SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

JEAN-PIERRE WARNER

VOM 27. SEPTEMBRE 1979 ( 1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

Diese Rechtssache ist im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens des College van Beroep voor het Bedrijfsleven vor den Gerichthof gelangt. Die Klägerin in dem bei jenem Gericht anhängigen Verfahren ist die Firma H. Ferwerda BV, die in Rotterdam als Fleischimporteur und -exporteur tätig ist. Ich werde sie „Ferwerda“ nennen. Beklagte ist die Produktschap voor Vee en Vlees, die in den Niederlanden unter anderem für die Zahlung der gemeinschaftlichen Ausfuhrerstattungen für Rindfleisch zuständig ist.

Die Fragen, über die das College van Beroep zu befinden hat, gehen kurz gesagt dahin, ob Ferwerda bestimmte Beträge behalten darf, die ihr irrtümlich von der Beklagten als Ausfuhrerstattung für mehrere Partien gefrorenes Kalbfleisch gezahlt wurden, welche Ferwerda 1976 zu Schiffen der Holland-Amerika-Linie in den Gewässern der Bermudas versandt hatte, und, falls dies zu verneinen ist, ob Ferwerda aufgrund des Irrtums Schadensersatz von der Beklagten verlangen kann.

Die zu der maßgebenden Zeit geltenden Verordnungen zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen auf dem Rindfleischsektor waren die Verordnung (EWG) Nr. 584/76 der Kommission vom 15. März 1976 und die Verordnung (EWG) Nr. 2492/76 der Kommission vom 13. Oktober 1976. In der Präambel dieser beiden Verordnungen wurde erwogen, daß die augenblickliche Marktlage in der Gemeinschaft und die nach Drittländern bestehenden Absatzmöglichkeiten die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von gefrorenem Fleisch nach bestimmten Bestimmungsländern erforderlich machten. Diese Bestimmungsländer waren im Anhang jeder Verordnung angegeben. Es handelte sich um europäische Drittländer, Jordanien, die an das Mittelmeer oder den Persischen Golf grenzenden Drittländer, Drittländer der arabischen Halbinsel und Afrikas und, bei bestimmten Fleischstücken, die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Bermudas gehörten nicht dazu. Nach einer Fußnote in jedem dieser Anhänge waren „europäische Drittländer... auch die Bestimmungsländer des Artikels 3 der Verordnung (EWG) Nr. 192/75“. Die Verordnung Nr. 192/75 der Kommission enthält „Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen“. Nach Artikel 3 dieser Verordnung werden Lieferungen in der Gemeinschaft an Seeschiffe und Luftfahrzeuge, an internationale Organisationen und an ausländische Streitkräfte unter bestimmten Umständen der Ausfuhr aus der Gemeinschaft gleichgestellt. Dieser Artikel erstreckt sich nicht auf die Bevorratung von Schiffen außerhalb der Gemeinschaft.

Bei ihrem Antrag auf Zahlung der Erstattung berief sich Ferwerda auf die in Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 441/69 des Rates vorgesehene Regelung. Diese Verordnung befaßt sich nach ihrer Überschrift mit der „Festlegung ergänzender Grundregeln für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen“ für bestimmte Erzeugnisse. Nach der vorletzten Begründungserwägung der Verordnung liegt dem Artikel 3 der Gedanke zugrunde, dafür einen Ausgleich zu schaffen, daß bei einigen aus dritten Ländern eingeführten Erzeugnissen die Erhebung der Abschöpfung ausgesetzt werden kann, wenn sie dem Zollagerverfahren oder dem „Freizonenverfahren“ unterworfen werden. Der Ausgleich findet in Form eines Verfahrens statt, bei dem für die in Anhang II der Verordnung aufgeführten Gemeinschaftserzeugnisse, darunter Rind- und Kalbfleisch, die Zahlung der Ausfuhrerstattung erfolgen kann, sobald die Erzeugnisse in der angegebenen Weise unter Zollkontrolle gestellt worden sind.

Artikel 3 bestimmt, soweit er hier von Bedeutung ist:

„1.

Die Erstattung oder — im Falle einer Differenzierung nach Bestimmung oder Bestimmungsort — der nach dem niedrigsten Satz errechnete Teilbetrag der Erstattung wird auf Antrag gezahlt, sobald die in der Liste des Anhangs II aufgeführten Erzeugnisse oder Waren einem Zolllagerverfahren oder einem Freizonenverfahren unterworfen worden sind.

