SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

FRANCESCO CAPOTORTI

VOM 8. NOVEMBER 1979 ( 1 )

Herr Präsident

meine Herren Richter!

1. 

In dieser Vorabentscheidungssache wird der Gerichtshof um die Auslegung zweier Vorschriften der Verordnung Nr. 1162/76 des Rates vom 17. Mai 1976 (in der Fassung der Verordnung Nr. 2776/78 vom 23. November 1978) über „Maßnahmen zur Anpassung des Weinbaupotentials an die Marktbedürfnisse“ ersucht. Es handelt sich, genauer gesagt, darum, die Tragweite von Artikel 2 Absatz 1 dieser Verordnung zu bestimmen, der in Unterabsatz 1 für einen bestimmten Zeitraum die Neuanpflanzung von Weinreben der Kategorie der Keltertraubensorten untersagt hat und in Unterabsatz 2 den Mitgliedstaaten verboten hat, Genehmigungen für Neuanpflanzungen zu erteilen. Die Frage gewinnt dadurch an Bedeutung, daß der Gerichtshof auch die Gültigkeit der fraglichen Vorschriften im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Gemeinschaftsrechtsordnung und insbesondere mit denjenigen, die für den Schutz der Menschenrechte gelten, zu prüfen hat.

Ich fasse den Sachverhalt kurz zusammen.

Frau Liselotte Hauer, Eigentümerin eines in der Bundesrepublik gelegenen landwirtschaftlichen Grundstücks, beantragte beim Land Rheinland-Pfalz die Genehmigung zur Neuanpflanzung von Weinreben auf diesem Grundstück im Sinne des deutschen Weinwirtschaftsgesetzes vom 10. März 1977. Das Land wies den Antrag mit der Begründung zurück, daß das Grundstück nicht das in § 1 Absatz 2 dieses Gesetzes aufgestellte Erfordernis der Eignung für den Weinbau erfülle, und wies später auch den von Frau Hauer gegen diesen ablehnenden Bescheid eingelegten Widerspruch zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde nicht nur mit der Ungeeignetheit des Grundstücks begründet, sondern auch mit dem Hinweis auf das in der Zwischenzeit durch die Verordnung Nr. 1162/76 des Rates verhängte Verbot der Neuanpflanzung von Rebsorten, die in die Kategorie der Keltertraubensorten eingestuft worden sind.

Frau Hauer befaßte sodann das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße mit der Angelegenheit, und vor diesem Gericht erklärte sich das Land bereit, die beantragte Genehmigung zu erteilen, wenn das gemeinschaftsrechtliche Verbot, das derzeit die Genehmigung verhindere, abgelaufen sei. Die Klägerin ihrerseits trug vor, das Verbot könne nicht in bezug auf Genehmigungsanträge angewandt werden, die vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1162/76 eingereicht worden seien; auf jeden Fall sei diese Verordnung rechtswidrig, weil sie mit den Artikeln 12 und 14 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik unvereinbar sei. Das Verwaltungsgericht hat dem Gerichtshof mit Beschluß vom 14. Dezember 1978 folgende Vorabentscheidungsfragen vorgelegt:

1.

Ist die Verordnung Nr. 1162/76 des Rates vom 17. Mai 1976 in der Fassung der Verordnung Nr. 2776/78 des Rates vom 23. November 1978 dahin auszulegen, daß sich deren Artikel 2 Absatz 1 Geltung auch für solche Anträge auf Genehmigung zur weinbergsmäßigen Neuanpflanzung von Weinreben beimißt, welche bereits vor Inkrafttreten der genannten Verordnung gestellt worden sind?

2.

Für den Fall, daß Frage 1 bejaht werden sollte:

Ist Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1162/76 dahin auszulegen, daß das darin statuierte Verbot der Erteilung von Genehmigungen für Neuanpflanzungen — von den in Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung geregelten Ausnahmen abgesehen — umfassend, das heißt insbesondere unabhängig von der in § 1 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 des deutschen Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Weinwirtschaft geregelten Frage der Ungeeignetheit des Bodens, gilt?

2. 

Ich halte es für angebracht, zunächst die gemeinschaftlichen Rechtsquellen zu beleuchten, die in dieser Rechtssache in Betracht kommen, vor allem weil wir es hier mit Rechtsquellen zu tun haben, die im Laufe der letzten Jahre mit leichten Änderungen aufeinandergefolgt sind.

Die Verordnung Nr. 816/70 des Rates vom 28. April 1970„zur Festlegung ergänzender Vorschriften für die gemeinsame Marktorganisation für Wein“ bestimmte in Artikel 17 Absatz 5, daß, wenn die Weinerzeugung „die Tendenz hat, über die voraussichtlichen Verwendungszwecke hinauszugehen und folglich das Einkommen der Weinbauern zu gefährden, … der Rat … die auf dem Gebiet der Neuanpflanzung von Reben und der Wiederbepflanzung von Rebflächen erforderlichen Bestimmungen [erläßt], um die Bildung struktureller Überschüsse zu verhindern“. Auf der Grundlage dieser Vorschrift erließ der Rat sechs Jahre später die erwähnte Verordnung Nr. 1162/76 vom 17. Mai 1976, mit der für die Zeit vom 1. Dezember 1976 bis zum 30. November 1978 das in dem vorliegenden Verfahren erörterte Verbot der Neuanpflanzung von Weinreben aufgestellt wurde. Diese Verordnung bestimmte außerdem (in Artikel 5), daß der Rat vor dem 1. Oktober 1978 die Maßnahmen erlassen sollte, „die für die Anpassung des Weinbaupotentials an die Marktbedürfnisse erforderlich sind, und zwar unter Berücksichtigung der Eignung der verschiedenen Gebiete der Gemeinschaft zum Weinbau [und] der brauchbaren Alternativen, die in jedem der einzelnen Gebiete in bezug auf die landwirtschaftliche Nutzung gegeben sind“. Der vorgesehene Zeitpunkt ging jedoch vorüber, ohne daß diese Maßnahmen erlassen wurden, die — im Unterschied zu dem zeitweiligen Neuanpflanzungsverbot — eine langfristige Lösung des Problems der strukturellen Überschüsse im Weinsektor herbeiführen sollten. Aus diesem Grund verlängerte der Rat mit der Verordnung Nr. 2776/78 vom 23. November 1978 die bestehende Regelung bis zum 30. November 1979 und setzte für den Erlaß weiterreichender Maßnahmen als neuen Zeitpunkt den 1. Oktober 1979 fest (der nunmehr abgelaufen und, wie es scheint, nicht eingehalten ist).

