SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS
PIETER VERLOREN VAN THEMAAT
VOM 20. JUNI 1984 ( 1 )
Herr Präsident,
meine Herren Richter!
1. Einleitung
1.1. |
In diesem Verfahren hat das vorlegende Gericht Fragen gestellt, die die Rechtsnatur und die rechtliche Einordnung von „Kautionen“ betreffen, die im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 352/78 des Rates vom 20 Februar 1978 (ABl. L 50, S. 1) aufgrund von im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik erlassenen Bestimmungen geleistet werden. Wie sich aus der genannten Vorschrift ergibt, werden solche Kautionen in den Agrarverordnungen auch anders bezeichnet. Die Vorschrift gibt in diesem Zusammenhang als Synonyme für den Begriff „Kautionen“ die Begriffe „Sicherheiten“ und „Garantien“ an. Offenbleibt dabei die Frage, für welche Hauptforderung die Kaution als Sicherheit dient. |
1.2. |
Aus der Antwort der Kommission auf Ihre schriftlichen Fragen vom 15. Dezember 1983 und aus meinen eigenen Nachforschungen ergibt sich, daß derartige „Kautionen“ sehr häufig im Agrarsektor, aber auch außerhalb davon vorgesehen sind. Die Kommission nennt in ihrer Antwort insbesondere das Zollrecht sowie eine jüngst erlassene Regelung im Stahlsektor (Entscheidung Nr. 3716/83/EGKS vom 23. 12. 1983, ABl. L 373, S. 5). Außerdem geht aus dieser Antwort der Kommission hervor, daß die Rechtsnatur und die rechtliche Einordnung solcher „Kautionen“ weniger von ihrer Bezeichnung als vom Worlaut und Zweck der Verordnungen, Richtlinien oder Entscheidungen abhängen, in denen sie vorkommen. Sie können die Rechtsnatur einer Sicherheitsleistung für die Begleichung bestimmter Geldforderungen haben. „Kautionen“ können nach Ansicht der Kommission jedoch auch eine Rechtsnatur haben, die eher der einer Verwaltungssanktion oder einer Vertragsstrafe vergleichbar ist. In ihrer Antwort hat die Kommission Beispiele für diese verschiedenen Arten von „Kautionen“ angegeben. Sie räumt jedoch ein, daß eine Sanktionen vergleichbare Rechtsnatur nicht immer mit der wünschenswerten Deutlichkeit im Wortlaut der Verordnungen, Richtlinien oder Entscheidungen zum Ausdruck komme. Dies liege daran, daß einige Mitgliedstaaten ein Recht der Gemeinschaft auf Festsetzung von Verwaltungs- oder anderen Sanktionen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik nicht ausdrücklich anerkennen wollten. Auf diesen Punkt ist die Kommission vor allem in der mündlichen Verhandlung ausführlich eingegangen. Was die rechtliche Einordnung von „Kautionen“ angeht, so ist der Kommission jedenfalls keine Regelung bekannt, wonach die Freigabe einer Sicherheit auch zum Erlöschen der Hauptforderung führen würde, deren Erfüllung durch die Kaution gesichert wird. |
1.3. |
Vor dem Hintergrund der so kurz zusammengefaßten Antwort der Kommission auf Ihre erste schriftliche Frage erscheint es verständlich, daß auch das nationale Gericht im vorliegenden Fall Probleme bezüglich der Rechtsnatur und der rechtlichen Einordnung der hier nach vorheriger Freigabe zurückgeforderten „Kaution“ sieht. Wie sich der Antwort der Kommission entnehmen läßt, gibt es zwar Beispiele, in denen die betreffende Verordnung ausdrücklich die erneute Stellung einer bereits freigegebenen „Kaution“ vorsieht (Artikel 31 und 40 der Verordnung (EWG) Nr. 3183/80 der Kommission, ABl. 1980 L 338, S. 1) ( 2 ). So verhält es sich hier jedoch nicht. Die Rechtspraxis der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet ist, soweit der Kommission bekannt, auch nicht einheitlich. Ich verweise insoweit zum einen auf die Antwort der Kommission auf Ihre schriftlichen Fragen und zum anderen auf ihre ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung. Ihr Urteil in der vorliegenden Rechtssache wird daher einen wichtigen Beitrag zur weiteren Präzisierung der Rechtsnatur und der rechtlichen Einordnung von Kautionen leisten können, wie sie hier im Streit stehen, tatsächlich aber auch in zahlreichen anderen Regelungen vorgesehen sind. |
1.4. |
Die Fragen, die das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main dem Gerichtshof hier vorgelegt hat, lauten:
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1.5. |
Ich werde nunmehr nacheinander in meinen Ausführungen unter 2. die im vorliegenden Fall anwendbaren Regelungen des Gemeinschaftsrechts analysieren, soweit sie hier von Belang sind, unter 3. den relevanten Sachverhalt kurz zusammenfassen, unter 4. die Vorlagefragen und die hierzu vom vorlegenden Gericht gegebenen Erläuterungen näher untersuchen und dabei auch auf einige der im Verfahren angeführten Gesichtspunkte eingehen, unter 5. darlegen, welche Antworten der Gerichtshof meines Erachtens auf die gestellten Fragen geben kann. |
