwischen Unternehmen gewährleisten soll“ ( 34 ).

Ist daraus zu folgern, daß Sie nunmehr unter Abweichung von Ihrem Urteil in der Rechtssache Inno die Ansicht vertreten, ein Preissystem könne, sofern es staatlich oder halbstaatlich ist, nur an Artikel 30 gemessen werden?

Nichts ist weniger sicher, spiegelt sich doch in Ihrem Urteil in der Rechtssache Kaveka Ihre vorangegangene Rechtsprechung wider. In diesem Punkt greifen Sie fast wörtlich den im Urteil in der Rechtssache Inno aufgestellten Grundsatz auf und heben hervor, daß auch dann, wenn Artikel 85 „für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Rechtsvorschriften [über die Einführung eines Systems vorgeschriebener Preise] mit dem Gemeinschaftsrecht nicht in Betracht [kommt], ... die Mitgliedstaaten keine Maßnahmen treffen [dürfen], die es Privatunternehmen gestatten, sich den Anforderungen des Artikels 85 EWG-Vertrag zu entziehen“ ( 35 ).

11. 

Welche Schlußfolgerungen können wir aus Ihrer gesamten Rechtsprechung auf diesem Gebiet ziehen, um die hier vorliegende Frage zu beantworten?

Zunächst ergibt sich aus Ihren Urteilen, daß die Vertragswidrigkeit eines unterschiedslos für inländische und eingeführte Erzeugnisse geltenden halbstaatlichen Systems von Preisen, die auf der Einzelhandelsstufe durch eine Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern vorgeschrieben werden, unter zwei Voraussetzungen zu bejahen ist:

wenn dieses Preissystem wegen der Festsetzung der Preise auf ein die Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten abschreckendes Niveau geeignet ist, die Einfuhren zwischen den Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, und damit eine gegen Artikel 30 EWG-Vertrag verstoßende Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung darstellt,

wenn das Preissystem, das ein nach den Artikeln 85 und 86 verbotenes Verhalten begünstigt, außerdem geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und damit eine Verletzung der Artikel 3 Buchstabe f und 5 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 85 und 86 darstellt.

Außerdem sind zwei Besonderheiten des uns vorliegenden Falles hervorzuheben. Es ist angebracht, zunächst darauf hinzuweisen, daß Sie zum ersten Mal über ein halbstaatliches Preisbindungssystem auf dem Buchsektor zu entscheiden haben. Die unbestreitbare Besonderheit dieses Erzeugnisses, die mit der Zuständigkeit des Staates auf kulturellem Gebiet zusammenhängt, stellt einen Faktor dar, der bei ihrer Beurteilung zwangsläufig Berücksichtigung finden wird. Wie bereits gesagt, bezog sich Ihr Urteil in der Rechtssache VBBB nur auf eine grenzüberschreitende Vereinbarung auf dem Buchsektor und schloß ausdrücklich eine Beurteilung der Vertragsgemäßheit eines nationalen Preisbindungssystems, unabhängig von dessen Natur, aus. Vor allem ist aber festzustellen, daß sich in der in Ihrer Rechtsprechung vorgeschlagenen Alternative zwar die Vielfältigkeit der Wirkungen einer staatlichen Wirtschaftsintervention widerspiegelt, daß Sie damit aber noch nicht alle Erscheinungsformen einer solchen Intervention erschöpfend behandelt haben.

Die französischen Rechtsvorschriften schaffen nämlich ein halbstaatliches Preisbindungssystem, das den Wettbewerb auf dem betreffenden Sektor wegen dessen Besonderheiten „disziplinieren“ soll. Sie haben also über die Vertragsgemäßheit eines Systems zu entscheiden, das in gewisser Hinsicht jedes wettbewerbsbeschränkende Verhalten überflüssig gemacht hat.

12. 

Um die Übereinstimmung einer derartigen Situation, die als solche nicht von den Vertragsbestimmungen erfaßt wird, mit dem Gemeinschaftsrecht zu beurteilen, ist im Primärrecht und in Ihrer Rechtsprechung nach Anhaltspunkten zu suchen, die für diese Beurteilung zweckdienlich sind.

