SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

JEAN-PIERRE WARNER

VOM 13. APRIL 1978 ( 1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

Dies ist nach meiner Ansicht kein einfacher Fall. Doch ist zumindest der Sachverhalt unstreitig.

Frau De Roubaix, die Klägerin, ist belgischer Staatsangehörigkeit. Sie wurde 1918 geboren und ist Witwe.

Am 1. August 1959 trat sie als Sekretärin der Laufbahngruppe C in den Dienst der Euratom und wurde dem Personal der Versorgungsagentur zugeteilt. Am 1. Dezember 1961 wurde sie in die Laufbahngruppe B befördert. Am 1. Januar 1962 wurde sie. in die Besoldungsgruppe B 4 eingestuft. Am 1. Oktober 1964 wurde sie nach Besoldungsgruppe B 3 und dann mit Wirkung vom 1. Juli 1968 nach Besoldungsgruppe B 2 befördert. Sie verrichtete während ihrer gesamten Dienstzeit die Tätigkeit eines Büroleiters der Versorgungsagentur. Mehrere aufeinanderfolgende Generaldirektoren der Agentur hatten nur höchstes Lob für die Art, in der sie ihre Aufgaben erfüllte, die unstreitig zur Grundtätigkeit des Verwaltungsamtsrats, d. h. zur Besoldungsgruppe B 1, gehören.

Bis 1976 gab es jedoch in der Euratom-Versorgungsagentür keine B-1-Stelle.

1973 beantragte der damalige Generaldirektor der Agentur, eine B-1-Stelle für die Agentur im Haushaltsplan der Kommission für 1974 auszubringen. In einer Note vom 14. Juni 1973 (Anlage 8 zur Klageschrift) begründete er diesen Antrag wie folgt:

„Diese Planstelle soll die Beförderung der Beamtin ermöglichen, die bereits 1959 für die Durchführung der Verwaltungs- und Geschäftstätigkeit der Agentur gesorgt hat, zu einer Zeit, als die Agentur vor allem aus politischen Gründen nicht über ein — zahlenmäßig sowie der Kompetenz nach — ausreichendes Personal verfügte.

Diese Beamtin ist noch immer für die gesamte verwaltungsmäßige und kaufmännische Organisation der Agentur verantwortlich, deren Entwicklung mit der Zunahme des Geschäftsvolumens verknüpft ist, welche sich aus der Zuständigkeit der Agentur ergibt und ihrerseits mit der Entwicklung der Kernenergie zusammenhängt.“

Die betreffende „Beamtin“ war natürlich die Klägerin.

Gleichzeitig beantragte der Generaldirektor eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 3/2, um die Versetzung des Herrn J. J. M. Marchai, eines B-2-Beamten, der zum Personal der Delegation der Kommission in Washington gehörte und dort ganztägig Aufgaben der Agentur wahrnahm, von der Generaldirektion Energie zur Agentur zu ermöglichen.

Zufällig ist auch Herr Marchai Belgier. Er ist 10 Jahre jünger als die Klägerin und 2½ Jahre dienstjünger in der Besoldungsgruppe B 2.

Die Anträge des Generaldirektors wurden abgelehnt.

Für den Haushalt 1975 beantragte er zwei B-1-Stellen, eine für die Klägerin und eine für Herrn Marchai. Die Erhöhung der Besoldungsgruppe des Herrn Marchai war nach Ansicht des Generaldirektors im Hinblick auf die Art und Weise, in der sich die vertraglichen Beziehungen zur Atomenergie- Kommission der Vereinigten Staaten entwickelten, und die damit verbundenen Schwierigkeiten gerechtfertigt — siehe seine Note vom 26. März 1974 (Anlage VII zur Gegenerwiderung).

Die Anträge des Generaldirektors wurden wiederum abgelehnt.