2. Die relevanten gemeinschaftsrechtlichen Regelungen
2.1. Die Grundverordnung
Die im vorliegenden Fall relevanten Interventionsmaßnahmen haben ihre Grundlage in der Verordnung (EWG) Nr. 989/68 des Rates (ABl. L 169, 1968, S. 10). Dort ist vorgesehen, daß im Rindfleichsektor Interventionsmaßnahmen in der Form der Gewährung von Beihilfen für die private Lagerung von frischem Rindfleisch mit Ursprung in der Gemeinschaft getroffen werden können. Nach Artikel 1 Absatz 3 der Verordnung wird die Beihilfe für die private Lagerhaltung „nach Maßgabe von mit Interventionsstellen geschlossenen Verträgen gewährt, in denen die beiderseitigen Verpflichtungen der Vertragsparteien nach für jedes Erzeugnis einheitlichen Vorschriften festgelegt sind“. Aus dem letzten Halbsatz der dritten Begründungserwägung der Verordnung ergibt sich, daß dieses Erfordernis der Einheitlichkeit aus der Notwendigkeit resultiert, daß „die Beihilfe ohne Diskriminierung zwischen in der Gemeinschaft niedergelassenen Antragstellern zu gewähren [ist]“. Den Artikeln 3 und 4 Absatz 2 (Unterabsatz 3) der Verordnung ist zu entnehmen, daß in den über die Lagerung zu schließenden Verträgen unter anderem die Lagerzeit festgelegt sein muß. Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung bestimmt, daß „... zum Vertragsabschluß ... nur Antragsteller zugelassen [werden], die durch Stellung einer Kaution die Einhaltung ihrer Verpflichtungen gesichert haben; die Kaution verfällt ganz oder teilweise, wenn die Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht oder nur teilweise eingehalten werden“ (Weglassungen, Einfügungen in eckigen Klammern und Hervorhebungen von mir).
2.2. Die Durchführungsverordnung
Die näheren Einzelheiten der Durchführung der soeben besprochenen Ratsverordnung regelt die Verordnung (EWG) Nr. 1071/68 der Kommission (ABl. L 180, 1968, S. 19). Artikel 3 dieser Verordnung gibt eine detaillierte Übersicht über die Angaben, Verpflichtungen und Rechte, die der zu schließende Lagervertrag in jedem Fall enthalten muß. Absatz 4 dieses Artikels bestimmt, daß „die Verpflichtung zur Lagerung der vereinbarten Menge ... als erfüllt [gilt], wenn mindestens 90 v. H. oder höchstens 110 v. H. dieser Menge eingelagert und gelagert worden sind“. Aus der fünften Begründungserwägung der Verordnung ergibt sich, daß damit nicht, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Verfallserklärung der Kaution Ausdruck gegeben werden sollte, sondern daß es als „angebracht“ angesehen wurde, „unter Berücksichtigung der Handelsbräuche ... bestimmte Abweichungen von der vereinbarten Lagermenge zuzulassen“.
Zu den in Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung vorgeschriebenen Vertragspflichten gehört nicht die Kautionsregelung. Zwar muß der Vertrag nach Artikel 3 Absatz 1 Angaben über „Art und Höhe“ der Kaution enthalten, die Verpflichtung des Lagerhalters zur Stellung einer Kaution ist aber gesondert in Artikel 4 der Kommissionsverordnung geregelt. Artikel 4 Absatz 1 bestimmt insoweit: „Bei Vertragsabschluß ist vom Lagerhalter eine Kaution zu stellen, deren Betrag 50 v. H. des in dem Vertrag aufgeführten Beihilfebetrags nicht übersteigt und die in Form von Bargeld oder durch Bürgschaft einer Kreditanstalt erbracht werden kann, die den von jedem Mitgliedstaat festgesetzten Erfordernissen entspricht.“ Im Vorgriff auf meine nähere Untersuchung der Rechtsnatur der Kaution möchte ich hier bereits feststellen, daß diese Konstruktion die (in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegte) Auffassung der Kommission, daß es sich hier in Wirklichkeit um eine Vertragsstrafeklausel handele, wohl ziemlich fragwürdig erscheinen läßt. Allerdings scheint Artikel 3 der Verordnung die Aufnahme einer Vertragsstrafeklausel in den Lagervertrag auch nicht auszuschließen. Die in Artikel 4 vorgesehene Verpflichtung zur Stellung einer Kaution kann jedoch auch mit einer anderen — insbesondere verwaltungsrechtlich ausgestalteten — bestehenden Verpflichtung im Zusammenhang stehen. Für die Bestimmung der Rechtsnatur der Kaution sind außerdem der dritte und der vierte Absatz des Artikels 4 von Belang. Artikel 4 Absatz 3 lautet: „Die Kaution verfällt in voller Höhe, wenn die Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht eingehalten werden; werden jedoch weniger als 90 v. H. der im Vertrag vereinbarten Menge fristgerecht eingelagert und gelagert, so verfällt die Kaution für den fehlenden Teil der in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a genannten Menge.“ Diese letzte Passage kann nur bedingt als eine Anerkennung der Anwendbarkeit des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit angesehen werden. Die Kommission räumt dies im ersten vollständigen Absatz der Seite 15 ihrer schriftlichen Erklärungen auch ausdrücklich ein. Artikel 4 Absatz 4 lautet: „Die Kaution verfällt nicht, wenn der Lagerhalter durch höhere Gewalt an der Einhaltung der vorstehend erwähnten Verpflichtungen gehindert wurde.“
