SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS
G. FEDERICO MANCINI
VOM 3. FEBRUAR 1983 ( 1 )
Herr Präsident,
meine Herren Richter!
1. |
Die Fragen, die Ihnen in dieser Rechtssache zur Vorabentscheidung vorgelegt worden sind, betreffen die Bedeutung des Ausdrucks „Fleisch..., anders zubereitet“ in der Tarifnummer 16.02 des Gemeinsamen Zolltarifs (im folgenden: GZT). Das Finanzgericht Düsseldorf ersucht Sie um eine genaue Bestimmung der Tragweite dieser Worte, um einen Rechtsstreit zwischen einem Zollamt der Bundesrepublik Deutschland und der Firma Dinter in Hamburg entscheiden zu können. Die Firma Dinter führt gefrorene Putenschnitzel und Putenrollbraten aus Frankreich ein. Während der Zubereitung läuft dieses Fleisch über ein Fließband und wird mit einem Salz-Pfeffer-Gemisch bestreut, damit es als bratfertiges Fleisch verkauft werden kann. Nach Auffassung der Firma Dinter ist das derart behandelte Fleisch als „gewürzt“ anzusehen; es falle daher unter den Begriff „anders zubereitet“ und sei bei der Zollabfertigung zum freien Verkehr der Tarifnummer 16.02 des GZT zuzuweisen. Das Hauptzollamt Köln-Deutz stimmte dieser Auffassung zunächst zu und erhob dementsprechend die vorgesehene Einfuhrumsatzsteuer. Es ließ jedoch von der eingeführten Ware verschiedene Proben ziehen, von denen ein Teil durch die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt Köln untersucht wurde. Diese kam zu dem Ergebnis, daß „die Würzung weder organoleptisch noch optisch wahrnehmbar ist“. In ihrer Entscheidung übet einen ersten Einspruch der Firma Dintei änderte das Hauptzollamt jedoch seine Auffassung. Es blieb zwar dabei, daß die Würzung weder organoleptisch noch optisch zu erkennen sei, und stellte fest, daß das Fleisch nicht gewürzt rieche, räumte aber ein, daß Gewürzpartikel — wenn auch nur ganz schwach — erkennbar seien. In der Folge zeigte eine von der Firma Dinter beantragte zusätzliche Untersuchung der verbleibenden Proben durch einen Sachverständigen, daß die Putenschnitzel und Putenrollbraten als „leicht gewürzte“ Ware bezeichnet werden konnten. Unter dem Mikroskop waren nämlich Gewürzpartikel „bei den Putenschnitzel deutlich erkennbar“ und „bei den Putenrollbraten von gering bis deutlich erkennbar (unterschiedlich bei einzelnen Fleischstücken)“. Diese Ergebnisse änderten die Situation aber nicht. Das Zollamt entschied, daß die Ware nicht „anders zubereitet“ im Sinne der Tarifnummer 16.02 sei, und vertrat die Auffassung, das bloße Hinzufügen von Salz und Pfeffer stelle nur dann eine Würzung dar, wenn es geschmacklich wahrnehmbar sei. Das Putenfleisch wurde daher der Tarifnummer 02.02 zugewiesen, die sich auf „Hausgeflügel, nicht lebend, und genießbarer Schlachtabfall hiervon (ausgenommen Lebern), frisch, gekühlt oder gefroren“ bezieht. Im Unterschied zu dem, was für die Tarifnummer 16.02 gilt, führt diese Tarifierung zur Erhebung von Währungsausgleichsbeträgen, die das Zollamt in Höhe von 7141,10 DM anforderte. Daraufhin legte die Firmat Dinter einen zweiten Einspruch ein, der erfolglos blieb. Das Finanzgericht Düsseldorf (IV. Senat), bei dem die Aufhebung dieser Entscheidung beantragt worden war, hat das Verfahren durch Beschluß vom 14. Juni 1982, der am 1. Juli 1982 in das Register des Gerichtshofes eingetragen worden ist, ausgesetzt und den Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag um Entscheidung über zwei Fragen ersucht. |