Im Laufe dieses Jahres hat der Rat eine Reihe von Kodifikationsmaßnahmen auf dem Gebiet der gemeinsamen Marktorganisation für Wein erlassen. So wurde die Verordnung Nr. 816/70 durch die Verordnung Nr. 337/79 vom 5. Februar 1979 aufgehoben und ersetzt; insbesondere wurde Artikel 17 Absatz 5 der Verordnung Nr. 816/70 durch Artikel 31 Absatz 5 der Verordnung Nr. 337/79 ersetzt. Dabei handelte es sich aber um eine rein formale Ersetzung, denn beide Bestimmungen haben den gleichen Inhalt. Desgleichen wurde die Verordnung Nr. 1162/76 durch die Verordnung Nr. 348/79 vom 5. Februar 1979 aufgehoben und ersetzt; aber auch in diesem Fall wurden die früheren materiellen Bestimmungen und damit die für das Verbot der Neuanpflanzung von Weinreben und für den Erlaß struktureller Maßnahmen festgesetzten Fristen nicht geändert.

3. 

Die erste Frage, die das Vorlagegericht dem Gerichtshof gestellt hat, betrifft ein Problem des Übergangsrechts. Die Frage geht, wie wir gesehen haben, dahin, ob Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1162/76 (der dem Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 348/79, der ihn ersetzt hat, entspricht) auch für Anträge auf Genehmigung zur Neuanpflanzung von Weinreben gilt, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung bei den nationalen Behörden gestellt worden sind. Hierzu ist zu bemerken, daß die derzeitige Regelung der gemeinsamen Marktorganisation für Wein keine gemeinschaftsrechtliche Genehmigung zur Neuanpflanzung von Weinreben vorsieht und auch den Mitgliedstaaten nicht aufgibt, in ihrer Rechtsordnung eine derartige Genehmigung einzuführen. Jedoch schreiben einige Staaten, insbesondere die Bundesrepublik, für die Neuanpflanzungen eine behördliche Genehmigung auf Antrag der betroffenen Personen vor, und offensichtlich ist im Hinblick auf diese Situation die vorerwähnte Frage formuliert worden. Aus den Akten ergibt sich nämlich, daß die Klägerin des Ausgangsverfahren, Frau Hauer, die Genehmigung am 6. Juni 1975 bei den deutschen Behörden beantragt hat, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die beiden gemeinschaftsrechtlichen Verbote noch nicht bestanden. Diese traten fast ein Jahr später in Kraft, genauer gesagt, am 27. Mai 1976 (vgl. Artikel 6 der Verordnung Nr. 1162/76), als das von Frau Hauer in der Bundesrepublik zwecks Erteilung der Erlaubnis eingeleitete Verwaltungsverfahren noch anhängig war.

Nach meiner Ansicht erfassen die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1162/76 aufgestellten Verbote auch die Fälle, in denen der Betroffene den Antrag auf Genehmigung zur Neuanpflanzung vor dem Inkrafttreten der genannten Verordnung eingereicht hat. Für diese Auslegung sprechen mancherlei Gesichtspunkte.

Die fragliche Vorschrift ist unter ihren beiden Aspekten (Verbot neuer Anpflanzungen und neuer, zu diesem Zweck erteilter Genehmigungen) so klar und unumstößlich, daß sie keinerlei Zweifel zuläßt. Ich sehe nicht, aufgrund welcher Argumente die Fälle, in denen die Betroffenen bei den nationalen Behörden eine Genehmigung vor dem Inkrafttreten der Verordnung beantragt haben, vom Geltungsbereich dieser Bestimmungen ausgenommen sein könnten. Mir scheint, daß Artikel 4 der Verordnung die Richtigkeit der von mir vorgetragenen Auslegung bestätigt. Dieser Artikel bestimmt, daß „die Geltungsdauer der am Tage des Inkrafttretens dieser Verordnung aufgrund der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften erworbenen Bepflanzungs- oder Wiederbepflanzungsrechte … um einen [dem Verbotszeitraum] entsprechenden Zeitraum verlängert [wird]“ und daß „während dieses Zeitraums … die Ausübung dieser Rechte ausgesetzt [ist]“. Dem Inhalt dieser Vorschrift zufolge hat der Gemeinschaftsgesetzgeber die Position desjenigen für schutzwürdig gehalten, der die Genehmigung zur Neuanpflanzung vor dem Inkrafttreten der neuen Regelung erhalten und davon noch nicht Gebrauch gemacht hatte, aber auch nur diese Position. In der Tat, wenn es gerechtfertigt erschien, die Personen zu schützen, die eine gefestigte Rechtsposition hatten, so wäre es doch nicht ebenso gerechtfertigt gewesen, zugunsten derjenigen Personen eine Verfügung zu treffen, die sich darauf beschränkt hatten, einen Genehmigungsantrag bei den zuständigen nationalen Stellen einzureichen. Außerdem besteht der in Artikel 4 angeordnete Schutz darin, daß die Wirkung der erlangten Genehmigungen ausgesetzt wird. Dies bedeutet, daß das Neuanpflanzungsverbot auch dem gegenüber gilt, der bereits das Recht zur Vornahme solcher Pflanzungen erworben hat, und daß die einzige Vergünstigung, die den sich in dieser Situation befindenden Personen gewährt wird, darin besteht, daß ihnen erspart bleibt, ein neues Genehmigungsverfahren einzuleiten, wenn das Verbot hinfällig geworden ist.