Dabei ist die Einhaltung der Verpflichtung, diese Erzeugnisse oder Waren — außer im Fall höherer Gewalt — innerhalb einer bestimmten Frist aus der Gemeinschaft auszuführen, durch eine Kaution zu gewährleisten, durch die die Rückzahlung eines Betrages in Höhe der gezahlten Erstattung, zuzüglich eines bestimmten Betrages, sichergestellt wird, falls die Ausfuhr nicht innerhalb der festgesetzten Frist erfolgt.

...“

Die Verordnung (EWG) Nr. 1957/69 der Kommission enthält Durchführungsbestimmungen für die Anwendung der mit der Verordnung Nr. 441/69 eingeführten Verfahren einschließlich des in Artikel 3 vorgesehenen Verfahrens. Die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1957/69 sind etwas kompliziert, nicht zuletzt weil einige von ihnen auf Bestimmungen einer früheren Kommissionsverordnung, der Nr. 1041/67/EWG, verweisen, die durch die Verordnung Nr. 192/75 ersetzt wurde. Diese Verweisungen müssen also als Verweisungen auf die entsprechenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 192/75 verstanden werden, die durch eine „Entsprechungstabelle“ im Anhang der Verordnung Nr. 192/75 auffindbar sind.

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1957/69 bestimmt, soweit er hier von Bedeutung ist, daß Artikel 11 der Verordnung Nr. 192/75 für die in Anwendung der Verordnung Nr. 441/69 durchgeführten Geschäfte gilt. Ich brauche den sehr langen Artikel 11 nicht wiederzugeben. Im vorliegenden Zusammenhang genügt die Feststellung, daß er die Vorschrift des Artikels 3 der Verordnung Nr. 441/69 durchführt, wonach „im Falle einer Differenzierung nach Bestimmung oder Bestimmungsort“ nur „der nach dem niedrigsten Satz errechnete Teilbetrag der Erstattung“ zu dem Zeitpunkt zu zahlen ist, zu dem die Waren unter Zollkontrolle gestellt sind. Hieraus geht hervor, daß, wenn ein Erzeugnis eine Bestimmung hat, für die keine Erstattung festgesetzt ist, in diesem Stadium keine Zahlung stattfinden kann.

Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b in Verbindung mit Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1957/69 bestimmt, daß, wenn Artikel 3 der Verordnung Nr. 441/69 angewandt wird, der Erstattungssatz, ausgenommen bei Vorausfestsetzung, der am Tage der „Annahme der Erklärung durch die Zolldienststellen [geltende Satz ist], durch welche der Antragsteller seinen Willen bekundet, Erzeugnisse oder Waren zum Zwecke ihrer Unterstellung unter ein Zollager- oder Freizonenverfahren zwecks späterer Ausfuhr der Zontrollkontrolle zu unterwerfen“. Nach Artikel 4 Absatz 2 können die Waren nicht länger als sechs Monate von diesem Tage an unter der Zollageroder Freizonenregelung verbleiben.

Artikel 6 Absatz 1 bestimmt, soweit er hier von Bedeutung ist, daß die nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 441/69 gestellte Sicherheit 120% der gezahlten Erstattung beträgt und daß sie verfällt, wenn nicht innerhalb einer bestimmten Frist „der Nachweis erbracht wird“, daß „die Erzeugnisse oder Waren im ursprünglichen Zustand das geographische Gebiet der Gemeinschaft verlassen oder ihre Bestimmung oder ihr Bestimmungsgebiet im Sinne des Artikels 3 der Verordnung Nr. [192/75] erreicht haben, und zwar binnen 45 Tagen... vom Zeitpunkt der Beendigung des Zollageroder Freizonenverfahrens an...“

Artikel 6 Absatz 5 ist die Bestimmung, auf die sich die Beklagte im vorliegenden Fall stützt, um die Beträge zurückzuverlangen, die sie irrtümlich an Ferwerda gezahlt hat. Sie lautet wie folgt:

„Der gezahlte, gegebenenfalls erhöhte Erstattungsbetrag ¡st gemäß diesem Artikel zurückzuzahlen, wenn die in Absatz 1 erwähnten Nachweise nicht innerhalb der gesetzten Frist erbracht werden. Wird der Betrag trotz Anforderung in diesem Fall nicht zurückgezahlt, so verfällt die vorher gestellte Sicherheit.“

