SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS GERHARD REISCHL

VOM 28. NOVEMBER 1979

Herr Präsident,

meine Herren Richter,

Mit dem vorliegenden Vertragsverletzungsverfahren wirft die Kommission dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland vor, gegen Artikel 95 Absatz 2 des EWG-Vertrags zu verstoßen, indem auf Wein eine höhere Verbrauchsabgabe erhoben wird als auf Bier.

Die Artikel 32 und 38 der Beitrittsakte sehen bekanntlich vor, daß die Einfuhrzölle und Finanzzölle zwischen der Gemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung und den neuen Mitgliedstaaten schrittweise, beginnend mit dem 1. April 1973, bis zum 1. Juli 1977 abgeschafft werden. Nach Artikel 38 Absatz 2 der Beitrittsakte sind die neuen Mitgliedstaaten weiterhin berechtigt, einen Finanzzoll oder den Finanzanteil eines solchen Zolls durch eine inländische Abgabe zu ersetzen, die den Bestimmungen des Artikels 95 des EWG-Vertrages entspricht. Gemäß Artikel 38 Absatz 3 der Akte kann die Kommission, falls sie feststellt, daß die Ersetzung eines Finanzzolls oder eines Finanzanteils eines solchen Zolls in einem neuen Mitgliedstaat auf ernste Schwierigkeiten stößt, diesen Staat ermächtigen, den Zoll oder Finanzanteil unter der Bedingung beizubehalten, daß er ihn spätestens am 1. Januar 1976 abschafft.

In Anwendung dieser Vorschrift ermächtigte die Kommission durch die Entscheidung 73/199/EWG vom 27. Februar 1973 (ABl. L 197 vom 17. Juli 1973, S. 7) das Vereinigte Königreich unter anderem, bis zum 1. Januar 1976 für leichte Weine einen Schutzanteil bis zu 0,25 Pfund und einen Finanzanteil in Höhe von 1,4875 Pfund je Gallone zu erheben.

Die Entwicklung der Zölle und Verbrauchssteuern auf Wein im Vereinigten Königreich, das bekanntlich keine nennenswerte Eigenproduktion hat, läßt sich demnach unter Nichtberücksichtigung anderer Steuern wie folgt darstellen: Zum Zeitpunt des Beitritts wurde lediglich ein Zoll, bestehend aus einem Schutzanteil und einem Finanzanteil in Höhe von 1,6125 Pfund je Gallone, aber keine Verbrauchssteuer erhoben. Dieser Zoll wurde bis zum 1. Januar 1976 auf 2,675 Pfund je Gallone erhöht. Ab Januar 1976 wurde der Zoll auf 0,025 Pfund je Gallone ermäßigt und gleichzeitig eine Verbrauchssteuer in Höhe von 2,625 Pfund je Gallone eingeführt, was zu einer Gesamtbelastung von 2,65 Pfund je Gallone führte. Kurz danach, am 7. April 1976, wurde die Verbrauchssteuer unter Beibehaltung des Zolls auf 2,955 Pfund je Gallone und am 1. Januar 1977 nochmals auf 3,25 Pfund je Gallone erhöht. Am 1. Juli 1977 wurde gemäß Artikel 36 der Beitrittsakte der Zoll abgeschafft und lediglich noch eine Verbrauchssteuer in Höhe von 3,25 Pfund je Gallone erhoben.

Das im Vereinigten Königreich gebraute Bier dagegen wird vor der Gärung nach dem spezifischen Gewicht der Bierwürze besteuert. Auf einer Gallone mit einem Gewicht von 1038 Grad — das ist der Durchschnitt des im Vereinigten Königreich konsumierten Biers — lag zum Zeitpunkt des Beitritts ein Steuersatz in Höhe von 0,3858 Pfund. Am 7. April 1976 betrug dieser Satz 0,557 Pfund und am 1. Juli 1977 0,613 Pfund je Gallone.

