SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PIETER VERLOREN VAN THEMAAT

vom 18. Februar 1982 ( 1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. Einleitung

In den vorliegenden Rechtssachen stellt Ihnen der Bundesfinanzhof folgende Fragen :

1.

Wie sind die Tarifnummer 13.03 (Pflanzenauszüge) und die Tarifstelle 33.01 C (Resinòide) auszulegen und voneinander abzugrenzen?

2.

(Rechtssache 49/81:) Ist eine als Ingwerextrakt bezeichnete Ware, die neben 25 % ätherischen Ölen alle löslichen Inhaltsstoffe der Ingwerwurzel enthält, als Pflanzenauszug der Tarifnummer 13.03 zuzuordnen, oder gehört sie, obwohl sie als Pflanzenauszug alle typischen Inhaltsstoffe und Bestandteile der Ingwerwurzel enthält, im Hinblick auf die Anteile an wohlriechenden Bestandteilen bzw. Aromastoffen als Resinoid zur Tarifstelle 33.01 C? Gehört zu den wohlriechenden Bestandteilen bzw. Aromastoffen neben den ätherischen Ölen z. B. auch das Gingeroi?

3.

(Rechtssache 50/81:) Ist eine als „Extract of Black Pepper decolorized“ bezeichnete Ware, die aus 16 bzw. 20 % ätherischen Ölen, 40 bzw. 46 % Piperin und 38 bzw. 40 % sonstigen Extraktstoffen besteht, als Pflanzenauszug der Tarif nummer 13.03 zuzuordnen, oder gehört sie, obwohl sie als Pflanzenauszug alle typischen Inhaltsstoffe und Bestandteile der Pfefferfrucht enthält, im Hinblick auf die Anteile an wohlriechenden Bestandteilen bzw. Aromastoffen als Resinoid zur Tarifstelle 33.01 C? Gehört zu den wohlriechenden Bestandteilen bzw. Aromastoffen neben den ätherischen Ölen z. B. auch das Piperin?

Ich weise bei diesem Text der Vorlagefragen schon jetzt darauf hin, daß die Übersetzung des Wortlauts erhebliche Probleme aufwirft. Diese Probleme spiegeln die Auslegungsprobleme wider, die mit dem Text der einschlägigen Tarifnummern und -stellen in den verschiedenen Gemeinschaftssprachen zusammenhängen. Die in deutscher Sprache gestellten Fragen scheinen nach ihrem Wortlaut deutlich auf den deutschen Text der Tarifnummer 33.04 abgestimmt zu sein. Insbesondere entspricht die Passage „Anteile an wohlriechenden Bestandteilen bzw. Aromastoffen“ ausschließlich dem deutschen Text der Tarif nummer 33.04, die wie folgt lautet: „Mischungen von zwei oder mehreren natürlichen oder künstlichen Riech- oder Aromastoffen und Mischungen auf der Grundlage eines oder mehrerer dieser Stoffe (einschließlich alkoholischer Lösungen), die Rohstoffe für die Riechmittel-, Lebensmitteloder andere Industrien sind.“ Die Angabe „Riech- oder Aromastoffe“ kommt in den Texten in den anderen Gemeinschaftssprachen nicht vor. Im dänischen Text wird ohne weiteres von „lugtstoffer“ gesprochen, im englischen Text von „odoriferous substances“, im französischen Text von „substances odoriférantes“, im italienischen Text von „sostanze odorifere“ und im niederländischen Text von „reukstoffen“. Die Ausdrücke Aroma und Aromastoffe, denen die Kommission in ihren schriftlichen und mündlichen Erklärungen so viel Aufmerksamkeit gewidmet hat, kommen im Text der Tarifnummer 33.04 in den anderen Gemeinschaftssprachen also insgesamt nicht vor.

