URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 24. MAI 1977. - HOFFMANN-LA ROCHE AG GEGEN CENTRAFARM VERTRIEBSGESELLSCHAFT PHARMAZEUTISCHER ERZEUGNISSE MBH (" AUSLEGUNG VON ARTIKEL 177 "). - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE. - RECHTSSACHE 107-76.
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Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor
1 . VORABENTSCHEIDUNGSERSUCHEN - VERFAHREN WEGEN EINSTWEILIGER VERFÜGUNG - ANRUFUNG DES GERICHTSHOFES - ZULÄSSIGKEIT
( EWG-VERTRAG , ARTIKEL 177 ABSATZ 2 )
2 . VORABENTSCHEIDUNGSERSUCHEN - VERFAHREN WEGEN EINSTWEILIGER VERFÜGUNG - ANRUFUNG DES GERICHTSHOFES - HAUPTVERFAHREN - EINLEITUNG - MÖGLICHKEIT - VORLAGEPFLICHT - NICHTBESTEHEN
( EWG-VERTRAG , ARTIKEL 177 ABSATZ 3 )
1 . DER SUMMARISCHE CHARAKTER UND DIE EILBEDÜRFTIGKEIT EINES EINZELSTAATLICHEN VERFAHRENS HINDERN DEN GERICHTSHOF NICHT , DIE ZULÄSSIGKEIT EINES VORABENTSCHEIDUNGSERSUCHENS NACH ARTIKEL 177 ABSATZ 2 EWG-VERTRAG STETS ZU BEJAHEN , WENN EIN EINZELSTAATLICHES GERICHT EIN VORGEHEN NACH DIESER BESTIMMUNG FÜR ERFORDERLICH HÄLT .
2 . ARTIKEL 177 ABSATZ 3 EWG-VERTRAG IST DAHIN AUSZULEGEN , DASS EIN EINZELSTAATLICHES GERICHT IN EINEM VERFAHREN WEGEN EINSTWEILIGER VERFÜGUNG ZUR VORLAGE EINER AUSLEGUNGS- ODER GÜLTIGKEITSFRAGE IM SINNE DIESER BESTIMMUNG AN DEN GERICHTSHOF AUCH DANN NICHT VERPFLICHTET IST , WENN DIE IM VERFÜGUNGSVERFAHREN ERGEHENDE ENTSCHEIDUNG NICHT MEHR MIT RECHTSMITTELN ANGEFOCHTEN WERDEN KANN , SOFERN ES JEDER PARTEI UNBENOMMEN BLEIBT , EIN HAUPTVERFAHREN , IN DEM DIE IM SUMMARISCHEN VERFAHREN VORLÄUFIG ENTSCHIEDENE FRAGE ERNEUT GEPRÜFT WERDEN UND DEN GEGENSTAND EINER VORLAGE NACH ARTIKEL 177 BILDEN KANN , ENTWEDER SELBST EINZULEITEN ODER DESSEN EINLEITUNG ZU VERLANGEN .
1 DAS OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE HAT DEM GERICHTSHOF MIT BESCHLUSS VOM 7 . OKTOBER 1976 , BEIM GERICHTSHOF EINGEGANGEN AM 17 . NOVEMBER 1976 , GEMÄSS ARTIKEL 177 EWG-VERTRAG DREI FRAGEN ZUR AUSLEGUNG DES ARTIKELS 177 ABSATZ 3 EWG-VERTRAG SOWIE EINIGER SONSTIGER VERTRAGSBESTIMMUNGEN , INSBESONDERE DER ARTIKEL 36 UND 86 , UNTER DEM GESICHTSPUNKT IHRER AUSWIRKUNG AUF DEN SCHUTZ VON WARENZEICHENRECHTEN GESTELLT . DIESE FRAGEN SIND IM RAHMEN EINES DEUTSCHEN GERICHTSVERFAHRENS AUFGEWORFEN WORDEN , IN DEM EIN UNTERNEHMEN MIT DER BEGRÜNDUNG , VON IHM AUSGEUEBTE WARENZEICHENRECHTE AN EINEM BESTIMMTEN PHARMAZEUTISCHEN ERZEUGNIS SEIEN DURCH DAS VORGEHEN EINES ANDEREN UNTERNEHMENS VERLETZT WORDEN , BEANTRAGT HAT , DEM ANDEREN UNTERNEHMEN IM WEGE DER EINSTWEILIGEN VERFÜGUNG DIE BENUTZUNG DER BETROFFENEN WARENZEICHEN ZU UNTERSAGEN . GEGEN DAS DEM ANTRAG STATTGEBENDE URTEIL DES LANDGERICHTS FREIBURG IST BERUFUNG BEIM OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE EINGELEGT WORDEN ; DIESES HAT DAS VERFAHREN AUSGESETZT UND DEM GERICHTSHOF DIE DREI ERWÄHNTEN FRAGEN ZUR VORABENTSCHEIDUNG VORGELEGT .