Das College van Beroep hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

Am 16. März 1976 lagerte Ferwerda 4511 kg gefrorenes Kalbfleisch in Rotterdam in ein Zollager ein und erklärte auf dem entsprechenden Formular, daß das Fleisch für „verschiedene Schiffe“ („diverse schepen“) gemäß den Bestimmungen der Verordnung Nr. 441/69 des Rates und der Verordnung Nr. 1957/69 der Kommission bestimmt sei. Das gefrorene Fleisch wurde in drei Partien aus dem Zollager ausgelagert, und zwar die ersten beiden am 29. März 1976 und die dritte am 12. Mai 1976. Auf den bei der Auslagerung ausgefüllten „Kontrollformularen“ waren als Adressaten „M.S. Statendam“, „M.S. Rotterdam“ und „M.S. Veendam Ned.“ angegeben, jedesmal mit dem Vermerk „Bermudainseln“. Aufgrund des am 16. März 1976 abgegebenen „Ausfuhrformulars“ unterrichtete die Beklagte Ferwerda durch eine Mitteilung vom 13. April 1976 davon, daß sie Anspruch auf eine Erstattung in Höhe von 12410,66 HFL habe. Dieser Betrag wurde Ferwerda von der Beklagten zu einem vom College van Beroep nicht näher angegebenen Zeitpunkt ausgezahlt.

Am 2. November 1976 lagerte Ferwerda 820 kg gefrorenes Kalbfleisch ebenfalls in ein Zollager ein, die sie am selben Tage wieder auslagerte. In diesem Fall gab sie sowohl auf dem „Ausfuhrformular“, das abgegeben wurde, als die Waren eingelagert wurden, als auch auf dem bei ihrer Auslagerung abgegebenen „Kontrollformular“ als Bestimmung der Waren „MS Rotterdam Bermudainseln“ („M.S. Rotterdam Bermuda-eilanden“) an. Aufgrund des „Ausfuhrformulars“ teilte die Beklagte Ferwerda am 23. November 1976 mit, daß sie Anspruch auf eine Erstattung in Höhe von 1540,62 HFL zuzüglich der Währungsausgleichsbeträge habe. Auch diese Summe wurde Ferwerda von der Beklagten zu einem vom College van Beroep nicht näher angegebenen Zeitpunkt ausgezahlt.

Es steht fest, daß Ferwerda keinen Anspruch auf die Zahlungen hatte, die sie von der Beklagten erhielt. Dies konnte nicht anders sein, erstens weil zu der betreffenden Zeit nur für gewisse Bestimmungen Ausfuhrerstattungen festgesetzt waren, diese daher nicht nach dem Verfahren des Artikels 3 der Verordnung Nr. 441/69 beantragt werden konnten, und zweitens weil solche Erstattungen nicht für Lieferungen von gefrorenem Kalbfleisch an Schiffe in den Gewässern der Bermudas zu zahlen waren.

In den Akten wird hie und da die Ansicht vertreten, daß Ferwerda durch ein Rundschreiben der Beklagten vom 15. Oktober 1976 irregeführt und zur Beantragung der Erstattung veranlaßt worden sei, durch das die Beklagte die Fleischexporteure darüber informieren wollte, unter welchen Voraussetzungen Erstattungen gezahlt werden. Nach dem Rundschreiben sollten sie für „Lieferungen zur Bevorratung von Seeschiffen“ („leveranties voor de bevoorrading van zeeschepen“) gezahlt werden, ohne daß nähere Angaben in dem Sinne gemacht wurden, daß dies nur für Schiffe innerhalb der Gemeinschaft galt. Es erscheint mir jedoch klar, daß dieses Rundschreiben nicht zu dem sieben Monate früher, im März 1976, eingereichten Antrag von Ferwerda geführt haben kann. Selbst angenommen, das Rundschreiben habe Ferwerda zu ihrem zweiten Antrag im November 1976 ermutigt, so vermag ich doch die Bedeutung dieses Umstands nicht einzusehen. Wie die Beklagte vor dem Gerichtshof praktisch eingeräumt hat, hätte der Hinweis auf „verschiedene Schiffe“ in dem Ausfuhrformular vom 16. März 1976 die Beklagte zumindest zu weiteren Nachforschungen veranlassen müssen, während der ausdrückliche Vermerk „MS Rotterdam, Bermudainseln“ in dem Formular vom 2. November 1976 für sich allein bereits zur sofortigen Ablehnung des Antrags hätte führen müssen.

Der übrige Sachverhalt läßt sich kurz zusammenfassen.