Gerade weil dieser Punkt für ihre Argumentation eine so große Bedeutung hat, ist es zu bedauern, daß die Kommission in ihren schriftlichen und mündlichen Erklärungen den einschlägigen Texten in den anderen Gemeinschaftssprachen keine Aufmerksamkeit gewidmet hat. Außerdem ist es auch aus diesem Grund besonders zu bedauern, daß die Kommission, bevor sie ihre Ausführungen zu den Vorlagefragen gemacht hat, sich nicht mit den Zollverwaltungen der anderen Mitgliedstaaten und insbesondere mit den zwei weitaus wichtigsten Einfuhrländern von Resinoiden, nämlich Frankreich und dem Vereinigten Königreich, beraten hat, die jeder nach den von der Klägerin des Ausgangsverfahrens vorgelegten amtlichen Statistiken im Jahr 1979 ungefähr das Doppelte der in der Bundesrepublik Deutschland als dem dritten wichtigen Einfuhrland eingeführten Mengen Resinoide importiert haben. Es kann ohne weiteres mit den in dem angegebenen Punkt anderslautenden Texten der einschlägigen Tarifnummern und -stellen zusammenhängen, daß gemäß den erst nach den vom Gerichtshof gestellten Fragen von der Kommission eingezogenen Erkundigungen die britische und die französische Zollverwaltung in der Tat zu einer anderen Auslegung dieser Tarifnummern und -stellen gelangen als die deutsche Zollverwaltung.

Zu den Vorlagefragen möchte ich übrigens noch bemerken, daß namentlich die Bedeutung der ersten Frage weit über die Bedeutung der Tarifierung der streitbefangenen Erzeugnisse hinausgeht. Die Frage betrifft nämlich die Auslegung der Tarifnummer 13.03 und der Tarifstelle 33.01 C im allgemeinen und ist also für alle Resinoide bedeutsam. Deren gesamter Einfuhrwert betrug 1979 nach den vorgelegten Statistiken über 73 Millionen Europäische Rechnungseinheiten.

Hinsichtlich der verschiedenen Argumente, die in dem Verfahren eine Rolle spielen, begnüge ich mich an dieser Stelle mit einer Bezugnahme auf die beiden Sitzungsberichte, auf die Gründe der beiden Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs, auf die Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofes und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung. Vor allem haben die Antworten auf die von Ihnen gestellten Fragen nach Abschluß des schriftlichen Verfahrens neue Gesichtspunkte in die Diskussion gebracht.

In meinen weiteren Ausführungen werde ich zunächst den „Allgemeinen Tarifierungs-Vorschriften zum Schema des Gemeinsamen Zolltarifs“ im Anhang zu der in Rede stehenden Verordnung folgen. Ich werde also zuerst dem Wortlaut der Tarifnummern und den Vorschriften zu den Abschnitten oder Kapiteln sowie den Auslegungsregeln 2 bis 5 dieser Allgemeinen Vorschriften Aufmerksamkeit schenken. Nur soweit sich dies als erforderlich oder nützlich erweist, werde ich danach von den Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens und denen des Zollausschusses der Gemeinschaften Gebrauch machen, die nach Ihrer gefestigten Rechtsprechung anders als die genannten Allgemeinen Vorschriften keine rechtsverbindliche Wirkung haben, aber doch als wertvolles Hilfsmittel für die Auslegung dienen können. Unter anderem in der Rechtssache Cleton (Rechtssache 11/79, Slg. 1979, 3069) haben Sie in Randnr. 13 der Entscheidungsgründe daran erinnert, daß die Erläuterungen des Zollausschusses die Erläuterungen des erwähnten Rates nicht ersetzen, sondern lediglich vervollständigen sollen. Im Zusammenhang mit der im vorliegenden Fall erfolgten Berufung auf eine Erläuterung des Zollausschusses vom 4. April 1978 schließe ich mich der Auffassung von Generalanwalt Warner auf Seite 3087 seiner Schlußanträge in der Rechtssache Cleton an, daß, da diese Erläuterungen keine Rechtsfolgen haben, sondern nur ein Hilfsmittel für die Auslegung sind, sich die Kommission zu Recht auf den Standpunkt gestellt hat, daß sie als solches unabhängig von dem (vor oder nach dem Zeitpunkt der angefochtenen Tarifierung gelegenen) Zeitpunkt ihres Erlasses herangezogen werden können. Im gleichen Sinn hat er sich in seinen Schlußanträgen in der Rechtssache 789/79 (Chem-Tec, Slg. 1980, 2652, 2563) geäußert. Ich möchte mir zwar meine Ansicht zu diesem Punkt für solche Erläuterungen vorbehalten, die nach der Vorlage von Auslegungsfragen an den Gerichtshof erlassen werden. Dieser Vorbehalt ist aber für die vorliegenden Rechtssachen nicht von Bedeutung.