2. |
Die erste Frage des deutschen Gerichts lautet: „Ist die Tarifnummer 16.02 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) so auszulegen, daß sie Fleisch erfaßt, dem nach vorgelegten Rezepturen zwar Salz und Pfeffer zugefügt worden ist, der Pfeffer aber nur mikroskopisch nachweisbar ist, oder ist Fleisch erst dann als ‚anders zubereitet‘ anzusehen, wenn die zugefügten Würzstoffe wahrzunehmen sind?“ Diese Frage enthält in Wirklichkeit zwei Fragen: Mit der einen soll geklärt werden, was unter „anders zubereitetem“ Fleisch im Sinne der Tarifnummer 16.02 zu verstehen ist; mit der anderen soll ein Kriterium für den Nachweis der Würzung ermittelt werden. Ich füge hinzu, daß die Umstände, unter denen sich die dem Gerichtshof vorgelegte Frage ergeben hat, es nahelegen, auch die Tarifnummer 02.02 zu prüfen. Das vorlegende Gericht — das ist richtig — nimmt unmittelbar nur auf die Tarifnummer 16.02 Bezug; um jedoch eine Streitfrage zu entscheiden, bei der es um zwei ähnliche und beide theoretisch für die Tarifierung eines bestimmten Erzeugnisses anwendbare Tarifnummern geht, ist es wohl erforderlich, den Inhalt der einen im Verhältnis zum Inhalt der anderen zu bestimmen. |
3. |
Ich prüfe daher zunächst den Inhalt der zur Wahl stehenden Tarifnummern. Die Tarifnummer 16.02 umfaßt — wie ich bereits ausgeführt habe — „Fleisch und Schlachtabfall, anders zubereitet oder haltbar gemacht“. Andererseits gehört nach der Vorschrift zu Kapitel 16 des GZT Fleisch, das nach den hier interessierenden Verfahren des Kapitels 2 zubereitet oder haltbar gemacht ist, nicht zu Kapitel 16. Um die Tarifnummer 16.02 auszulegen, ist es daher angebracht, ihren Anwendungsbereich negativ gerade unter Bezugnahme auf die in Kapitel 2 bezeichneten Verfahren zur Zubereitung und Haltbarmachung zu beschreiben. Man kann dagegen die dem Gerichtshof vorgelegten Erklärungen außer acht lassen und von den beiden im Kapitel 3 genannten Verfahren (Garen und Kochen) absehen. Diese betreffen nämlich nicht die Zubereitung von Fleisch, sondern von Fischen, Krebstieren und Weichtieren. Das Kapitel 2 (Tarifnummern 02.02, 02.03, 02.05, 02.06) umfaßt genießbares Geflügelfleisch, frisch (d. h. im Naturzustand), gekühlt, gefroren, gesalzen, in Salzlake, getrocknet oder geräuchert. Die in ihm vorgesehenen Verfahren beschränken sich also darauf, den Zustand eines Erzeugnisses (frisch, gekühlt, gefroren, trocken) zu bezeichnen, oder beziehen sich entweder auf Verfahren für das Haltbarmachen der Waren (gesalzen, in Salzlake) oder Verfahren für die Zubereitung im eigentlichen Sinne (Räuchern). Ausgehend von der zitierten Vorschrift zu Kapitel 16 läßt sich also nicht daran zweifeln, daß die Ware, wenn eine andere Zubereitung des Fleisches als das Räuchern vorliegt, als „anders zubereitet“ anzusehen und dementsprechend der Tarifnummer 16.02 zuzuweisen ist. Im vorliegenden Fall ist dem Putenfleisch ein Salz-Pfeffer-Gemisch hinzugefügt worden: Dies macht daraus sicherlich eine andere als die in Kapitel 2 des GZT genannten Zubereitungen. Wie ich gerade ausgeführt habe, ist das Hinzufügen von Salz in diesem Kapitel zu einer besseren Haltbarmachung der Ware vorgesehen. In unserem Fall wird das