Betrachtet man die Ziele der neuen Regelung, so wird man eine weitere Bestätigung der von mir vertretenen Ansicht finden. Mit der Verordnung Nr. 1162/76 nahm sich der Gemeinschaftsgesetzgeber vor, im Weinsektor eine Anpassung des Produktionspotentials an die Marktbedürfnisse zu erreichen. Die Maßnahmen, die sofort in die Tat umgesetzt wurden, um dieses Ergebnis zu erzielen, waren das Neuanpflanzungsverbot (vorbehaltlich der Befreiungsmöglichkeiten des Artikels 2 Absatz 2) und das an die Mitgliedstaaten gerichtete Verbot der Erteilung neuer Genehmigungen. Es handelte sich offensichtlich um einstweilige Maßnahmen, die mittelfristig durch ein entschiedenes Interventionsbündel ersetzt werden sollten. Ich habe bereits hervorgehoben, daß nach Artikel 5 dieser Verordnung bis zum 1. Oktober 1978 (diese Frist wurde dann bis zum 1. Oktober 1979 verlängert) Maßnahmen nicht provisorischer Art zu erlassen waren, und zwar unter Berücksichtigung der Eignung der verschiedenen Gebiete der Gemeinschaft zum Weinbau und der brauchbaren Alternativen, die in jedem der einzelnen Gebiete in bezug auf die landwirtschaftliche Nutzung gegeben waren. Da also das angestrebte Ziel darin bestand, die Produktion bis zum Erlaß geeigneter Strukturmaßnahmen mit sofortiger Wirkung einzudämmen, war es nur folgerichtig, daß sich das Neuanpflanzungsverbot auf die Fälle erstreckte, in denen ein Genehmigungsverfahren schwebte, und sogar auch auf die Fälle, in denen eine Genehmigung bereits erteilt, aber noch nicht ausgenutzt worden war (wie sich aus dem erwähnten Artikel 4 ergibt). Der Mechanismus zur Verhinderung der Ausweitung der Tafelweinerzeugung wäre nicht nur lückenhaft, sondern auch in sich widersprüchlich gewesen, wenn man auf der einen Seite Neuanpflanzungen verboten und die Wirksamkeit der bereits erteilten Genehmigungen blockiert und auf der anderen Seite die Erteilung einer Genehmigung zugunsten desjenigen erlaubt hätte, der sie vor dem Inkrafttreten der neuen Bestimmungen beantragt hatte.

Gerade deshalb hat Artikel 2 Absatz 1 Unterabsatz 2 den Mitgliedstaaten verboten, vom Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung an Genehmigungen für Neuanpflanzungen zu erteilen. Dieses Verbot verhindert uneingeschränkt, daß ein vor diesem Zeitpunkt eingeleitetes Genehmigungsverfahren nach diesem Zeitpunkt damit endet, daß dem Antrag stattgegeben wird. Es ist hinzuzufügen, daß angesichts der klaren Formulierung der den Mitgliedstaaten auferlegten Unterlassungspflicht nicht angenommen werden kann, daß das System des Einfrierens der bereits erteilten Genehmigungen nach Artikel 4 der Verordnung die Fortsetzung laufender Genehmigungsvorgänge bis zur Erteilung der Genehmigung — mit der einzigen Einschränkung der Aussetzung ihrer Wirkungen — gestatten würde. Im übrigen genügt der Hinweis, daß Artikel 4 die Geltungsdauer der am Tage des Inkrafttretens der Verordnung erworbenen Bepflanzungsrechte verlängert hat. Dies bedeutet, daß man im Einklang mit Artikel 2 Absatz 1 Unterabsatz 2 jede Möglichkeit ausgeschlossen hat, derartige Rechte nach diesem Zeitpunkt zu erwerben.

4. 

Die zweite Frage, die dem Gerichtshof vorgelegt worden ist, bezieht sich auf die mehr oder minder große Tragweite des Verbots der Genehmigung von Neuanpflanzungen. Sie geht dahin, ob das Verbot sämtliche oder nur die für den Weinbau ungeeigneten Böden erfaßt.

Es besteht kein Grund für die Annahme, daß die Verordnung Nr. 1162/76 (ebenso wie die spätere Verordnung Nr. 348/79) den Mitgliedstaaten verbietet, neue Genehmigungen zur Anpflanzung von Weinreben nur hinsichtlich derjenigen Böden zu erteilen, die als ungeeignet für den Weinbau angesehen werden. Das Verbot hat eindeutig eine allgemeine Tragweite: Dies geht aus dem Wortlaut des Artikels 2 Absatz 1 Unterabsatz 2 hervor, der in keiner Weise die Eignung der Böden für den Weinbau erwähnt. Es wäre daher absolut willkürlich, würde man eine Vorschrift mit Einschränkungen oder Ausnahmen versehen, die darin nicht enthalten sind.

Ein Hinweis auf die Qualität der Böden findet sich in Artikel 5 Absatz 1 dort, wo die Kriterien aufgestellt sind, die den Maßnahmen zur stabilen Wiederherstellung des Marktgleichgewichts zugrunde zu legen sind. Im ersten Gedankenstrich wird nämlich klargestellt, daß diese Maßnahmen „der Eignung der verschiedenen Gebiete der Gemeinschaft zum Weinbau“ Rechnung tragen sollen. Dieser Gesichtspunkt ist in dem Aktionsprogramm 1979-1985 für die schrittweise Stabilisierung des Weinmarktes ausführlicher dargelegt worden, das die Kommission am 7. August 1978 dem Rat übermittelt hat. In Nr. 9 dieses Programms wird „eine objektive Klassifizierung der gemeinschaftlichen Rebflächen für Tafelwein nach ihrer naturgegebenen mehr oder minder guten Eignung für den Weinbau“ vorgeschlagen. Die Böden sollen anhand dieses Kriteriums in drei Kategorien unterteilt werden, und Neuanpflanzungen sollen — in gewissen Grenzen und mit Genehmigung — nur bei den Rebflächen der ersten Kategorie erlaubt sein (vgl. Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 7/78, S. 7 ff.). Das Kriterium der „Eignung der Böden“ stellt somit einen wichtigen Aspekt der strukturellen Maßnahmen dar, deren Erlaß die Kommission anhand eines dahin gehenden präzisen Hinweises in den Verordnungen des Rates vorschlägt; doch hat es absolut nichts mehr mit der Ubergangslogik der in der Verordnung Nr. 1162/76 aufgestellten und später bekräftigten Verbote, insbesondere mit dem an die Mitgliedstaaten gerichteten Verbot der Erteilung neuer Genehmigungen zur Anpflanzung von Weinreben, zu tun.

5. 