Aus den Protokollen einer Sitzung der Kommission vom 8. Januar 1975 geht hervor, daß die Kommission auf dieser Sitzung von einer Erklärung eines ihrer Vizepräsidenten, des Herrn Simonet, der damals für Energieangelegenheiten und insbesondere für die Euratom-Versorgungsagentur zuständig war, wie folgt Kenntnis nahm:

„Herr Simonet betont die ganz besonderen. Verdienste des Herrn Joseph Marchai, Beamter der Laufbahngruppe B und Mitglied der Delegation der Kommission in den Vereinigten Staaten, die er sich bei dem für die Euratom-Versorgungsagentur getätigten Abschluß von Verträgen über die Anreicherung von Uran erworben hat. Er wünscht, daß die Kommission nicht verfehlt, die Verdienste dieses Beamten zu berücksichtigen, wenn sich Gelegenheit dazu bietet?“

Mit einer Note vom 25. März 1975 an den Generaldirektor für Personal und Verwaltung (Anlage VIII zur Gegenerwiderung) reichte der Generaldirektor der Agentur seine Anträge für den Haushalt 1976 ein. Er erklärte, er tue dies im Einvernehmen mit dem Kabinett des Vizepräsidenten Simonet. Unter anderem beantragte er eine B-1-Stelle und führte in diesem Zusammenhang aus:

„Die B-1-Stelle ist dazu bestimmt, die vorübergehend von der Generaldirektion XVII auf die Delegation in Washington übertragene Stelle (B 3/2), die zur Zeit mit Herrn Joseph Marchai besetzt ist, dem Haushalt der Agentur zuzuführen. Denn die vom Inhaber dieser Stelle verrichteten Tätigkeiten kommen praktisch ausschließlich der Agentur zugute.

Darüber hinaus rechtfertigen der Grad der mit diesen Tätigkeiten verbundenen Verantwortung sowie die Entwicklung und Vielfalt der vertraglichen Beziehungen zu der Energy Research and Development Administration und der Privatindustrie in vollem Umfang die Schaffung einer B-1-Stelle. Im übrigen hat Herr Simonet darum gebeten, daß die Kommission die Verdienste des Herrn Marchai berücksichtigt, wenn sich Gelegenheit dazu bietet.“

Schließlich wurde eine solche Stelle im Haushaltsplan 1976 ausgebracht, und die Kommission veröffentlichte hierfür im Frühjahr 1976 die Stellenausschreibung KOM/267/76.

Diese Ausschreibung lautete, soweit dies hier von Bedeutung ist, wie folgt:

Dienststelle: I — Auswärtige Beziehungen

Delegation der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in den Vereinigten Staaten von Amerika — Euratom-Versorgungsagentur

Dienstort: Washington

Art der Tätigkeit: Verwaltungsamtsrat

Erledigung besonders schwieriger und komplexer Büroarbeiten nach allgemeinen Weisungen des Leiters der Delegation, und zwar:

Verbindung zu den amerikanischen Behörden und Lieferanten bezüglich der von der Versorgungsagentur abgeschlossenen Verträge über die Lieferung von Kernbrennstoffen;

Weiterleitung von Informationen und Ausführung von routinemäßigen oder sonstigen Arbeiten im Zusammenhang mit der Durchführung der Verträge nach Weisungen der Agentur;

Unterrichtung der Versorgungsagentur über die Entwicklung der Kernbrennstoffversorgung in den Vereinigten Staaten.

Geforderte Voraussetzungen:

Abgeschlossene höhere Schulbildung oder gleichwertige Berufserfahrung;

Gründliche Kenntnis des Industriezweigs Kernbrennstoffe;

Gründliche kaufmännische Erfahrung erwünscht;

Gründliche einschlägige Erfahrung.“

Es folgten Angaben über die von den Bewerbern geforderten Sprachkenntnisse.

Auf die Ausschreibung reichten drei Beamte ihre Bewerbung ein, nämlich die Klägerin und Herr Marchai, die natürlich beide eine ausreichende Dienstzeit in der Besoldungsgruppe B 2 zurückgelegt hatten, um auf diese Stelle befördert zu werden, sowie ein B-1-Beamter der Generaldirektion Energie, der auf die Stelle versetzt werden konnte.

