SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS
SIR GORDON SLYNN
vom 5. Juni 1985 ( *1 )
Herr Präsident,
meine Herren Richter!
In diesem Verfahren nach Artikel 33 EGKS-Vertrag beantragt die Klägerin, die Entscheidung der Kommission über die von der niederländischen Regierung vorgesehenen Beihilfen zugunsten der Stahlindustrie (83/398/EGKS; ABl. 1983, L 227, S. 33, die niederländische Entscheidung) und ihr Gegenstück über Beihilfen zugunsten der italienischen Stahlindustrie (83/396; ABl. 1983, L 227, S. 24, die italienische Entscheidung) aufzuheben.
Um der Stahlkrise abzuhelfen, erließ die Kommission die Entscheidung zur Einführung von gemeinschaftlichen Regeln über spezifische Beihilfen zugunsten der Eisenund Stahlindustrie (257/80/EGKS; ABl. 1980, L 29, S. 5). Nach dieser auf Artikel 95 EGKS-Vertrag gestützten Entscheidung dürfen Beihilfen nur nach vorheriger Zustimmung der Kommission und gemäß den von dieser aufgestellten Bedingungen in Kraft gesetzt werden.
Auf seinen Tagungen vom 3., 26. und 27. März 1981 verabschiedete der Rat Entschließungen, wonach die Entscheidung Nr. 257/80 durch eine striktere Regelung ersetzt werden sollte, die im wesentlichen auf denselben Gedanken beruhte (Bulletin EG 3-1981, S. 95-97). Auf seiner Tagung vom 24. Juni 1981 erzielte der Rat Einvernehmen über den Entwurf eines neuen Kodex für allgemeine wie für spezifische Beihilfen (Bulletin EG 6-1981, S. 21-23). Dieser Entwurf wurde zur Entscheidung Nr. 2320/81 der Kommission (ABl. 1981, L 228, S. 14). Diese wie ihre Vorgängerin auf Artikel 95 gestützte Entscheidung gilt bis zum 31. Dezember 1985.
Von einer hier nicht einschlägigen Ausnahme abgesehen haben die Mitgliedstaaten nach der Entscheidung Nr. 2320/81 der Kommission von allen Vorhaben zur Gewährung oder Änderung von Beihilfen bis zum 30. September 1982 Meldung zu machen. Solche Vorhaben durften nur mit Zustimmung der Kommission durchgeführt werden, wenn deren Bedingungen sämtlich erfüllt waren. Die von der Kommission zu beachtenden allgemeinen Kriterien sind in Artikel 2 aufgeführt. Wesentliche Merkmale dieser Bestimmung sind zum einen, daß Beihilfen von einem Abbau der Produktionskapazität des begünstigten Unternehmens abhängig gemacht werden, und zum anderen, daß Beihilfezahlungen nach dem 31. Dezember 1985 verboten werden, mit Ausnahme von Zinszuschüssen und Bürgschaftszahlungen für Darlehen, die vor diesem Zeitpunkt gewährt wurden. Die folgenden Artikel enthalten eingehende Sondervorschriften über Investitionsbeihilfen, Schließungsbeihilfen, Betriebsbeihilfen, Notbeihilfen sowie Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen.
Später gelangte die Kommission zu der Auffassung, daß die Kapazität bis zum 1. Juli 1983 um 30 Mio t bis 35 Mio t abgebaut werden müsse. Diese Ansicht haben die Industrieminister anscheinend geteilt, als sie sich am 17. und 18. November 1982 informell in Helsingør (Dänemark) trafen (Bulletin EG 11-1982, S. 20 und 21).
Am 29. Juni 1983 führte die Kommission die Entscheidung Nr. 2320/81 mit einer Reihe von Entscheidungen durch, die alle Mitgliedstaaten außer Dänemark betrafen. In der Mehrzahl dieser Entscheidungen wurde die vom jeweiligen Mitgliedstaat vorgeschlagene Beihilfe unter der Bedingung genehmigt, daß die Kapazität um bestimmte Beträge abgebaut werde. Die niederländische Entscheidung mit der Nr. K(83)950/8 wurde den Niederlanden mit Schreiben vom 30. Juni 1983 an den niederländischen Außenminister zugestellt. Die von der niederländischen Regierung vorgeschlagene Beihilfe wurde darin von einem Kapazitätsabbau um insgesamt 950000 t abhängig gemacht. Die Klägerin ist bei weitem die größte der beiden Stahlfirmen in den Niederlanden; die andere ist Nedstaal, eine hundertprozentige Tochter von Thyssen. Die Klägerin hatte somit offenkundig den Hauptteil dieses Abbaus zu tragen.
In ihrer am 8. August 1983 beim Gerichtshof eingereichten Klage beantragte die Klägerin, diese Entscheidung aufzuheben (Rechtssache 172/83). Weiter wird darin die völlige oder teilweise Aufhebung der italienischen Entscheidung mit der Nr. K(83)950/6 beantragt, die dem italienischen Außenminister mit Schreiben vom 30. Juni 1983 zugestellt worden war. Der letztere Antrag stützt sich darauf, die italienische Stahlindustrie sei milder behandelt worden; Hoogovens sei somit diskriminiert worden.