Was die nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 441/69 und Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1957/69 geforderten Sicherheiten angeht, so hatte Ferwerda eine laufende Rechnung bei der Beklagten. Diese Rechnung wurde am 5. April 1976 mit 120 % von 12410,66 HFL und am 12. November 1976 mit 120 % von 1540,62 HFL belastet.

Am 16. Dezember 1977 schrieb die Beklagte an Ferwerda, daß sie die erwähnten Summen von 12410,66 und 1540,62 HFL nicht hätte erhalten dürfen und forderte sie auf, diese zurückzuzahlen. Die Beklagte fügte hinzu, daß, sobald Ferwerda die Rückzahlung vorgenommen habe, ihr die Sicherheitsbeträge gutgeschrieben würden. Ferwerda kam der Aufforderung nach, und am 27. Dezember 1977 wurden ihr die Sicherheitsbeträge gutgeschrieben. Am 13. Januar 1978 erhob Ferwerda jedoch gegen den im Schreiben vom 16. Dezember 1977 enthaltenen „Bescheid“ der Beklagten Klage vor dem College van Beroep voor het Bedrijfsleven.

Mit Urteil vom 15. Dezember 1978 beschloß das College van Beroep, dem Gerichtshof drei Vorabentscheidungsfragen vorzulegen.

Die erste Frage lautet wie folgt:

„Ist Artikel 6 Absatz 5 der Verordnung (EWG) Nr. 1957/69 dahin auszulegen, daß gegenüber der Rückforderung der Erstattung eine Berufung auf den in einem nationalen Gesetz niedergelegten oder infolge eines nationalen Gesetzes angewandten Grundsatz der Rechtssicherheit ausgeschlossen ist?“

Zur Erläuterung dieser Frage verweist das College van Beroep auf Artikel 9 Absatz 1 der niederländischen „In- en Uitvoerwet“ (Ein- und Ausfuhrgesetz), wonach eine Erstattung nur wiedereingezogen werden kann, falls sich die zu ihrer Erlangung gemachten Angaben als so unrichtig oder unvollständig erweisen, daß der Antrag anders beschieden worden wäre, wenn bei seiner Beurteilung die tatsächlichen Umstände in vollem Umfang bekannt gewesen wären. Das College van Beroep verweist außerdem auf die „Memorie van Toelichting“ (Begründung) für dieses Gesetz, in der festgestellt wird, daß die Beschränkung der Befugnis zur Wiedereinziehung unter anderem der Erstattungen in diesem Gesetz „im Interesse der Rechtssicherheit“ („in het belang der rechtszekerheid“) erfolgt sei. Das College van Beroep bemerkt, daß nach seiner vorläufigen Beurteilung der angefochtene Bescheid, insbesondere soweit er sich auf die Rückzahlung der von der Beklagten in ihrer Mitteilung vom 23. November 1976 zuerkannten Erstattung beziehe, auch unvereinbar sei „mit dem im allgemeinen Rechtsbewußtsein verankerten Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, wonach die Rechtssicherheit nicht verletzt werden darf“. Nach Ansicht des College van Beroep stellt sich deshalb die Frage, ob man sich mit einer Berufung auf diese Bestimmungen des niederländischen Rechts gegen eine Rückforderung nach Artikel 6 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1957/69 wehren kann.

Mit der zweiten Frage des College van Beroep soll geklärt werden, ob andererseits eine Berufung auf einen dem Gemeinschaftsrecht entnommenen Grundsatz der Rechtssicherheit möglich ist. Diese Frage lautet:

„Ist Artikel 6 Absatz 5 der Verordnung (EWG) Nr. 1957/69 dahin auszulegen, daß ein Bescheid über die Rückforderung der Erstattung nicht im Hinblick auf einen dem Gemeinschaftsrecht entnommenen Grundsatz der Rechtssicherheit geprüft werden kann?“

Die dritte Frage des College van Beroep lautet schließlich wie folgt:

„Wenn auf die Fragen 1 und 2 zu antworten ist, daß in diesen Fällen keine Berufung auf einen national- oder gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit möglich ist, steht dann Artikel 6 Absatz 5 der Verordnung (EWG) Nr. 1957/69 auch einer Schadensersatzforderung des Exporteurs gegen die Verwaltung, die die Erstattung zurückverlangt hat, entgegen, die auf die gleichen Tatsachen und Umstände gestützt ist, die eine Berufung auf den Grundsatz der Rechtssicherheit gerechtfertigt hätten, wenn dies nicht durch Artikel 6 Absatz 5 ausgeschlossen wäre?“

