SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS SIMONE ROZÈS

VOM 17. DEZEMBER 1981 ( 1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

Ihnen liegt ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofes vor. Dieses ist in der letzten Phase eines Rechtsstreits ergangen, in dem sich seit mehreren Jahren die Firma Chem-Tec B. H. Naujoks, Koblenz, und das Hauptzollamt Koblenz gegenüberstehen.

I —

Der Sachverhalt ist folgender:

1.

Die Firma Chem-Tec führt regelmäßig zu verschiedenen Zwecken dienende Klebebänder in verschiedenen Ausführungen, darunter die sogenannten Transferklebebänder der Marke „Scotch“ mit der Artikelnummer 465, aus den Vereinigten Staaten ein.

Von Oktober 1973 bis Juli 1974 ließ sie Klebebänder dieser Art zum freien Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland abfertigen, wobei sie sie zunächst als „Papierklebebänder, mit einer Breite von weniger als 10 cm, mit nichtvulkanisiertem synthetischem Kautschukkleber bestrichen“ und sodann als „Streifen aus nichtvulkanisiertem synthetischem Kautschuk; andere“ deklarierte.

Schließlich durchlief das Erzeugnis, um es mit den Worten einer der Parteien zu sagen, eine wahre „Odyssee“ durch die verschiedenen Tarifstellen des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT). Ich möchte mich bei meinem Bericht über diese „Odyssee“ sehr knapp fassen und auf die Feststellung beschränken, daß die Bänder von der deutschen Zollverwaltung nacheinander den Tarifstellen 48.15 A (seinerzeitiger vertragsmäßiger Zollsatz: 6,5 %), 40.05 C (Zollsatz: 4 %), 39.02 C XII (Zollsatz: 16,8%) und schließlich 35.06 B (Zollsatz: 15,2%) zugeordnet wurden.

Die ersten beiden Tarifierungsentscheidungen entsprachen den Zollerklärungen der Firma Chem-Tec bei der Einfuhr des jeweiligen Postens der streitigen Bänder. Die beiden letzten Tarifierungsentscheidungen wurden von der Zollverwaltung getroffen, nachdem sie mehrere Gutachten bei verschiedenen Stellen eingeholt hatte. Die endgültige Tarifierungsentscheidung, die dem Ausgangsverfahren zugrunde liegt, wurde am 14. Juni 1976 vom Hauptzollamt Koblenz auf den Einspruch hin erlassen, den die Firma Chem-Tec nach Erhalt eines Änderungsbescheids eingelegt hatte, der die Folge der Tarifierung nach der Tarifstelle 39.02 C XII gewesen war.

Da das Einfuhrunternehmen diese Entscheidung für falsch hielt, erhob es Klage beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz. Dieses bestätigte die behördliche Entscheidung, die Bänder nach der Tarifstelle 35.06 B zu tarifieren; daraufhin legte die Firma Chem-Tec Revision beim Bundesfinanzhof ein.

2.

Zum besseren Verständnis des Rechtsstreits empfiehlt sich eine Beschreibung der streitigen Ware und ihrer Verwendung: Das Erzeugnis besteht aus einem beidseitig klebbaren Klebestreifen, der sich im wesentlichen aus Polybutadien zusammensetzt. Es ist 0,05 mm dick und 5 cm breit. Jede Schicht dieses Bandes ist durch einen doppelseitig silikonisierten Papierstreifen isoliert, den man „Papierliner“ nennt. Das Ganze ist auf einen Pappkern aufgerollt.

Nach den Angaben der Firma Chem-Tec wird das Klebeband 465 als Transferklebeband bezeichnet, weil es „trägerlos“ ist. Der Klebstoff wird nämlich unmittelbar auf den „Liner“ aufgebracht. Dadurch, daß kein Träger verwendet wird, kann man sehr dünne doppelseitig klebende Bänder erreichen, die zum Beispiel in der Papierindustrie zum endlosen Zusammenkleben von zwei Papierbahnen verwendet werden.