Die jeweiligen Verdienste der Bewerber wurden in einer von einem Beamten der Generaldirektion Auswärtige Beziehungen verfaßten Note vom 16. Juni 1976 (Anlage V zur Klagebeantwortung) bewertet. Es war nicht überraschend, daß im Ergebnis Herr Marchai der am besten Geeignete für den Posten war; er wurde dann auch zu gegebener Zeit ernannt.

Damals lag für Herrn Marchai eine auf den neuesten Stand gebrachte Reihe von regelmäßigen Beurteilungen gemäß Artikel 43 des Beamtenstatuts vor, während die letzte regelmäßige Beurteilung der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 1971 bis 30. Juni 1973 galt. Eine Beurteilung für die Zeit vom 1. Juli 1973 bis 30. Juni 1975 war über sie nicht erstellt worden.

Am 31. Juli 1976 legte die Klägerin eine Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Beamtenstatuts ein. Darin betonte sie, das dienstliche Interesse verlange, daß sie nach Besoldungsgruppe B 1 befördert werde und die mit Herrn Marchal besetzte B-2-Stelle auf die Generaldirektion Energie, zu der sie gehöre, übertragen werde. Das dienstliche Interesse verlange jedoch nicht die Beförderung des Herrn Marchai nach Besoldungsgruppe B 1. Sobald eine B-1-Stelle für die Versorgungsagentur zur Verfügung gestanden habe, hätte die Anstellungsbehörde bei ordnungsgemäßer Ausübung ihrèr Befugnisse sie auf diese Stelle befördern müssen, wodurch ihre B-2-Stelle für Herrn Marchai und seine B-2-Stelle für die Generaldirektion Energie frei geworden wäre. Die Klägerin bat, so zu verfahren.

Da ihre Beschwerde unbeantwortet blieb, hat die Klägerin am 22. Februar 1977 die vorliegende Klage beim Gerichtshof erhoben. Damit beantragt sie, die Stellenausschreibung KOM/267/76 für ungültig zu erklären, ebenso die Entscheidung über die Ablehnung ihrer Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle und die Ernennung des Herrn Marchai für diese Stelle sowie die stillschweigende ablehnende Entscheidung über ihre Beschwerde.

Dies ist in groben Zügen der Sachverhalt. Es ist jedoch noch etwas nachzutragen. Die Kommission legte für 1977 ein neues Verfahren für Beförderungen von einer Laufbahn in die andere in den Laufbahngruppen B und C fest (siehe Anlage IX zur Gegenerwiderung). Aufgrund dieses Verfahrens schlug der Generaldirektor der Euratom-Versorgungsagentur die Klägerin zur Beförderung nach Besoldungsgruppe B 1 vor. Seinem Vorschlag wurde indessen nicht entsprochen. Dies ist Gegenstand einer von der Klägerin eingereichten zweiten Klage (Rechtssache 25/78), die vor der Zweiten Kammer schwebt.

Die Kommission trägt vor, die vorliegende Klage sei unzulässig, soweit sie die Gültigkeit der Stellenausschreibung in Zweifel ziehe. Zur Unterstützung dieses Vorbringens macht die Kommission zwei Argumente geltend, die nach meiner Ansicht beide fehlgehen.

Das erste lautet, daß die Bekanntgabe einer Stellenausschreibung nicht als eine beschwerende Maßnahme angesehen und somit nicht vor dem Gerichtshof angefochten werden könne. Dies ist eindeutig falsch: Ich verweise insoweit auf die Rechtssache 79/74 (Küster/Parlament, Slg. 1975, 725), in der der Gerichtshof anders entschieden hat.