2 MIT DER ERSTEN FRAGE WILL DAS OBERLANDESGERICHT WISSEN , OB EIN EINZELSTAATLICHES GERICHT NACH ARTIKEL 177 ABSATZ 3 EWG-VERTRAG VERPFLICHTET IST ,
' ' EINE DIE AUSLEGUNG DES GEMEINSCHAFTSRECHTS BETREFFENDE FRAGE . . . DEM EUROPÄISCHEN GERICHTSHOF ZUR BEANTWORTUNG VORZULEGEN , WENN DIESE FRAGE IN EINEM VERFAHREN WEGEN EINSTWEILIGER VERFÜGUNG AUFTRITT , WENN GEGEN DIE ENTSCHEIDUNG DES GERICHTS IM VERFÜGUNGSVERFAHREN EIN RECHTSMITTEL NICHT MEHR GEGEBEN IST , WENN ABER ANDERERSEITS DIE PARTEIEN DIE MÖGLICHKEIT HABEN , DIE DEN GEGENSTAND DES VERFÜGUNGSVERFAHRENS BETREFFENDE FRAGE ZUM GEGENSTAND EINES REGULÄREN PROZESSVERFAHRENS ZU MACHEN , IN DEM GEGEBENENFALLS EINE VORLAGE NACH ARTIKEL 177 ABSATZ 3 EWG-VERTRAG ERFOLGEN MÜSSTE ' ' .
3 NACH DER DEUTSCHEN ZIVILPROZESSORDNUNG KANN DAS ZUSTÄNDIGE GERICHT BEI EILBEDÜRFTIGKEIT IN EINEM SUMMARISCHEN VERFAHREN VORLÄUFIGE MASSNAHMEN ZUR SICHERUNG BESTIMMTER GEFÄHRDETER RECHTE ERLASSEN . ERGEHT DIE ENTSCHEIDUNG OHNE MÜNDLICHE VERHANDLUNG DURCH BESCHLUSS , SO KANN DIE UNTERLIEGENDE PARTEI HIERGEGEN WIDERSPRUCH BEI DEM GERICHT EINLEGEN , DAS DEN BESCHLUSS ERLASSEN HAT ; ÜBER DEN WIDERSPRUCH WIRD DURCH ENDURTEIL ENTSCHIEDEN , GEGEN DAS DAS RECHTSMITTEL DER BERUFUNG GEGEBEN IST . DAS BERUFUNGSGERICHT ENTSCHEIDET ÜBER DAS GESUCH AUF ERLASS DER EINSTWEILIGEN VERFÜGUNG IN LETZTER INSTANZ ; EIN RECHTSMITTEL HIERGEGEN IST IM RAHMEN DIESES VERFAHRENS NICHT ZULÄSSIG . DER UNTERLEGENE VERFÜGUNGSBEKLAGTE KANN MIT ANTRAG BEIM GERICHT DES ERSTEN RECHTSZUGES JEDOCH VERLANGEN , DASS DER VERFÜGUNGSKLAEGER KLAGE ZUR HAUPTSACHE ERHEBT ; DIESES VERFAHREN UNTERLIEGT DANN DEN FÜR ORDENTLICHE ZIVILVERFAHREN GELTENDEN BESTIMMUNGEN . ZWAR WIRD DIE IM VERFAHREN WEGEN ERLASSES EINER EINSTWEILIGEN VERFÜGUNG ERGANGENE ENTSCHEIDUNG - VOR ALLEM AUF DEM GEBIET DES GEWERBLICHEN RECHTSSCHUTZES - VON DEN PARTEIEN HÄUFIG ALS ENDGÜLTIGE ENTSCHEIDUNG ÜBER DEN RECHTSSTREIT HINGENOMMEN , DOCH VERLIERT DAMIT DIE MÖGLICHKEIT , DAS VERFAHREN ZUR HAUPTSACHE EINZULEITEN ODER DEN GEGNER ZU ZWINGEN , DIES ZU TUN , KEINESWEGS IHRE PRAKTISCHE BEDEUTUNG . IM ÜBRIGEN IST IM VORLIEGENDEN FALL , WIE SICH AUS DEN AUSKÜNFTEN ERGIBT , WELCHE DIE PARTEIEN DEM GERICHTSHOF WÄHREND DES VERFAHRENS ERTEILT HABEN , DAS VERFAHREN ZUR HAUPTSACHE TATSÄCHLICH EINGELEITET WORDEN .