Im Verfahren vor dem Gerichtshof hat die Kommission sogleich die Ansicht vertreten, daß Artikel 6 Absatz 5 im vorliegenden Fall überhaupt nicht anwendbar sei. Ich stimme dem zu. Es scheint mir klar, daß — wie die Kommission vorträgt — Artikel 6 Absatz 5 nicht gilt, wenn die für die Anwendung der fraglichen Rechtsvorschriften zuständige nationale Verwaltung einen Fehler begangen hat. Der Artikel setzt voraus, daß eine Zahlung ordnungsgemäß an den betreffenden Wirtschaftsteilnehmer zu dem Zeitpunkt, zu dem seine Waren unter Zollkontrolle gestellt worden sind, erfolgt ist, und er soll den Fall regeln, daß der Wirtschaftsteilnehmer die Waren dann nicht innerhalb der in Artikel 6 Absatz 1 genannten Fristen ausführt. Im vorliegenden Fall hat, worauf die Kommission hinweist, Ferwerda die Erfordernisse des Artikels 6 Absatz 1 wörtlich erfüllt, da sie innerhalb der genannten Fristen den Nachweis erbracht hat, daß ihre Waren im ursprünglichen Zustand das geographische Gebiet der Gemeinschaft verlassen hatten. Der Fehler liegt hier nicht darin, daß Ferwerda in irgendeiner Weise dem Artikel 6 Absatz 1 nicht nachgekommen wäre, sondern darin, daß sie zu der Zeit, zu der sich ihre Waren im Zollager befanden, Zahlungen erhielt, auf die sie keinen Anspruch hatte.

Das Problem, um das es in diesem Fall wirklich geht, liegt also etwas anders, als das College van Beroep meinte. Es besteht darin, ob sich dann, wenn eine nationale Behörde einem Wirtschaftsteilnehmer irrtümlich eine Erstattung gezahlt hat, die Frage, ob der betreffende Betrag von dem Empfänger zurückverlangt werden kann, nach Gemeinschaftsrecht oder nach nationalem Recht richtet. Mit diesem Problem sind wir bereits vertraut. Man denke zum Beispiel an die Rechtssachen 26/74 (Roquette/Kommission, Slg. 1976, 677), 33/76 (Rewe/Landwirtschafiskammer Saarland, Slg, 1976, 1989), 45/76 (Comet/Produktschap voor Siergewassen, Slg. 1976, 2043), 118/76 (Balkan-Import-Export/Hauptzollamt Berlin-Packhof, Slg. 1977, 1177) und 177/78 (Pigs and Bacon Commission/McCarren & Co. Ltd., Urteil vom 26. Juni 1979, noch nicht veröffentlicht), um nur einige von den jüngeren Rechtssachen zu erwähnen, in denen der Gerichtshof über Fragen in bezug auf den jeweiligen Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts und des nationalen Rechts zu befinden hatte. Aus diesen Rechtssachen ergibt sich klar der Grundsatz, daß dann, wenn das Gemeinschaftsrecht keine Vorschriften enthält, die auf bestimmte Sachverhalte anwendbar sind, die Vorschriften des nationalen Rechts herangezogen werden müssen.

Da Artikel 6 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1957/69 nicht anwendbar ist, fragt sich somit, ob es eine Regel des Gemeinschaftsrechts gibt, die für den vorliegenden Fall gilt. Mir erscheint es klar, daß eine solche Regel nicht besteht.

In den Erklärungen der Beklagten und der Kommission ist auf Artikel 8 der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates „über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik“ verwiesen worden. Dieser Artikel bestimmt:

„1.

Die Mitgliedstaaten treffen gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen, um

sich zu vergewissern, daß die durch den Fonds [d. h. den EAGFL] finanzierten Maßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind,

Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu verfolgen,

die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wiedereinzuziehen.

Die Mitgliedstaaten teilten der Kommission die zu diesem Zweck getroffenen Maßnahmen, insbesondere den Stand der Verwaltungsund Gerichtsverfahren, mit.

2.

Erfolgt keine vollständige Wiedereinziehung, so trägt die Gemeinschaft die finanziellen Folgen der Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse; dies gilt nicht für Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse, die den Verwaltungen oder Einrichtungen der Mitgliedstaaien anzulasten sind.