Die beiden angefochtenen Entscheidungen wurden am 19. August 1983 im Amtsblatt veröffentlicht. Die holländische Entscheidung wurde die Entscheidung 83/398, die italienische die Entscheidung 83/396. Die Klägerin reichte daraufhin am 6. Oktober 1983 eine zweite Klage ein (Rechtssache 226/83). Die beiden Klagen sind mit der Ausnahme identisch, daß die zweite nicht auf die Begleitschreiben vom 30. Juni 1983 Bezug nimmt. Mit Beschluß vom 13. Februar 1985 hat der Präsident des Gerichtshofes die beiden Rechtssachen für die Zwecke der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung verbunden.
Das vorliegende Verfahren stellt nicht den einzigen Angriff auf die Entscheidungen der Kommission vom 29. Juni 1983 dar; Die Kläger in der Rechtssache 222/83 (Gemeinde Differdingen/Kommission, Slg. 1984, 2889) hatten die Aufhebung der luxemburgischen Entscheidung beantragt; Diese Klage wurde aus Gründen als unzulässig abgewiesen, die im vorliegenden Fall nicht vorliegen. Weiter beantragte die deutsche Regierung in der noch anhängigen Rechtssache 214/83 (Deutschland/Kommission) die Aufhebung der belgischen, der französischen, der italienischen und der an das Vereinigte Königreich gerichteten Entscheidung.
In ihrer Klagebeantwortung in der Rechtssache 172/83 gesteht die Kommission zu, daß die Klage insoweit zulässig ist, als mit ihr die Aufhebung der niederländischen Entscheidung beantragt wird. Sie gesteht ausdrücklich zu, daß die Entscheidung die Klägerin individuell betrifft, so daß der Tatbestand des Artikels 33 Absatz 2 erfüllt sei.
In ihrer Gegenerwiderung führt die Kommission jedoch aus, die Klägerin habe sich entschlossen, ihre Kapazität bis Ende 1985 zusätzlich zu den 150000 t, die bereits durch die Schließung ihres Demka-Werks abgebaut worden waren, um eine weitere Million Tonnen abzubauen. Damit wolle die Klägerin ihre Kapazität um mehr als die 950000 t abbauen, deren Abbau in der niederländischen Entscheidung von den Niederlanden insgesamt verlangt worden sei. Ohne eine förmliche Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, fragt die Kommission, ob die Klägerin noch ein Rechtsschutzinteresse habe.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin den Sachvortrag der Kommission nicht bestritten. Als Grund für ihren Entschluß, ihre Kapazität weiter abzubauen als von der Kommission verlangt, führte sie an, ein Werk könne nicht zur Hälfte geschlossen werden; es müsse entweder mit voller Kapazität weiterlaufen oder ganz geschlossen werden. Ein Rechtsschutzinteresse bestehe, darüber hinaus insofern, als die Kommission möglicherweise künftig einen weiteren Kapazitätsabbau verlangen werde. Um sich hierauf vorzubereiten, bedürfe die Klägerin einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidungen.
Meines Erachtens berührt der von der Kommission vorgetragene Sachverhalt das Rechtsschutzinteresse der Klägerin nicht. Da beim Gerichtshof erhobene Klagen nach Artikel 39 keine aufschiebende Wirkung haben, muß eine Partei einer sie betreffenden Entscheidung bis zum Endurteil nachkommen, soweit keine einstweiligen Anordnungen getroffen werden. Somit verliert ein Kläger das Recht, eine Anfechtungsklage weiterzuverfolgen, nicht dadurch, daß er der angefochtenen Entscheidung, gegen die er weiter vorgeht, in der Sache nachkommt. Unerheblich ist, daß die Klägerin über das von der Kommission geforderte Maß hinausging; das bedeutet nämlich nicht zwingend, daß die Berechnungen der Kommission zutrafen. Außerdem hat die Klägerin, wie sie selbst vorträgt, für die Zukunft ein Interesse an einer Entscheidung im vorliegenden Verfahren.
Des weiteren bestreitet die Kommission in ihrer Klagebeantwortung die Zulässigkeit der Klage in der Rechtssache 172/83 in zweierlei Hinsicht.
Zum einen trägt die Kommission vor, die Klägerin begehre nicht nur die Aufhebung der beiden Entscheidungen, sondern auch der Begleitschreiben der Kommission an die niederländischen und italienischen Behörden. Diese Schreiben stellten jedoch keine Entscheidungen im Sinne des EGKS-Vertrags dar und könnten somit nicht aufgehoben werden. Das liegt neben der Sache, da die Klägerin die Aufhebung dieser Schreiben nicht begehrt. Sie trägt nur vor, die Schreiben müßten berücksichtigt werden, um insbesondere die Begründung der Entscheidungen zu erhellen. Die Einrede der Kommission ist somit unerheblich.
Zum anderen trägt die Kommission vor, nach Artikel 33 Absatz 2 EGKS-Vertrag sei die Klage insoweit unzulässig, als sie sich gegen die italienische Entscheidung richte. Es steht jedoch fest, daß der Begriff der den Kläger „betreffenden“ Entscheidung im Sinne des Artikels 33 Absatz 2 weiter ist als das Tatbestandsmerkmal des „unmittelbaren und individuellen“ Betreffens in Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag. So wurde in der Rechtssache 10/68 (Eridania/Kommission, Slg. 1969, 459) die Klage eines Unternehmens auf Aufhebung einer einen Wettbewerber begünstigenden Entscheidung mangels „besonderer Umstände“ für nach Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag unzulässig erklärt. Gegenteilige Entscheidungen wurden zu Artikel 33 Absatz 2 EGKS-Vertrag getroffen (verbundene Rechtssachen 24 und 34/58, Chambre syndicale de la sidérurgie/Hohe Behörde, Slg. 1960, 589, und Rechtssache 30/59, De Gezamenlijke Steenkolen-mijnen/Hohe Behörde, Slg. 1961, 1).