4 ARTIKEL 177 DES VERTRAGES , WONACH DER GERICHTSHOF IM WEGE DER VORABENTSCHEIDUNG ÜBER DIE AUSLEGUNG DES VERTRAGES SOWIE ÜBER DIE GÜLTIGKEIT UND DIE AUSLEGUNG VON AKTEN DES ABGELEITETEN GEMEINSCHAFTSRECHTS ENTSCHEIDET , BESTIMMT IN ABSATZ 3 :
' ' WIRD EINE DERARTIGE FRAGE IN EINEM SCHWEBENDEN VERFAHREN BEI EINEM EINZELSTAATLICHEN GERICHT GESTELLT , DESSEN ENTSCHEIDUNGEN SELBST NICHT MEHR MIT RECHTSMITTELN DES INNERSTAATLICHEN RECHTS ANGEFOCHTEN WERDEN KÖNNEN , SO IST DIESES GERICHT ZUR ANRUFUNG DES GERICHTSHOFES VERPFLICHTET . ' '
DIE ERSTE FRAGE DES OBERLANDESGERICHTS KARLSRUHE BETRIFFT ALLEIN DIESE VORSCHRIFT UND NICHT ABSATZ 2 , WONACH DIE SONSTIGEN GERICHTE DER MITGLIEDSTAATEN DEN GERICHTSHOF UM VORABENTSCHEIDUNG ERSUCHEN KÖNNEN , OHNE HIERZU VERPFLICHTET ZU SEIN . WENN SOMIT DER GERICHTSHOF IN DER VORLIEGENDEN RECHTSSACHE AUCH NICHT ÜBER DIE AUSLEGUNG VON ABSATZ 2 ZU BEFINDEN HAT , SO IST DOCH DARAUF HINZUWEISEN , DASS IHN DER SUMMARISCHE CHARAKTER UND DIE EILBEDÜRFTIGKEIT EINES EINZELSTAATLICHEN VERFAHRENS UNZWEIFELHAFT NICHT HINDERN , DIE ZULÄSSIGKEIT EINES VORABENTSCHEIDUNGSERSUCHENS NACH ARTIKEL 177 ABSATZ 2 STETS ZU BEJAHEN , WENN EIN EINZELSTAATLICHES GERICHT EIN VORGEHEN NACH DIESER BESTIMMUNG FÜR ERFORDERLICH HÄLT .
5 ARTIKEL 177 HAT ZUM ZIEL , DIE EINHEITLICHE AUSLEGUNG UND ANWENDUNG DES GEMEINSCHAFTSRECHTS IN SÄMTLICHEN MITGLIEDSTAATEN SICHERZUSTELLEN ; IN DIESEM RAHMEN SOLL ABSATZ 3 INSBESONDERE VERHINDERN , DASS SICH IN EINEM MITGLIEDSTAAT EINE NATIONALE RECHTSPRECHUNG HERAUSBILDET , DIE MIT DEN NORMEN DES GEMEINSCHAFTSRECHTS NICHT IM EINKLANG STEHT . IN SUMMARISCHEN UND EILBEDÜRFTIGEN VERFAHREN DER HIER IN REDE STEHENDEN ART , WELCHE DIE GEWÄHRUNG VORLÄUFIGEN RECHTSSCHUTZES ZUM GEGENSTAND HABEN , IST DEN AUS DIESER ZIELSETZUNG FLIESSENDEN ANFORDERUNGEN GENÜGE GETAN , WENN IN EINEM ORDENTLICHEN VERFAHREN ZUR HAUPTSACHE EINE ERNEUTE PRÜFUNG JEDER IM SUMMARISCHEN VERFAHREN NUR VORLÄUFIG ENTSCHIEDENEN RECHTSFRAGE MÖGLICH IST , GLEICHGÜLTIG , OB DIESES VERFAHREN UNTER ALLEN UMSTÄNDEN ODER NUR AUF BETREIBEN DER UNTERLEGENEN PARTEI EINGELEITET WERDEN MUSS . UNTER DIESEN VORAUSSETZUNGEN IST DIE SPEZIFISCHE ZIELSETZUNG DES ARTIKELS 177 ABSATZ 3 GEWAHRT , DA DIE VERPFLICHTUNG , DEN GERICHTSHOF UM VORABENTSCHEIDUNG ZU ERSUCHEN , IM HAUPTVERFAHREN ZUM ZUGE KOMMT .