Zweitens trägt die Kommission vor, was die Klägerin in Wirklichkeit angreife, sei nicht so sehr die Stellenausschreibung selbst, sondern die Entscheidung, die neugeschaffene Planstelle Washington zuzuweisen. Diese Entscheidung sei in Ausübung ihres Ermessens hinsichtlich der Organisation ihrer Abteilungen und Dienststellen, so wie sie sie für richtig halte, getroffen worden und könne nicht von einem Beamten gerichtlich angefochten werden. Die Kommission bezieht sich insoweit auf die verbundenen Rechtssachen 109/63 und 13/64 (Muller/Kommission, Slg. 1964, 1411). In jenem Fall ging es aber nicht um eine Entscheidung in bezug auf eine spezifische Stelle, sondern um die Aufstellung einer allgemeinen Regel durch die Kommission, wonach in denjenigen Abteilungen oder Dienststellen, in denen nur ein Dienstposten der Laufbahngruppe A vorhanden ist, die Vertretung des Dienstposteninhabers in dessen Abwesenheit durch einen Beamten der Laufbahngruppe A einer anderen Abteilung oder Dienststelle zu erfolgen hat.

Auch wenn man davon ausgeht, daß die in Rede stehende Entscheidung von der Kommission in Ausübung der Ermessensbefugnis, auf die sie sich beruft, getroffen wurde, so ist die Klägerin nach meiner Auffassung dennoch dann, wenn diese Entscheidung einen sie beschwerenden Verstoß gegen eine Bestimmung des Beamtenstatuts oder einen Ermessensmißbrauch darstellt, berechtigt, die Stellenausschreibung als Ausdruck dieser Entscheidung aufheben zu lassen (vgl. die verbundenen Rechtssachen 18 und 35/65, Gutmann/ Kommission, Slg. 1966, 153, und die Rechtssache 17/68, Reinarz/Kommission, Slg. 1969, 61).

Ich wende mich nun der Begründetheit der Klage zu.

Insoweit ist das Vorbringen der Klägerin etwas merkwürdig formuliert, da erklärt wird, es stütze sich auf einen einzigen Grund, und dann folgende drei Gründe angeführt werden:

1.

Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 1 des Beamtenstatuts, weil die Anstellungsbehörde nicht „ausschließlich nach dienstlichen Gesichtspunkten“ gehandelt habe;

2.

Ermessensmißbrauch, weil die genannte Behörde ihre Befugnisse zu dem unzulässigen Zweck, die Beförderung des Herrn Marchai zustande zu bringen, ausgeübt habe; und

3.

Verstoß gegen Artikel 45 Absatz 1 des Beamtenstatuts, weil zum Zeitpunkt der Abwägung der Verdienste der Bewerber um die Stelle die letzte regelmäßige Beurteilung der Klägerin nicht vorgelegen habe.

Die Gründe zu 1 und 2 drücken meines Erachtens in Wirklichkeit dieselbe Rüge auf zweierlei Weise aus; ich werde sie daher gleich zusammen behandeln.

Die Klägerin stützt ihre Klage — ungefähr ebenso, wie sie es bei ihrer Verwaltungsbeschwerde getan hat — auf das Argument, daß, wenn nur eine B-1-Stelle der Versorgungsagentur habe zur Verfügung gestellt werden können, diese ihr habe zuerkannt werden müssen, da sie 17 Jahre lang die Aufgaben eines B-1-Beamten ausgeübt habe, erheblich älter sei als Herr Marchai und ein höheres Dienstalter in der Besoldungsgruppe B 2 habe als er. Daß die Stelle Herrn Marchai zuerkannt worden sei, sei auf eine Mißachtung des dienstlichen Interesses oder auf einen Ermessensmißbrauch zurückzuführen, die darin bestünden, daß die Stelle von vornherein für Herrn Marchai bestimmt gewesen sei.

Nach meiner Ansicht läßt sich eine solche Argumentation nicht aufrechterhalten.