Mit Schreiben vom 14. Juli 1976 teilte die Kommission gemäß Artikel 169 Absatz 1 des EWG-Vertrages der Regierung des Vereinigten Königreichs mit, daß durch die große Differenz zwischen der auf dem einheimischen Bier und der auf dem vorwiegend aus den Mitgliedstaaten eingeführten Wein liegenden Verbrauchssteuer ihrer Meinung nach das Bier mittelbar geschützt werde und deshalb Artikel 95 Absatz 2 des EWG-Vertrages verletzt sei. In ihrer Antwort vom 6. Oktober 1976 bestritt die Regierung des Vereinigten Königreichs eine relevante Beziehung zwischen dem Bierund Weinmarkt und bezweifelte gleichzeitig den von der Kommission geltend gemachten Einfluß der Besteuerung auf den Einzelhandelspreis der fraglichen Produkte.

Darauf erließ die Kommission gemäß Artikel 169 des EWG-Vertrages am 8. November 1977 eine an das Vereinigte Königreich gerichtete und mit Gründen versehene Stellungnahme. Sie stellte darin fest, daß bezogen auf das Volumen die Verbrauchssteuer auf Bier mit einer Ausgangswürze von 1037,71 Grad — das ist der genaue Durchschnitt des 1975 und 1976 im Vereinigten Königreich konsumierten Biers — sich auf 0,6084 Pfund je Gallone belaufe, während auf Wein 3,25 Pfund je Gallone erhoben werden. Bezogen auf den Alkoholgehalt betrage die Steuer auf das entsprechende Bier mit einem Alkoholgehalt von 3 % 0,2028 Pfund je Gallone im Vergleich zu 0,2955 Pfund je Gallone auf Wein, der einen Alkoholgehalt von 11 Grad aufweise. Bezogen auf den Einzelhandelspreis sei die Verbrauchssteuer auf Bier im Durchschnitt mit weniger als 25 % zu beziffern, während die auf den meistverkauften Weinen lastende Steuer mit 35 % anzusetzen sei. Da diese Werte zeigten, daß das Vereinigte Königreich das einheimische Bier gegenüber dem eingeführten Wein schütze, liege ein Verstoß gegen Artikel 95 Absatz 2 des EWG-Vertrags vor, der innerhalb einer Frist von einem Monat zu beseitigen sei.

Nachdem das Vereinigte Königreich innerhalb dieser Frist nicht reagierte, erhob die Kommission die am 7. August 1978 beim Gerichtshof eingegangene Klage mit dem Antrag, der Gerichtshof möge feststellen, daß das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland dadurch gegen Artikel 95 des EWG-Vertrags verstoßen habe, indem es unterlassen habe, die streitigen Bestimmungen über die Verbrauchssteuer auf Wein aufzuheben oder zu ändern, und das Vereinigte Königreich zur Tragung der Verfahrenskosten zu verurteilen. Das Vereinigte Königreich beantragt dagegen, die Klage abzuweisen und die Klägerin zur Kostentragung zu verurteilen. Die Italienische Republik ist dem Verfahren auf Seiten der Kommission beigetreten.

Im Unterschied zu den Rechtssachen 168/78, 169/78, 171/78 und 55/79, zu denen ich soeben Ausführungen gemacht habe, ist diese Klage nicht auf Artikel 95 Absatz 1 des EWG-Vertrages gestützt, sondern lediglich auf dessen Absatz 2. Wie wir in den genannten Verfahren gesehen haben, enthält Absatz 1 in erster Linie ein Gleichbehandlungsgebot, während Absatz 2 schon seinem Wortlaut nach auf eine Protektionseignung der Einfuhrbelastung abstellt, indem er es den Mitgliedstaaten verbietet, auf Einfuhrwaren aus anderen Mitgliedstaaten Abgaben zu erheben, die geeignet sind, andere Produktionen mittelbar zu schützen. Die Frage, wann durch eine Abgabe auf ein Einfuhrprodukt eine Schutzwirkung zugunsten eines inländischen Produktes entsteht, hängt davon ab, inwieweit diese beiden Produkte in Wettbewerb miteinander stehen, eines also durch das andere substituiert werden kann. Eine solche Austauschbarkeit liegt nach dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache 27/67 (Firma Fink-Frucht GmbH gegen Hauptzollamt München-Landsberger Straße, Urteil vom 4. April 1968, Slg. 1968, 333) dann vor, wenn das Inlandsprodukt mit der eingeführten Ware „im Hinblick auf eine oder mehrere wirtschaftliche Verwendungsmöglichkeiten in Wettbewerb steht, ohne daß jedoch der Tatbestand der Gleichartigkeit im Sinne von Artikel 95 Absatz 1 erfüllt ist“. Im Interesse der Rechtssicherheit sei jedoch zu fordern, „daß die verschiedenen wirtschaftlichen Beziehungen, die Artikel 95 Absatz 2 im Sinn hat, nicht nur gelegentlich vorliegen, sondern daß es sich um dauerhafte und typische Verhältnisse handelt“.