2.3. Einige Schlußfolgerungen
Aus der soeben vorgenommenen Analyse können sogleich einige erste Schlußfolgerungen gezogen werden, die für die Beantwortung der vorgelegten Fragen von Bedeutung sind:
a) |
Erstens ergibt sich bereits aus der Grundverordnung, daß die Regelung über die Lagerhaltung in allen Mitgliedstaaten in gleichwertiger Weise anzuwenden ist. Aufgrund von Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 EWG-Vertrag muß dieses Diskriminierungsverbot auch für die Kautionsregelung gelten. |
b) |
Zweitens ergibt sich sowohl aus dem zitierten Artikel 4 Absatz 2 der Grundverordnung des Rates als auch — noch deutlicher — aus Artikel 4 der Kommissionsverordnung, daß die Kautionsregelung vom Gemeinschaftsrecht her gesehen nicht notwendigerweise zu den vertraglichen Verpflichtungen des Lagerhalters gehört. Sie ist vielmehr als eine außerhalb des Vertrages stehende, gesonderte und von den Interventionsstellen durchzusetzende Verpflichtung des Lagerhalters ausgestaltet, die entweder in bar oder auch durch Stellung einer Bankbürgschaft erfüllt werden kann. Allerdings scheint die Verordnung der Kommission auch nicht auszuschließen, daß eine Interventionsstelle die Kautionsregelung in dem geschlossenen Lagervertrag näher ausgestaltet. |
c) |
Drittens ergibt sich sowohl aus Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Grundverordnung als auch aus Artikel 4 der Kommissionsverordnung eindeutig, daß die Kaution nicht als eine Sicherheitsleistung für die Rückzahlung zu Unrecht bezogener Beihilfen angesehen werden kann. Zum einen wäre sie als eine derartige Sicherheitsleistung unzureichend, da sie nur maximal 50 % dieser Beihilfe betragen kann. Zum anderen ergibt sich aus der Regelung der Verfallserklärung in Artikel 4 Absatz 2 der Grundverordnung und Artikel 4 Absätze 3 und 4 der Kommissionsverordnung, daß die Verfallserklärung als eine gesonderte Nebenfolge der Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen angesehen wird. Diese Rechtsfolge läßt insbesondere die Möglichkeit unberührt, bei Nichterfüllung des Vertrages den in diesem aufgeführten Beihilfebetrag zurückzufordern. Umgekehrt läßt die Rückzahlung dieser Beihilfe bei Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen die Möglichkeit unberührt, als ergänzende Maßnahme die Kaution für verfallen zu erklären. |
d) |
Weder die Grundverordnung des Rates noch die Kommissionsverordnung regeln den Fall, der im Mittelpunkt des vorliegenden Verfahrens steht. Es handelt sich dabei um den Fall, daß die Kaution freigegeben worden ist, sich aber im nachhinein zeigt, daß die Interventionsstelle zu Unrecht angenommen hatte, daß die Verpflichtungen aus dem Lagervertrag erfüllt worden seien. Es stellt sich dann die Frage, ob aufgrund des Sinns und Zwecks der Verordnung der Kautionsbetrag dennoch zurückgefordert werden kann. Auf diese Frage werde ich erst im vierten Abschnitt meiner Schlußanträge näher eingehen. |
3. Der relevante Sachverhalt
Für die Beantwortung der vorgelegten Fragen ist es nicht von ausschlaggebender Bedeutung, welche der im Lagervertrag festgelegten Verpflichtungen die Klägerin des Ausgangsverfahrens nicht erfüllt hat. Aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Urteil der Großen Strafkammer des Landgerichts Bremen vom 24. November 1980 ergibt sich jedoch im einzelnen (Seiten 8 bis 31), daß die Art und den Ursprung des gelagerten Fleisches betreffende Verpflichtungen aus 13 verschiedenen, zwischen dem 17. Mai 1974 und dem 17. September 1975 geschlossenen Verträgen nicht erfüllt wurden. Überdies wurden insoweit unrichtige Erklärungen gegenüber der Interventionsstelle abgegeben, so daß den Betroffenen laut dem Urteil unter anderem auch „Subventionsbetrug“ zur Last gelegt wurde ( 3 ). Aufgrund der beträchtlichen Mengen Fleisch, für die die Klägerin des Ausgangsverfahrens somit zu Unrecht Beihilfen erhalten hatte, wurde u. a. gegen Herrn Könecke, den Alleininhaber des Unternehmens der Klägerin des Ausgangsverfahrens, eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung sowie eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen à 600 DM verhängt.