Der Gerichtshof hat entschieden, daß, wenn auch nach Artikel 7 Absatz 1 von einem Beamten — außer bei vorübergehender Verwendung — nicht verlangt werden kann, daß er Aufgaben wahrnimmt, die zu einer höheren Besoldungsgruppe gehören, doch die Tatsache, daß er sich zu deren Übernahme bereit erklärt, bei der Beförderung zu berücksichtigen sein kann, ihm indessen keinen Anspruch auf Neueinstufung gibt (siehe Rechtssache 28/72, Tontodonati/Kommission, Slg. 1973, 779, Randnr. 8 der Entscheidungsgründe, und Rechtssache 189/73, Van Reenen/Kommission, Slg. 1975, 445, Randnr. 6 der Entscheidungsgründe). Beide Parteien haben noch eine frühere Entscheidung angeführt, und zwar die in der Rechtssache 77/70 (Prelle/ Kommission, Slg. 1971, 561), die mir aber hier nicht einschlägig zu sein scheint.

Man darf nicht vergessen, daß zu der maßgebenden Zeit der Generaldirektor der Versorgungsagentur, der offensichtlich der Klägerin gegenüber überaus günstig eingestellt war (was sich nicht nur aus den von mir erwähnten Unterlagen ergibt, sondern auch aus den regelmäßigen Beurteilungen der Klägerin, Anlagen 6 und 7 zur Klageschrift, Anlage I zur Klagebeantwortung), zweimal in zwei aufeinanderfolgenden Jahren eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 1 für sie beantragt hatte und zweimal zurückgewiesen wurde. Die Kommission hat uns mitgeteilt — und ich glaube ihr gern —, daß in der Atmosphäre der Sparsamkeit, die bei Aufstellung des Haushaltsplans für 1976 in sämtlichen Gemeinschaftsorganen herrschte, der Versuch aussichtslos gewesen wäre, zwei B-1-Stellen für eine so kleine Abteilung wie die Agentur zu erhalten. Das Ergebnis hätte so aussehen können, daß man überhaupt keine Stelle bekommen hätte. Daher mußte der Generaldirektor — auch unabhängig von der Intervention des Herrn Simonet — entscheiden, welcher von den beiden verdienten Beamten, für die er im Jahr zuvor B-1-Stellen beantragt hatte, die anspruchsvolleren Tätigkeiten ausübte. Er hatte dabei natürlich in jedem Fall die Art der mit dem Dienstposten verbundenen Aufgaben zu berücksichtigen, aber nicht das Lebensalter, das Beförderungsdienstalter, die Länge der Dienstzeit oder die persönlichen Verdienste des jeweiligen Amtsinhabers. Uns liegen — nicht nur in den von mir erwähnten Noten, sondern auch in den regelmäßigen Beurteilungen des Herrn Marchai (Anlagen II, III und IV zur Klagebeantwortung) — umfangreiche Beweise über die Art der Aufgaben des Herrn Marchai vor. Aufgrund dieser Unterlagen meine ich, daß der Generaldirektor zweifellos die Ansicht vertreten konnte, daß diese Aufgaben einem B-1-Dienstposten entsprachen und daß sie anspruchsvoller waren als diejenigen des Büroleiters der Agentur, obgleich diese auch Aufgaben eines B-1-Dienstpostens waren.

Nichts deutet darauf hin, daß der Generaldirektor und nach ihm die Kommission diese Ansicht nicht aufrichtig vertreten hätten, mit Ausnahme der Tatsache, daß sich Herr Simonet persönlich für Herrn Marchai verwendet hatte und in der Note des Generaldirektors vom 25. März 1975 auf diese Intervention Bezug genommen wurde. Eben wegen dieser Umstände ist der Fall in meinen Augen nicht einfach. Doch bin ich nach einigem Zögern zu der Schlußfolgerung gelangt, daß sie nicht genügend Gewicht haben, um die Entscheidung, die Stelle Washington zuzuweisen, ungültig werden zu lassen. Wenn aber diese Entscheidung gültig ist, kann der Inhalt der Stellenausschreibung meines Erachtens nicht beanstandet werden.