Salz dagegen als Gewürz hinzugefügt, und abgesehen davon stellt das Hinzufügen von Pfeffer verglichen mit den im Kapitel 2 aufgezählten Verfahren zweifellos etwas Neues und Zusätzliches dar. Diese von der Klägerin im Ausgangsverfahren vertretene Auslegung geht von einem meiner Ansicht nach vollkommen richtigen Vergleich des Wortlauts der zur Wahl stehenden Tarifnummern aus. Die Kommission schlägt eine andere Auslegung vor. Sie vertritt die Auffassung, um eine Ware der Tarifnummer 16.02 zuweisen zu können, müsse das Erzeugnis einer weitergehenden Bearbeitung unterzogen werden, die seine objektiven Merkmale verändere. Diese Auffassung ist meiner Ansicht nach auf eine Betrachtung des Kapitels 16 in seiner Gesamtheit und auf die Feststellung gestützt, daß sich dieses zum größten Teil mit „verarbeitetem“ Fleisch (z. B. Würsten, Extrakten oder Säften) befaßt. Aber diese Betrachtung und diese Feststellung sind oberflächlich. Die im Kapitel 16 aufgezählten Waren umfassen wohl die Verarbeitungserzeugnisse, an die die Kommission denkt, sie schließen jedoch auch „anders zubereitetes“ Fleisch ein. Zu diesem letztgenannten gehört — wie vorgetragen worden ist — (z. B. durch Hinzufügen von Salz und Pfeffer) „gewürztes“ Fleisch. |
4. |
Die Auslegung, die ich vertrete, findet eine erste ausdrückliche Bestätigung in den Erläuterungen zur Tarifnummer 16.02 des „Zolltarifschemas für die Einreihung der Waren in die Zolltarife“, das am 15. Dezember 1950 erlassen worden und besser als das „Brüsseler Zoll-tarifschema“ bekannt ist. Dem entsprechenden Abkommen sind alle Mitgliedstaaten beigetreten, und der Gemeinsame Zolltarif selbst entspricht genau diesem Schema. Die vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens verfaßten Erläuterungen, auf die ich angespielt habe, sollen den Anwendungsbereich der verschiedenen Tarifpositionen festlegen. Es ist deshalb angebracht, sie immer dann heranzuziehen, wenn die Tarifierung unklar ist: Im übrigen haben Sie selbst im Urteil vom 8. Dezember 1970 in der Rechtssache 14/70 (Deutsche Bakels, Slg. 1970, 1001) bestätigt, daß diese Erläuterungen bei Fehlen von gemeinschaftlichen Erläuterungen ein maßgebliches Hilfsmittel für die Auslegung des GZT darstellen. Man lese nun die Erläuterungen zur Tarifnummer 16.02. Wenn das von mir Vorausgeschickte richtig ist, umfaßt diese Tarifnummer „Fleisch und Schlachtabfall aller Art, durch andere als im Kapitel 2 vorgesehene Verfahren zubereitet oder haltbar gemacht, einschließlich solchem Fleisch usw., das lediglich mit Teig umhüllt oder mit Paniermehl bestreut (paniert), getrüffelt oder gewürzt (z. B. mit Pfeffer und Salz) ist“ (Erläuterungen zur NRZZ zu Tarifnummer 16.02; Hervorhebung durch mich). Daß „gewürztes“ Fleisch der Tarifnummer 16.02 und nicht der Tarifnummer 02.02 zuzuweisen ist, scheint demnach klar zu sein. Dessen ist sich in gewisser Weise auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften bewußt. Sie zieht daraus aber nicht die offenkundigen Schlußfolgerungen. Im Gegenteil, sie faßt die Auffassung des deutschen Zollamtes zusammen und versucht uns zu überzeugen, daß nach dem üblichen Sprachgebrauch unter „würzen“ zu verstehen sei, daß den Nahrungsmitteln Gewürze hinzugefügt würden, die geeignet seien, deren Geschmack zu verbessern. Im Ergebnis sei der