Im vorliegenden Fall liegen besondere Umstände vor, die den Antrag auf Aufhebung der italienischen Entscheidung als zulässig erscheinen lassen. Die niederländische und die italienische Entscheidung gehören zu einer Reihe von Entscheidungen, die die Kommission gleichzeitig erließ. Diese Entscheidungen müssen als Einheit betrachtet werden, die das koordinierte Bemühen der Kommission widerspiegeln sollte, die Stahlkapazität in der gesamten Gemeinschaft abzubauen. In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichtshofes hat die Kommission zwar bestritten, daß die Entscheidungen untereinander in irgendeiner Verbindung stehen. Vielmehr habe die Kommission für jeden Mitgliedstaat gesondert den Abbau bewertet, der erforderlich sei, um die Industrie dieses Mitgliedstaats wettbewerbsfähiger zu machen. Angesichts des Hintergrunds und des Zeitpunkts der Entscheidungen überzeugt mich dies jedoch nicht. Sowohl in der Entscheidung 83/396 als auch in der Entscheidung 83/398 lautet der letzte Passus der Begründungserwägung IV wie folgt: „Gemeinschaftsweit muß ein Abbau von Kapazitäten für warmgewalzte Erzeugnisse in der Größenordnung von 30 bis 35 Mio Tonnen erreicht werden, um ... eine ausreichende Kapazitätsausnutzung zu erreichen, die die Lebensfähigkeit der Stahlunternehmen der Gemeinschaft unter normalen Marktbedingungen absichert“ ( 1 ). Im dritten Absatz der Begründungserwägung I zur Entscheidung Nr. 2320/81 heißt es, „daß die Umstrukturierung nur dann konsequent, gerecht und in sozial annehmbarer Weise durchgeführt werden kann, wenn eine umfassende Beihilferegelung der Gemeinschaft geschaffen wird“; diese Regelung sollte „sicherstellen, daß für alle der Stahlindustrie zugute kommenden Beihilfen die gleiche Behandlung nach einer einheitlichen Verfahrensregelung gilt“. Falls die Kommission hinsichtlich der verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich vorging, so betrifft dies die Begründetheit der Klage, nicht ihre Zulässigkeit.
Wenn ein Kläger eine Entscheidung; die ihn offensichtlich betrifft, mit der Begründung anficht, daß er durch eine Entscheidung diskriminiert werde, die auf andere Erzeuger in einem anderen Mitgliedstaat Anwendung findet, dann ist die Klage gegen diese zweite Entscheidung, die Teil einer Reihe von Entscheidungen zur Durchführung eines bestimmten Ziels ist, nicht unzulässig.
Diese Auffassung wird bestätigt, erwägt man die Folgen, die es hätte, würde die niederländische Entscheidung wegen Begünstigung der italienischen Erzeuger aufgehoben, die Klage hinsichtlich der italienischen Entscheidung aber als unzulässig abgewiesen. Die Kommission könnte dann nicht von Amts wegen die italienische Entscheidung widerrufen oder ergänzen, da sie damit in wohlerworbene Rechte eingriffe. Somit könnte die Kommission die Diskriminierung nur dadurch beenden, daß sie die der niederländischen Stahlindustrie zugestandene Kapazität erhöhte. Das würde dem Ziel des gesamten Vorgehens widersprechen, Kapazitäten abzubauen.
Meines Erachtens ist somit die Klage in der Rechtssache 172/83 trotz der von der Kommission erhobenen Einwendungen zulässig.
In der Rechtssache 226/83 nimmt die Klägerin nicht auf die Begleitschreiben Bezug; deshalb hat die Kommission ihre diesbezüglichen Einwendungen nicht wiederholt. Ihre übrigen Einreden der Unzulässigkeit entsprechen den in. der Rechtssache 172/83 vorgebrachten. Aus den dargelegten Gründen würde ich ihnen nicht folgen.
Einen weiteren Gesichtspunkt hat die Kommission nicht geltend gemacht, nämlich die Frage, ob die Klage in der Rechtssache 226/83 wegen Rechtshängigkeit unzulässig ist. Da dies eine Frage der Zuständigkeit des Gerichtshofes ist, kann ihr der Gerichtshof jedoch von Amts wegen nachgehen.