Von größerer Bedeutung für die vorliegende Rechtssache ist es indessen, daß das Landgericht laut Seite 45 seines Urteils bei der Berechnung der auferlegten Geldstrafe u. a. berücksichtigte, daß die Firma Könecke die zu Unrecht erhaltenen Beihilfen inzwischen zurückbezahlt hatte, soweit die Interventionsstelle dies verlangt hatte. Außerdem berücksichtigte das Landgericht laut Seite 45 seines Urteils den Umstand, daß die Interventionsstelle seinerzeit noch nichts unternommen haue, nachdem die Firma Könecke die Rückzahlung der zu Unrecht freigegebenen Kautionen abgelehnt hatte. Das Problem der eventuellen Anwendbarkeit des Grundsatzes „ne bis in idem“ bei der Rückforderung der Kautionen behält daher insofern seine Bedeutung, als der Strafrichter eine eventuelle Rückforderung der Kautionen nicht als „Abzugsposten“ bei der Berechnung der auferlegten Geldstrafe berücksichtigen konnte und auch nicht berücksichtigt hat. Aus dem Urteil ergibt sich, daß der Strafrichter zugunsten von Herrn Könecke berücksichtigt hat, daß die Interventionsstelle es versäumt hatte, die Einhaltung der von der Firma Könecke übernommenen Verpflichtungen wirksam zu kontrollieren und nach Feststellung ihrer Verletzung auch wirksam durchzusetzen. Die wiederholten schweren Verletzungen dieser Verpflichtungen und der gemeinschaftlichen Regelungen über die Lagerung von frischem Rindfleisch mit Ursprung in der Gemeinschaft kamen nicht durch Initiativen der Interventionsstelle, sondern bei einer von der Zollverwaltung durchgeführten Kontrolle ans Licht. Unter anderem aufgrund generalpräventiver Überlegungen (Seite 47 des Urteils) verhängte das Landgericht wegen dieser somit zufällig ans Licht gekommenen schwerwiegenden Betrugshandlungen auf dem Gebiet der gemeinsamen Agrarpolitik dann die vorhin erwähnten Strafen.
Aus dem Vorlagebeschluß des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main ist indessen abzuleiten, daß die Interventionsstelle mit zwei Bescheiden vom 26. Mai 1976 einerseits die Beihilfegewährungen und andererseits die Freigabe der Kautionen widerrufen hat. Die Klage im Ausgangsverfahren betrifft ausschließlich den Widerruf der Freigabe der Kautionen. Das Verwaltungsgericht sieht diesen Widerruf, mit dem die Rückforderung der freigegebenen Beträge einherging, als einen Verwaltungsakt an, der der Anfechtungsklage unterliegt. Bei der Entscheidung über diese Frage steht für das Verwaltungsgericht laut dem auf Seite 3 unten seiner Entscheidung beginnenden Satz die Frage im Mittelpunkt, ob die Aufhebung einer Kautionsfreigabe sachlich überhaupt möglich sei. Die zuvor zitierten Fragen des Verwaltungsgerichts hängen ausnahmslos mit dieser zentralen Frage zusammen.
4. Zu den vorgelegten Fragen
4.1. |
Die soeben erwähnte zentrale Frage des Verwaltungsgerichts kann erst beantwortet werden, nachdem Klarheit über die Rechtsnatur und die rechtliche Einordnung der Kaution und des durch diese gesicherten Anspruchs geschaffen worden ist. Auf die Frage des gesicherten Anspruchs bezieht sich insbesondere die vierte Frage des vorlegenden Gerichts. An sich bin ich mit der Kommission der Ansicht, daß sich aus Artikel 4 Absatz 2 der Grundverordnung und Artikel 4 Absätze 1 und 3 der Kommissionsverordnung unwiderleglich ergibt, daß die Kautionsregelung eine doppelte Rechtsnatur hat. Sie bezweckt die Schaffung einer Sicherheit für die Durchsetzung einer daneben bestehenden finanziellen Verpflichtung oder „Sanktion“ bei Nichterfüllung der Vertragspflichten. Ich verweise hierzu auf die vorhin von mir angestellte Untersuchung beider Verordnungen. Im Gegensatz zur Kommission bin ich jedoch aufgrund dieser Untersuchung der Ansicht, daß die hinzukommende „Sanktion“, für die Sicherheit geleistet wird, nicht notwendigerweise den Charakter einer Vertragsstrafeklausel hat. Die Kautionsregelung kann nach dem Wortlaut der Verordnung auch durch behördliche Entscheidungen durchgesetzt werden. Insbesondere kann durch solche Entscheidungen die Höhe der nach den genannten Vorschriften zu stellenden Kaution festgesetzt werden. Nur das Ergebnis dieser Festsetzung ist dann nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung im Vertrag anzugeben. Da die Regelung der Durchsetzung der genannten Vorschriften den Mitgliedstaaten überlassen worden ist, können diese Vorschriften über das Stellen von Kautionen als Verpflichtung zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs gekennzeichnet werden. Dasselbe muß meines Erachtens auch für die Regelung der Verfallserklärung gelten. Wenn die Kautionsregelung in einem Mitgliedstaat einschließlich einer Vertragsstrafeklausel im Lagervertrag vorgesehen und präzisiert worden ist, kann entweder (wenn sie noch nicht freigegeben worden ist) die Kaution