Wie ich weiter schon gezeigt habe, unterscheiden sich Absatz 1 und Absatz 2 des Artikels 95 des EWG-Vertrags nicht nur hinsichtlich der dargestellten Voraussetzungen, sondern auch hinsichtlich ihrer Wirkungen. Der Gleichheitssatz des Absatzes 1 greift nämlich schon dann ein, wenn irgendeine Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Höhe der Besteuerung vorliegt, während bei Absatz 2 zusätzlich eine Protektionswirkung von der Ungleichbehandlung ausgehen muß. Eine solche Protektionswirkung ist jedoch nicht zwangsläufig gegeben, wenn die eingeführte Ware höher belastet wird als die substituierbare Ware, da wegen der Kosten- und Preisunterschiede bei Substitutionsgütern eine höhere Besteuerung sich nicht unbedingt auf dem Markt auswirken muß. Dem entspricht die Rechtsprechung des Gerichtshofs, wenn er in dem bereits genannten Urteil in der Rechtssache 27/67 (Fink-Frucht) feststellt, daß nicht jede Höherbelastung eingeführter Waren auch schon einen Verstoß gegen Absatz 2 bedeute und deshalb der nationale Richter zu prüfen habe, unterhalb welcher Höhe die Abgabe keine Schutzwirkung mehr entfalte.

Folglich haben wir unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung zunächst zu prüfen, ob Bier und Wein im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Verwendungsmöglichkeit miteinander im Wettbewerb liegen. Bei Bejahung dieser Frage wird dann weiterhin darauf einzugehen sein, ob die unterschiedliche Besteuerung des eingeführten Weins geeignet ist, die inländische Biererzeugung mittelbar zu schützen. Die Frage, ob zwischen den genannten Erzeugnissen ein Konkurrenzverhältnis im Sinne des Artikels 95 Absatz 2 des EWG-Vertrags besteht, hängt dabei entscheidend davon ab, ob die Besonderheiten eines nationalen Marktes zu berücksichtigen sind oder ob der Gemeinsame Markt als Ganzes zu betrachten ist.

Entgegen der Meinung der Kommission vertritt die Regierung des Vereinigten Königreichs hierzu den Standpunkt, daß sich die Frage, ob ein Konkurrenzverhältnis zwischen den genannten Gütern besteht, nur nach den Verhältnissen auf dem nationalen Markt richten könne. Im Vereinigten Königreich gelte aber das Bier aus sozio-historischen und geographischen Gründen als Nationalgetränk. Bereits die Trinkgewohnheiten, die nicht mit der Besteuerung in Zusammenhang stünden, zeigten, daß Wein und Bier nicht als austauschbare Güter angesehen werden könnten.

Dieser Argumentation wird man jedoch nicht folgen können. Wie ich bereits in meinen Schlußanträgen zu der Rechtssache 168/78 ausführlich nachgewiesen habe, ist es Aufgabe von Artikel 95 des EWG-Vertrags, der zu den Grundlagen der Gemeinschaft gehört, die Lücke zu schließen, die nach dem Abbau der Zölle und Abgaben gleicher Wirkung sowie dem Wegfall der mengenmäßigen Beschränkungen den Mitgliedstaaten zur Errichtung neuer Hindernisse verblieben sein könnte. Die Mitgliedstaaten sollen daran gehindert werden, eigene Waren dadurch zu schützen, daß sie Importwaren steuerlich diskriminieren. Aus diesem Gedanken, der auch dem Absatz 2 der genannten Vorschrift zugrunde liegt, folgt aber bereits, daß bei der Bestimmung eines dauerhaften und typischen Wettbewerbs im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht auf die spezielle Lage in einem Mitgliedstaat, sondern auf die Gesamtsituation in der Gemeinschaft abzustellen ist. Die Trinkgewohnheiten und die Präferenzen der Konsumenten können nämlich, wie die Kommission zu Recht betont und wie ich gleichfalls in den genannten Schlußanträgen dargelegt habe, von einer Vielzahl von Faktoren wie Gewohnheit, lokaler oder nationaler Tradition, sozialen Verhältnissen und nicht zuletzt auch dadurch beeinflußt sein, daß nichteinheimische Waren bewußt durch steuerliche Schutzmaßnahmen vom einheimischen Markt ferngehalten werden.