Die Gemeinschaft verfügt über eine grundsätzliche Zuständigkeit auf dem Gebiet des freien Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt. Absatz 4 der Präambel sowie die Artikel 2 und 3 Buchstabe f machen deutlich, daß es sich dabei um eine für die Errichtung eines gemeinschaftlichen Wirtschaftsraums maßgebliche Zielsetzung handelt. Die Bindung der Staaten ergibt sich insbesondere aus den Artikeln 90 und 92 bis 94 EWG-Vertrag, und zwar auch im Hinblick auf die Ausübung ihrer Zuständigkeiten auf dem Gebiet der nationalen Verteidigung (Artikel 225). Dieser Grundsatz gilt seit Ihrem Urteil in der Rechtssache Wilhelm. Der Vorrang der Gemeinschaftsrechtsordnung verbietet es den Mitgliedstaaten,

„Maßnahmen zu ergreifen oder aufrechtzuerhalten, welche die praktische Wirksamkeit des Vertrages beeinträchtigen könnten“,

da

„die Geltungskraft des Vertrages und der zu seiner Anwendung getroffenen Maßnahmen ... nicht von Staat zu Staat aufgrund der nationalen Rechtsakte verschieden sein [darf]; andernfalls würde die Wirkung der Gemeinschaftsordnung beeinträchtigt und die Verwirklichung der Vertragsziele gefährdet werden“ ( 36 ).

In diesem Sinne verstieße eine nationale Maßnahme, die den Verboten gegenüber den Unternehmen gemäß den Artikeln 85 und 86 sowie der Tätigkeit der Kommission gemäß Artikel 87 ihre praktische Wirksamkeit nähme, insoweit unmittelbar gegen Artikel 5 Absatz 2, als sie die der Gemeinschaft durch Artikel 3 Buchstabe f zugewiesene Zielsetzung beeinträchtigen würde, wonach ein wirksames Wettbewerbssystem im Gemeinsamen Markt zu errichten ist, d.h.

„so viel Wettbewerb vorhanden sein [muß], daß die grundlegenden Forderungen des Vertrages erfüllt und seine Ziele, insbesondere die Bildung eines einzigen Marktes mit binnenmarktähnlichen Verhältnissen, erreicht werden“ ( 37 ).

Ein derartiger Verstoß gegen einen so fundamentalen Gemeinschaftsgrundsatz wie den des freien Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt würde einen direkten Eingriff in die ursprüngliche sich aus dem Vertrag ergebende Zuständigkeitsverteilung darstellen. Wenn dieser Verstoß zur Regel würde, so wäre nach einer gewissen Zeit die Solidarität bedroht, zu der die Mitgliedstaaten untereinander in Anbetracht der von ihnen eingegangenen Bindungen verpflichtet sind, so daß sich daraus das Risiko einer wirtschaftlichen Desintegration ergeben würde. Dieses Risiko, das hoffentlich nur hypothetischer Natur ist, erfordert eine besondere Wachsamkeit gegenüber staatlichen Interventionen auf dem Gebiet des Wettbewerbs.

Alle diese Überlegungen scheinen mir geeignet zu sein, dem Einwand wegen des „programmatischen“ Charakters von Artikel 3 Buchstabe f oder der zur allgemeinen Fassung von Artikel 5 Absatz 2 eine angemessenere Dimension zu verleihen. Zwar weist Artikel 3 Buchstabe f der Gemeinschaft ein Ziel zu, doch verankert er auch einen Grundsatz, dessen fundamentalen Aspekt ich hervorgehoben habe; die andere Bestimmung macht die vom Vertrag vorgenommene Übertragung von Zuständigkeiten irreversibel. Es handelt sich dabei um Bestimmungen, die von den Mitgliedstaaten zu beachten sind, damit diese die Regeln des Vertrages über die Anwendung dieser Bestimmung nicht ihrer Wirkung berauben können.

Verhindert ein Mitgliedstaat die Anwendung dieser Bestimmungen, so ist damit immer die Gefahr verbunden, daß den einzelnen Rechte genommen werden, die sie gegebenenfalls daraus ableiten könnten, und daß den Organen der Gemeinschaft die Ausübung der ihnen vom Vertrag verliehenen Befugnisse unmöglich gemacht wird.

Dies ist nach meinem Dafürhalten die Tragweite Ihres Urteils in der Rechtssache Inno: Eine nationale Maßnahme, die ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten begünstigt oder, allgemeiner gesagt, die den Verboten der Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag ihre praktische Wirksamkeit nimmt, ist mit den Artikeln 3 Buchstabe f und 5 Absatz 2 in Verbindung mit den Artikeln 85 und 86 unvereinbar ( 38 ).

13. 

Ihre Rechtsprechung erscheint mir also hinreichend allgemein, um auf ein halbstaatliches System Anwendung zu finden, das die Wirkung hat, derartige gemeinschaftsrechtlich verbotene Verhaltensweisen überflüssig zu machen.

Meines Erachtens besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen der im Urteil in der Rechtssache Inno — nationale Maßnahme, die eventuell den Mißbrauch einer beherrschenden Stellung begünstigt und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt — und der soeben vorgenommenen Wertung.