Laut dem Vorlagebeschluß und den hierzu nicht im Widerspruch stehenden Erläuterungen der Firma Chem-Tec wird das Klebeband 465 wie folgt verwendet:

Es wird von der Rolle abgewickelt und zusammen mit dem Papierliner auf das zu verklebende Papier aufgeklebt. Der Liner wird abgezogen, unmittelbar bevor das zweite zu verklebende Papier aufgepreßt wird. Durch dieses Aufpressen wird eine feste Verklebung der beiden — um bei meinem Beispiel zu bleiben — Papierbahnen erzielt.

Wegen dieser technischen Besonderheiten neigt der Bundesfinanzhof der Ansicht zu, daß die Ware entsprechend der vom Finanzgericht bestätigten Auffassung des Hauptzollamts der Tarifnummer 35.06 zuzuordnen ist. Wenn er dennoch den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung ersucht, so zum einen wegen der Schwierigkeiten, die die Tarifierung der deutschen Zollverwaltung bereitete, und zum anderen deshalb, weil die streitigen Bänder, wie die Firma Chem-Tec vorgetragen hat, nicht in allen Mitgliedstaaten einheitlich tarifiert werden, insbesondere soll dies für Frankreich und die Niederlande gelten.

Ich möchte jedoch darauf hinweisen, daß nach Erlaß des Vorlagebeschlusses eine neue Tatsache bekannt geworden ist. Auf eine Frage aus Ihren Reihen hat die Kommission mitgeteilt, daß sich alle Mitgliedstaaten in der 267. Sitzung des Ausschusses für das Schema des Gemeinsamen Zolltarifs, die wegen der Tarifierung der Klebebänder der streitigen Art einberufen wurde, mit der Zuordnung dieser Bänder zur Tarifstelle 35.06 B einverstanden erklärt hätten.

Aus diesem Umstand können jedoch keine definitiven Schlüsse gezogen werden. „Wenn auch“, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 15. Februar 1977 in den verbundenen Rechtssachen 69 und 70/76 (Dittmeyer/Hauptzollamt Hamburg-Waltershof, Randnummer 4 der Entscheidungsgründe, Slg. S. 231, 238) und erneut die Erste Kammer in ihrem Urteil vom 11. Juli 1980 in der Rechtssache 798/79 (Hauptzollamt Köln-Rheinau/Chem-Tec, Randnummer 11 der Entscheidungsgründe, Slg. S. 2639, 2646) festgestellt haben, „die Stellungnahmen des Ausschusses für das Schema des Gemeinsamen Zolltarifs ein wichtiges Hilfsmittel sind, um eine einheitliche Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs durch die Zollbehörden der Mitgliedstaaten zu gewährleisten, und sie deshalb als wertvolles Erkenntnismittel für die Auslegung des Tarifs angesehen werden können, so sind sie doch rechtlich nicht verbindlich, so daß gegebenenfalls zu prüfen ist, ob ihr Inhalt mit den Bestimmungen des Gemeinsamen Zolltarifs in Einklang steht und deren Tragweite nicht ändert“.

II —

Die erste Frage des Bundesfinanzhofes betrifft die Auslegung der Tarifnummer 35.06. Genauer gesagt geht sie dahin, ob diese Tarifnummer auf eine als „Papierklebeband“ oder als „Streifen“ aus nichtvulkanisiertem synthetischem Kautschuk bezeichnete und auf eine Spule aufgewickelte Ware anwendbar sein kann, die aus einem beiderseitig klebbaren Klebestreifen und einem zur Isolation dienenden (silikonisierten) Papierstreifen besteht, der beim Klebevorgang entfernt wird.

1.

Die Tarifnummer 35.06 des Gemeinsamen Zolltarifs lautet:

„A.

zubereitete Klebstoffe, anderweit weder genannt noch inbegriffen:

I.

pflanzliche Klebstoffe:

...

II.

andere

B.

Erzeugnisse aller Art zur Verwendung als Klebstoff in Aufmachungen für den Einzelverkauf in Behältnissen mit einem Gewicht des Inhalts von 1 kg oder weniger“.

Sie stellt die letzte Tarifnummer des Kapitels 35 GZT („Eiweißstoffe und Klebstoffe“) dar und hat somit Auffangcharakter. Die Gemeinsamkeit der unter die Tarifstellen A und B der Tarifnummer 35.06 fallenden Waren besteht offensichtlich darin, daß sie kleben und als Klebstoff dienen.