2. Die erste Vorlagefrage

2.1. Der Wortlaut der einschlägigen Tarifnummern und -stellen und die Vorschriften hierzu

Wenn ich jetzt zur Behandlung der ersten Vorlagefrage übergehe, weise ich zunächst darauf hin, daß der Wortlaut der fraglichen Tarifnummern und -stellen keine Klarheit verschafft.

Die Tarifnummer 13.03 umfaßt, soweit hier von Bedeutung ist, unter A Pflanzensäfte und -auszüge und hierbei unter VIII b : „andere ... zu anderen Z wekken“.

Die Tarifstelle 33.01 C umfaßt „Resinoide“.

Dieser Wortlaut läßt zum einen die Frage offen, was der Unterschied ist zwischen anderen Pflanzenauszügen und Resinoiden, und zum anderen, welche Auslegungskriterien anzuwenden sind, wenn ein Erzeugnis sowohl mit Lösungsmitteln gewonnene Riech- und Aromastoffe als auch andere Pflanzenauszüge enthält. Etwas mehr Klarheit verschaffen bereits die Vorschriften zu Kapitel 13.

In diesen Vorschriften wird klargestellt, daß zu Tarifnummer 13.03 unter anderem nicht gehören: „h) ätherische Öle, flüssig oder fest, und Resinoide ...“ Die spezifische Sorte Pflanzenauszug, Resinoide genannt, gehört also nicht zum Gattungsbegriff Pflanzenauszug. Die Frage, was der Unterschied ist zwischen Pflanzenauszügen und Resinoiden, bleibt aber offen. Ebensowenig verschafft die erste Auslegungsregel der Allgemeinen Vorschriften Klarheit in bezug auf die bei Erzeugnissen von gemischter Zusammensetzung, wie sie hier in Rede stehen, zu beachtenden Auslegungsregeln. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens beruft sich auf den Text der Überschrift von Kapitel 33, in der nur von zubereiteten Riech-, Körperpflege- und Schönheitsmitteln gesprochen wird. Die erste Allgemeine Vorschrift zum Schema des Gemeinsamen Zolltarifs stellt aber klar, daß diese Überschriften keinen für die Auslegung verbindlichen Charakter besitzen. Sie stellen -nur „Hinweise“ dar. Die Kommission hat nach meiner Ansicht in ihren schriftlichen Erklärungen zu Recht vorgetragen, daß sich aus der vorhin von mir zitierten Tarifnummer 33.04 ergebe, daß grundsätzlich auch Rohstoffe für die Lebensmittelindustrie unter dieses Kapitel fallen könnten.

2.2. Auslegungsregel 2

Die zweite Allgemeine Vorschrift zum Schema des Gemeinsamen Zolltarifs verschafft schon etwas mehr Klarheit über Erzeugnisse von gemischter Zusammensetzung wie die hier in Rede stehenden.

Regel 2 bestimmt nämlich in b unter anderem, daß „jede Anführung eines Stoffes in einer Tarifnummer ... für diesen Stoff sowohl in reinem Zustand als auch gemischt oder in Verbindung mit anderen Stoffen [gilt]“. Derartige Gemische sind gemäß dem letzten Satz dieser Auslegungsregel „nach den Grundsätzen der Allgemeinen Tarifierungs-Vorschrift 3 zu tarifieren“.