Artikel 33 Absatz 3 EGKS-Vertrag lautet wie folgt: „Die in den Absätzen 1 und 2 dieses Artikels genannten Klagen sind innerhalb eines Monats nach Zustellung der individuellen Entscheidung oder Empfehlung oder nach Veröffentlichung der allgemeinen Entscheidung oder Empfehlung zu erheben.“ Artikel 173 Absatz 3 EWG-Vertrag lautet demgegenüber wie folgt: „Die in diesem Artikel vorgesehenen Klagen sind binnen zwei Monaten zu erheben; diese Frist läuft je nach Lage des Falles von.der Bekanntgabe der betreffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis erlangt hat.“
Meines Erachtens wird in Artikel 33 Absatz 3 EGKS-Vertrag der Zeitpunkt festgesetzt, bis zu dem Klage erhoben werden kann, wenn die Entscheidung demjenigen, der sie später anfechten will, förmlich zugestellt oder wenn sie veröffentlicht wird. Die Bestimmung steht nicht dem entgegen, Klage bereits vor Veröffentlichung zu erheben, wenn der Kläger Kenntnis von einer an einen Dritten gerichteten Entscheidung hat, die noch nicht veröffentlicht ist, ihn aber betrifft oder seiner Ansicht nach einen Ermessensmißbrauch ihm gegenüber darstellt.
Die Klägerin hatte von beiden Entscheidungen und den Begleitschreiben vom 30. Juni 1983 Kenntnis und konnte sie ihrer am 8. August 1983 beim Gerichtshof eingereichten Klage beilegen. Hatte die Klägerin in Analogie zu Artikel 33 Absatz 3, der die Klagefrist nach Veröffentlichung oder Zustellung betrifft, von dem Zeitpunkt an, zu dem sie von der Entscheidung und dem Begleitschreiben Kenntnis erlangte, eine Frist von einem Monat (zuzüglich Entfernungszuschlag, hier sechs Tage), so wurde nicht nachgewiesen, daß sie erst nach Ablauf dieser Frist Klage erhoben hat.
Die erste Klage wurde somit fristgerecht erhoben.
Die Klägerin mag jedoch Zweifel daran gehabt haben, ob sie nach Artikel 33 Absatz 3 vor Veröffentlichung der Entscheidung Klage erheben konnte. Deshalb ist es verständlich, daß sie sich durch Erhebung einer zweiten Klage innerhalb der in diesem Artikel festgesetzten Frist sichern wollte. Gleichwohl sollte die zweite Klage, die dieselben Fragen betrifft wie die erste, nicht zugelassen werden. Sie stellt eine reine Wiederholung dar; deshalb sollte sie als unzulässig abgewiesen werden.
Das erste materielle Argument der Klägerin besteht darin, die niederländische Entscheidung enthalte entgegen Artikel 15 keine ausreichende Begründung dafür, daß als Gegenleistung für die fraglichen Beihilfen 950000 t Kapazität abgebaut werden müßten.
Der einschlägige Passus der Entscheidung lautet wie folgt:
„Gemeinschaftsweit muß ein Abbau von Kapazitäten für warmgewalzte Erzeugnisse in der Größenordnung von 30 bis 35 Mio. Tonnen erreicht werden, um unter Zugrundelegung der Allgemeinen Ziele ,Stahl' wieder eine ausreichende Kapazitätsausnutzung zu erreichen, die die Lebensfähigkeit der Stahlunternehmen der Gemeinschaft unter normalen Marktbedingungen absichert. Zu diesem Kapazitätsabbau müssen alle Beteiligten gerecht beitragen. Aus diesem Grunde, und unter Anrechnung der bisherigen Strukturanstrengungen, und Beihilfen vor 1980, müssen von der niederländischen Stahlindustrie zusätzliche Strukturanstrengungen erbracht werden. Neben dem vorgesehenen Kapazitätsabbau in Höhe von 250000 Tonnen muß die niederländische Stahlindustrie infolgedessen ihre Kapazitäten für warmgewalzte Erzeugnisse um weitere 700000 Tonnen verringern. Die Angaben der zusätzlichen Schließungen muß innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen.“
Die von der Kommission angewandten Kriterien erhellen weiter aus ihrem Begleitschreiben vom 30. Juni 1983 an den niederländischen Außenminister, das der Klage beiliegt. Darin führt die Kommission aus, sie sei zu den 950000 t auf der Grundlage folgender Kriterien gelangt: das Erfordernis, das in Helsingør beschriebene Ziel zu erreichen, die hierfür notwendige Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten, das Erfordernis, die Unternehmen lebensfähig zu erhalten, die unterschiedliche Höhe der von den Mitgliedstaaten gewährten Beihilfen und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Regionen, in denen die beihilfebeziehenden Unternehmen liegen.
Aus der Entscheidung und dem Begleitschreiben ergeben sich somit die von der Kommission angewandten Kriterien recht detailliert. So hat auch der Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache 14/81 (Alpha Steel/Kommission, Slg. 1982, 749, 766) folgendes ausgeführt: Die Kommission hat „in knapper Form, aber so klar und schlüssig wie möglich, die wichtigsten rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen darzulegen, auf denen ihre Entscheidung beruht und die für das Verständnis der Gedankengänge erforderlich sind, die zu ihrem Handeln geführt haben ... Die Kommission braucht... jedoch nicht alle nur denkbaren Einwände zu erörtern, die gegen die Entscheidung hätten erhoben werden können... Ebensowenig ist zu verlangen, daß sie die Gründe dafür darlegt..., daß sie nicht noch andere als die in der Entscheidung angegebenen Maßnahmen ergriffen hat, die sie im Rahmen ihres Ermessens hätte treffen können.“ Hinzu kommt, daß Hoogovens seit Ende 1982 häufig mit der Kommission die Durchführung der Entscheidung Nr. 2320/81 erörterte und deshalb über die Pläne der Kommission informiert war, bevor die niederländische Entscheidung getroffen wurde; vgl. Rechtssache 13/72 (Niederlande/Kommission, Slg. 1973, 27, 39). Angesichts dessen erscheint mir die gegebene Begründung ausreichend, um Artikel 15 EGKS-Vertrag gerecht zu werden, selbst wenn es besser gewesen wäre, wenn die Kommission in der Entscheidung genauer angegeben hätte, wie sie auf 950000 t kam.