Angesichts seiner Beschaffenheit kommen für die Zuordnung des fraglichen Erzeugnisses von vornherein eindeutig nur die Tarifstellen 35.06 AII und 35.06 B in Betracht. Nur im Hinblick auf diese beiden Tarifstellen ist somit die vom vorlegenden Gericht beschriebene Ware zu untersuchen.

2.

Nach Ansicht der Firma Chem-Tec ist die Vorlagefrage zu verneinen. Das Unternehmen macht geltend, bestimmendes Merkmal des Klebebands 465 sei nicht seine Eigenschaft als Kleber, sondern der Umstand, daß sie die Form eines Bandes aufweise. Das Klebeband diene nicht als Klebstoff, sondern als technisches Hilfsmittel bei der industriellen Verwendung, insbesondere, wie gesagt, in der Papierindustrie. Die Klägerin bestreitet damit zwar nicht, daß das Klebeband 465 zu Klebezwecken dient, was ja auf die Leugnung einer offenkundigen Tatsache hinauslaufen würde. Vielmehr wendet sie sich, wenn ich den Kern ihrer Auffassung richtig verstanden habe, gegen die Gleichsetzung eines so hoch entwickelten Erzeugnisses wie des „Scotch 465“, das überdies die Form eines Bandes aufweist, mit den flüssigen oder festen Erzeugnissen, die man als Klebstoffe, Kleber oder Leime im eigentlichen Sinne des Wortes bezeichnet.

Die Eigenschaft als Klebstoff rechtfertigt demgegenüber für die Zollverwaltung die Tarifierung nach der Tarifstelle 35.06 und bildet den tragenden Grund der strittigen Entscheidung des Hauptzollamts Koblenz vom 14. Juni 1976. Aus den Akten geht hervor, daß das Hauptzollamt seine Entscheidung vor allem auf die Ergebnisse von Gutachten gestützt hat, die die Zolltechnische Prüfungsund Lehrantalt Hamburg-Altona im Januar 1975 und im April 1976 erstellt hatte. Diese war aufgrund ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis gelangt, daß „der gesamte Klebestreifen aus einem Acrylpolymerisat besteht, der durch Glasfasern verstärkt ist“, so daß er nicht als synthetischer Kautschuk im Sinne der Tarifstelle 40.05 C angesehen werden könne. Somit bildete letztlich die Klebstoffeigenschaft des Klebebands 465 die Grundlage für die Tarifierungsentscheidung der Zollverwaltung.

Die Lösung des sich stellenden Problems besteht also in der Klärung der Frage, ob das Klebeband 465 in erster Linie als Band oder in erster Linie als Klebstoff anzusehen ist. Sieht man in ihm, der Auffassung der Firma Chem-Tec folgend, im wesentlichen ein Band, so ist die erste Frage des Bundesfinanzhofes zu verneinen. Stellt man hingegen mit der Zollverwaltung, deren Auffassung die Kommission teilt, seine Klebstoffeigenschaft in den Vordergrund, so führt dies zwangsläufig zu einer Bejahung der Frage.

3.

Ein erster Gesichtspunkt für die Beantwortung der Frage ergibt sich daraus, daß der Gemeinsame Zolltarif, worauf die Kommission zu Recht hingewiesen hat, keine spezifische Tarifstelle für Klebebänder enthält. Diese werden vielmehr in mehreren Tarifstellen genannt:

in der Tarifstelle 39.01 B:

Kondensations-, Polykondensationsund Polyadditionserzeugnisse ...

in der Tarifstelle 39.02 B:

Polymerisations- und Mischpolymerisationserzeugnisse,

in der Tarifstelle 39.03 A:

Regenerierte Zellulose ...

in der Tarif stelle 48.15 A:

Andere Papiere und Pappen ...

in der Tarifstelle 59.11 A I:

Kautschutierte Gewebe, ausgenommen Gewirke.