2.3. Auslegungsregel 3

Die dritte Allgemeine Vorschrift besagt dann, soweit hier von Bedeutung ist, daß derartige Gemische wie folgt zu tarifieren sind:

„a)

Die Tarifnummer mit der genaueren Warenbezeichnung geht den Tarifnummern mit allgemeiner Warenbezeichnung vor.

b)

Gemische ..., die nach der Vorschrift 3a nicht tarifiert werden können, werden nach dem charakterbestimmenden Stoff ... tarifiert, wenn dieser Stoff ... ermittelt werden kann.

c)

Ist die Tarifierung nach den Vorschriften 3a und 3b nicht möglich, so ist die Ware der von den in Betracht kommenden Tarifnummern im Zolltarifschema zuletzt genannten Tarifnummer zuzuweisen.“

Kurt Frey führt in seinem Aufsatz „Zur Tarifierung von Waren nach ihrer stofflichen Beschaffenheit“ (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern 1979, S. 102—107) nach meiner Ansicht zutreffend aus, daß die Regel 3a dann, wenn zwei oder mehr Tarifnummern miteinander konkurrieren, weil keiner der unter eine der konkurrierenden Tarifnummern fallenden Stoffe unzweifelhaft überwiegt, meistens keine Lösung bietet. Eine solche Lösung kann bei Auseinandersetzungen über den Stoff, der für das Gemisch charakterbestimmend ist, nach meiner Auffassung auch nicht ohne weiteres auf die Auslegungsregel 3b gestützt werden. Namentlich ist nicht ohne weiteres klar, was hier unter „charakterbestimmendem Stoff“ zu verstehen ist. Bevor ich, falls erforderlich, zur Anwendung der Auslegungsregel 3c übergehe, werde ich deshalb nun zunächst prüfen, inwieweit die Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens ein genaueres Licht auf die wichtigsten offengebliebenen Fragen werfen. Diese offengebliebenen Fragen betreffen nach dem Vorhergehenden insbesondere den Begriff der Resinoide und die Auslegung der Allgemeinen Vorschrift 3b.

2.4. Die Erläuterungen- des Rates fiir die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens

a) Der Begriff der Resinoide

In seinen Erläuterungen zu Ausnahme h der Tarifnummer 13.03 erklärt der Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens unter A k, daß sich ätherische Öle und Resinoide von Pflanzenauszügen durch ihre Zusammensetzung unterscheiden, die hauptsächlich (essentiellement) aus wohlriechenden Bestandteilen besteht. Dazu wird noch bemerkt, daß einige Pflanzen, je nachdem, ob sie mit Wasserdampf destilliert oder mit Lösungsmitteln ausgezogen werden, entweder ätherische Öle der Tarifnummer 33.01 oder Pflanzenauszüge der Tarifnummer 13.03 ergeben können.

Aus den Erläuterungen zum Begriff der Resinoide in Tarifnummer 33.01 ergibt sich noch, daß Resinoide in der Regel durch Ausziehen unter anderem aus Harzen mit Lösungsmitteln gewonnen werden. Die erwähnten Erläuterungen zu Tarifnummer 13.03 könnten, rein sprachlich betrachtet, in dieser Beziehung zu dem Mißverständnis führen, daß dann gerade diese letztgenannte Tarifnummer anwendbar sei. Sprachlich entspricht nämlich die Charakterisierung als Pflanzenauszüge in der zweiten Hälfte des zitierten entscheidenden Satzes der Erläuterungen dem Kriterium des Gebrauchs von Lösungsmitteln in der ersten Hälfte dieses Satzes ( 2 ).