...“

Wie die Kommission betont hat, betrifft dieser Artikel jedoch im wesentlichen die Rechtsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten. Jede Absicht der Verfasser dieser Vorschrift, die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und Privatpersonen zu regeln, wird praktisch durch die Worte „gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften“ widerlegt.

Mit Artikel 8 hatte sich der Gerichtshof kürzlich in den Rechtssachen 11/76 (Niederlande/Kommission) und 18/76 {Deutschland/Kommission, Urteil vom 7. Februar 1979, noch nicht veröffentlicht) zu befassen. In beiden Rechtssachen ging es zwar um Fragen, die mit den Rechtsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten zu tun hatten; doch erscheinen mir zwei Erwägungen dieser Urteile im vorliegenden Fall von Bedeutung zu sein.

Erstens hat der Gerichtshof in beiden Rechtssachen ausgeführt, daß es in aller Regel weder nach Gemeinschaftsrecht noch nach den meisten nationalen Rechtsordnungen möglich sein wird, solche Beträge von einer Person wiedereinzuziehen, die ihr eine nationale Behörde aufgrund einer unzutreffenden, aber guten Glaubens vorgenommenen Anwendung des Gemeinschaftsrechts ausbezahlt hat (vgl. Randnr. 8 der Entscheidungsgründe in der Rechtssache 11/76 und Randnr. 6 der Entscheidungsgründe in der Rechtssache 18/76). Dies schließt nach meiner Ansicht jede Möglichkeit einer Auslegung von Artikel 8 in dem Sinne aus, daß er eine allgemeine Gemeinschaftsregel aufstellt, wonach in all diesen Fällen eine Erstattung der erwähnten Beträge erfolgen muß.

Zweitens hat der Gerichtshof in diesen beiden Rechtssachen entschieden, daß Artikel 8 auf den gegebenen Sachverhalt gänzlich unanwendbar ist und ein etwaiger Verlust von dem Mitgliedstaat getragen werden muß, dessen Behörde den Fehler begangen hat. Wenn dies richtig ist, woran ich nicht zweifele, scheint es logisch, daß es jedem Mitgliedstaat überlassen bleibt, in seinen eigenen Rechtsvorschriften zu bestimmen, wann und inwieweit er den Verlust zu tragen hat.

Man könnte hiergegen einwenden, daß die Anwendung des Gemeinschaftsrechts dann in den einzelnen Mitgliedstaaten uneinheitliche Folgen hätte. Diesem Einwand kann, so denke ich, auf zweierlei Weise begegnet werden. Erstens kann der Gerichtshof kein Gemeinschaftsrecht schaffen, wo keines besteht: Dies muß den rechtsetzenden Organen der Gemeinschaft überlassen bleiben. Zweitens haben wir es hier mit den Folgen von Fehlern der Verwaltung zu tun, anders ausgedrückt, mit einer Situation, die regelwidrig sein sollte. Derartige Fehler dürften nur vereinzelt vorkommen und die Bedingungen, unter denen die Wirtschaftsteilnehmer in den einzelnen Mitgliedstaaten miteinander konkurrieren, nicht wesentlich beeinflussen.

Der Vollständigkeit halber möchte ich noch erwähnen, daß ich auch die Verordnung (EWG) Nr. 283/72 des Rates „betreffend die Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems“ geprüft habe. Ich kann jedoch in dieser Verordnung nichts finden, was für unser Problem von Bedeutung wäre.

Somit ist nach meiner Auffassung die Schlußfolgerung unvermeidlich, daß es keine einschlägige Bestimmung des Gemeinschaftsrechts gibt und daß die Materie in jedem Mitgliedstaat durch das Recht dieses Staates geregelt wird. Hieraus folgt wohl, daß sie in den Niederlanden durch Artikel 9 Absatz 1 der In- en Uitvoerwet geregelt wird.

Im Ergebnis bin ich der Ansicht, daß Sie auf die Ihnen vom College van Beroep vorgelegte erste Frage für Recht erkennen sollten, daß dann, wenn eine Verwaltungsbehörde oder eine andere Stelle eines Mitgliedstaats in Anwendung von Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 441/69 irrtümlich eine Ausfuhrerstattung gezahlt hat, die Voraussetzungen, unter denen dieser Betrag von dem Empfänger wiedereingezogen werden kann, gemäß dem Recht dieses Staates zu bestimmen sind.

Die zweite und dritte Frage des College van Beroep brauchen damit nicht mehr beantwortet zu werden.


( 1 ) Aus dem Englischen ubersetzt.