Noch im Rahmen ihres ersten Angriffsmittels trägt die Klägerin vor, die Kommission habe ihr Eigentum entgegen Artikel 1 des ersten Protokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention dadurch verletzt, daß sie von der niederländischen Stahlindustrie einen übermäßigen Kapazitätsabbau verlangt habe. Diesem Vorbringen, das die Klägerin nicht weiter ausgeführt hat, stehen indes eben die Urteile entgegen, auf die es sich stützt. In der Rechtssache 154/78 (Valsabbia/Kommission, Slg. 1980, 907, 1010 f.) entschied der Gerichtshof, daß „die Gewährleistung des Eigentums nicht auf den Schutz kaufmännischer Interessen ausgedehnt werden [kann], deren Ungewißheit zum Wesen wirtschaftlicher Tätigkeit gehört“. Nach dem Urteil in der Rechtssache 258/81 (Metallurgiki Halyps/Kommission, Slg. 1982, 4261, 4280) kann entsprechend „die Tatsache, daß die durch die wirtschaftliche Lage gebotenen Produktionsbeschränkungen die Rentabilität und die Substanz bestimmter Unternehmen beeinträchtigen können, nicht als ein Verstoß gegen, das Eigentumsrecht betrachtet werden. Die Klägerin kann sich nicht auf die Beachtung ihres Eigentumsrechts berufen, um sich den Zwängen zu entziehen, denen die gesamte europäische Stahlindustrie unterliegt.“ Diesem Vorbringen ist somit nicht zu folgen.
An zweiter Stelle rügt die Klägerin, die Kommission habe den Begriff „höchstmögliche Erzeugung“ nicht konsequent angewandt.
Die Kommission habe für die Berechnung der Kapazität der Klägerin im Bezugsjahr 1980 ein anderes Kriterium angewandt als in späteren Jahren. 1980 habe die Kommission die theoretische Kapazität der Klägerin außer acht gelassen, da diese wegen einer Knappheit von,Stahl für die Erzeugung von Warmwalzprodukten nicht habe ausgenutzt werden können. Die höchstmögliche Erzeugung der Klägerin'von Warmwalzprodukten sei deshalb auf 5400000 t, nicht auf 5700000 t festgesetzt worden. 1981 habe Stahl wieder in den erforderlichen Mengen zur Verfügung gestanden, so daß die Kapazität der Klägerin plötzlich auf letzteren Betrag gestiegen sei. Für 1984 habe man eine Knappheit von Halbfertigerzeugnissen für die Erzeugung von Warmwalzprodukten, nämlich von Vorbrammen, erwartet, von der man jedoch angenommen habe, daß sie bis 1987 überwunden sein werde. Wegen dieser Knappheit müsse die höchstmögliche Erzeugung der Klägerin in den fraglichen Jahren als von 5400000 t auf' 4900000 t reduziert angesehen werden. Bei der Berechnung des von der Klägerin vorgeschlagenen Abbaus ihrer Produktionskapazität sei die Kommission jedoch davon ausgegangen, daß die Klägerin produziere, als ob es keine Vorbrammenknappheit gebe.
Aufgrund der Anwendung der unterschiedlichen Kriterien habe die Kommission die Menge unterbewertet, die die Klägerin freiwillig habe abbauen wollen. Diese Menge sei in der niederländischen Entscheidung auf 250000 t angesetzt worden. Die -Parteien sind sich darüber einig, daß die Schließung der Walzstraße in Demka 150000 t ausmacht. Dagegen meint die Klägerin, der Rest, den die Kommission auf 100000 t angesetzt habe, betrage in Wirklichkeit 500000 t (die Differenz zwischen 5400000 t 1980 und 4900000 t 1985).
In ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichtshofes gibt die Kommission zu, zwei unterschiedliche Kriterien angewandt zu haben. Es sei korrekt gewesen, die Knappheit im Jahre 1980 zu berücksichtigen, da dies das Bezugsjahr gewesen sei. Hingegen habe die erwartete Knappheit in den Jahren 1984 bis 1987 außer Betracht bleiben müssen, da die ruhende Kapazität der Klägerin 1987 wieder habe eingesetzt werden können. Ziel der Entscheidung Nr. 2320/81 sei es gewesen, einen irreversiblen Kapazitätsabbau zu bewirken, so daß ein nur zeitweiliger Abbau nicht habe berücksichtigt werden können.