Aus einem Anhang der Erläuterungen zu Tarifnummer 33.01 ergibt sich, daß ätherische Öle und Resinoide unter anderem aus Ingwer und Pfeffer und außerdem aus Vanille sowie einer großen Anzahl anderer Erzeugnisse gewonnen werden können, deren mit Lösungsmitteln gewonnene und durch den Anhang unter Tarifnummer 33.01 gebrachte Auszüge (namentlich Resinoide) mit Sicherheit in der Lebensmittelindustrie verwendet werden. Die Kommission hat für diese letztgenannten Erzeugnisse in der mündlichen Verhandlung zahlreiche Beispiele genannt. Das Vorbringen der Klägerin des Ausgangsverfahrens, daß die Tarifnummer 33.01 keine Erzeugnisse für die Lebensmittelindustrie umfasse, wird übrigens außer durch die in dasselbe Kapitel aufgenommene und vorhin bereits erwähnte Tarif nummer 33.04 auch noch durch die Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens zum Begriff der ätherischen Öle widerlegt, die den Erläuterungen zum Begriff der Resinoide unmittelbar vorausgehen.

Die Kommission hat in ihren schriftlichen Erklärungen anhand von physiologischen und sprachlichen Argumenten aufzuzeigen versucht, daß sich das Kapitel 33 außer auf Riechstoffe auch auf Geschmacksstoffe beziehe. Diese Auslegung war, wie bereits bemerkt, nur aufgrund des deutschen Textes der Tarifnummer 33.04 möglich, in dem der Begriff „Aromastoffe“ vorkommt, und sie ist, wie sich zu Beginn dieses Unterabsatzes herausgestellt hat, außerdem unvereinbar mit den Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens. Sie geht obendrein von der Annahme aus, daß der im deutschen Text der Tarif nummer 33.04 vorkommende Begriff „Aroma“ auch den Geschmack umfaßt. Aus einer umfangreichen Untersuchung in einem Dutzend maßgebender deutscher, englischer, französischer und niederländischer Enzyklopädien, Lexika und Wörterbücher habe ich aber ersehen, daß nur zwei deutsche Quellen diese Auslegung des Begriffs „Aroma“ stützen. Der Große Brockhaus und alle untersuchten Werke in den anderen genannten Sprachen umschreiben „Aroma“ als angenehmen Geschmack oder mit gleichbedeutenden Ausdrücken. Nur wenn der Geschmack eines Erzeugnisses in Wirklichkeit ausschließlich — gemäß dem von der Kommission erwähnten Apfel-Zwiebel-Versuch — durch die Riechorgane bestimmt wird, könnte man deshalb aufgrund der physiologischen Betrachtungen der Kommission behaupten, daß die betreffenden Erzeugnisse auch unter Tarifnummer 33.01 fallen können. Die Kommission begeht nach meiner Ansicht übrigens auch einen Denkfehler, wenn sie aus dem Umstand, daß der Geschmack manchmal durch die Riechorgane bestimmt wird, ableitet, daß Geschmacksstoffe immer unter den von ihr, wie gesagt, zu Unrecht in den Mittelpunkt gerückten Begriff „Aroma“ fallen. Für die in Rede stehenden Erzeugnisse scheint mir auch dieser Denkfehler von Bedeutung.

b) Die Auslegung der Allgemeinen Vorschrift 3b

Die Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens enthalten also, wie sich zeigt, letztlich noch keine ausreichenden Richtlinien für das vorliegende Tarifierungsproblem. Offen blieb vor allem die Frage, wann die betreffenden Riechstoffe das Wesen oder die Hauptsache der in Rede stehenden Erzeugnisse darstellen. Dieses nach den Erläuterungen zu Tarifnummer 13.03 wesentliche Element scheint von der bindenden Auslegungsregel 3b der Allgemeinen Vorschriften, die ich vorhin behandelt habe, übernommen zu sein. Da es sich im vorliegenden Verfahren gemäß den gestellten Fragen um zwei Gemische handelt, geht es somit aufgrund der genannten Auslegungsregel um die Feststellung, welches der „charakterbestimmende Stoff“ der betreffenden Erzeugnisse ist.