Der Unterschied bezieht sich auf das Ausmaß der staatlichen Intervention. Ihre Rechtsprechung knüpft eindeutig an die Auswirkungen einer nationalen Maßnahme auf die Handelsströme oder den Wettbewerb an, ohne den Einzelheiten der Intervention Beachtung zu schenken.

Es sind also die Auswirkungen der staatlichen Intervention — welche Formen sie auch immer annehmen mag — auf den nationalen Wettbewerb zu untersuchen, damit sodann besser ihr Einfluß auf den innergemeinschaftlichen Handel beurteilt werden kann. Ein solches Wettbewerbssystem muß nach meinem Dafürhalten aus sich selbst heraus ausgelegt werden; nur dadurch läßt sich seine wahre Tragweite im Hinblick auf die Gemeinschaft ermitteln. Die Feststellung einer Behinderung des Wettbewerbs erfolgt

entweder aufgrund von Artikel 30, sofern man sie ebenfalls als eine Behinderung des Handels ansehen kann,

oder aufgrund der Artikel 85 und 86, wenn sie diesen Bestimmungen die praktische Wirksamkeit nimmt.

Allerdings müßten Sie bei Ihrer Entscheidung noch die Zuständigkeit des Mitgliedstaats auf dem in Rede stehenden Gebiet des Buchsektors berücksichtigen, für den noch keine gemeinschaftliche Politik entwickelt worden ist und dessen wirtschaftliche und kulturelle Besonderheit unbestritten ist.

14. 

Bei der Prüfung der in den französischen Rechtsvorschriften enthaltenen Wettbewerbsregelung ist danach zu fragen, ob das vom Gesetz eingeführte System selbst zu einer Beschränkung des Wettbewerbs führt und — wenn ja — ob diese Beschränkung geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Was die Beziehungen zwischen den französischen Verlegern angeht, läßt das Gesetz den Wettbewerb unberührt. Jeder Verleger setzt nach den Gesetzen des Marktes frei die Höhe des Endverkaufspreises fest und kann in diesem Rahmen den Verkaufspreis, insbesondere unter Berücksichtigung von Mengen- und Wertrabatten, mit jedem Einzelhändler aushandeln.

Ohne dafür die Ursache zu sein, schließt das französische Gesetz, ebensowenig wie das vorherige Recht, die Möglichkeit von wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen der Verleger untereinander aus. Wenn solche Verhaltensweisen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen, wären die Artikel 85 und 86 folglich auf sie anwendbar.

15. 

Wie die französischen Bücher sind die ausländischen Bücher in Frankreich dem Grundsatz der Festsetzung eines Endverkaufspreises unterworfen. Diese Verpflichtung trifft aber nicht den ausländischen Verleger, sondern den Importeur/Hauptdepositär ( 39 ).

In dieser Hinsicht ist in der mündlichen Verhandlung auf zwei Gefahren für den Wettbewerb hingewiesen worden. Der Importeur/Hauptdepositär habe aufgrund seiner als privilegiert beschriebenen Position die Möglichkeit,

sich bei der Festlegung seiner Geschäftspolitik auf dem französischen Markt an die Stelle des ausländischen Verlegers zu setzen,

aufgrund der Befugnis, den Endverkaufspreis festzusetzen, den Wettbewerb jedes anderen Importeurs auszuschließen.

Lassen Sie mich zunächst eine Unklarheit beseitigen. Der Hauptdepositär ist diejenige Person, die der gesetzlichen Hinterlegungspflicht nachzukommen hat; diese Formalität soll insbesondere sicherstellen, daß eine bestimmte Anzahl von in Frankreich verlegten oder nach Frankreich eingeführten Werken amtlich aufbewahrt werden ( 40 ).

Der ausländische Verleger behält also seinen normalen Spielraum bei den Preisverhandlungen mit dem Importeur/Hauptdepositär. Im Rahmen dieser Verhandlungen kann er somit diejenigen Vorteile in diesen Preis einfließen lassen, die sich insbesondere aus einem günstigeren Wechselkurs oder aus niedrigeren Kosten ergeben. Es liegt auf der Hand, daß er auch den Endverkaufspreis zu einem ausschlaggebenden Element bei diesen Verhandlungen machen kann, dies mit all den Vorteilen, die sich daraus für ihn selbst, den Importeur, den Einzelhändler und den Verbraucher ergeben können.

Dagegen könnte der Importeur/Hauptdepositär wegen der allein ihn treffenden Verpflichtung zur Festsetzung eines Endverkaufspreises gegenüber den anderen Importeuren eine beherrschende Stellung erlangen, deren Mißbrauch geeignet sein könnte, den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen.