einbehalten werden oder (wenn die Kaution schon freigegeben worden ist) die Vertragsstrafe beim zuständigen Gericht eingeklagt werden. Ist die Kautionsregelung durch behördliche Entscheidung durchgeführt worden, kann die Verwaltung — je nach dem, welchen Inhalt diese nationale Durchführungsentscheidung hat und ob die Kaution bereits freigegeben worden ist — bei einer nachträglich bekannt werdenden Verletzung der vertraglichen Pflichten zwischen folgenden Lösungen wählen: Ist die Kaution noch nicht freigegeben worden, so ist sie in der Regel natürlich für verfallen zu erklären. Hat die Freigabe jedoch bereits stattgefunden, so kann je nach dem Inhalt der Entscheidung zur Durchführung der Kautionsregelung entweder die durch die Kaution gesicherte Sanktion verhängt oder die Freigabeentscheidung widerrufen werden. In letzterem Fall kann die Kaution dann sowohl insgesamt als auch teilweise für verfallen erklärt werden. Dies ergibt sich meines Erachtens aus der eindeutigen Erfolgsbezogenheit der Verpflichtung, durch die die Kautionsregelung einschließlich der Regelung der Verfallserklärung gekennzeichnet ist. Daß auch die anderen Mitgliedstaaten die Kautionsregelung als Verpflichtung zur Herbeiführung eines bestimmten Ergebnisses ansehen, deren Durchsetzung die Mitgliedstaaten näher regeln können, wird meines Erachtens eindeutig durch die Angaben über die ziemlich stark divergierende Praxis der Mitgliedstaaten bestätigt, die die Kommission in Beantwortung einer entsprechenden Frage des Gerichtshofes schriftlich und in der mündlichen Verhandlung gemacht hat. Der Vollständigkeit halber möchte ich diesen ersten Schlußfolgerungen jedoch die Feststellung hinzufügen, daß die Variante der Vereinbarung einer durch eine Kaution gesicherten Vertragsstrafe keineswegs in all den zahlreichen von mir gefundenen Anwendungsfällen der Rechtsfigur der Kaution in Betracht kommt. In vielen dieser Fälle (z. B. bei Kautionen zur Erfüllung der Bedingungen von Ein- oder Ausfuhrlizenzen oder bei der Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen und positiven Währungsausgleichbeträgen, wie sie in der oben angeführten Verordnung (EWG) Nr. 798/80 vorgesehen sind) besteht nicht zugleich ein Vetragsverhältnis und liegt ausschließlich eine „gesetzliche Verpflichtung“ vor, die ebenso wie viele gesetzliche Abgabenverpflichtungen von der Verwaltung durch behördliche Entscheidungen präzisiert und durchgesetzt werden muß. Beispielshalber verweise ich auf die Artikel 7 bis 10 der oben angeführten Verordnung (EWG) Nr. 798/80 der Kommission. Ein weiteres Beispiel (Sicherheitsleistung für die Durchführung von Geschäften, für die Ein- und Ausfuhrlizenzen erteilt worden sind) lag dem Urteil des Gerichtshofes vom 17. Dezember 1979 in der Rechtssache 11/70 (Internationale Handelsgesellschaft/Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel, Slg. 1970, 1125) zugrunde. |
4.2. |
Um die fünfte Frage des vorlegenden Gerichts beantworten zu können, bedarf es indessen einer näheren Präzisierung der Art der „Sanktion“, deren Durchsetzung durch die Kaution gesichert wird. Aus der Erläuterung des vorlegenden Gerichts zu seiner vierten und fünften Frage ergibt sich, daß seiner Ansicht nach weder von einem Schadensersatz noch von einem „Reugeld“ im Sinne einer von ihm angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ( 4 ) die Rede sein kann. Vielmehr handele es sich um eine Geldstrafe, die an den von ihm angeführten allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts zu messen sei. Offenbar überzeugt es das vorlegende Gericht somit noch nicht, daß dieser strafrechtliche Charakter in der Randnummer 18 der Entscheidungsgründe des angeführten Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache 11/70, die von demselben Gericht beim Gerichtshof anhängig gemacht wurde, verneint worden ist. Dies wird durch die offiziöse Erläuterung der neuen Fragen bestätigt, die einer der Richter des Verwaltungsgerichts, was etwas ungewöhnlich ist, in der Neuen Juristischen Wochenschrift 1983, Seiten 2727 bis 2730, veröffentlicht hat. Zur Förderung des vom Gerichtshof in Vorabentscheidungssachen angestrebten fruchtbaren Dialogs zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof, aber auch wegen der Besonderheiten des konkreten Falles, halte ich es deshalb für wünschenswert, die Rechtsnatur der in Rede stehenden finanziellen Verpflichtung trotz des soeben angeführten Urteils des Gerichtshofes etwas näher zu untersuchen. Daß die Gemeinschaft derzeit nicht befugt ist, strafrechtliche Maßnahmen zu treffen, wird nunmehr allgemein anerkannt. Es bedürfe dazu der Schaffung eines gemeinschaftsrechtlichen „Strafgesetzbuches“ im Verordnungswege, wozu die Verträge die Gemeinschaftsorgane