Auch über die Fragen des Vorlagegerichts hinaus ist das Problem der Rechtmäßigkeit der in der Verordnung Nr. 1162/76 aufgestellten Verbote im Vorlagebeschluß (wenngleich in unpassender Form, weil auf das deutsche Verfassungsrecht verwiesen wird) aufgeworfen und im Laufe dieses Verfahrens erörtert worden. Es erscheint mir deshalb angebracht, dieses Problem zu behandeln, zumal das Vorlagegericht offenbar der Ansicht ist, daß die Auslegung des erwähnten Artikels 2 Absatz 1 in dem von mir vorgeschlagenen Sinne zu Zweifeln Anlaß gibt, ob die Vorschrift im Hinblick auf grundlegende Prinzipien gültig ist. In diesem Zusammenhang ist als erstes die Frage zu prüfen, ob Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1162/76 mit dem Grundsatz der Wahrung der wohlerworbenen Rechte und mit dem des berechtigten Vertrauens vereinbar ist.

Nach meiner Auffassung ist es hier nicht am Platze, von einer Verletzung wohlerworbener Rechte zu sprechen. Die ungeschriebene Regel der Wahrung der wohlerworbenen Rechte bezieht sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes auf den Schutz von Situationen, die vor dem Erlaß der Änderungsvorschriften entstanden sind, das heißt also gefestigter Rechtspositionen, (s. insb. das Urteil vom 18. März 1975 in der Rechtssache 78/74, Deuka, Slg. 1975, 422). In unserem Fall war die Klägerin des Ausgangsverfahrens jedoch nicht Inhaberin irgendeiner gefestigten Rechtsposition, als das Verbot der Anpflanzung neuer Weinreben und das Verbot der Erteilung entsprechender Genehmigungen eingeführt wurden. Sie hatte lediglich einen Genehmigungsantrag eingereicht, und ich glaube, man muß ausschließen, daß die bloße Einreichung eines Antrags dem einzelnen eine endgültige, schutzwürdige Rechtsposition auch gegenüber späteren Eingriffen legislativer Art verleiht. Außerdem ist es von Bedeutung, daß sich die Verordnung Nr. 1162/76 in dem bereits erwähnten Artikel 4 insofern auf wohlerworbene Rechte in bezug auf Neuanpflanzungsgenehmigungen bezieht, als sie bestimmt, daß die Geltung der bis zum Inkrafttreten der Verordnung „aufgrund der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften erworbenen Bepflanzungsrechte für die Dauer des Verbots] verlängert“ wird, mögen diese Rechte auch inzwischen ausgesetzt sein. Dies zeigt, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber nur die Positionen derjenigen Personen als wohlerworbene Rechte anerkannt hat, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der hier erörterten Verbote die Genehmigung bereits erhalten hatten.

Es fehlen auch die Voraussetzungen, um im vorliegenden Fall von einem berechtigten Vertrauen sprechen zu können. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes kann sich nur derjenige auf den Grundsatz des berechtigten Vertrauens berufen, der eine bestimmte Tätigkeit entfaltet hat und dabei vernünftigerweise damit gerechnet hat, daß der normative Rahmen, in dem sich diese Tätigkeit abspielen sollte, nicht ändern werde. Wir wissen aber, daß sich die Klägerin des Ausgangsverfahrens darauf beschränkt hat, einen Antrag auf Genehmigung zur Neuanpflanzung von Weinreben einzureichen, und ich bin nicht der Auffassung, daß die bloße Absicht, neue Pflanzungen vorzunehmen, im Hinblick auf den Grundsatz des berechtigten Vertrauens schutzwürdig ist, wenn keine nennenswerte wirtschaftliche Tätigkeit ins Werk gesetzt oder auch nur begonnen wurde. Diese Überlegung genügt bereits, um der betreffenden Rüge jede Bedeutung abzusprechen; jedoch kann man ihr noch eine zweite Überlegung hinzufügen. Wie ich bereits in meinen Schlußanträgen in der Rechtssache British Beef Company/Intervention Board of Agricultural Produce (Rechtssache 146/77, Slg. 1978, 1361) zu bemerken Gelegenheit gehabt habe, läßt sich das Hauptkriterium, das Ihrer Rechtsprechung auf dem Gebiet des berechtigten Vertrauens zu entnehmen ist, in der Feststellung zusammenfassen, daß dieser Grundsatz nicht herangezogen werden kann, „wenn die Möglichkeit einer Änderungsbestimmung… vernünftigerweise vorhersehbar ist“. Nun, wir wissen, daß die Verordnung Nr. 816/70, nachdem sie in der 23. Begründungserwägung ausführte, daß „die gemeinsame Marktorganisation … auf eine Stabilisierung der Weinmärkte durch Anpassung der Versorgung an den Bedarf, vor allem auf der Grundlage einer Bereinigung der Rebflächen, abzielen [muß]“, in Artikel 17 Absatz 5 bestimmte, daß im Falle von Produktionsüberschüssen „die auf dem Gebiet der Neupflanzung von Reben… erforderlichen Bestimmungen [erlassen werden], um die Bildung struktureller Überschüsse zu verhindern“. Deshalb konnte die spätere Einführung eines Neuanpflanzungsverbots als Übergangsmaßnahme bis zur Vornahme entschiedenerer Interventionen, das 1976 gerade aufgrund dieses Artikels 17 Absatz 5 der Verordnung Nr. 816/70 beschlossen wurde, keine für die Wirtschaftsteilnehmer des Weinsektors unvorhersehbare Neuerung darstellen. Auch unter diesem Gesichtspunkt erweisen sich also die Vorschriften von 1976 als vereinbar mit dem Grundsatz des berechtigten Vertrauens.

6. 

Ein weiterer Grundsatz, auf den sich der Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung mit der Behauptung berufen hat, er sei durch das den Mitgliedstaaten auferlegte Verbot der Genehmigung zur Neupflanzung von Weinreben verletzt worden, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieses Verbot stelle nämlich eine Einschränkung dar, die nicht erforderlich sei und daher zu dem mit der Verordnung angestrebten Ziel außer Verhältnis stehe. Sinn und Zweck der Maßnahmen wären unangetastet geblieben, wenn den nationalen Behörden erlaubt worden wäre, Genehmigungen auch in der Zeit, als das Neuanpflanzungsverbot gegolten habe, zu erteilen, und wenn man sich darauf beschränkt hätte, die Wirkung der in diesem Zeitraum erteilten Genehmigungen auszusetzen, ähnlich wie es in Artikel 4 für die vor dem Inkrafttreten der Verordnung erteilten und noch nicht ausgenutzten Genehmigungen bestimmt worden sei.