Gemäß Ihrem Urteil in der Rechtssache Inno ( 41 ) erscheint also diese Bestimmung der nationalen Rechtsvorschriften insoweit als mit den Artikeln 3 Buchstabe f und 5 Absatz 2 unvereinbar, als sie eventuell ein gegen Artikel 86 verstoßendes Verhalten dieses Importeurs begünstigen könnte.

16. 

Zu untersuchen ist nunmehr, wie sich das mit dem französischen Gesetz geschaffene Wettbewerbssystem auf der Einzelhandelsstufe darstellt und wie es sich gegebenenfalls auf den innergemeinschaftlichen Handel auswirkt.

Indem es für den Einzelhandel den vom Verleger festgesetzten Endverkaufspreis vorschreibt, beseitigt das Gesetz noch nicht jeglichen Preiswettbewerb zwischen den Einzelhändlern. Dieser findet in der Gestalt von Preisnachlässen in Höhe von maximal 5 % statt. Im übrigen bleiben andere Formen des Wettbewerbs zwischen den Einzelhändlern erhalten, und zwar sowohl aufgrund von Artikel 2 des Gesetzes über die Wert- und Mengenrabatte als auch in Gestalt der Qualität der Leistungen gegenüber der Kundschaft.

Nichtsdestoweniger nimmt das Gesetz bestimmten Einzelhändlern wie den Centres Leclerc die Möglichkeit, Preisnachlässe von mehr als 5 % zu gewähren. Darin besteht die einzige Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den Einzelhändlern; dies hat sowohl das Ausgangsverfahren als auch die mündliche Verhandlung vor dem Gerichtshof ergeben.

So umschrieben erscheint diese Beschränkung als der Preis für eine bestimmte Konzeption des Buchwesens, dessen wirtschaftliche und kulturelle Besonderheit wohl auch besondere Marktregeln erforderlich macht.

Wie dem auch sei, lassen Sie mich prüfen, ob diese Beschränkung Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel hat.

Im Hinblick auf die ausländischen Bücher könnte das den Einzelhändlern auferlegte Verbot, Preisnachlässe von mehr als 5 % zu gewähren, theoretisch diesen Handel beeinträchtigen. Dieses Risiko ist aber zu relativieren. Wie ich nämlich dargelegt habe, können die niedrigeren Kosten des ausländischen Werkes stets im Endverkaufspreis ihren Niederschlag finden. Soweit es sich um ausländische Bücher handelt, wäre also der Einfluß zusätzlicher Preisnachlässe von geringer Bedeutung. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis angebracht, daß die Centres Leclerc niemals behauptet haben, vorher bestehende Handelsströme seien durch das französische Gesetz beeinträchtigt worden. Außerdem ist dem Vertreter der französischen Regierung nicht widersprochen worden, als er in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, daß seit dem Inkrafttreten des Gesetzes die Einfuhren von Büchern aus anderen Ländern der Gemeinschaft nach Frankreich angestiegen seien (1982: um 17 % im Wert und um 5 % in der Menge, 1983: um 27% im Wert und um 16 % in der Menge).

17. 

Soweit es sich um wiedereingeführte französische Bücher handelt, kann ich nunmehr prüfen, ob die Bestimmungen des Gesetzes den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

Um auch hier jede Unklarheit zu beseitigen, ist zunächst der Begriff der Wiedereinfuhr oder Paralleleinfuhr zu verdeutlichen, indem wir deren Auswirkungen betrachten.

Paralleleinfuhren haben zunächst den Vorteil, daß sie es den Einzelhändlern ermöglichen, sich zu günstigeren Preisen auf dem Markt eines anderen Mitgliedstaats einzudecken, so daß sie aus dem sich daraus ergebenden Wettbewerbsvorteil Nutzen ziehen können.

Sie bieten außerdem den Wirtschaftsteilnehmern dieses anderen Mitgliedstaats die Möglichkeit, mit Hilfe dieses Erzeugnisses und aufgrund seines günstigeren Preises ihren Absatz auf dem französischen Markt zu steigern.

In diesem Sinne fällt es zwangsläufig nicht unter diese Definition, wenn ein- und derselbe Einzelhändler französische Bücher nur zum Zweck der Wiedereinfuhr ausführt. Ein derartiger Geschäftsvorgang, mit dem lediglich die zwingenden Vorschriften des nationalen Gesetzes umgangen werden sollen, ist als ein künstliches Handelsgeschäft zu qualifizieren. Es ist aber nicht möglich, sich auf das System des einheitlichen Marktes zu berufen und sich gleichzeitig in mißbräuchlicher Weise die Existenz von Grenzen zunutze zu machen. Nur den normalen Wirtschaftsgeschäften kann der Schutz des Gemeinschaftsrechts zugute kommen.

Beeinträchtigt das französische Gesetz derartige Geschäfte?