jedoch nicht ermächtigen. Daß im vorliegenden Fall auch nicht von Verwaltungssanktionen von genau derselben Art wie die Geldbußen, deren Verhängung Artikel 87 Absatz 2 EWG-Vertrag und verschiedene Artikel des EGKS-Vertrags vorsehen, die Rede sein kann, steht meines Erachtens ebenfalls fest. Bei der Auferlegung derartiger in den Verträgen vorgesehener Geldbußen, für die in den Verträgen oder (was Artikel 87 EWG-Vertrag anbelangt) in den betreffenden Durchführungsvorschriften lediglich Höchstbeträge festgesetzt sind, sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes unter anderem die Schwere und die Dauer der betreffenden Zuwiderhandlung zu berücksichtigen. Die hier streitigen Vorschriften sehen jedoch einen von Fall zu Fall festzusetzenden, grundsätzlich aber für jeden Vertrag feststehenden Betrag vor, der die Hälfte der gewährten Beihilfen nicht übersteigen darf. Dieser feststehende Betrag wird für verfallen erklärt, wenn die freiwillig übernommenen vertraglichen Lagerverpflichtungen nicht erfüllt werden. Ich verweise hierzu wider auf meine frühere Untersuchung der betreffenden Vorschriften. Außerdem habe ich bereits festgestellt, daß diese Vorschriften es nicht ausschließen, die Kautionsregelung durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe durchzuführen. Auch insofern hat die fragliche Sanktion nicht notwendigerweise den Charakter einer verwaltungsrechtlichen Buße. Sie ergänzt vielmehr den positiven „Anreiz“ der Beihilfegewährung durch einen (geringeren) negativen „Anreiz“, um sicherzustellen, daß das mit der Lagerung verfolgte Ziel einer Vermeidung kostspieliger Eingriffe der Interventionsstellen in den Markt erreicht wird ( 5 ). Schließlich bringt es die Kautionsregelung wegen ihrer Eigenart (jedenfalls bei Stellung einer Bankbürgschaft) mit sich, daß die Kaution bei Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen in der Regel in voller Höhe für verfallen zu erklären ist. |
4.3. |
Der Umstand, daß im vorliegenden Fall weder von einer Strafmaßnahme noch von einer verwaltungsrechtlichen Buße im Sinne der Gemeinschaftsverträge die Rede sein kann, schließt es jedoch nicht aus, daß die „Sanktion“ der Verfallserklärung einer Kaution doch an höheren Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts zu messen ist. Daß die Gemeinschaftsorgane befugt sind, derartige finanzielle Sanktionen sui generis festzusetzen, hat der Gerichtshof bereits in einem entsprechenden Fall in dem angeführten Urteil in der Rechtssache 11/70 (Randnummer 12 der Entscheidungsgründe) festgestellt. In seinem Urteil in der Rechtssache 240/78 (Atalanta Amsterdam/Produktschap voor Vee en Vlees, Sig. 1979, 2137) hat der Gerichtshof jedoch außerdem die auch in den Randnummern 14 bis 16 der Entscheidungsgründe des Urteils in der Rechtssache 11/70 bereits anerkannte Anwendbarkeit des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf derartige Kautionsregelungen bekräftigt. In der Randnummer 15 der Entscheidungsgründe des Urteils in der Rechtssache 240/78 hat der Gerichtshof u. a. aufgeführt, daß die dort in Rede stehende von der Kommission erlassene Vorschrift über die Verfallserklärung „wegen ihrer Automatik insofern gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, als [sie] es nicht zuläßt, die von [ihr] vorgesehene Sanktion dem Ausmaß der Nichterfüllung der Vertragspflichten oder der Schwere des Verstoßes gegen diese Pflichten anzupassen“. Von einer solchen Automatik ist gemäß meiner Untersuchung der betreffenden Vorschriften auch im vorliegenden Fall zu sprechen. Ebenso wie in der Rechtssache 240/78 kann jedoch auch hier auf eine Vorschrift der betreffenden Ratsverordnung (Artikel 4 Absatz 2) zurückgegriffen werden, die es ermöglicht, die Kaution ganz oder teilweise für verfallen zu erklären und damit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit voll Rechnung zu tragen. Wegen der bereits hervorgehobenen Eigenart einer — eventuell in der Form einer Bankbürgschaft gestellten — Kaution sind besondere Umstände, aufgrund deren nur eine teilweise Verfallserklärung gerechtfertigt ist, in der Regel jedoch von dem betreffenden Unternehmen geltend zu machen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, daß der Gerichtshof es in seiner Rechtsprechung zur Bußgeldpolitik im Stahlsektor selbst hinsichtlich der dort vorliegenden „echten“ Verwaltungssanktionen als zulässig angesehen hat, daß die Kommission in der Regel von zuvor allgemein festgesetzten Bußgeldsätzen ausgeht. Besondere Umstände, die in einem konkreten Fall eine Herabsetzung rechtfertigen, müssen auch dort in der Regel von den Betroffenen geltend gemacht werden. |
4.4. |