Ich komme nun zur Frage des Artikels 45 Absatz 1 des Beamtenstatuts.

In der Rechtssache 29/74 (De Dapper/Parlament, Slg. 1975, 35) hat der Gerichtshof früheren Entscheidungen (die ich auf S. 45 zusammengestellt habe) folgend, Ernennungen, die im Wege der Beförderung erfolgt waren, in einem Fall aufgehoben, in dem zur Zeit der Abwägung der Verdienste der Bewerber nur für einige von ihnen auf dem letzten Stand befindliche regelmäßige Beurteilungen vorgelegen hatten. Der Gerichtshof hat entschieden, daß dieses Verfahren nicht den Anforderungen des Artikels 45 genügte. In der Rechtssache 61/76 (Geist/Kommission, Slg. 1977, 1419) hat der Gerichtshof nochmals betont, wie wichtig es ist, daß die Gemeinschaftsorgane ihre Verpflichtung aus Artikel 43 des Beamtenstatuts, die Beurteilungen ihrer Beamten zu den vorgeschriebenen Zeitpunkten zu erstellen, strikt einhalten. Jener Fall war so gelagert, daß keine Entscheidung aufzuheben war; der Gerichtshof hat vielmehr dem Kläger, dessen Beurteilungen nicht auf dem letzten Stand waren, einen beträchtlichen Schadensersatz zugesprochen, obgleich der Kläger nicht nachweisen konnte, daß er dadurch einen materiellen Schaden erlitten hatte.

Hier braucht nicht entschieden zu werden, ob die Klägerin — bei einem entsprechenden Antrag — aufgrund dieser Rechtsprechung Anspruch auf Schadenersatz hätte. Sie hat ihn nicht beantragt, möglicherweise deshalb nicht, weil sie sich weniger in finanzieller Hinsicht als in ihrem Stolz verletzt fühlt. Demnach stellt sich nur die Frage, ob die Tatsache, daß zu der Zeit, als die Verdienste der Kandidaten für eine Beförderung auf die neue Stelle gegeneinander abgewogen wurden, die letzte Beurteilung der Klägerin noch nicht erstellt war, ein Grund dafür ist, die Ernennung des Herrn Marchai auf diese Stelle für ungültig zu erklären.

Auf den ersten Blick führt die Entscheidung in der Rechtssache De Dapper/ Parlament eindeutig dazu, diese Frage zu bejahen. Der Gerichtshof hat jedoch in mehreren Urteilen entschieden, daß sich ein Beamter, der die Gültigkeit einer Verwaltungsentscheidung bestreitet, nicht auf die Fehlerhaftigkeit des Verfahrens berufen kann, das zu dieser Entscheidung geführt hat, es sei denn, er kann nachweisen, daß er sich ohne diese Fehlerhaftigkeit in einer besseren Position befände. Die früheren Entscheidungen in diesem Sinne habe ich in meinen Schlußanträgen in der Rechtssache 90/74 (Deboeck/Kommission, Slg. 1975, 1123, 1141 f.) zusammengestellt. Seitdem ist dieser Grundsatz im Urteil in dieser Rechtssache selbst (Randnrn. 11 bis 15 der Entscheidungsgründe) und in der jüngeren Rechtssache 9/76 (Morello/Kommission, Slg. 1976, 1415, Randnr. 11 der Entscheidungsgründe) erneut bekräftigt worden. von den früheren Rechtssachen scheint mir die Rechtssache 115/73 (Serio/Kommission, Slg. 1974, 341) der vorliegenden besonders zu ähneln; darin hat sich der Gerichtshof geweigert, ein Auswahlverfahren deshalb aufzuheben, weil der Anstellungsbehörde nicht alle Befähigungsnachweise eines abgelehnten Bewerbers vorgelegen hatten, denn es war nicht ersichtlich, daß die unberücksichtigt gebliebenen Nachweise geeignet waren, eine Entscheidung zu seinen Gunsten herbeizuführen (siehe Randnr. 7 der Entscheidungsgründe).