Demnach kommt es darauf an, festzustellen, ob Bier und Wein nach den Verbrauchergewohnheiten in allen Mitgliedstaaten dieselben Verwendungsmöglichkeiten haben. Haben zwei Waren dieselbe Verwendungsmöglichkeit oder noch besser denselben Verwendungszweck, steht gleichzeitig auch fest, daß sie sich auf dem Markt in Konkurrenz gegenüberstehen und damit substituierbar im Sinne des Artikels 95 Absatz 2 des EWG-Vertrags sind.

Bier und Wein dienen aber aus der Sicht des Verbrauchers demselben Verwendungszweck, da sie, wie die Kommission zu Recht betont, dieselben Charakteristika aufweisen. Gegenüber den im XXII. Kapitel des Gemeinsamen Zolltarifs aufgeführten anderen durstlöschenden Getränken zeichnen sich Bier und Wein, die beide aufgrund eines Gärprozesses gewonnen werden, dadurch aus, daß sie einen Alkoholgehalt aufweisen. Der verhältnismäßig geringe Gehalt an Alkohol wiederum unterscheidet beide Getränke von den Branntweinen der Tarifnummer 22.09 C des Gemeinsamen Zolltarifs, die durch Destillation gewonnen werden. Diese gemeinsamen objektiv meßbaren Kriterien haben zur Folge, daß sowohl Bier als auch Wein im wesentlichen denselben Verbraucherbedürfnissen dienen. So werden beide als Tafelgetränke sowohl in Restaurants als auch privaten Haushalten und ganz allgemein zur Stillung des Durstes konsumiert. Dieser gleiche Verwendungszweck, der zur Folge hat, daß die beiden Waren miteinander in Wettbewerb stehen, wird auch nicht, wie die Regierung des Vereinigten Königreichs meint, dadurch beeinträchtigt, daß sich beide Getränke im Hinblick auf den Alkoholgehalt und die Herstellungskosten unterscheiden. Beide Faktoren können bekanntlich ganz einfach dadurch nivelliert werden, indem der Wein mit Wasser verdünnt wird. Dieser Unterschied führt lediglich dazu, daß beide Getränke trotz desselben Verwendungszweckes nicht als gleichartige Waren im Sinne von Artikel 95 Absatz 1 angesehen werden können. Eine solche Feststellung schließt jedoch, wie wir gesehen haben, nicht aus, daß beide Erzeugnisse dem weiteren Kreis der von Artikel 95 Absatz 2 des EWG-Vertrags erfaßten Substitutionsgüter zuzurechnen sind. Damit steht meines Erachtens fest, daß steuerliche Maßnahmen zugunsten einer der Waren grundsätzlich eine Verschiebung der Marktposition zugunsten dieses Erzeugnisses zur Folge haben können.

Diese Feststellung führt uns zu der ungleich schwierigen Frage, ob die Besteuerung des Weins im Vereinigten Königreich tatsächlich geeignet ist, in bezug auf das Verbraucherverhalten eine Schutzwirkung zugunsten des einheimischen Biers zu entfalten.