Ein besonderes Problem des vorliegenden Falles ergibt sich ferner aus dem Zusammentreffen mit den durch das erwähnte Strafurteil bereits auferlegten Geldstrafen. Obwohl die durch die Kautionsregelung gesicherte Sanktionsregelung im vorliegenden Fall, wie bereits bemerkt, nicht ohne weiteres mit den in Artikel 87 EWG-Vertrag vorgesehenen Geldbußen vergleichbar ist, läßt sich dieses besondere Problem im vorliegenden Fall meines Erachtens doch dadurch lösen, daß man mutatis mutandis die Auffassung des Gerichtshofes anwendet, die in der Randnummer 11 der Entscheidungsgründe des Urteils in der Rechtssache 14/68 (Walt Wilhelm u. a./Bundeskartellamt, Slg. 1969, 1) niedergelegt ist. Diese Auffassung lautet: „Die Möglichkeit einer Doppelsanktion steht der Zulässigkeit zweier Parallelverfahren, die verschiedenen Zielen dienen, nicht entgegen. Vorbehaltlich der Bedingungen und Beschränkungen, die sich aus der Antwort auf die erste Frage ergeben, folgt die Zulässigkeit einer solchen Verfahrenshäufung aus dem besonderen System der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten auf kartellrechtlichem Gebiet. Soweit allerdings die hiernach bestehende Möglichkeit, daß gleichzeitig zwei Verfahren betrieben werden, zu einer Doppelsanktion führen könnte, gebietet ein allgemeiner Billigkeitsgedanke — der übrigens in Artikel 90 Absatz 2 letzter Halbsatz EGKSV zum Ausdruck kommt —, die frühere Sanktionsentscheidung bei der Bemessung der später zu verhängenden Sanktionen zu berücksichtigen. Solange eine Verordnung nach Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe e EWGV nicht ergangen ist, läßt sich den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts jedenfalls nichts entnehmen, was jene Möglichkeit ausschließen würde, deren Bestehen die Antwort auf die erste Frage unberührt läßt.“ Zur Begründung der analogen Anwendbarkeit dieser schon früher vom Gerichtshof vertretenen Auffassung möchte ich folgendes bemerken: Die Möglichkeit des Zusammentreffens einer Strafsanktion nach nationalem Strafrecht einerseits und einer finanziellen Sanktion nach Gemeinschaftsrecht andererseits erscheint mir auch im vorliegenden Fall grundsätzlich nicht ausgeschlossen, da die zwei Parallelverfahren, denen ein größtenteils oder ganz identischer Sachverhalt zugrunde liegt, auch im vorliegenden Fall verschiedenen Zielen dienen. Auch im vorliegenden Fall ist die Möglichkeit derartiger Parallelverfahren die Folge der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten. Die Befugnis zu strafrechtlichem Vorgehen gegen betrügerisches Verhalten im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik ist dabei den Mitgliedstaaten vorbehalten. Obwohl die in Rede stehende Sanktion laut meiner Untersuchung in noch geringerem Maße als die in Artikel 87 EWG-Vertrag vorgesehenen Geldbußen den Charakter einer echten Strafmaßnahme hat, entspricht es meines Erachtens dem der angeführten Urteilspassage zugrunde liegenden Gedankengang, auch im vorliegenden Fall den Grundsatz anzuwenden, daß bei der Bemessung der zuletzt verhängten Sanktion frühere Sanktionsentscheidungen zu berücksichtigen sind. Wie sich aus dem vorhin von mir analysierten Urteil des Strafgerichts im vorliegenden Fall ergibt, hat dieses die seinerzeit noch ausstehende Rückforderung der Kaution mit anschließender Verfallserklärung noch nicht berücksichtigt. Die Berücksichtigung früherer Sanktionsentscheidungen hat somit bei der Anwendung der nunmehr streitigen Kautionsregelung zu erfolgen. Meines Erachtens muß man darin einen besonderen Anwendungsfall des in der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Interventionen im Agrarbereich anerkannten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und nicht einen Anwendungsfall des strafrechtlichen Grundsatzes „ne bis in idem“ erblicken. Auch die anderen strafrechtlichen Grundsätze, die das vorlegende Gericht in seinen Erläuterungen zu seiner fünften Frage aufführt, sind im vorliegenden Fall meines Erachtens als solche nicht auf Kautionsregelungen der hier streitigen Art anwendbar. |
4.5. |
Die ersten drei Fragen des vorlegenden Gerichts lassen sich meines Erachtens am besten gemeinsam beantworten. Sie hängen nämlich alle direkt mit der für das vorlegende Gericht im Mittelpunkt stehenden Frage zusammen, ob die Freigabe der Kaution widerrufen werden kann (letzter Absatz der allgemeinen Erläuterungen der Fragen). Aus zwei Gründen ist auf diese Fragen meines Erachtens abweichend von den Auffassungen der deutschen Bundesregierung und der Kommission zu antworten, daß die nationalen Behörden grundsätzlich nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sind, die zu Unrecht freigegebenen Sanktionen oder diesen gleichstehende Beträge zurückzufordern und ganz oder teilweise für verfallen zu erklären. Erstens ergibt sich dies meines Erachtens aus dem Sinn und Zweck des zuvor angeführten Artikels 4 Absatz 2 der Ratsverordnung. Diese Vorschrift bestimmt u. a. : „Die Kaution verfällt ganz oder teilweise, wenn die Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht oder nur teilweise eingehalten werden.“ Abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall der höheren Gewalt geht der zuvor zitierte Artikel 4 Absatz 3 der Kommissionsverordnung in dieselbe Richtung. Wie schon bemerkt, ist aus diesen Vorschriften meines Erachtens eine Verpflichtung zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolges herauszulesen, so daß es danach im Falle einer zu Unrecht vorgenommen Freigabe der Kautionen nicht auf die Einzelheiten der Durchführungsregelung ankommt. Zweitens würde das der Ratsverordnung ausdrücklich zugrunde gelegte Diskriminierungsverbot einer anderen Auslegung entgegenstehen. Diese würde nämlich zwangsläufig zur Rechtsungleichheit zwischen den Betroffenen in den verschiedenen Mitgliedstaaten führen und damit Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag zuwiderlaufen. |
5. Antrag
Aufgrund meiner vorangehenden Untersuchungen schlage ich vor, die Fragen des vorlegenden Gerichts wie folgt zu beantworten :
1., 2. und 3. Aufgrund des Artikels 4 der Verordnung (EWG) Nr. 989/68 des Rates und des Artikels 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1071/68 der Kommission in Verbindung mit dem in Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag niedergelegten Diskriminierungsverbot sind die nationalen Stellen, denen die Durchführung dieser Verordnungen übertragen ist, verpflichtet, zu Unrecht freigegebene Kautionen oder diesen gleichstehende Beträge wieder einzuziehen und ganz oder teilweise für verfallen zu erklären, soweit erforderlich unter ergänzender Anwendung der Vorschriften ihres nationalen Rechts über die Art und Weise der Durchsetzung dieser Verpflichtungen.
4.: Die in Artikel 4 der Verordnungen (EWG) Nr. 1071/68 vorgesehene Kaution dient als Sicherheit für die in dieser Vorschrift und in der entsprechenden Vorschrift der Verordnung Nr. 989/68 implizit vorgeschriebene finanzielle Rechtsfolge der Nichterfüllung der vertraglich festgelegten Verpflichtungen bei der privaten Lagerung von Rindfleisch, für die aufgrund der genannten Verordnungen eine Beihilfe gewährt worden ist.
5.: Artikel 4 der Verordnung Nr. 1071/68 schließt aufgrund des Artikels 4 Absatz 2 der Verordnung Nr. 989/68 des Rates und gemäß dem in der Rechtsprechung des Gerichtshofes auch für derartige Kautionsregelungen anerkannten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine nur teilweise Verfallserklärung nicht aus ( 6 ). Dabei ist jedoch der aus der Eigenart der Kautionsregelung resultierende Grundsatz zu beachten, daß die Kaution außer bei Vorliegen besonderer, von dem Betroffenen geltend gemachter Umstände in voller Höhe verfällt ( 7 ). Ist die Schwere der Verletzung der betreffenden Verträge in einem zuvor erlassenen Strafurteil festgestellt und sind entsprechend hohe Strafen verhängt worden, so ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch, daß bei der Entscheidung über die Frage, in welcher Höhe die Kaution für verfallen zu erklären ist, das frühere Strafurteil berücksichtigt werden muß ( 8 ).
( 1 ) Aus dem Niederländischen übersetzt.
( 2 ) In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission als zweites Beispiel noch Artikel 10 der Verordnung Nr. 798/80 der Kommission vom 31. März 1980 (ABl. L 87, S. 42) angeführt. Dort ¡st jedoch ausdrücklich davon die Rede, daß ein Betrag in Höhe der Kaution ganz oder teilweise zurückgefordert wird.
( 3 ) Die Betrugshandlungen waren tatsächlich, laut diesem Urteil, viel umfangreicher, als im Sitzungsbericht aufgrund des Vorlagebeschlusses festgestellt worden ist.
( 4 ) BVerfGE 37, 288.
( 5 ) In diesem Sinne meines Erachtens auch Randnummer 6 des Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache 26/70 (Slg. 1970,1183).
( 6 ) Vergleiche Nummer 2 der Antwort des Gerichtshofes in der angeführten Rechtssache 240/78, SIg. 1979, 2152.
( 7 ) Diese Prazisicrung halte ich nunmehr aufgrund der seit dem Erlaß des Urteils in der Rechtssache 240/78 ergangenen Entscheidungen des Gerichtshofes für erforderlich. Da in der Rechtsprechung des Gerichtshofes über die Bußgeldpolitik im Stahlsektor sogar hinsichtlich echter Verwaltungssanktioncn, wie sie in den Vertragen ausdrücklich vorgesehen sind, die Möglichkeit bejaht worden ist, daß die Kommission in der Regel von festen Bußgeldsaizcn ausgeht, gilt dies wegen ihrer Eigenart erst recht für Kautionsregclungen, wie sie hier in Rede stehen.
( 8 ) Vergleiche Satz 3 der zuvor zitierten Randnummer 11 der Entscheidungsgründc des Urteils in der Rechtssache 14/68.