Die Auffassung der Kommission ist vertretbar, soweit sie die 1984 bis 1987 erwartete Knappheit betrifft. Hingegen hat die Kommission nicht dargetan, daß sie für das Bezugsjahr 1980 zu Recht ein anderes Kriterium angewandt habe. In dem von mir bereits zitierten Passus der niederländischen Entscheidung nennt die Kommission als Ausgangspunkt für den von der niederländischen Stahlindustrie zu fordernden Kapazitätsabbau ihr erklärtes Ziel, die Kapazität für Warmwalzerzeugnisse in der gesamten Gemeinschaft um 30 Mio t bis 35 Mio t abzubauen. Das ist sinnlos, soweit nicht für alle fraglichen Jahre dieselben Kriterien für die Bewertung der Kapazität angewandt werden. In ihrer Antwort auf die schriftliche Frage des Gerichtshofes führt die Kommission aus, es sei korrekt gewesen, für 1980 ein anderes Kriterium anzuwenden, gerade weil es das Bezugsjahr gewesen sei. Ich vermag jedoch nicht zu sehen, wie auf dasselbe Vorgehen zur gleichen Zeit zwei unvereinbare Kriterien angewandt werden können. Dieses Vorgehen mußte zu Unstimmigkeiten bei der Festsetzung der Kapazität führen.
Die Kommission hält dem Vorbringen der Klägerin weiter entgegen, sie haben deren Werk WB1 1980 380000 t Kapazität mehr zugestanden, als der unabhängige Sachverständige Demarteau geschätzt habe. Das wird in der Klagebeantwortung der Kommission als Zugeständnis beschrieben, wie es keinem anderen Unternehmen gewährt worden sei. Nach Auffassung der Klägerin handelt es sich nicht um ein Zugeständnis. Das kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls konnte keine wie auch immer geartete Berechnung der Kapazität des Werks WB1 den Fehler berichtigen, der durch die Berechnung der klägerischen Gesamtkapazität ab 1980 aufgrund unstimmiger Kriterien eingetreten war. Das Vorbringen der Kommission zu diesen 380000 t ist deshalb unerheblich. Das gleiche gilt für die 70000 t, die sich daraus ergeben, daß ein Teil der möglichen Übertragung von Breitband für Weißblech vom Werk WB2 auf das Werk WB1 unterblieb, was die Kommission ebenfalls als Zugeständnis betrachtet.
Die Klägerin rügt weiter, die Kommission habe ihr Angebot vom Juni 1983 abgelehnt, die Kapazität ihres Werkes SDW um 75000 t abzubauen. Diese Weigerung begründet die Kommission in ihrer Klagebeantwortung damit, ein solcher Abbau hätte zu einer Änderung der Produktzusammensetzung geführt; auch wäre er nicht irreversibel gewesen. Dieses Vorbringen konnte die Klägerin nicht überzeugend widerlegen; ihre Rüge greift somit nicht durch.
Nach alledem hat die Kommission den von der Klägerin vorgeschlagenen Kapazitätsabbau nicht nach durchgängigen Prinzipien bewertet. Die 700000 t Abbau, die in der niederländischen Entscheidung zusätzlich zu dem von der Klägerin vorgeschlagenen verlangt werden, können somit nicht stehen bleiben. Deshalb ist die Entscheidung 83/398 unabhängig davon aufzuheben, ob die Klägerin gegenüber Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten diskriminiert wurde.
Die Klägerin wirft der Kommission noch eine weitere Inkonsequenz bei der Kapazitätsberechnung vor. In anderen Mitgliedstaaten habe die Kommission nämlich einen reversiblen Kapazitätsabbau berücksichtigt. Hinsichtlich der Klägerin hat die Kommission, wie bereits dargelegt, den entgegengesetzten Weg eingeschlagen. Deshalb fühlt sich die Klägerin diskriminiert.
Nach dem Vorbringen der Klägerin verhielt sich die Kommission hinsichtlich der Sollacwerke in Frankreich und des Werks Port Talbot im Vereinigten Königreich großzügiger als ihr gegenüber. In ihrer Gegenerwiderung bringt die Kommission jedoch vor, in Sollac seien fünf Hochöfen mit einer Gesamtkapazität von 3500000 t auf Dauer außer Betrieb genommen und durch einen Hochofen mit einer Kapazität von 2800000 t ersetzt worden. Der Kapazitätsabbau sei. somit irreversibel gewesen. Auch der Kapazitätsabbau in Port Talbot sei irreversibel gewesen. Dort hätten drei Hochöfen auf Dauer außer Betrieb genommen und durch einen neuen Hochofen ersetzt werden sollen. Zwar habe der neue Hochofen eine höhere Kapazität gehabt als die drei anderen zusammen. Aus technischen Gründen habe jedoch die Erzeugung der neuen Walzstraße mit der der anderen Walzstraßen synchronisiert werden müssen; deshalb habe die neue Walzstraße tatsächlich nicht mit voller Kapazität arbeiten können. Dieses Vorbringen.der Kommission hat die Klägerin weder für Sollac noch für Port Talbot widerlegt. Ihre Behauptungen hinsichtlich dieser beiden Werke hat sie somit nicht belegt; sie sind zurückzuweisen.
In erster Linie fühlt sich die Klägerin jedoch gegenüber der italienischen Stahlindustrie diskriminiert. Die italienische Entscheidung stütze sich auf Zahlen über die Kapazität der italienischen Industrie im Jahre 1980, die über den 19,80 festgestellten gelegen hätten. Auf diese Weise habe die italienische Industrie ein „Geschenk“ von 1900000 t Kapazität erhalten. Aus diesen Gründen beantragt die Klägerin, die italienische Entscheidung ganz oder teilweise aufzuheben.