Ein genaueres Licht auf die Weise, wie diese Frage beantwortet werden muß, werfen der zweite und der letzte Satz von Punkt k der Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens zu Tarifnummer 13.03. Nach dem zweiten Satz liegt das unterscheidende Merkmal von Resinoiden darin, daß diese hauptsächlich aus wohlriechenden Bestandteilen bestehen („essentially composed of“, „par leur composition essentiellement formée de“). Der Pflanzenauszug im Sinne der Tarifnummer 13.03 unterscheidet sich nach dem letzten Satz dieser Erläuterungen von den unter Tarif nummer 33.01 fallenden ätherischen Ölen dadurch, daß er außer wohlriechenden Stoffen noch wesentlich größere Mengen (des quantités bien plus notables) der verschiedenen anderen Bestandteile der Pflanze (Chlorophyll, Tannine, Bitterstoffe, Kohlenhydrate und andere Extraktstoffe) enthält.

Mir scheint also, daß Erzeugnisse, die außer mit Hilfe von Lösungsmitteln gewonnenen Riechstoffen eindeutig größere und den typischen Charakter des Erzeugnisses mitbestimmende Mengen anderer Pflanzenbestandteile wie Chlorophyll, Tannine, Bitterstoffe, Kohlenhydrate und andere Extraktstoffe enthalten, aufgrund der Auslegungsregel 3b und der dazu vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens für Erzeugnisse wie die vorliegenden erlassenen Erläuterungen als Pflanzenauszüge unter Tarifnummer 33.01 C fallen.

2.5. Die Erläuterungen des Zollausschusses der Europäischen Gemeinschaften

Wie bereits bemerkt, können die Erläuterungen des Zollausschusses nach der von mir geteilten Auffassung von Generalanwalt Warner die Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens zwar ergänzen, aber nicht ändern. Im gleichen Sinne hat sich der Gerichtshof in Randnr. 13 der Entscheidungsgründe des erwähnten Urteils in der Rechtssache Cleton (Rechtssache 11/79) ausgesprochen.

Von den Erläuterungen des Zollausschusses sind wieder vor allem die Erläuterungen zu Tarifnummer 13.03 und zu Tarif nummer 33.01, soweit sie sich auf den Begriff „Resinoide“ beziehen, von Bedeutung.

In den erstgenannten Erläuterungen wird der Begriff „Oleoresine“, der im vorliegenden Verfahren eine Rolle spielt, in einer Reihe von Fällen mit dem Begriff „Resinoide“ gleichgestellt. Der Begriff „Oleoresine“ wird aber nicht näher umschrieben. Ausweislich der Akten wird diesem Begriff in verschiedenen Ländern sehr unterschiedliche Bedeutung beigemessen. Außerdem ergibt sich aus diesen Erläuterungen nicht, in welchen Fällen Resinoide auch Oleoresine genannt werden. Schließlich kommt der Begriff „Oleoresine“ im Gemeinsamen Zolltarif nicht vor. Aus all diesen Gründen bin ich der Ansicht, daß diese Erläuterungen kein neues nützliches Licht auf die hier erörterte Problematik werfen.

Die Erläuterungen zu Tarifnummer 33.01 — unter C — sind bedeutsamer. Es heißt dort, daß „Resinoide ... durch Ausziehen aus bestimmten Pflanzenteilen oder bestimmten tierischen Stoffen mit Lösungsmitteln gewonnen [werden]. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie das Aroma des extrahierten Stoffes vollständiger wiedergeben, als es das im Ausgangsmaterial im allgemeinen enthaltene ätherische Öl alleine vermag.“ Hier wird dann wieder hinzugefügt, daß die (so beschriebenen) Resinoide häufig auch Oleoresine genannt werden, wenn sie für die Lebensmittelindustrie bestimmt sind.