Um diese Frage zu beantworten, ist festzustellen, ob die betreffenden Wirtschaftsteilnehmer durch das Gesetz daran gehindert werden, aus der Preisdifferenz Nutzen zu ziehen.

Die Bestimmung des Gesetzes, wonach „bei der Einfuhr von in Frankreich verlegten Büchern ... der vom Importeur festgesetzte Endverkaufspreis mindestens so hoch sein [muß] wie der vom Verleger festgesetzte Preis“ ( 42 ), betrifft nämlich nur diejenigen Bücher, deren Herausgabe oder Einfuhr weniger als zwei Jahre und deren letzte Lieferung weniger als sechs Monate zurückliegen.

Diese Bestimmung ist für die- Ausgewogenheit des Gesetzes von wesentlicher Bedeutung. Von ihr hängt dessen Wirksamkeit ab, denn ohne sie stünde der Praxis von Lockpreisen nichts mehr im Wege.

Auch unter Berücksichtigung dieser Verpflichtung verbietet das französische Gesetz einem französischen Einzelhändler keineswegs, sich unmittelbar oder mittelbar französische Bücher zum günstigsten Preis im Ausland zu beschaffen. Dies kann ihm nur Vorteile bringen, nicht nur wegen des sich daraus ergebenden zusätzlichen Gewinns, sondern auch wegen des Wettbewerbsvorteils, den er dadurch hat, daß er diesen Preis im Preis älterer, nicht preisgebundener Bücher weitergibt. Dies ist das Verfahren des „internen Ausgleichs“.

Wie bereits gesagt, verbiete ihm das Gesetz, während der gesetzlichen Frist von dem ursprünglich durch den französischen Verleger festgesetzten Endverkaufspreis abzuweichen. Es läßt sich zwar die Auffassung vertreten, diese Vorschrift könne trotz der soeben beschriebenen Vorteile eine abschrekkende Wirkung auf die Paralleleinfuhren haben. Es ist aber nicht recht einzusehen, warum der Einzelhändler darauf verzichten sollte, sich diese Vorteile zunutze zu machen, nur weil die gesetzliche Beschränkung des Wettbewerbs der Praxis von Lockpreisen im Wege steht. Der etwaige Eingriff in den Handel würde daher nicht Folge des Gesetzes, sondern der Geschäftspolitik, also des Verhaltens des Einzelhändlers sein.

Es sei hier auch darauf hingewiesen, daß niemals behauptet worden ist, vor Inkrafttreten des Gesetzes hätten normale Handelsströme bestanden, die durch das Gesetz beeinträchtigt worden seien.

Der Kausalzusammenhang zwischen dem Gesetz und der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten — diese Beeinträchtigung einmal unterstellt — erscheint mir also zu unsicher, als daß Sie ihn berücksichtigen könnten.

18. 

Welche zweckdienliche Antwort kann daher angesichts der vorangegangenen Ausführungen auf die Ihnen von dem nationalen Gericht vorgelegte Frage gegeben werden?

Ich habe die Unvereinbarkeit des Gesetzes mit den Artikeln 3 Buchstabe f und 5 Absatz 2 sowie 86 EWG-Vertrag hervorgehoben, soweit es um die Position geht, die das Gesetz dem Importeur/Hauptdepositär einräumt.

Die extraterritoriale Wirkung der durch das Gesetz eingeführten Regelung des Wettbewerbs auf der Einzelhandelsstufe weist die folgenden Eigenschaften auf:

Sie kann nur die Folge des Umstandes sein, daß es dem Einzelhändler unmöglich ist, einen Preisnachlaß von mehr als 5 % auf die eingeführten oder wiedereingeführten Bücher zu gewähren;

der Kausalzusammenhang zwischen dieser Unmöglichkeit und den innergemeinschaftlichen Handelsströmen ist nicht sicher, da es maßgeblich auf das Verhalten des Einzelhändlers ankommt.

Diese Feststellung ist das Ergebnis meiner Analyse des Gesetzes, das — darauf sei hingewiesen — sich darauf beschränkt, ein halbstaatliches System des Wettbewerbs, nicht aber des Warenverkehrs zu begründen, so daß seine Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel nur aufgrund der den Wettbewerb beschränkenden Vorschriften beurteilt werden können.

Somit ist nicht erwiesen, daß die Behinderung des nationalen Wettbewerbs als solche eine Behinderung des innergemeinschaftlichen Handels darstellt. Angesichts der dem Gerichtshof vorliegenden Anhaltspunkte sehe ich mich daher nicht in der Lage, Ihnen vorzuschlagen, Ihr Urteil auf Artikel 30 EWG-Vertrag zu stützen.