Eine derartige Rüge erscheint mir nicht gerechtfertigt. Nach dem Wesen der Verordnung Nr. 1162/76 ist das Neuanpflanzungsverbot in Wirklichkeit eng mit den Maßnahmen in bezug auf die Genehmigung verknüpft, die zum einen in dem Verbot der Erteilung neuer Genehmigungen und zum anderen in der Aussetzung der Wirkung der vor dem Inkrafttreten der Verordnung erteilten Genehmigungen bestehen. Um das Ziel der Verordnung zu erreichen, das heißt also, um die Weinerzeugung in nennenswertem Umfang einzudämmen, war es in der Tat unerläßlich, sowohl auf der Ebene der Genehmigungen als auch auf der der Anpflanzungen einzugreifen, und hinsichtlich der Genehmigungen war es angebracht, gleichzeitig deren Erteilung wie auch deren Ausnutzung zu blockieren. Hätte man die Erteilung neuer Genehmigungen erlaubt und deren Wirkung zur gleichen Zeit aussetzen lassen, so wäre dies nach meiner Ansicht weder zweckdienlich noch vernünftig gewesen. Es wäre nicht zweckdienlich gewesen, weil es keinen Sinn hat, daß die nationale Behörde eine Tätigkeit gestattet, die für einen gewissen Zeitraum nicht ausgeübt werden kann. Und es wäre nicht vernünftig gewesen, weil es nicht mit der Tendenz der gemeinschaftlichen Weinpolitik im Einklang stand. Denn wir wissen, daß die Kommission die Einführung einer Form der Genehmigung von Neuanpflanzungen in sämtlichen Staaten vorschlägt, für die eine Reihe von Voraussetzungen gegeben sein muß (vgl. das bereits erwähnte Aktionsprogramm 1979-1985 für die schrittweise Stabilisierung des Weinmarktes). Man wäre Gefahr gelaufen, diese politische Linie zu gefährden, wenn den nationalen Behörden erlaubt worden wäre, weiterhin Genehmigungen zu erteilen, die nach dem Erlöschen des Neuanpflanzungsverbots wirksam werden sollten.

Das an die Mitgliedstaaten gerichtete Verbot der Genehmigung von Neuanpflanzungen fügt sich also konsequent in den Gesamtrahmen der Maßnahmen ein und erweist sich gegenüber den angestrebten Zielen als verhältnismäßig. Dem Opfer, das den Privatpersonen auferlegt wird — und das in diesem Fall nur mit einer Verzögerung des Genehmigungsverfahrens verbunden ist —, steht die größte Zweckmäßigkeit des gesamten Verbotssystems, auch im Hinblick auf die künftigen strukturellen Maßnahmen, die in Artikel 5 der Verordnung Nr. 1162/76 angekündigt sind, gegenüber.

7. 

Es ist noch ein Gesichtspunkt von größerem Interesse zu prüfen, der bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der umstrittenen Vorschriften eine Rolle spielt. Ich meine die Frage der Vereinbarkeit dieser Vorschriften mit dem grundlegenden Prinzip der Achtung des Privateigentums, das den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam ist und in Artikel 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention seinen Niederschlag gefunden hat.

Bevor ich dieser Frage auf den Grund gehe, möge ich daran erinnern und betonen, daß der Schutz der Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehört, deren Beachtung der Gerichtshof gewährleistet (s. in diesem Sinne die Urteile vom 12. November 1969 in der Rechtssache 26/69, Stauder, Slg. 1969, 419, vom 17. Dezember 1970 in der Rechtssache 11/70, Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125, sowie später die Urteile vom 14. Mai 1974 in der Rechtssache 4/73, Nold, Slg. 1974, 491, vom 28. Oktober 1975 in der Rechtssache 36/75, Rutili, Slg. 1975, 1219, und vom 15. Juni 1978 in der Rechtssache 149/77, Defrenne). Nach dieser Rechtsprechung ist also das Gemeinschaftsgericht dafür zuständig, den Schutz der Grundrechte zu sichern, wenn durch Handlungen der Gemeinschaftsorgane möglicherweise in diese Rechte eingegriffen wird. In dem angeführten Urteil Nold ist klargestellt, daß der Gerichtshof bei der Erfüllung dieser Aufgabe „von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten“ ausgehen und die in den internationalen Verträgen über den Schutz der Menschenrechte, an deren Abschluß die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind, enthaltenen Hinweise zu berücksichtigen hat. Es ist aber — noch immer dem Urteil Nold zufolge — auch festzustellen, daß es „berechtigt [erscheint], für diese Rechte bestimmte Begrenzungen vorzubehalten, die durch die dem allgemeinen Wohl dienenden Ziele der Gemeinschaft gerechtfertigt sind, solange die Rechte nicht in ihrem Wesen angetastet werden“.

Von diesen Voraussetzungen ausgehend ist der Gedanke abzulehnen, daß es zulässig wäre, sich an die höchsten nationalen Gerichte anstatt an den Gerichtshof zu wenden, um einen Schutz von Grundrechten gegenüber den Gemeinschaften insbesondere in den Fällen zu erlangen, in denen Verstöße durch die Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinschaften festzustellen sind. Es ist ausschließlich Sache des Gemeinschaftsgerichts, diesen Schutz im Rahmen seiner Zuständigkeiten zu gewährleisten. Die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts und sein Vorrang gegenüber den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten dürfen nicht durch das Eingreifen nationaler Gerichte gefährdet werden, wenn es um die Feststellung geht, ob Gemeinschaftsvorschriften mit den Grundsätzen in bezug auf die Menschenrechte vereinbar sind.

Kommen wir nun zu der eigentlichen Frage, so ist zu ermitteln, in welchem Sinne und bis zu welchem Punkt das Eigentumsrecht in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt ist. Anhaltspunkte für die Lösung dieses Problems sind im wesentlichen die in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten anerkannten Grundsätze und die im Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention hierzu enthaltene Vorschrift. Was die Gemeinschaftsverträge angeht, so bin ich der Ansicht, daß die Vorschrift des Artikels 222 EWG-Vertrag, wonach die Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten „unberührt“ bleibt, der Annahme entgegensteht, daß das Privateigentum im Recht der Gemeinschaften entschiedener geschützt oder aber restriktiv aufgefaßt sei. In Wahrheit bestätigt der erwähnte Artikel — von den in einigen Vorschriften der Verträge, insbesondere im Vertrag zur Gründung der EAG, ausdrücklich enthaltenen Einschränkungen abgesehen —, daß die Verträge den Mitgliedstaaten keine neue Konzeption oder Regelung des Eigentums vorschreiben oder eine solche in der Gemeinschaftsrechtsordnung einführen wollten.