Insbesondere kann der zweite Satz dieser Erläuterungen nach meiner Auffassung als eine Ergänzung von einiger Bedeutung zum Begriff der Resinoide angesehen werden. Bereits aus den vorhin genannten sprachlichen Gründen bin ich aber nicht der Ansicht, daß die Verwendung des Ausdrucks „Aroma“ in diesem Text etwas an meinen aus dem Wortlaut der Tarifnummern und anhand der anderen Auslegungsmittel gezogenen Schlußfolgerungen in bezug auf diesen Begriff ändern kann. Der Begriff wird meines Erachtens als identisch mit dem Begriff „angenehmer Geruch“ betrachtet werden müssen. Die Erläuterungen insgesamt scheinen mir zudem eher meine vorhin in bezug auf Gemische gezogene Schlußfolgerung zu stützen als die Schlußfogerung der Kommission. Es wird nämlich in diesen Erläuterungen ausschließlich von den Aromastoffen gesprochen, die mit Lösungsmitteln unter anderem aus Pflanzenteilen gewonnen werden. Man kann höchstens behaupten, daß die Erläuterungen die Frage in bezug auf Gemische wie die hier in Rede stehenden offen lassen. Der letzte Satz fügt zu den Erläuterungen zum Begriff der Resinoide hinzu, daß es für die Charakterisierung des Erzeugnisses, wie sie in den vorhergehenden Sätzen enthalten ist, nicht auf die Bezeichnung ankommt. Außerdem stützt er die von mir geteilte Auffassung der Kommission, daß Resinoide auch für die Lebensmittelindustrie verwendet werden können.

2.6. Schlußbemerkung

Da die gemäß den Allgemeinen Vorschriften in Ihrer Rechtsprechung verwendeten Auslegungsmittel letzten Endes zu einem hinreichend klaren Ergebnis führen, braucht die Allgemeine Vorschrift 3c im vorliegenden Fall nicht angewandt zu werden. Da das Ergebnis größtenteils anhand der Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens und derjenigen des Zollausschusses gewonnen worden ist, möchte ich die Möglichkeit, daß spätere Erläuterungen zu anderen Schlußfolgerungen führen können, nicht ganz ausschließen. Wie der Vertreter der Kommission in der mündlichen Verhandlung ein wenig unvorsichtig bemerkt hat, hinkt außerdem die Gesetzgebung der tatsächlichen Entwicklung hinterher, und das scheint in der Tat auch für die fraglichen Tarifnummern und -stellen zu gelten. In Randnr. 12 der Entscheidungsgründe Ihres Urteils vom 19. November 1981 in der Rechtssache 122/80, Analog Devices, haben Sie zu Versäumnissen der Gesetzgebung bereits ausgeführt, daß nur der Gemeinschaftsgesetzgeber insoweit Änderungen vornehmen kann. Im vorliegenden Fall ist man vor allem dadurch frappiert, daß das Kapitel 33 zwar eine Tarifnummer 33.04 enthält, die sich auf Mischungen von zwei oder mehreren natürlichen oder künstlichen Riechstoffen und Mischungen auf der Grundlage eines oder mehrerer dieser Stoffe bezieht, aber keine Tarifnummer, die sich auf Mischungen bezieht, bei denen charakteristische Geschmacksstoffe — wie im vorliegenden Fall — eine Hauptrolle spielen. Es scheint tatsächlich Aufgabe des Gesetzgebers zu sein, die Tarife für solche Erzeugnisse festzusetzen, die beträchtliche Mengen verschiedener Stoffe enthalten, für die unterschiedliche Zolltarife gelten. Trotz der Rolle, die die Tarifnummer 33.04 im vorliegenden Verfahren gespielt hat, hat das Vorlagegericht Sie übrigens nicht um eine Auslegung dieser Tarifnummer ersucht.