Damit will ich aber nicht ausschließen, daß das sich aus dem Gesetz vom 10. August 1981 ergebende Wettbewerbssystem einen Einfluß auf den Handel haben kann. Wie ungewiß auch immer die daraus folgende Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten sein mag, ein derartiges Risiko würde genügen — wenn man von der kulturellen Besonderheit des Buches absähe —, um auf den Grundsatz, den ich aus Ihrem Urteil in der Rechtssache Inno abgeleitet habe, zurückgreifen zu können: Eine nationale Maßnahme, die den Artikeln 85 und 86 ihre praktische Wirksamkeit nähme, indem sie ein halbstaatliches wettbewerbsbeschränkendes System an die Stelle eines normalen Wettbewerbs zwischen den Unternehmen setzte, würde gegen die Artikel 3 Buchstabe f und 5 Absatz 2 in Verbindung mit den vorerwähnten Artikeln verstoßen.

Dieser Grundsatz hat eine fundamentale Bedeutung, insbesondere in Zeiten langanhaltender Wirtschaftskrisen, denn er verbietet es den Mitgliedstaaten, die Bestimmungen zum Schutz der Wettbewerbsfreiheit der Unternehmen im Gemeinsamen Markt zu umgehen.

19. 

Bei der Anwendung dieses Grundsatzes dürfen aber nicht die Notwendigkeiten außer acht gelassen werden, denen die Mitgliedstaaten in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich Rechnung zu tragen haben.

Auf dem Sektor, mit dem wir uns befassen (Wirtschaftspolitik im Buchwesen als Element der Kulturpolitik), ist somit jedem Mitgliedstaat in Ermangelung einer entsprechenden gemeinsamen Politik die Befugnis zuzubilligen, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die zur Erreichung dieses Zieles erforderlich sind.

Es geht also darum, einen Grundsatz der Gemeinschaft und eine nationale Notwendigkeit miteinander in Einklang zu bringen.

In einer vergleichbaren Situation — Vereinbarkeit von Steuervorschriften eines Mitgliedstaats mit den Artikeln 5 Absatz 2 und 7 EWG-Vertrag in Verbindung mit der Verordnung über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation — hat im übrigen Generalanwalt Alberto Trabucchi darauf hingewiesen, daß

„insbesondere bei der Handhabung des äußerst bedeutsamen, dem Gerichtshof anvertrauten Instruments der Vorabentscheidung dem Auslegungswerk höchster Wert nur im Rahmen des Systems und bei Beachtung des harmonischen Gleichgewichts zukommen kann, das der Vertrag zwischen den einzelnen Subjekten der Gemeinschaftsrechtsordnung und den diesen zugewiesenen Befugnissen geschaffen hat“ ( 43 ).

Er hat weiter ausgeführt:

„Gewiß verdient das Konzept der unmittelbaren Geltung, das für das reibungslose Funktionieren des Systems wesensnotwendig ist, herausgestrichen zu werden, aber gerade um der Wahrung seiner Bedeutung und Wirksamkeit willen kann eine derartige Kraft nicht unterschiedslos sämtlichen Vertragsbestimmungen und -grundsätzen, den allerallgemeinsten eingeschlossen, zuerkannt werden, nur damit sich aus ihnen im Wege der Auslegung Argumente dafür gewinnen lassen, die gesamte Gesetzgebung der Mitgliedstaaten einer abstrakten Konformitätskontrolle ( 44 ) zu unterwerfen und auf diese Weise dem einzelnen das Recht einzuräumen, sich der Einhaltung klar umrissener Rechtssätze zu entziehen, denn angesichts der Komplexität der Sachverhalte und der vielfältigen Erfordernisse erscheint vielmehr eine Prüfung im Einzelfall auf die Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen durch die zur Nutzbarmachung und zur praktischen Anwendung solcher allgemeiner Regeln berufenen Gemeinschaftsorgane angezeigt“ ( 45 ).

Überträgt man diese Überlegungen auf das Buchwesen, dann gewinnen sie im Hinblick auf dessen kulturelle Besonderheit eine besondere Bedeutung.

Auf einem derartigen Gebiet, für das — lassen Sie es mich wiederholen — in Ermangelung einer europäischen Buchpolitik die Mitgliedstaaten zuständig sind, kann meiner Meinung nach nur ein wirtschaftliches Risiko, das die Anwendung der Gemeinschaftsregeln erheblich in Frage stellt, die Heranziehung der Artikel 3 Buchstabe f und 5 Absatz 2 in Verbindung mit den Artikeln 85 und 86 EWG-Vertrag im Hinblick auf eine nationale Maßnahme rechtfertigen, die den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt beschränkt. Dies ist die Auswirkung der kulturellen Besonderheit, auf die ich bereits hingewiesen habe ( 46 ).