Auch wenn ich mir die größte Mühe gebe, so kann ich doch nicht glauben, daß, wenn im vorliegenden Fall die Beurteilung der Klägerin für die Jahre 1973 bis 1975 zur Zeit der Abwägung der Verdienste der Bewerber vorgelegen hätte, dies im Ergebnis auch nur den geringsten Unterschied gemacht hätte. Ihre früheren Beurteilungen waren höchst schmeichelhaft, und die fehlende hätte kaum noch besser sein können. Sie war es, als sie schließlich erstellt wurde, in der Tat auch nicht (siehe Anlage I zur Klagebeantwortung). Die Klägerin hat vorgetragen, in dieser Beurteilung sei erwähnt, daß im Jahre 1974 einige Aufgaben, die sie früher wahrgenommen habe, zu ihrer Entlastung einem' zu diesem Zweck eingestellten Beamten der Laufbahngruppe A übertragen worden seien, wobei hinzugefügt worden sei, daß „diese Übertragung keinesfalls als Mißachtung der Fähigkeiten von Frau De Roubaix zu verstehen ist“. Meines Erachtens ist aber klar, daß zu den entscheidenden Voraussetzungen für die Besetzung der Stelle in Washington die Erfahrung im Umgang mit den amerikanischen Behörden und Firmen, die Kernbrennstoffe liefern, gehörte. Herr Marchai hatte diese Erfahrung, die Klägerin jedoch nicht. Vielleicht hätte sie sie erwerben können, wie es Herr Marchai hatte tun müssen (siehe Anlage II zur Klagebeantwortung): es konnte aber nicht im dienstlichen Interesse liegen, daß die Kommission in dieser Hinsicht ein Experiment machte, wo doch Herr Marchai seine Aufgaben offenkundig zu jedermanns Zufriedenheit erledigte.

Im Ergebnis bin ich, obgleich ich große Sympathie für die Klägerin habe, nicht der Auffassung, daß sie mit ihrer Klage durchdringen kann.

Es bleibt noch die Frage der Kosten. Ich verstehe Artikel 69 in Verbindung mit Artikel 70 der Verfahrensordnung so, daß in einer Beamtenrechtssache, in der der Kläger unterliegt, in der Regel jede Partei ihre eigenen Kosten trägt. Der Gerichtshof kann jedoch dem Kläger die Kosten auferlegen, die er dem beklagten Organ ohne angemessenen Grund oder böswillig verursacht hat. Ist der Beklagte, obgleich er im Ergebnis obsiegt hat, in einigen Punkten gescheitert, so kann ihm ein Teil der Kosten des Klägers auferlegt werden, unabhängig davon, ob er sie insoweit ohne angemessenen Grund oder böswillig verursacht hat.

In der Rechtssache 54/77 (Herpels/Kommission, Urteil vom 9. März 1978, noch nicht veröffentlicht) hat es der Gerichtshof in einer Beamtenrechtssache mit einem Fall zu tun gehabt, in dem der Kläger eine seiner Forderungen böswillig erhoben hatte, während die Beklagte, die im Ergebnis obsiegte, mit einigen ihrer Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Klage gescheitert war. Der Gerichtshof hat diese beiden Gesichtspunkte gegeneinander aufgehoben und jede Partei ihre eigenen Kosten tragen lassen.

Hier ist nach meiner Ansicht keine der Forderungen der Klägerin böswillig erhoben, doch gehen — sofern Sie meine Auffassung teilen — die Einwendungen der Kommission gegen die Klagezulässigkeit fehl.

Sie mögen es deshalb für richtig halten, der Kommission (sagen wir) ein Drittel der Kosten der Klägerin aufzuerlegen.


( 1 ) Aus dem Englischen übersetzt.