Da ein solcher Nachweis wegen der verschiedenen Besteuerungsart der fraglichen Produkte — beim Wein richtet sich die Besteuerung nach dem Volumen des Endproduktes, beim Bier dagegen nach dem Gewicht der Bierwürze — schwierig zu erbringen ist, schlägt die Kommission vor, drei verschiedene Bemessungsgrundlagen zu untersuchen. Bezieht man die Besteuerung auf ein bestimmtes Volumen, so ergibt sich nach den Ausführungen der Kommission, daß der Wein im Januar 1974 dreimal höher besteuert wurde als Bier, während das Verhältnis sich im Jahre 1978 auf 5 : 1 verschlechtert hat. Dieser Unterschied vermindert sich jedoch merklich in etwa auf das Verhältnis von 1,5 : 1, wenn die Steuer, wie bei den Branntweinen üblich, auf den Alkoholgehalt eines bestimmten Volumens bezogen wird. Sieht man die Steuer schließlich im Verhältnis zum Verkaufspreis der Erzeugnisse, beläuft sich nach Ansicht der Kommission die Besteuerung der handelsüblichen Flaschen Wein auf 35 bis 38 %, während die handelsüblichen Flaschen Bier lediglich mit einer Steuer in Höhe von 22 % belastet sind. Diese Beispiele zeigen nach Ansicht der Kommission, selbst wenn man die offensichtlichen Schwächen der einzelnen Bemessungsgrundlagen berücksichtigt, daß der Wein höher belastet wird als das Bier und daß deshalb die Verbrauchssteuer auf Wein geeignet ist, das inländische Bier zu schützen.

Auch nach Meinung der italienischen Regierung beweist die Entwicklung der auf den fraglichen Produkten liegenden Verbrauchssteuer, daß es sich bei Bier und Wein um Konkurrenzprodukte handelt und daß das inländische Bier durch die höhere Besteuerung des Weins geschützt werden soll. Dies könne schon dem Umstand entnommen werden, daß die Verbrauchssteuer auf Wein in dem Zeitraum von 1972 bis 1977 um 102 % erhöht worden sei, während in derselben Zeit die auf Bier liegende Verbrauchssteuer nur um 59 % zugenommen habe. Ein weiterer Beweis für die Diskriminierung des Weins könne daraus hergeleitet werden, daß das Vereinigte Königreich bis 1972 den Wein nur mit einem Zoll, nicht aber mit einer Verbrauchssteuer belastet habe, die wegen Fehlens einer nennenswerten nationalen Produktion sinnlos gewesen wäre. Das Beispiel der auf den Alkoholgehalt bezogenen Besteuerung ist nach Ansicht der italienischen Regierung nicht aussagekräftig, da es den verschiedenen Alkoholgehalt der tatsächlich verbrauchten Wein- und Biersorten nicht berücksichtige. Schließlich sei noch festzustellen, daß der Weinkonsum im Vereinigten Königreich im Laufe der Jahre 1973 und 1974, in denen die Besteuerung des Weins ermäßigt gewesen sei, stark zugenommen habe, während in den folgenden Jahren eine geringere Zunahme zu verzeichnen gewesen sei.

Die Regierung des Vereinigten Königreichs tritt dem Vorbringen der Kommission und der italienischen Regierung entgegen, indem sie darauf hinweist, daß die von der Kommission herangezogenen Berechnungsbeispiele mehr oder weniger willkürlich und lückenhaft seien. So werde zum Beispiel bei der Berechnung der Steuer nach dem Volumen der Getränke nicht berücksichtigt, daß Bier und Wein einen unterschiedlichen Alkoholgehalt und unterschiedliche Gestehungskosten aufweisen. Außerdem werde nicht in Betracht gezogen, daß der Bierkonsum pro Person im Vereinigten Königreich normalerweise höher sei als der entsprechende Weinverbrauch. Ein Vergleich im Hinblick auf den Alkoholgehalt der Getränke sei nur zulässig, wenn unter Berücksichtigung der Trinkgewohnheiten das Volumen eines Weinglases und das Volumen einer „pint“ Bier zugrunde gelegt würden. Bei der Berechnung der Steuer nach dem Verkaufspreis werde schließlich nicht berücksichtigt, daß die fraglichen Produkte auf höchst unterschiedliche Weise vertrieben werden. Aus diesem Grunde könne zulässigerweise nur der Gesamtverkaufspreis von Bier und Wein berücksichtigt werden, und auf dieser Basis sei die auf Bier liegende Steuer mit 23 % und die auf Wein mit 24 % des Verkaufspreises zu veranschlagen. Gegenüber dem Vorbringen der italienischen Regierung weist die Regierung des Vereinigten Königreichs darauf hin, daß aus dem Bestehen einer Verbrauchssteuer nicht der Schluß gezogen werden könne, daß Bier und Wein Konkurrenzprodukte seien. Eine solche Steuer sei Bestandteil einer normalen Besteuerung alkoholischer Getränke, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zulässig sei. Aus der Tatsache, daß die Steuer die leichten und billigen Weine stärker belaste als die schweren Weine könne nicht gefolgert werden, daß das Steuersystem das Bier schütze. Schließlich sei auch die Steuer auf Wein in den Jahren 1973 und 1974 nicht, wie die italienische Regierung meine, gesenkt, sondern nur teilweise durch die Mehrwertsteuer ersetzt worden.