Aus dieser Aufzählung ergibt sich, daß der Gemeinsame Zolltarif bei der Einreihung von Klebebändern in das Schema auf deren stoffliche Beschaffenheit, mit anderen Worten also auf ihre Zusamensetzung, abstellt.

Im vorliegenden Fall handelt es sich, worauf der Bundesfinanzhof angebrachterweise aufmerksam macht, um eine zusammengesetzte Ware, die aus einem beidseitig klebbaren Streifen sowie aus einem diese Klebestreifen trennenden silikonisierten Papierstreifen besteht. Aber „der Papierliner [ist]“, wie die Firma Chem-Tec selbst einräumt, „bei der Tarifierung außer acht zu lassen“. Daher ist die Tarifnummer 35.06 nur im Hinblick auf den Klebestreifen im eigentlichen Sinne zu prüfen.

4.

Ich möchte von vornherein betonen, daß die Frage meines Erachtens zu bejahen ist.

Die gegenteilige Auffassung stützt sich darauf, daß in der deutschen Übersetzung der Erläuterungen zur Nomenklatur des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens (NRZZ) zu Tarifstelle 35.06 B der Begriff „Leim“ verwendet wird, der in der Tat Erzeugnisse von der Art des Klebebands 465 wohl nicht umfaßt.

Dieses eine Argument scheint mir angesichts all der Argumente, die man ihm entgegensetzen kann, nicht durchzuschlagen. Schon das erste Gegenargument, das sich aus dem Wortlaut der fraglichen Tarifstelle ableiten läßt, würde zu seiner Widerlegung ausreichen. Indem die Verfasser des Zolltarifs für die Tarifnummer 35.06 Formulierungen sehr allgemeiner Art („A. zubereitete Klebstoffe, anderweit weder genannt noch inbegriffen ... B. Erzeugnisse aller Art zur Verwendung als Klebstoff ...“) wählten — die deutsche Fassung enthält überdies das Wort „Klebstoff“, das eine weitere Bedeutung als der Begriff „Leim“ hat —, wollten sie nämlich offenbar alle klebenden Substanzen in diese Tarifnummer einordnen, die noch nicht von einer anderen Position des Kapitals 35 erfaßt waren.

Diese Feststellung wird durch den Umstand verstärkt, daß in keiner Erläuterung zum Zolltarif oder zur NRZZ präzisiert wird, was unter „Klebstoffe“ oder „Erzeugnisse aller Art zur Verwendung als Klebstoff“ zu verstehen ist. In den Erläuterungen zum Zolltarif und in den Erläuterungen zur NRZZ sind im Gegenteil sehr verschiedenartige Klebstoffe aufgeführt, wie zum Beispiel zubereitete Klebstoffe auf der Grundlage von Flechten, von Gluten (Wiener Leim) (Erläuterungen A l b zum Gemeinsamen Zolltarif) oder „speziell zur Verwendung als Klebstoffe hergestellte Zubereitungen“, die beispielsweise „aus einer Mischung mehrfacher Kunststoffe der verschiedenen Nummern des Kapitels 39 ... bestehen“ (Nr. 5 der Erläuterungen zur NRZZ zu Tarif stelle A).

Auch die Bedeutung des Ausdrucks „Erzeugnisse aller Art zur Verwendung als Klebstoff“ wird weder in den Erläuterungen zum Zolltarif noch in den Erläuterungen zur NRZZ, auf die erstere „hinsichtlich der Aufmachung dieser Waren“ lediglich verweisen, genau umschrieben. Wenn die Verfasser dieser Erläuterungen es nicht für zweckmäßig hielten, näher darzulegen was hierunter zu verstehen ist, sowohl deshalb, weil man sich schwerlich einen weiteren Begriff als „Erzeugnisse aller Art ...“ denken kann. Tatsächlich steht es meiner Ansicht nach außer Zweifel, daß unter diesen Begriff nicht nur herkömmliche Klebstoffe, sondern auch klebende Substanzen mit einem spezifischen Verwendungszweck wie die im vorliegenden Fall in Rede stehende Ware gehören.

Die erste Frage des Bundesfinanzhofes ist somit ohne jeden Zweifel zu bejahen.