Geschmack in dem Sinne ausschlaggebend, daß dann, wenn die Würzung — unabhängig davon, ob sie unter dem Mikroskop erkennbar sei oder nicht — geschmacklich nicht wahrnehmbar sei, die Ware nicht als „anders zubereitet“ im Sinne der Tarifnummer 16.02 angesehen werden könne. Ich behalte mir vor, zu dem Kriterium des Geschmacks dann Stellung zu nehmen, wenn ich mich mit den Verfahren für den Nachweis der Würzung befasse. Schon jetzt aber ist es unmöglich, nicht auf die Widersprüchlichkeit der von der Kommission vertretenen Auffassung hinzuweisen, zumindest wenn man sie in ihrer Gesamtheit beurteilt. Die Kommission hatte — ich erinnere daran — behauptet, daß eine „andere Zubereitung“ da — und nur da — vorliege, wo die objektiven Merkmale des Erzeugnisses verändert worden seien. Nun ist nicht zu verstehen, weshalb bei dem hier interessierenden Erzeugnis nicht die gleiche Beurteilung gelten soll. Fade oder gewürzt, scharf oder nicht, die Putenschnitzel und Putenrollbraten bleiben Putenschnitzel und Putenrollbraten; dadurch, daß man sie stärker salzt und pfeffert, verwandelt man sie gewiß nicht in Würste, Fleischextrakte oder Fleischsäfte. Mit anderen Worten ist das Ausmaß der Würzung — natürlich für die Zwecke der Zolltarifierung — unerheblich. Außerdem enthalten weder der GZT noch das Brüsseler Zolltarifschema, noch die Erläuterungen besondere Kriterien, die es ermöglichen würden, dieses Ausmaß oder den Punkt, von dem an ein Erzeugnis als gewürzt anzusehen ist, genau zu bestimmen. |
5. |
Ein weiterer Gesichtspunkt, der mir die Begründetheit der hier vertretenen Auffassung zu bestätigen scheint, läßt sich aus der Verordnung (EWG) Nr. 3092/76 der Kommission vom 17. Dezember 1976 zur Anwendung von Währungsausgleichsbeträgen auf einige Rindfleischerzeugnisse (ABl. L 348, S. 18) herleiten. Wie es beim Putenfleisch der Fall ist, wird auch frisches, gekühltes oder gefrorenes Rindfleisch dem Kapitel 2 des GZT zugewiesen und unterliegt der Regelung für die Währungsausgleichsbeträge. Wenn es gewürzt ist, fällt es dagegen unter Kapitel 16. Bevor die Verordnung in Kraft trat, galten die Währungsausgleichsbeträge für dieses Erzeugnis — ich meine „gewürztes“ Fleisch — nicht, mit dem Ergebnis, daß ein Anreiz zu seiner Zubereitung gegeben wurde, um der für das frische Fleisch geltenden Regelung zu entgehen. Daraus ergab sich eine künstliche Entwicklung des Handels mit ihm und eine offenkundige Gefahr für das Preisniveau in den betroffenen Mitgliedstaaten. Die Kommission, die in diesem Bereich über einen weiten Ermessensspielraum verfügt, unterwarf dieses Fleisch daher der Währungsausgleichsregelung. Als sie die ihm vorbehaltene tarifliche Behandlung der des frischen Fleisches anglich, hütete sie sich indessen sehr wohl davor, das Ausmaß der Würzung zu berücksichtigen. Artikel 1 der Verordnung Nr. 3092/76 bestimmt nämlich folgendes: „Auf frische, gekühlte oder gefrorene Erzeugnisse, ausgenommen gehackte Erzeugnisse, die unter die Tarifstelle 16.02 B III b) 1 des Gemeinsamen Zolltarifs fallen und in dessen Kapitel 2 nur infolge eines einfachen Würzens (z. B. mit Salz und Pfeffer) oder infolge des Zusatzes anderer Stoffe (z. B. Ol, Gemüse oder Mehl) nicht einzuordnen sind, sind im Handel zwischen Mitgliedstaaten die auf die entsprechenden ungewürzten und nicht mit