Auch ich bin mit der Regierung des Vereinigten Königreichs der Meinung, daß die von der Kommission und der italienischen Regierung vorgebrachten Argumente nicht ausreichend sind, eine vom Vertrag verbotene Schutzwirkung der Verbrauchssteuer auf Wein zugunsten des inländischen Konkurrenzproduktes Bier zu beweisen. Die neuen Mitgliedstaaten waren nämlich gemäß Artikel 38 Absatz 2 der Beitrittsakte berechtigt, einen Finanzzoll oder den Finanzanteil eines solchen Zolls durch eine inländische Abgabe zu ersetzen, die lediglich der Bestimmung des Artikels 95 des EWG-Vertrages entsprechen mußte. Im Unterschied zu Absatz 1 des Artikels 95 verbietet aber dessen Absatz 2, wie wir gesehen haben, nicht, daß die eingeführten Konkurrenzprodukte höher besteuert werden, soweit die unterschiedliche Besteuerung nicht zu einem Schutz der einheimischen Produkte führt. Bei der Prüfung, ob eine solche Schutzwirkung gegeben ist, darf sicherlich nicht übersehen werden, daß die Belastung des Weins in Form von Zöllen und Verbrauchssteuern seit dem Beitritt des Vereinigten Königreichs stärker angewachsen ist als die entsprechende Belastung des Bieres. Doch sagt dieses schnellere Anwachsen der steuerlichen Belastung des Weins als solches noch nichts darüber aus, ob das erreichte Niveau geeignet ist, das inländische Bier mittelbar zu schützen. Gleichfalls vermögen meines Erachtens die von der Kommission erstellten Rechenbeispiele, in denen diese Besteuerung in bezug zum Alkoholgehalt und zum Verkaufspreis gesetzt wird, eine solche Schutzwirkung nicht zu beweisen. Abgesehen von den Unzulänglichkeiten dieser Berechnungsart, die auch von der Kommission eingeräumt werden, ergibt sich nämlich aus diesen Beispielen zwar eine geringfügig höhere Belastung des Weins, die als solche jedoch nicht geeignet sein dürfte, unter Beachtung der ohnehin schon höheren Herstellungskosten des Weins das Verbraucherverhalten zu beeinflussen. Lediglich die Umrechnung der Besteuerung auf ein bestimmtes Volumen ergibt eine nennenswerte Mehrbelastung des Weins. Doch führt eine solche Umrechnungsmethode, wie die Kommission selbst einräumt, zu irrigen Ergebnissen, da weder der unterschiedliche Alkoholgehalt noch die unterschiedlichen Herstellungskosten von Bier und Wein dabei Berücksichtigung finden. Daß das Verbraucherverhalten bislang noch nicht von der höheren Besteuerung des Weins beeinflußt wurde, beweisen abschließend auch die vorgelegten Statistiken, aus denen meiner Ansicht nach klar hervorgeht, daß weder der Wein-noch der Bierkonsum bisher von der Besteuerung beeinflußt wurde.

Da es somit weder der Kommission noch der italienischen Regierung gelungen ist, den Nachweis zu führen, daß die Besteuerung des aus den Mitgliedstaaten eingeführten Weins geeignet ist, das Konkurrenzprodukt Bier mittelbar zu schützen, ist die Klage als unbegründet abzuweisen. Demgemäß sind der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.