III —

Mit der zweiten Frage soll geklärt werden, ob die streitige Ware der Beschreibung „in Aufmachungen für den Einzelverkauf in Behältnissen mit einem Gewicht des Inhalts von 1 kg oder weniger“ entspricht, was Voraussetzung dafür ist, daß ein zur Verwendung als Klebstoff bestimmtes Erzeugnis nach der Tarifstelle 35.06 B tarifiert werden kann. Insbesondere ersucht der Bundesfinanzhof den Gerichtshof um Entscheidung darüber, ob die streitige Ware diese Voraussetzungen schon deshalb erfüllt, weil die klebende Substanz („Klebstoff“) in der ganzen Länge des Klebestreifens auf ein Papierband aufgetragen ist, das dann sein Behältnis darstellen würde, oder ob die Klebebänder mit der erforderlichen Gewichtsbegrenzung in speziellen Behältnissen untergebracht und daneben durch schriftliche Hinweise als Klebstoff gekennzeichnet sein müssen.

1.

In den Gründen seines Vorlagebeschlusses verdeutlicht der Bundesfinanzhof diese Frage erstens durch die weitere Frage, „ob das beim eigentlichen Klebevorgang abgelöste Papierband als Behältnis i. S. dieser Tarifnummer anzusehen ist“.

In dem langen Verfahren wegen der Tarifierung des streitigen Erzeugnisses wurde diese Frage, soweit ersichtlich, erstmals von der Zolltechnischen Prü-fungs- und Lehranstalt Hamburg-Altona in ihren bereits angeführten, vom Zollamt eingeholten Gutachten vom Januar 1975 und vom 2. April 1976 bejaht. Nach diesen Gutachten, wie sie im Urteil des Finanzgerichts wiedergegeben sind, ist „der auf einer Spule aufgerollte Klebestreifen mit einem Gewicht von weniger als 1 kg ... als für den Einzelverkauf aufgemacht anzusehen“. Angesichts des Wortlauts der Tarif stelle 35.06 impliziert diese Stellungnahme wohl, daß die Ware durch ihre Aufwicklung auf eine Spule zugleich in ein Behältnis gebracht und für den Einzelverkauf aufgemacht wurde.

In seinem Urteil vom 11. November 1976 beantwortet das Finanzgericht Rheinland-Pfalz die Frage im gleichen Sinne, jedoch insofern genauer, als es darauf hinweist, daß die Verpackung des Klebstoffs darin bestehe, daß er „auf ein Papierband aufgetragen und auf eine Spule aufgewickelt ist“.

Im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren hat die Kommission gleichfalls einen ähnlichen Standpunkt vertreten. Sie hat zwar angenommen, daß es im vorliegenden Fall sicher gekünstelt wäre, das Papierband, auf das der Klebstoff aufgetragen ist, als „Behältnis“ anzusehen. Es wäre aber ihrer Ansicht nach auch übertrieben zu verlangen, daß die Bänder in speziellen Behältnissen, zum Beispiel in Kartons, untergebracht sind. Den Anforderungen der Tarifstelle 35.06 B sei insoweit Genüge getan, wenn die Bänder „erkennbar dazu bestimmt sind, unmittelbar und ohne weiteres Abpacken verkauft zu werden“.

Meines Erachtens läßt sich diese Auffassung nicht mit dem klaren Wortlaut der geprüften Tarifstelle, der das Wort „Behältnisse“ umfaßt, und damit auch nicht mit der Allgemeinen Tarifierungsvorschrift 1 zum Schema des Gemeinsamen Zolltarifs vereinbaren, wonach „maßgebend für die Tarifierung ... der Wortlaut der Tarifnummern“ ist. Gewiß ist dieser Wortlaut auslegbar, insbesondere mit Hilfe der Erläuterungen zum Zolltarif und in zweiter Linie anhand der Erläuterungen zur NRZZ. Man kann ihn aber nicht so weit auslegen, daß einige der verwendeten Begriffe ganz bedeutungslos würden.