Dies vorausgeschickt, läßt sich aufgrund einer Untersuchung der in den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten (fast immer auf Verfassungsebene) geltenden Vorschriften feststellen, daß, von den sehr unterschiedlichen Fassungen in bezug auf Wortlaut und Weite einmal abgesehen, das Eigentumsrecht in drei grundlegenden Bestimmungen geregelt ist: in der Bestimmung, die das Privateigentum anerkennt, indem sie es gegen jede Form der willkürlichen Entziehung schützt (s. zum Beispiel Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik, Artikel 42 Absatz 2 der italienischen Verfassung, Artikel 2 der französischen Menschen- und Bürgerrechtserklärung von 1789, Artikel 43 Nr. 1 der irischen Verfassung), in der Bestimmung, die die Möglichkeit einer Enteigung im öffentlichen Interesse und gegen Entschädigung zuläßt (s. zum Beispiel Artikel 14 Absatz 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik, Artikel 42 Absatz 3 der italienischen Verfassung, Artikel 17 der französischen Menschen- und Bürgerrechtserklärung, Artikel 11 der belgischen Verfassung, Artikel 16 der luxemburgischen Verfassung, Artikel 165 der niederländischen Verfassung, Artikel 73 der dänischen Verfassung), und schließlich in der Bestimmung, wonach die Schranken für die Benutzung des Eigentums durch Gesetz bestimmt werden (s. zum Beispiel Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes der Bundesrebublik, Artikel 42 Absatz 2 und Artikel 44 der italienischen Verfassung, Artikel 43 Nr. 2 der irischen Verfassung). Die Synthese dieser drei grundlegenden Bestimmungen ist in Artikel 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten enthalten. Es ist der Mühe wert, diesen Artikel ganz zu zitieren: „Jede natürliche oder juristische Person hat ein Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, daß das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen. Die vorstehenden Bestimmungen beeinträchtigen jedoch in keiner Weise das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse oder zur Sicherung der Zahlung der Steuern oder sonstigen Abgaben oder von Geldstrafen für erforderlich hält.“

Aus dieser kurzen Analyse läßt sich die Schlußfolgerung ziehen, daß die in dem zitierten Artikel 1 des Zusatzprotokolls niedergelegten drei Regeln, die mit der in den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vorherrschenden Tendenz übereinstimmen, als in der Gemeinschaftsrechtsordnung anerkannt betrachtet werden müssen. In Wirklichkeit ist aber die Übereinstimmung in einem wichtigen Punkt nicht sicher, nämlich in bezug auf den Entschädigungsanspruch desjenigen, den eine Enteignungsmaßnahme trifft; denn ein solcher Anspruch ist in Artikel 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention nicht ausdrücklich vorgesehen. Die Formulierung dieser Bestimmung, die, wie wir gesehen haben, auf die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Bedingungen und auf die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts (die herkömmlicherweise nur zugunsten der Ausländer anwendbar sind) verweist, kann daran zweifeln lassen, ob eine Enteignung, um nach dem europäischen System zum Schutze der Menschenrechte rechtmäßig zu sein, in jedem Fall mit der Zahlung einer Entschädigung verbunden sein muß. Die Rechtsprechung der Europäischen Kommission für Menschenrechte enthält insoweit zwei anderslautende Stellungnahmen: Sie verneint zunächst ausdrücklich die konstante Notwendigkeit einer Entschädigung gegenüber den Inländern (s. die Entscheidung vom 16. Dezember 1965 in dem Verfahren X/Bundesrepublik Deutschland, Beschwerde Nr. 1870/63) und gelangt dann zu der Feststellung, daß die Wendung „jede natürliche oder juristische Person hat ein Recht auf Achtung ihres Eigentums“ die Inländer und die Ausländer in gleicher Weise schütze mit der Folge, daß auch den Inländern ein Entschädigungsanspruch zuzuerkennen sei (Bericht vom 30. September 1975 in dem Verfahren Handyside — Beschwerde Nr. 5493/72 —, Abschnitt 158 ff.). Nach meiner Ansicht ist die in dem jüngeren Fall eingeschlagene Richtung ein Anzeichen für eine bedeutsame Änderung der Rechtsprechung. Jedenfalls müßte auf Gemeinschaftsebene die Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung an die enteigneten Personen im Einklang mit der in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten weitgehend bestehenden Tendenz anerkannt werden.

8. 

Im vorliegenden Fall handelt es sich vor allem darum, ob das Verbot der Neuanpflanzung von Weinreben (und das damit zusammenhängende Verbot für die Mitgliedstaaten, Neuanpflanzungen zu genehmigen) als Enteignungsmaßnahme oder als bloße Einschränkung des Eigentumsrechts zu qualifizieren ist. Nach meiner Auffassung ist die Antwort nicht schwer. Als erstes ist folgende Überlegung anzustellen: Den Adressaten dieses Verbots ist sicher nicht ihr Eigentumsrecht entzogen worden, das sie weiterhin für sich behalten oder auf andere übertragen können und dessen Inhalt nur insoweit eingeschränkt ist, als die Verbote die besondere Art der Nutzung des Grundstücks, die in der Anpflanzung von Weinreben besteht, zeitweilig blokkien haben. Für die Entscheidung zwischen der einen oder der anderen Qualifikation der Verbote hat die Zeitweiligkeit der Maßnahme ihre Bedeutung; denn auch wenn man von dem Begriff der nur auf eine der Nutzungsmöglichkeiten eines Gutes beschränkten Enteignung ausgeht (ein Begriff, der meines Erachtens mehrdeutig und letztlich unrichtig ist), müßte zumindest eine endgültige Entziehung dieser Benutzung vorliegen. Ich möchte klarstellen, daß ich damit nicht meine, daß jede endgültige Entziehung einer bestimmten Benutzung eines Gutes in die Kategorie der Enteignungen fällt; ich weise nur darauf hin, daß, wenn es sich um eine Enteignung handeln soll, diese endgültiger Natur sein muß.