6 AUF DIE ERSTE FRAGE IST SOMIT ZU ANTWORTEN , DASS ARTIKEL 177 ABSATZ 3 EWG-VERTRAG DAHIN AUSZULEGEN IST , DASS EIN EINZELSTAATLICHES GERICHT IN EINEM VERFAHREN WEGEN EINSTWEILIGER VERFÜGUNG ZUR VORLAGE EINER AUSLEGUNGS- ODER GÜLTIGKEITSFRAGE IM SINNE DIESER BESTIMMUNG AN DEN GERICHTSHOF AUCH DANN NICHT VERPFLICHTET IST , WENN DIE IM VERFÜGUNGSVERFAHREN ERGEHENDE ENTSCHEIDUNG NICHT MEHR MIT RECHTSMITTELN ANGEFOCHTEN WERDEN KANN , SOFERN ES JEDER PARTEI UNBENOMMEN BLEIBT , EIN HAUPTVERFAHREN , IN DEM DIE IM SUMMARISCHEN VERFAHREN VORLÄUFIG ENTSCHIEDENE FRAGE ERNEUT GEPRÜFT WERDEN UND DEN GEGENSTAND EINER VORLAGE NACH ARTIKEL 177 BILDEN KANN , ENTWEDER SELBST EINZULEITEN ODER DESSEN EINLEITUNG ZU VERLANGEN .
7 DAS OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE HAT DEN GERICHTSHOF UM BEANTWORTUNG DER ZWEITEN UND DRITTEN FRAGE NUR FÜR DEN FALL DER BEJAHUNG DER ERSTEN FRAGE ERSUCHT . DA DIESE JEDOCH ZU VERNEINEN WAR , BRAUCHEN DIE BEIDEN ANDEREN FRAGEN IM VORLIEGENDEN VERFAHREN NICHT BEANTWORTET ZU WERDEN .
KOSTEN
8 DIE AUSLAGEN DER REGIERUNGEN DER FRANZÖSISCHEN REPUBLIK , DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND UND DES VEREINIGTEN KÖNIGREICHS SOWIE DER KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN , DIE VOR DEM GERICHTSHOF ERKLÄRUNGEN ABGEGEBEN HABEN , SIND NICHT ERSTATTUNGSFÄHIG . FÜR DIE PARTEIEN DES AUSGANGSVERFAHRENS IST DAS VERFAHREN EIN ZWISCHENSTREIT IN DEM VOR DEM EINZELSTAATLICHEN GERICHT ANHÄNGIGEN VERFAHREN . DIE KOSTENENTSCHEIDUNG OBLIEGT DAHER DIESEM GERICHT .
AUS DIESEN GRÜNDEN
HAT
DER GERICHTSHOF
AUF DIE IHM VOM OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE MIT BESCHLUSS VOM 14 . OKTOBER 1976 VORGELEGTEN FRAGEN FÜR RECHT ERKANNT :
ARTIKEL 177 ABSATZ 3 EWG-VERTRAG IST DAHIN AUSZULEGEN , DASS EIN EINZELSTAATLICHES GERICHT IN EINEM VERFAHREN WEGEN EINSTWEILIGER VERFÜGUNG ZUR VORLAGE EINER AUSLEGUNGS- ODER GÜLTIGKEITSFRAGE IM SINNE DIESER BESTIMMUNG AN DEN GERICHTSHOF AUCH DANN NICHT VERPFLICHTET IST , WENN DIE IM VERFÜGUNGSVERFAHREN ERGEHENDE ENTSCHEIDUNG NICHT MEHR MIT RECHTSMITTELN ANGEFOCHTEN WERDEN KANN , SOFERN ES JEDER PARTEI UNBENOMMEN BLEIBT , EIN HAUPTVERFAHREN , IN DEM DIE IM SUMMARISCHEN VERFAHREN VORLÄUFIG ENTSCHIEDENE FRAGE ERNEUT GEPRÜFT WERDEN UND DEN GEGENSTAND EINER VORLAGE NACH ARTIKEL 177 BILDEN KANN , ENTWEDER SELBST EINZULEITEN ODER DESSEN EINLEITUNG ZU VERLANGEN .