Eben dazu führt aber die von der Kommission befürwortete Auslegung. Zu ihrer Begründung hat sich die Kommission vor allem auf die Erläuterungen zur NRZZ zu Tarifstelle 35.06 B gestützt. Man kann aber nicht den in diesen Erläuterungen erwähnten einfach um eine Tafel aus Knochenleim herumgewickelten Papierstreifen, bei dem es sich um ein echtes, wenn auch sehr einfaches Behältnis handelt, mit dem hier in Rede stehenden Zwischenpapier auf eine Stufe stellen, das eine ganz andere Funktion erfüllt, wie die Firma Chem-Tec unwidersprochen dargelegt hat.

Diese silikonisierten Papierstreifen oder „Liner“ werden nämlich für die Herstellung und für die Verwendung der streitigen Bänder unbedingt benötigt. Nach dem Vorbringen der Beteiligten werden diese Bänder, wie übrigens alle beidseitig klebbaren Klebebänder, auf einen Pappkern aufgerollt. Um ein Zusammenkleben der verschiedenen Klebeschichten zu vermeiden, was sie unbrauchbar machen würde, müssen sie durch die genannten Papierstreifen getrennt werden. Diese ermöglichen es somit sowohl, das Klebeband von der Rolle abzuwickeln, als auch, es auf den zu verklebenden Gegenstand aufzubringen.

Die Feststellung, daß der Liner den notwendigen Träger für den eigentlichen Klebestreifen darstellt, kann nicht durch den Hinweis darauf widerlegt werden, daß der Liner beim Klebevorgang entfernt wird. Dies beweist lediglich, daß das Papier nicht Bestandteil des allein im Klebstoff bestehenden strittigen Erzeugnisses ist, vermag aber nicht den Schluß zu rechtfertigen, daß es sich um ein Behältnis handelt. Ein Gegenstand, der für die Verwendung eines Erzeugnisses unbedingt benötigt wird, wird nicht dadurch zu einem Behältnis für dieses Erzeugnis, daß er bei dessen Verwendung entfernt wird.

Ich neige somit dazu, auf den ersten Teil der zweiten Frage des obersten Gerichts der deutschen Finanzgerichtsbarkeit zu antworten, daß die fraglichen Klebebänder mit der in der Tarif stelle 35.06 B festgelegten Gewichtsbegrenzung in speziellen Behältnissen untergebracht sein müssen.

2.

Der Bundesfinanzhof stellt in zweiter Linie die Frage, „ob diese Behältnisse, um als Aufmachung für den Einzelverkauf angesehen werden zu können, irgendwelche Hinweise auf die Eigenschaft als Klebstoff aufweisen müssen“.

In den Erläuterungen zur NRZZ zu Tarifstelle 35.06 B heißt es:

„Erzeugnisse, die auch zu anderen Zwecken [denn] als Klebstoff verwendet werden können (z. B. Dextrin oder Methylzellulose in Körnern), gehören nur hierher, wenn ihr Behältnis für den Kleinverkauf Hinweise enthält, aus denen sich ergibt, daß sie als Klebstoff verkauft werden sollen.“

Daraus folgt — dies entspricht dem gesunden Menschenverstand — im Umkehrschluß, daß ein Erzeugnis, das nicht zu anderen als Klebezwecken verwendet werden kann, nicht mit einem Hinweis auf seinen Verwendungszweck versehen zu werden brauchen.

Kann das streitige Erzeugnis zu anderen als Klebezwecken verwendet werden und ist es nicht mit einem Hinweis auf seine Eigenschaft als Klebestoff versehen, so ist im vorliegenden Fall die zweite Voraussetzung für seine Tarifierung nach der Tarifstelle 35.06 B, nämlich, daß es für den Einzelverkauf aufgemacht sein muß, mit Sicherheit nicht erfüllt. Andernfalls (d. h. wenn es zu anderen als Klebezwecken verwendet werden kann und auf seinem Behältnis auf seine Bestimmung zur Verwendung als Klebstoff hingewiesen ist oder wenn das Erzeugnis lediglich als Klebstoff verwendet werden kann und es mit einem Hinweis auf seine Eigenschaft als Klebstoff versehen oder auch nicht versehen ist) ist hingegen meines Erachtens noch unter weiteren Gesichtspunkten zu prüfen, ob es für den Einzelverkauf aufgemacht ist.