Im Hinblick auf die Zeitweiligkeit der hier erörterten Maßnahmen glaube ich nicht, daß dem Umstand entscheidende Bedeutung zukommen kann, daß das ursprünglich für die Dauer von zwei Jahren aufgestellte Neuanpflanzungsverbot später um ein weiteres Jahr verlängert wurde und daß heute — wie der Vertreter der Kommission erklärt hat — eine nochmalige Verlängerung möglich ist. Es ist nämlich zu berücksichtigen, daß dieses Verbot in dem Sinne eine konjunkturelle Maßnahme ist, daß es als ein vorläufiges Instrument zur Beseitigung eines Produktionsüberschusses eingeführt wurde, aus dem ein struktureller Überschuß zu werden begann; außerdem führen die Mitgliedstaaten zur Zeit innerhalb des Rates Verhandlungen, um das Produktions- und Marktungleichgewicht im Weinsektor durch den Erlaß einer Reihe entschiedener Maßnahmen von großer Tragweite dauerhaft zu beheben. Der Erlaß dieses Maßnahmenbündels erfordert vernünftigerweise Zeit, damit sich die Standpunkte der Beteiligten annähern und auf einen zusammenhängenderen und auch vollständigeren Aufbau der gemeinsamen Marktorganisation für Wein, als es heute der Fall ist, konzentrieren können. Es liegt auf der Hand, daß bis zur Vornahme dieser weiterreichenden Interventionen inzwischen zu vorübergehenden Hilfsmitteln gegriffen werden muß, um zu verhindern, daß sich die allgemeine Lage noch weiter verschlechtert. Bei dieser Betrachtungsweise scheint mir, daß die Beibehaltung des Neuanpflanzungsverbots während eines dreijährigen Zeitraums und auch eine in Aussicht genommene weitere Verlängerung des Verbots reichlich gerechtfertigt sind, daß sie den Charakter von Übergangsmaßnahmen im Hinblick auf einen vollständigeren Aufbau des Marktes behalten und daß sie daher nicht auf eine Entziehung des Eigentumsrechts hinauslaufen.

Ein weiterer Gesichtspunkt, der bei der Entscheidung darüber in Betracht kommt, ob eine das Eigentum beschränkende Maßnahme den Charakter einer Enteignung hat, ist der Umfang des wirtschaftlichen Opfers, das den Adressaten der Maßnahme auferlegt wird. Im allgemeinen ist es selten, daß die landwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks nur im Wege eines bestimmten Anbaus möglich ist, was zur Folge hat, daß das Grundstück dann, wenn dieser Aufbau ausgeschlossen ist, keinen nennenswert wirtschaftlichen Wert mehr hat. Nach der allgemeinen Erfahrung ist ein landwirtschaftliches Grundstück meistens für verschiedene Nutzungen geeignet, auch wenn nicht bei allen die gleiche Rentabilität vorliegt (wobei der Fall der Umstellung auf den nicht landwirtschaftlichen Gebrauch unberücksichtigt bleibt). In unserem Fall wäre eine derartige Behauptung noch weniger haltbar, bedenkt man, daß das Grundstück der Frau Hauer vorher nicht für den Weinbau bestimmt war, und sich daher vernünftigerweise annehmen läßt, daß es einer anderen landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt wurde. Der Umstand, daß die Gemeinschaftsverbote eine vorteilhaftere Verwendung verhindern, ist irrelevant, da eine enteignende Wirkung der Gemeinschaftsintervention bereits dann ausgeschlossen ist, wenn das Grundstück trotz dieser Intervention eine nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung behält.

Die formalen und die materiellen Überlegungen führen also beide zu dem Ergebnis, daß im vorliegenden Fall keine Enteignungsmaßnahme getroffen wurde. Somit besteht kein Grund, die Frage der fehlenden Entschädigung in diesem Fall zu prüfen. In Wirklichkeit fehlten die Voraussetzungen dafür, daß die Betroffene eine Entschädigung verlangen konnte.

9. 

In bezug auf die Schranken, die der Benutzung des Eigentums gesetzt werden, haben wir gesehen, daß Artikel 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention zwei Voraussetzungen aufstellt: Die Schranken müssen durch Gesetz festgelegt werden, und die Regelung muß im Einklang mit dem Allgemeininteresse stehen. Es ist jedoch auch zu beachten, daß die Vorschrift dem Staat ein beträchtliches Ermessen einräumt, indem sie von den Gesetzen spricht, die der Staat zur Regelung des Eigentums „für erforderlich hält“. Es ist klar, daß, wenn die Gemeinschaftsorgane an die Stelle der staatlichen Behörden treten, aus der Voraussetzung der Anwendung des Gesetzes die des Einsatzes der Verordnung wird; dies ist im vorliegenden Fall geschehen. Es bleibt noch die Frage des Einklangs mit dem Allgemeininteresse, bei dessen Beurteilung die Gemeinschaftsorgane selbstverständlich das gleiche Ermessen haben, das dem Staat eingeräumt ist.

In unserem Fall wird die Schranke, die den Grundstückseigentümern durch das allgemeine Verbot der Neuanpflanzung von Wein gesetzt worden ist, zweifellos durch Gründe des Atigemeininteresses gerechtfertigt, die sich auf das Funktionieren des Gemeinschaftssystems beziehen. Wir haben bereits gesehen, daß die fragliche restriktive Maßnahme, die als mögliche Interventionsform in der Verordnung Nr. 816/70 vorgesehen war, im Jahre 1976 erlassen wurde, um die Produktion einzudämmen und das Marktgleichgewicht wiederherzustellen. Diese Maßnahme war mit Sicherheit erforderlich, um auf dem Weinsektor die in Artikel 39 des Vertrages aufgeführten agrarpolitischen Ziele zu erreichen, insbesondere um die Stabilisierung des Marktes sicherzustellen (Aspekt des Artikels 39 Absatz 1 Buchstabe c). Es bestand nämlich eine Situation der Überproduktion, wie sich eindeutig aus dem Bericht ergibt, der dem Aktionsprogramm 1979-1985 der Kommission für die schrittweise Stabilisierung des Weinmarktes (Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 7/78, insb. S. 19 ff.) beigefügt war. Außerdem handelte es sich um eine Übergangsmaßnahme, die — es sollte wiederholt werden — mit einem strukturellen Wiederaufbau der gemeinsamen Marktorganisation für Wein zusammenhing und die nur die Neuanpflanzungen betraf; sie erfaßte somit nur die Eigentümer, die noch keine Rebflächen angebaut hatten.