Die Kommission gesteht in ihrer Klagebeantwortung zu, die Angaben über das Jahr 1980 sowohl für Finsider wie für die privaten italienischen Stahlerzeuger nachträglich erhöht zu haben, hält diese Erhöhung aber für gerechtfertigt.
Hinsichtlich Finsider habe sich die Erhöhung auf das Werk in Bagnoli bei Neapel bezogen. 1979 habe die Kommission gemäß Artikel 54 EGKS-Vertrag eine Investition für die dortige Errichtung einer neuen Walzstraße genehmigt: Dies sei von einem Kapazitätsabbau anderswo abhängig gemacht worden. Anscheinend verpflichtete sich Finsider, deswegen anderswo mehr als 1 Mio t Erzeugung aufzugeben. Deswegen habe die Kommission von Finsider billigerweise nicht verlangen können, wegen derselben Investition einen weiteren Abbau vorzunehmen.
Beim privaten Sektor liegt das Problem anders. Es gibt in Italien ungefähr 150, zumeist kleine, private Stahlunternehmen. Viele dieser Firmen haben den Fragebogen 2/61 anscheinend mißverstanden und falsch ausgefüllt, aufgrund dessen die Kommission die Erzeugung der Unternehmen in der Gemeinschaft festsetzte. Deshalb hielt sich die Kommission für berechtigt, die fraglichen Zahlen rückwirkend zu ändern.
Nach Ansicht der Klägerin war dieses Vorgehen in beiden Fällen nicht gerechtfertigt. Sie hat meines Erachtens jedoch nicht dargetan, daß dieses Vorgehen auch nur in einem der beiden Fälle rechtswidrig gewesen sei oder sie diskriminiert habe;.
Soweit die Klägerin die Aufhebung der italienischen Entscheidung beantragt, sollte die Klage deshalb abgewiesen werden.
An dritter Stelle trägt die Klägerin vor, die Kommission hätte die Beihilfe in Höhe von 570 Mio HFL, auf die in Artikel 1 letzter Gedankenstrich der niederländischen Entscheidung Bezug genommen werde, außer acht lassen müssen. Diese Beihilfe bezog sich auf die 1982 erfolgte Auflösung des Zusammenschlusses der Klägerin mit Hoesch in Dortmund. Der Zusammenschluß war durch die Gründung von Estel vollzogen worden, deren Eigentümer gemeinsam und zu gleichen Teilen Hoesch und die Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabriken (KNHS) waren. Estel ihrerseits war Eigentümer der Klägerin sowie einer Hoeschtochter. Bei der Auflösung kauften die jeweiligen Muttergesellschaften die Aktien von Estel zurück: KNHS kaufte die Aktien der Klägerin, Hoesch die ihrer Tochter. Seitdem besteht Esteis einzige Tätigkeit in der Begleichung offener Schulden. Noch während der Dauer des Zusammenschlusses hatte Hoesch begonnen, Verluste zu machen; nach der Auflösung schuldete KNHS deshalb Hoesch ungefähr 570 Mio HFL, um deren Verluste abzudecken. Deshalb gewährte die niederländische Regierung KNHS ein Darlehen in dieser Höhe, das nur zur Begleichung dieser Schuld verwendet werden konnte.
Die Klägerin gesteht zu, daß das Darlehen eine Beihilfe ist, meint aber, wegen seiner besonderen Natur hätte die Kommission es außer acht lassen müssen. Die Kommission hält dem entgegen, die fragliche Schuld sei eine Folge der früheren Handlungen der Klägerin, für die diese nun einzustehen habe. Dem schließe ich mich an. Die Art der von der Beihilfe gedeckten Schulden ist zwar etwas ungewöhnlich, jedoch war die Klägerin, wie die Kommission zu Recht vorträgt, im Hinblick auf diese Schuld in derselben Lage wie jedes andere Unternehmen, das die Folgen seiner eigenen Handlungen zu tragen hat.
Auch der Ansicht der Klägerin, die Beihilfe hätte außer acht gelassen werden müssen, da sie KNHS gewährt worden sei und die Klägerin selbst deshalb keinen direkten Nutzen aus ihr gezogen habe, kann ich nicht folgen. Da KNHS eine reine Holding ohne eigene Betriebstätigkeit ist, hat die Klägerin als ihre 100%ige Tochter aus dieser Beihilfe offenkundig zumindest indirekten Nutzen gezogen.
Weiter meint die Klägerin, die Kommission habe in der niederländischen Entscheidung das Darlehen in Höhe von 570 Mio HFL zu Unrecht als Betriebsbeihilfe im Sinne des Artikels 5 der Entscheidung Nr. 2320/81 aufgefaßt. Unzweifelhaft soll diese Entscheidung jedoch alle der Stahlindustrie gewährten Beihilfen jedweder Art einschließen. Das kommt in Artikel 1 Absatz 1 vollkommen unzweideutig zum Ausdruck: „Alle Beihilfen zugunsten der Stahlindustrie, die, in welcher Form auch immer, von den Mitgliedstaaten oder aus staatlichen Mitteln finanziert werden, können nur dann als Gemeinschaftsbeihilfen und somit als mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Gemeinsamen Marktes vereinbar angesehen werden, wenn sie den allgemeinen Regeln des Artikels 2 und den Vorschriften der Artikel 3 bis 7 entsprechen.“ Die Klägerin hat sich auf die schlichte Behauptung beschränkt, das fragliche Darlehen sei keine Betriebsbeihilfe, ohne darzulegen, zu welcher anderen Art der in der Entscheidung genannten Beihilfen es gehöre. Es ist auch keineswegs klar, daß die Beihilfe zu einer dieser übrigen Arten gehört. Auch kann dem Vortrag der Klägerin kein Gewicht beigemessen werden, das Darlehen sei nicht Bestandteil eines Umstrukturierungsprogramms, wie dies in Artikel 5 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Entscheidung Nr. 2320/81 gefordert wird. Dieses Vorbringen kann der klägerischen Sache allenfalls zum Nachteil gereichen, da es die Annahme nahelegt, das Darlehen könne nicht als „mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Gemeinsamen Marktes vereinbar gelten“, würde es von Artikel 5 erfaßt. Auch diesem Vorbringen ist somit nicht zu folgen.