Zusätzen versehenen Erzeugnisse der Tarifstelle 02.01 A II des Gemeinsamen Zolltarifs anwendbaren Währungsausgleichsbeträge anzuwenden“ (Hervorhebung durch mich). In ihrer Antwort auf eine Frage, die der Gerichtshof mit Schreiben vom 24. November 1982 gestellt hatte, um zu erfahren, ob das Kriterium für die Feststellung, ob Rindfleisch als „gewürzt“ anzusehen sei, auch bei Putenfleisch anwendbar sei, hat die Kommission eine Auffassung vertreten, die mir in keiner Weise überzeugend scheint. Im Kern unterscheidet sie zwischen „einfachem Würzen“ und „leichtem Würzen“. Nur im ersten Fall liege eine „andere Zubereitung“ im Sinne des Kapitels 16 vor. Aber die Grenzen dieser Unterscheidung sind nicht bestimmbar. In der Alltagssprache bedeutet nämlich „einfaches Würzen“, daß dem Fleisch, unabhängig davon, ob es Rind- oder Putenfleisch ist, Zutaten hinzugefügt werden, die seinen Geschmack verbessern sollen. Das ist alles. An das Ausmaß der Würzung, an die Tatsache, daß diese stark oder leicht ist, denkt derjenige, der diese Worte ausspricht, nicht. Die Schlußfolgerung liegt auf der Hand: Für das Vorliegen einer „anderen Zubereitung“ im Sinne der Tarifnummer 16.02 genügt es, daß dem Putenfleisch tatsächlich ein Gewürz hinzugefügt worden ist. Es handelt sich — ich zögere nicht, es zuzugeben — um ein wenig befriedigendes Ergebnis, da das System, von dem es abgeleitet wird, nicht zweckmäßig ist und zu Mißbräuchen bei der Anwendung der Währungsausgleichsbeträge und zur Verfälschung der Handelsströme führen kann; es wäre daher wünschenswert, wenn die Ausgleichsregelung, wie es auf dem Rindfleischsektor geschehen ist, auch auf „gewürztes“ Putenfleisch ausgedehnt würde. Doch so liegen die Dinge: „Hoc iure utimur“, und nach diesem Recht ist die Lösung, von der ich gesprochen habe, zwingend. |
6. |
Das vorlegende Gericht — ich habe zu Anfang darauf hingewiesen — fragt außerdem danach, wie das Vorliegen einer Würzung nachzuweisen ist, und insbesondere, ob bei dem Nachweis objektive oder subjektive Kriterien den Ausschlag geben müssen. Die Antwort scheint mir recht einfach zu sein. Um die Rechtssicherheit zu garantieren — die hier in dem Interesse an einfachen, ohne Schwierigkeiten anwendbaren und auf leicht kontrollierbare Gesichtspunkte gestützten Bewertungsmethoden zum Ausdruck kommt —, haben Sie wiederholt bestätigt, daß die Tarifierung der Waren im Rahmen des GZT ausgehend von deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften, wie sie sich bei der Verzollung darstellen, durchzuführen ist (Urteile vom 23. März 1972, Rechtssache 36/71, Henck, Slg. 1972, 187; 22. November 1973, Rechtssache 128/73, Past, Slg. 1973, 1277; 29. Mai 1974, Rechtssache 185/73, König, Slg. 1974, 607; 10. Dezember 1975, Rechtssache 53/75, Vandertaelen, Slg. 1975, 1647; 18. Februar 1976, verbundene Rechtssachen 98 und 99/75, Carstens, Slg. 1976, 241; 16. Oktober 1976, Rechtssache 38/76, Industriemetall Luma, Slg. 1976, 2027; 8. Dezember 1977, Rechtssache 62/77, Carlsen, Slg. 1977, 2343). Die Strenge dieses Grundsatzes ist nur in zwei Fällen gemildert worden: Wenn ein Erzeugnis sich aufgrund seiner objektiven Merkmale nicht von einem anderen Erzeugnis unterscheiden läßt (wie wildlebende Rentiere, die, sobald sie geschlachtet sind, nicht mehr von domestizierten Rentieren