Ich glaube nicht, daß der von mir vertretene Standpunkt der Ansicht widerspricht, die das deutsche Bundesverfassungsgericht in seiner — in den Schriftsätzen der Beteiligten ausgiebig in Bezug genommenen — Entscheidung vom 14. Februar 1967 geäußert hat. Ich könnte mich auf die Bemerkung beschränken, daß die Ausführungen der nationalen Gerichte auf dieser Ebene keinen Einfluß haben; zu diesem Einwand kommt jedoch im vorliegenden Fall noch die Feststellung hinzu, daß die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Unrecht zitiert worden ist. In dieser Entscheidung ist nämlich ausgeführt, daß das Verbot der Neuanpflanzung von Wein auf Böden, die für die Weinerzeugung objektiv ungeeignet sind, ein angemessenes Mittel darstellt, um die deutschen Weinbauern durch die Erhaltung der Weinqualität zu schützen. Hieraus wollte man ableiten, daß ein Verbot, das nicht auf die für die Weinerzeugung ungeeigneten Böden beschränkt sei, wie das in der hier in Rede stehenden Gemeinschaftsverordnung enthaltene, nach dem deutschen Grundgesetz rechtswidrig sei. Es ist aber klar, daß die Vereinbarkeit einer restriktiven Maßnahme mit den Verfassungsgrundsätzen in bezug auf die Ziele zu beurteilen ist, die mit dieser Maßnahme erreicht werden sollen. In unserem Fall dient das Neuanpflanzungsverbot, wie wir wissen, dazu, den Markt bis zum Erlaß entschiedenerer Strukturmaßnahmen zu stabilisieren. Eine derartige Zielsetzung ist sehr wohl mit dem Eigentumsrecht vereinbar, auch wenn dabei der Geeignetheit oder Ungeeignetheit der Böden für den Weinbau nicht Rechnung getragen wird. Es handelt sich nämlich um eine ziemlich einschneidene, aber nur vorübergehende Interventionsform, die mit einem Umstrukturierungsprogramm für den Weinsektor verbunden ist, das — wie wir gesehen haben — gerade die unterschiedliche Qualität der Böden berücksichtigen soll. Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften, auf die sich das Bundesverfassungsgericht bei der vorerwähnten Entscheidung gestützt hat, haben dagegen ein anderes und in gewissem Sinne eingeschränkteres Ziel, das dieses Gericht deutlich aufgezeigt hat und das eben darin besteht, die Qualität des in der Bundesrepublik erzeugten Weines zu gewährleisten. Die beiden Ziele sind also nicht vergleichbar: Die Stabilisierung eines durch bedeutende Produktionsüberschüsse gekennzeichneten Marktes und die Gewährleistung einer bestimmten Qualität des Erzeugnisses ist zweierlei. Gerade deshalb erscheint es mir nicht gerechtfertigt, aus der Entscheidung des deutschen Gerichts einen Hinweis in dem Sinne abzuleiten, daß ein allgemeines Neuanpflanzungsverbot mit den Verfassungsgrundsätzen in bezug auf das Eigentum unvereinbar ist.

10. 

Die Rechtmäßigkeit der hier erörterten Gemeinschaftsvorschriften ist noch in bezug auf ein weiteres Grundrecht, nämlich das der freien Berufsausübung oder (genauer) der Freiheit der Wirtschaftsinitiative, in Frage gestellt worden.

Dieses Recht gehört zu denjenigen Rechten, die in der Gemeinschaftsrechtsordnung gemäß einer gemeinsamen Ausrichtung der Rechtssysteme der Mitgliedstaaten geschützt werden. Es hat ein Echo in der Rechtsprechung des Gerichtshofes (s. das erwähnte Urteil Nold) gefunden, der natürlich auch die Möglichkeit anerkannt hat, dieses Recht im Hinblick auf die Verfolgung allgemeiner Interessen der Gemeinschaft einzuschränken. Doch ist es nach meiner Ansicht im vorliegenden Fall nicht angebracht, sich auf die Freiheit der Wirtschaftsinitiative zu berufen. In Wirklichkeit haben wir es hier — mehr als mit einer wenn auch rechtmäßigen Einmischung in die Wahl des Berufes oder der Unternehmertätigkeit — mit einer Maßnahme zu tun, die in die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die in einer bestimmten Art und Weise erfolgende Ausübung eines Berufes eingreift. Zwar wird durch das Verbot der Neuanpflanzung von Weinreben verhindert, daß der Eigentümer eines Grundstücks — die Tätigkeit des Weinbaus ausübt, indem er die Ressourcen seiner bisher nicht mit Rebflächen bedeckten Böden ausnutzt; doch bleibt zweifellos die Möglichkeit bestehen, daß dieser Eigentümer den Weinbau auf anderen, ihm oder Dritten gehörenden Böden betreibt, auf denen bereits Rebflächen existieren. Die angeordnete Einschränkung betrifft somit die Ausübung des Eigentumsrechts und nicht die des Rechts, Wirtschaftsinitiativen zu ergreifen, das nicht in bezug auf einen bestimmten Entfaltungsbereich gewährleistet ist.

11. 

Abschließend bin ich der Auffassung, Sie sollten die beiden vom Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße mit Beschluß vom 14. Dezember 1978 vorgelegten Fragen wie folgt beanworten:

„Die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1162/76 des Rates vom 17. Mai 1976 statuierten Verbote gelten auch in den Fällen, in denen ein Antrag auf Genehmigung zur Anpflanzung neuer Weinreben vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung bei den nationalen Behörden gestellt worden ist. Das in der genannten Vorschrift den Mitgliedstaaten auferlegte Verbot der Erteilung neuer Genehmigungen zur Anpflanzung von Weinreben erstreckt sich auf alle Kategorien von Böden, unabhängig davon, ob diese für den Weinbau geeignet sind oder nicht.“

Ferner könnten Sie, wenn Sie es für richtig halten, in der Entscheidungsformel Ihres Urteils zu der Frage der Rechtmäßigkeit der erörterten Verbote Stellung zu nehmen, folgendes hinzufügen:

„Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1162/76 des Rates läuft keinem der Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, die dem Schutze der einzelnen dienen, zuwider. Insbesondere verstößt er nicht gegen das Grundrecht auf Achtung des Privateigentums, das im Gemeinschaftsrecht sowohl aufgrund der internen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten als auch gemäß Artikel 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention anerkannt ist.“


( 1 ) Aus dem Italienischen übersetzt.