Sollte ein derartiges Risiko auftreten, wäre es Sache der Kommission, gemäß Artikel 155 Absatz 1 zu handeln, gegebenenfalls aufgrund von Artikel 169 EWG-Vertrag. Dann fände eine Prüfung im Einzelfall, nicht aber eine abstrakte Konformitätskontrolle statt.

20. 

Es obliegt also den Gemeinschaftsorganen, unter Berücksichtigung der Bedeutung des betreffenden Bereichs und der tatsächlichen Situation in den verschiedenen Ländern des Gemeinsamen Marktes die Aufgaben wahrzunehmen, die ihnen jeweils vom Vertrag zugewiesen sind.

Wie nämlich der Sitzungsbericht hervorhebt, haben staatliche Regelungen oder private Praktiken in fast allen Mitgliedstaaten zum Schutz des Buches Preissysteme geschaffen, die von den Regeln des freien Wettbewerbs abweichen.

Die Versammlung der Europäischen Gemeinschaften hat ihrerseits am 13. Februar 1981 eine Entschließung „zu festen Buchpreisen“ ( 47 ) verabschiedet, in der sie den „spezifischen Charakter... [dieser] Ware“ sowie die Gefahr für die „kulturelle Identität Europas“ hervorhebt, wenn die Bücher „den Marktkräften“ ausgesetzt würden.

Diese Übereinstimmung beeindruckt. Sie ist nämlich Ausdruck eines gemeinsamen Willens der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments, das Buchwesen und damit das literarische Schaffen, d. h. die Kultur der Länder der Gemeinschaft, zu erhalten.

Daher ist es nicht möglich, eine solche Frage lediglich unter dem Gesichtspunkt des Marktes zu betrachten. Es ist also eine Entscheidung zu treffen zwischen einem hypothetischen Risiko wirtschaftlicher Art und einem sicheren Risiko kultureller Natur.

21. 

Im Lichte all dieser Überlegungen schlage ich Ihnen deshalb vor, folgendes festzustellen :

Die Einführung eines halbstaatlichen Preissystems in einem Mitgliedstaat durch Gesetz oder Verordnung, das die Einzelhändler verpflichtet, die Bücher zu dem vom Verleger oder Importeur festgesetzten Preis zu verkaufen, und ihnen verbietet, diesen Preis um mehr als 5 % zu ermäßigen,

verstößt nicht gegen die Artikel 3 Buchstabe f und 5 Absatz 2 in Verbindung mit den Artikeln 85 und 86 EWG-Vertrag, wenn nicht feststeht, daß die sich daraus ergebende Beschränkung des Wettbewerbs auf der Einzelhandelsstufe die Anwendung dieser Vorschriften im Gemeinsamen Markt erheblich in Frage stellt;

verstößt aber gegen die Artikel 3 Buchstabe f und 5 Absatz 2 EWG-Vertrag, soweit es eventuell ein Verhalten begünstigen kann, das nach Artikel 86 EWG-Vertrag verboten ist, indem es einem einzigen Importeur die Befugnis einräumt, den Einzelhandelspreis der in einem anderen Mitgliedstaat verlegten Bücher festzusetzen.


( *1 ) Aus dem Französischen übersetzt.

( 1 ) JORFvom 11. August 1981, S. 2198.

( 2 ) Artikel 1 Absätze 1 und 4.

( 3 ) Artikel 2 des Gesetzes vom 10. August 1981.

( 4 ) Artikel 3.

( 5 ) Artikel 1 erster und letzter Absatz.

( 6 ) Artikel 4 und 5.

( 7 ) Artikel 4 des Dekrets Nr. 81-1068 vom 3. Dezember 1981, JORF vom 4. Dezember 1981, S. 3305.

( 8 ) Rechtssache 120/78, Rcwe, Slg. 1979, 649.

( 9 ) Unter „halbstaatlich“ verstehe ich ein System, in dem die vorgeschriebenen Preise nicht unmittelbar hoheitlich festgesetzt sind.

( 10 ) Urteil vom 17. Januar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 43 und 63/82, insbesondere Rdnr. 6 der Entscheidungsgründe.

( 11 ) Rechtssache 13/77, Slg. 1977, 2115, Rdnrn. 5 bis 12 der Entschcidungsgründe.

( 12 ) Rechtssache 82/77, Slg. 1978, 25, Rdnrn. 3 bis 9 der Entschcidungsgründe.

( 13 ) Urteil vom 5. April 1984 in den verbundenen Rechtssachen 177 und 178/82, Rdnr. 16 der Entscheidungsgrunde.

( 14 ) Entscheidung 82/123/EWG, ABl. L 54 vom 25. 2. 1982, S. 36.