zu unterscheiden sind: Urteil vom 12. Dezember 1973, Rechtssache 149/73, Witt, Slg. 1973, 1587) und wenn der Rückgriff auf eine subjektive Methode im GZT selbst vorgeschrieben ist (mit bloßem Auge wahrnehmbare Behandlung: Urteil vom 30. September 1982, Rechtssache 317/81, Howe & Bainbridge, Slg. 1982, 3257). Ich merke außerdem noch an, daß der GZT gerade in bezug auf die Tarifierung von Fleisch in der zusätzlichen Vorschrift 3 zum Kapitel 2 ein objektives Kriterium verwendet. Ich beziehe mich auf den Begriff „leicht getrocknetes“ oder „leicht geräuchertes“ Fleisch. Vom Grundsatz her hätte kein Hindernis bestanden, für diesen Begriff auf den Geschmack abzustellen, doch definiert ihn die zitierte Bestimmung ausgehend vom Wasser-Protein-Verhältnis. Es ist daher sicher falsch, die Auffassung zu vertreten, wie es die Kommission tut, daß das im Streit befindliche Fleisch nach seinem Geschmack zu beurteilen sei. Die Verwendung eines derartigen Kriteriums würde vor allem eine unbegründete Abweichung von einem System darstellen, das sich auf objektive Bewertungsmethoden stützt. Außerdem würde es unausweichlich — die Behandlung des „gewürzten“ Putenfleischs durch die deutschen Zollämter zeigt es — zu einem untragbaren Unterschied bei der Tarifierung innerhalb der Gemeinschaft führen. Wie nämlich seit alters her bekannt, ist die Reaktion auf den Geschmack so unterschiedlich, wie man es sich nur vorstellen kann, da jeder einzelne sein allgemeines Geschmacksempfinden hat und eine persönliche Sensibilität in bezug auf die Wahrnehmung von Gewürzen. Wir stehen also im Gegensatz zu den Regeln des Gemeinschaftsrechts, die in diesem wie in anderen Bereichen ohne Zweifel ein einheitliches System schaffen sollen. Aber es kommt noch etwas hinzu. Auf dem Gebiet der Zolltarifierung haben Sie dem Kriterium den Vorzug gegeben, das am leichtesten „praktikabel“ ist (Urteil vom 20. Oktober 1977, Rechtssache 29/77, Roquette, Slg. 1977, 1835). Nun scheint es mir auf der Hand zu liegen (und auch die Kommission hat es in der mündlichen Verhandlung zugegeben), daß sich die Tarifierung des in Frage stehenden Fleisches nach sehr gut praktikablen objektiven Kriterien durchfuhren läßt. Ich nenne die naheliegendsten: die Angaben auf dem Etikett, die bis zum Beweis des Gegenteils als wahrheitsgemäß anzusehen sind, und die chemische oder mikroskopische Untersuchung durch ein Speziallabor. |
7. |
Bei der Zuweisung des „gewürzten“ Putenfleisches zur Tarifnummer 16.02 ist der Nachweis der Würzung daher nach objektiven Kriterien ohne Rückgriff auf den Geschmack zu führen. Dadurch wird die zweite Frage des Finanzgerichts gegenstandslos, mit der — wie man sich erinnern wird — festgestellt werden sollte, „nach welchen Kriterien... der geschmackliche Nachweis zu führen“ ist. Auch zu dieser Frage werde ich jedoch einige Anmerkungen machen, da sich aus ihr eine Bestätigung für die Richtigkeit der objektiven Methode beim Nachweis der Würzung herleiten läßt. Die Kommission vertritt die Auffassung, die Zollverwaltung sei sehr wohl in der Lage festzustellen, ob die Ware „gewürzt“ sei, und schlägt Ihnen vor festzustellen, daß „der geschmackliche Nachweis... unter Berücksichtigung der Wahrnehmungsmöglichkeiten eines durchschnittlichen Zollbeamten zu führen [ist]“. Diese Auffassung ist nun aus