Die Firma Chem-Tec meint, das streitige Erzeugnis erfülle diese Voraussetzung schon deshalb nicht, weil es nur zur industriellen Verwendung bestimmt sei. Ihr Hauptabnehmer sei die Papierindustrie und daneben auch die Elektroindustrie und der Apparatebau. Kann man hieraus jedoch ohne weiteres schließen, daß das Klebeband 465 in seiner derzeitigen Aufmachung nicht im Einzelhandel verkauft werden kann? Ich stimme in diesem Punkt voll und ganz der Ansicht des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz zu, daß es entscheidend darauf ankommt, „ob die Ware in einer Aufmachung eingeführt wird, in der sie — ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Zweck der Einfuhr — für den Einzelverkauf geeignet ist“.

Ein weiteres Argument hierfür, dem zuzustimmen, ist von der Kommission vorgebracht worden. Wenngleich ich der Auslegung des Begriffs „Behältnis“, die sie aus den Erläuterungen zur NRZZ ableitet, nicht zustimmen kann, bin ich doch mit ihr der Auffassung, daß diesen Erläuterungen zufolge der Ausdruck „in Aufmachungen für den Einzelverkauf“ weit auszulegen ist. Dies ergibt sich zum einen aus der Verschiedenartigkeit der in der betreffenden Erläuterung aufgezählten und als Behältnisse für den Einzelverkauf angesehenen Behältnisse (Glasflaschen oder Glastöpfe, Metallgefäße oder Metalltuben, Behältnisse aus Pappe, Papiersäcke) und zum anderen aus dem Hinweischarakter dieser Aufzählung, der in den Worten „meist“ und „usw.“ zum Ausdruck kommt. Wie von der Kommission vorgetragen, werden Waren dann „in Aufmachungen für den Einzelverkauf“ eingeführt, wenn sie erkennbar dazu bestimmt sind, unmittelbar und ohne weiteres Abpacken verkauft zu werden.

Bei der Frage, ob das von Oktober 1973 bis Juli 1974 von der Firma Chem-Tec eingeführte Klebeband diesen Kriterien entspricht, handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes um eine Tatsachenfrage, über die allein der Bundesfinanzhof als nationales Gericht entscheiden kann. (Ich verweise zum Beispiel auf das Urteil vom 28. März 1979 in der Rechtssache 158/78, Biegi/Hauptzollamt Bochum, Randnummer 17 der Entscheidungsgründe, Slg. 1103, 1120 f., und das Urteil vom 31. März 1979 in der Rechtssache 183/78, Galster/Hauptzollamt Hamburg-Jonas, Randnummer 15, der Entscheidungsgründe, Slg. 2003, 2011.)

Abschließend schlage ich vor, für Recht zu erkennen :

1.

Die Tarifnummer 35.06 des Gemeinsamen Zolltarifs ist so auszulegen, daß darunter auch eine als „Papierklebeband“ oder als „Streifen aus nichvulkanisiertem synthetischen Kautschuk“ bezeichnete und auf eine Spule aufgewickelte Ware fällt, die aus einem beiderseitig klebbaren Klebestreifen und einem die aufgespulten Klebestreifen trennenden (silikonisiertem) Papierstreifen besteht und die so verwendet wird, daß das Papierband vom beiderseitig klebbaren Klebestreifen abgezogen und damit beim Klebevorgang nicht mit verklebt wird.

2.

Eine solche Ware erfüllt die mit den Worten „in Aufmachungen für den Einzelverkauf in Behältnissen von einem Gewicht des Inhalts von 1 kg oder weniger“ der Tarif stelle 35.06 B aufgestellten Voraussetzungen nicht schon deshalb, weil der Klebstoff in der ganzen Länge des Klebestreifens auf ein Papierband aufgetragen ist; dieses kann nämlich nicht als Behältnis angesehen werden. Falls die Ware mit der festgesetzten Gewichtsbegrenzung in einem speziellen Behältnis untergebracht ist, muß sie außerdem erkennbar dazu bestimmt sein, unmittelbar und ohne weiteres Abpacken verkauft zu werden.


( 1 ) Aus dem Französischen übersetzt.