( 15 ) Rechtssachen 43 und 63/82, Rdnrn. 31, 44 und 58 der Entscheidungsgründe (a. a. O.).

( 16 ) Dieser ermögliche es den Verlegern, die Schwierigkeiten beim Absatz von anspruchsvollen Werken durch die beim Verkauf von erfolgreichen Büchern erzielten Gewinne auszugleichen.

( 17 ) Rechtssachen 43 und 63/82, Rdnr. 59 der Entscheidungsgründe (a. a. O.).

( 18 ) Entscheidung 82/123/EWG, Rdnr. 60, letzter Absatz (a. a. O.).

( 19 ) Rechtssachen 43 und 63/82, Rdnr. 45 der Entscheidungsgründe (a. a. O.).

( 20 ) Rechtssache 13/77 (a. a. O.).

( 21 ) Vgl. den diesbezüglichen Hinweis des Generalanwalts Capotorti in der Rechtssache 82/77, van Tiggek, Slg. 1978, 45-46.

( 22 ) Ich erinnere aber daran, daß Sie im Urteil in der Rechtssache 78/70 (Deliache Grammophon, Slg. 1971, 487) einen identischen Ansatzpunkt für die Prüfung der Tragweite eines durch die nationalen Rechtsvorschriften anerkannten ausschließlichen Rechtes im Hinblick auf das Gemcinschaftsrecht gewählt halten (Rdnrn. 7 und 8 der Entscheidungsgründc sowie Schlußanträge von K. Roemer, S. 507).

( 23 ) Rechtssache 13/77, Rdnrn. 28 bis 33 der Entscheidungsgründe (a. a. O.).

( 24 ) Rechtssache 13/77, Rdnrn. 35 sowie 52 bis 54 der Entscheidungsgründe und Nr. 3 des Tenors.

( 25 ) Rechtssache 13/77, Rdnr. 34 der Entschcidungsgründe und Nr. 1 des Tenors.

( 26 ) Rechtssache 13/77, Nr. 2 des Tenors (a. a. O.).

( 27 ) Rechtssache 82/77, Rdnrn. 3 bis 9 der Entscheidungsgründe (a. a. O.).

( 28 ) Rechtssache 82/77, Rdnr.14 der Entscheidungsgründe (a. a. O.).

( 29 ) Rechtssache Inno, Rdnr. 52 der Entscheidungsgründe (a.a.O.).

( 30 ) Rechtssache 82/77; Rdnr. 18 der Entscheidungsgründe und Nr. 1 des Tenors (a. a. O.).

( 31 ) Rechtssache 82/77, Schlußanträge von F. Capotorti, Slg. 1978, 48.

( 32 ) Rechtssachen 177 und 178/82 (a. a. O.).

( 33 ) Artikel 30 des Gesetzes.

( 34 ) Rechtssachen 177 und 182/82, Rdnrn. 11 und 12 der Entscheidungsgründc sowie Nr. 1 des Tenors (a. a. O.).

( 35 ) Rechtssachen 177 und 178/82, Rdnr. 24 der Entschei-dungsgründc.

( 36 ) Rechtssache 14/68, Slg. 1969, 1, Rdnr. 6 der Entscheidungsgründe.

( 37 ) Rechtssache 26/76, Metro, Slg. 1977, 1875, Rdnr. 20 der Entscheidungsgründe.

( 38 ) Rechtssache 13/77, Rdnr. 31 der Entscheidungsgründe (a. a. O.).

( 39 ) Artikel 1 Absatz 1 des Gesetzes.

( 40 ) Artikel 8 des Gesetzes Nr. 341 vom 21. Juni 1943, auf den Artikel 4 des vorerwähnten Dekrets Nr. 81-1068 verweist.

( 41 ) Rechtssache 13/77, Rdnrn. 33, 34, 37 und 38 der Entscheidungsgründe sowie Nr. 2 des Tenors (a. a. O.).

( 42 ) Artikel 1 letzter Absatz.

( 43 ) Rechtssache 2/73, Geddo, Slg. 1973, 865; Schlußanträge S. 885.

( 44 ) Hervorhebung durch mich.

( 45 ) Rechtsache 2/73, Schlußanträge S. 886.

( 46 ) Beiläufig sei erwähnt, daß dieser aufgrund meiner Analyse der französischen Rechtsvorschriften erarbeitete Ansatzpunkt für den Wettbewerbsbereich auf der Linie liegt, der Sie seit Ihrem Urteil „Casis de Dijon“ (vorerwähnte Rechtssache 120/78) in bezug auf Behinderungen des freien Warenverkehrs gefolgt sind.

( 47 ) ABl. C 50 vom 9. 3. 1981, S. 103