3. Die zweite und die dritte Frage

Die zweite und die dritte Vorlagefrage betreffen, so wie sie formuliert sind, die Beurteilung der in Rede stehenden konkreten Erzeugnisse. Auf diese Fragen als solche wird der Gerichtshof natürlich im Rahmen eines Verfahrens nach Artikel 177 EWG-Vertrag keine Antwort geben können. Die Fragen enthalten aber doch tatsächliche Angaben, die auf den vorhin behandelten Begriff „charakterbestimmender Stoff“ gemischter Erzeugnisse ein nützliches Licht werfen. Im übrigen wird die Antwort auf die erste Frage nach meiner Ansicht so formuliert werden müssen, daß sie dem Vorlagegericht auch eine Antwort auf die zweite und die dritte Frage ermöglicht.

4. Schlußfolgerung

Zusammenfassend schlage ich Ihnen aufgrund der angestellten Überlegungen folgende Antwort auf die Ihnen gestellten Fragen vor:

1.

Die Tarifnummer 13.03 (Pflanzenauszüge) und die Tarifstelle 33.01 C (Resinoide) sind beim heutigen Stand der dazu erlassenen Erläuterungen und aufgrund der insoweit bindenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts in der Weise auszulegen und voneinander abzugrenzen, daß

a)

Resinoide nicht als Pflanzenauszüge nach Tarifnummer 13.03 tarifiert werden können;

b)

der Begriff der Resinoide in erster Linie dadurch bestimmt wird, daß diese mit Lösungsmitteln gewonnene Riechstoffe enthalten, die den Geruch vollständiger wiedergeben als die in dem ursprünglichen Erzeugnis im allgemeinen vorhandenen ätherischen Öle;

c)

solche Pflanzenauszüge nicht als Resinoide angesehen werden können, die außer so gewonnenen Riechstoffen eindeutig größere und den typischen Charakter des Erzeugnisses mitbestimmende Mengen anderer Pflanzenbestandteile wie Chlorophyll, Tannine, Bitterstoffe oder andere überwiegend durch die Geschmacksorgane wahrnehmbare Stoffe, Kohlenhydrate und andere Extraktstoffe enthalten;

d)

von eindeutig größeren und den typischen Charakter des Erzeugnisses mitbestimmenden Mengen anderer Pflanzenbestandteile wie die unter c erwähnten namentlich dann die Rede ist, wenn diese anderen Pflanzenbestandteile auch den Geruch beeinflussen oder aber diesem in wesentlichem Maße andere Merkmale wie Geschmacksmerkmale oder andere für die Verbraucher wesentliche Eigenschaften hinzufügen;

e)

die Bestimmung eines Erzeugnisses für die Lebensmittelindustrie die aus den geschilderten Kriterien abgeleiteten Schlußfolgerungen nicht beeinträchtigen kann.

2.

Die Fragen 2 und 3 sind im Lichte der Antwort auf die erste Frage zu beantworten. Gingeroi und Piperin fallen nicht unter die Riechstoffe, die den Begriff der Resinoide bestimmen, wenn ihre charakteristischen Eigenschaften überwiegend durch die Geschmacksorgane und nicht durch die Riechorgane bestimmt werden.


( 1 ) Aus dem Niederländischen übersetzt.

( 2 ) Der betreffende originale Text lautet wie folgt:

„Il est à noter par ailleurs, que, selon qu'ils sont traités par distillation et entraînement au moyen de vapeur d'eau ou par épuisement au moyen de solvants, certains végétaux (la menthe par exemple) peuvent fournir des huiles essentielles du no 33.01 aussi bien que des extraits du no 13.03.“

Aus den Erläuterungen A zu Tarif nummer 13.03 ergibt sich übrigens, daß auch Planzenauszüge im Sinne dieser Tarifnummer mit Lösungsmitteln gewonnen werden können. Es zeigt sich also, daß die Herstellungsweise allein kein ausreichender Anknüpfungspunkt für die Tarifierung ist.