zwei Gründen eindeutig abzulehnen. Mit dem ersten habe ich mich bereits befaßt: Die geschmackliche Empfindlichkeit ist ein Kriterium, das zu sehr von der Geographie, der Physiologie und der Anthropologie (ich denke an die Ernährungsgewohnheiten) abhängt, um verläßlich zu sein. Wie die deutsche tarifliche Behandlung, die ich soeben erwähnt habe, beweist, kann dies zu unterschiedlichen Ergebnissen innerhalb desselben Mitgliedstaats führen und tut dies sicherlich innerhalb der Gemeinschaft. Man behaupte auch nicht, für die Zwecke der einheitlichen Zolltarifierung sei es möglich, den Begriff des „durchschnittlichen“ Geschmacks der Bürger der Gemeinschaft zu verwenden. Eine derartige Auffassung wäre absurd, wie auch die von der Firma Dinter hilfsweise vertretene Auffassung absurd und als zu kompliziert nicht praktikabel ist, daß die geschmackliche Prüfung — da sie der durchschnittliche Zollbeamte nicht vornehmen könne — einer Gruppe von unabhängigen Personen anvertraut werden müsse, die die verschiedenen Volkszugehörigkeiten der Gemeinschaft repräsentierten. Zweites Argument: Die Bürger der Gemeinschaft haben die vielleicht sonderbare, aber alte und feste Angewohnheit, ihre Putenschnitzel und ihre Putenrollbraten gebraten oder jedenfalls gar zu verzehren. Roh und gefroren, wie sie bei der Verzollung sind, würden diese Speisen auch den Hungrigsten oder den Unempfindlichsten nicht reizen. Um den Geschmack der Speisen beurteilen zu können, wäre der durchschnittliche Zollbeamte, in den die Kommission ihr Vertrauen setzt, also gezwungen, das Fleisch zu kochen; dies würde gegen den allgemeinen Tarifierungsgrundsatz verstoßen, daß die Ware in dem Zustand zu beurteilen ist, in dem sie sich bei der Verzollung befindet. Kürzlich hat man übrigens von Ihnen verlangt, auf die Wahrnehmungsfähigkeit eines durchschnittlichen Zollbeamten oder von Sachverständigen zurückzugreifen. Es ging um die Auslegung einer Vorschrift des GZT betreffend „Gewebe, mit Zellulosederivaten... getränkt, bestrichen oder überzogen“, die — ich habe es bereits erwähnt — das Kriterium der Wahrnehmbarkeit mit bloßem Auge vorsieht. Auf die Frage haben Sie geantwortet, daß „der Gemeinsame Zolltarif zwar ein Rechtsakt des Gemeinschaftsrechts ist, der in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen ist, daß seine Anwendung jedoch den Mitgliedstaaten übertragen ist“. Es ist daher deren Sache, „die für die Tarifierung der Erzeugnisse zuständigen Behörden und Personen zu benennen und über die Ausbildung dieser Personen zu entscheiden, damit diese ihre Aufgabe korrekt erfüllen können“ (Urteil vom 30. September 1982, Rechtssache 317/81, bereits zitiert, Randnummern 16 und 17 der Entscheidungsgründe). |
8. |
Im Ergebnis schlage ich dem Gerichtshof vor, die mit Beschluß vom 14. Juli 1982 vom Finanzgericht Düsseldorf gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vorgelegte Auslegungsfrage wie folgt zu beantworten: Der Begriff „Fleisch... anders zubereitet“ in der Tarifnummer 16.02 des Gemeinsamen Zolltarifs ist dahin auszulegen, daß er — z. B. durch das Hinzufügen von Salz und Pfeffer — „gewürztes“ Fleisch einschließt; dies gilt auch dann, wenn das Vorhandensein der für das Würzen verwendeten Zutaten nur mikroskopisch nachweisbar ist. |
( 1 ) Aus dem Italienischen übersetzt.