Hilfsweise macht die Klägerin geltend, da die Kommission das Darlehen als Betriebsbeihilfe für die Klägerin betrachte, hätte sie ihr den Kapazitätsabbau zurechnen müssen, den Hoesch hinsichtlich dieses Betrages vorgenommen habe. Die Kommission hält dem entgegen, das hätte sie nur mit Zustimmung von Hoesch und der deutschen Regierung tun können. Die Klägerin hat sich weder in ihrer Erwiderung noch in der mündlichen Verhandlung bemüht, dieses Vorbringen der Kommission zu widerlegen. Sie ist auf dieses Vorbringen auch nicht zurückgekommen. Meines Erachtens ist es nicht stichhaltig.
An vierter Stelle macht die Klägerin geltend, in Artikel 7 der niederländischen Entscheidung würden Sanktionen angedroht, die in der Entscheidung Nr. 2320/81 nicht vorgesehen seien. Nach Artikel 7 kann die Kommission die Einstellung von weiteren Beihilfezahlungen verlangen, wenn Beihilfen unter Mißachtung der in der mit der niederländischen Entscheidung ausgesprochenen Genehmigung vorgesehenen Bedingungen gezahlt werden, wenn die der Kommission erstatteten Halbjahresberichte erkennen lassen, daß die Wiedergewinnung der Rentabilität des betroffenen Unternehmens Ende 1985 zweifelhaft ist, und wenn das Unternehmen gegen die ihm aus dem EGKS-Vertrag, insbesondere der Quotenregelung auf der Grundlage von Artikel 58 und den Preisvorschriften, obliegenden Verpflichtungen verstoßen hat. Da die Entscheidung Nr. 2320/81 auf Artikel 95 Absätze 1 und 2 EGKS-Vertrag gestützt wird, verletzt Artikel 7 der niederländischen Entscheidung nach klägerischer Ansicht Artikel 95 Absatz 2, der wie folgt lautet: „Die gleiche, in derselben Form erlassene Entscheidung oder Empfehlung bestimmt gegebenenfalls die anzuwendenden Sanktionen.“ Sanktionen seien in der Entscheidung Nr. 2320/81 nur in Artikel 8 Absatz 3 erwähnt, der Beihilfen betreffe, die mit dieser Entscheidung unvereinbar seien, und keine Rechtsgrundlage für Artikel 7 der niederländischen Entscheidung abgebe.
Nach Auffassung der Kommission stellt die Einstellung von Beihilfen, die in Artikel 7 der niederländischen Entscheidung vorgesehen sei, keine Sanktion im Sinne des Artikels 95 Absatz 2 dar. Selbst wenn sie eine Sanktion darstellen sollte, finde sich die Rechtsgrundlage in Artikel 8 Absatz 1 der Entscheidung Nr. 2320/81, wo unter anderem folgendes bestimmt sei: „Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme erst durchführen, wenn die Kommission ihre Zustimmung erteilt hat und alle ihre Bedingungen erfüllt sind.“
Der Ausdruck „Sanktion“ in Artikel 95 EGKS-Vertrag erfaßt nicht nur Geldbußen, wie die Verwendung des Ausdrucks „sanction“ in der französischen Fassung zeigt. Unabhängig davon aber, ob die Einstellung von Beihilfezahlungen eine Sanktion darstellt, fällt sie jedenfalls unter Artikel 8 Absatz 1 der Entscheidung Nr. 2320/81, wie die Kommission vorträgt. Sie ist nur eine Folge der bedingten Zustimmung zur Beihilfegewährung. Dem steht auch nicht entgegen, daß nach Artikel 7 Beihilfen wegen Verstoßes gegen Verpflichtungen aus dem EGKS-Vertrag außerhalb des Anwendungsbereichs der Entscheidung Nr. 2320/81 eingestellt werden können.
Auch mit diesem Vorbringen kann die Klägerin somit keinen Erfolg haben.
Nach alledem beantrage ich, in der Rechtssache 172/83 die Entscheidung 83/398 aufzuheben und die Klage in der Rechtssache 226/83 als unzulässig abzuweisen. Die Kommission sollte die Kosten in der Rechtssache 172/83 tragen. In der Rechtssache 226/83 sollten die Kosten gegeneinander aufgehoben werden.
( *1 ) Aus dem Englischen übersetzt.
( 1 ) Anmerkung des Übersetzers: So der Wortlaut in der deutschen Fassung der niederländischen Entscheidung; der im Englischen identische Wortlaut der italienischen Entscheidung weicht im Deutschen ab.