SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

FRANCESCO CAPOTORTI

VOM 1. MÄRZ 1978 ( 1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. 

Diese Schlußanträge beziehen sich, wie Sie wissen, auf fünf Klagen, die die Firma Bayerische HNL Vermehrungsbetriebe, Bernd Adleff, die Firma F. X. Zollner, Christof Schwab und Johann Seidl gemäß Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag gegen den Rat und die Kommission erhoben haben. Die Kläger begehren den Ersatz des Schadens, der ihnen angeblich durch die Auswirkung der Verordnung Nr. 563/76 des Rates vom 15. März 1976 über die Verpflichtung zum Ankauf von Magermilchpulver im Besitz der Interventionsstellen, das zur Verwendung in Futtermitteln bestimmt ist, entstanden ist.

Ein bedeutsamer erster Umstand ist als gesichert anzusehen: die Ungültigkeit der erwähnten Verordnung. Sie ist vom Gerichtshof in den Urteilen vom 5. Juli 1977 in den Vorabentscheidungssachen 114/76 (Bela-Mühle), 116/76 (Granaría) sowie 119 und 120/76 (Ölmühle und Becher) — Slg. 1977, 1211 ff. —, über die gemeinsam mit vier der jetzigen Schadensersatzklagen verhandelt worden war, festgestellt worden. Ich brauche deshalb die Gesichtspunkte nicht zu wiederholen, die ich in meinen Schlußanträgen vom 7. Juni 1977 zur Frage der Vereinbarkeit der Verordnung Nr. 563/76 mit höherrangigen Regeln des Gemeinschaftsrechts ausgeführt habe. Es scheint mir vielmehr zweckmäßig, den letzten und wichtigsten Abschnitt der Entscheidungsgründe Ihrer Urteile vom 5. Juli zu zitieren. Es handelt sich um die Randziffer 7, in der es heißt:

„Die mit der Verordnung Nr. 563/76 eingeführte Regelung war eine zeitlich beschränkte Maßnahme zur Beseitigung der Folgen eines anhaltenden Ungleichgewichts in der gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse. Diese Regelung war dadurch gekennzeichnet, daß sie nicht nur den Erzeugnern des Milchsektors, sondern vor allem auch den Erzeugern anderer Agrarsektoren eine wirtschaftliche Belastung auferlegte, und zwar einmal in Form einer Verpflichtung zum Ankauf bestimmter Mengen eines Futtermittelerzeugnisses und zum anderen in Form der Festsetzung eines Ankaufspreises für dieses Erzeugnis, der dreimal so hoch war wie der für die Erzeugnisse, an deren Stelle es trat. Die Verpflichtung zum Ankauf zu einem derart disproportionierten Preis stellt eine diskriminierende Verteilung der Lasten auf die einzelnen Agrarsektoren dar. Außerdem war diese Verpflichtung nicht erforderlich, um das angestrebte Ziel, nämlich den Absatz der Magermilchpulverbestände, zu erreichen. Sie war daher im Rahmen der Verwirklichung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik nicht zu rechtfertigen.“

Nach den Urteilen vom 5. Juli 1977 trat das schriftliche Verfahren über die vorliegenden Rechtssachen in eine neue Phase. Der Gerichtshof hat nämlich die Parteien aufgefordert, alle sachdienlichen Angaben zur Frage des Kausalzusammenhangs zwischen den Bestimmungen der für ungültig erklärten Verordnung und dem geltend gemachten Schaden vorzutragen sowie die Unterlagen für den Nachweis der Auswirkung der Verordnung Nr. 563/76 auf die Futterpreise zu ergänzen. Die am 6. April 1977 erhobene Klage 40/77 hat der Gerichtshof — mit Beschluß vom 9. Januar 1978 — mit den vier früheren Rechtssachen verbunden. Im Hinblick auf die mündliche Verhandlung hat der Gerichtshof angeordnet, diese solle sich mit den „Folgen der Ungültigkeit der Verordnung Nr. 563/76 des Rates, jedoch unter Ausschluß der Bezifferung des Schadens“, befassen. Die Parteien sind dieser Aufforderung nachgekommen; und selbstverständlich werde ich mich in meinen Schlußanträgen in diesen Grenzen halten und die Frage der Bezifferung des Schadens beiseite lassen.

2. 

Da es darum geht festzustellen, ob die Gemeinschaftsorgane aufgrund einer für ungültig erklärten Verordnung haften, scheint es mir zweckmäßig, einleitend zweierlei klarzustellen. Erstens begründet der normative Charakter von Verordnungen kein grundsätzliches Hindernis dafür, daß die Gemeinschaft zum Ersatz der Schäden verpflichtet sein kann, die durch im Widerspruch zu höherrangigen Normen stehende Verordnungen verursacht worden sind. Zweitens ist die Verletzung bestimmter Normen, die die Ungültigkeit eines Aktes zur Folge hat, keine hinreichende Voraussetzung für die Begründung der Haftung des Urhebers des Aktes.

Zum ersten Punkt bemerke ich, daß, bezieht man sich auf die innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, leicht festzustellen ist, daß zwischen diesen im Bereich der Haftung des Staates (oder kleinerer territorialer Einheiten) für rechtswidrige normative Akte zahlreiche Unterschiede bestehen. Der typische normative Akt ist das Gesetz, aber es ist nicht in allen Rechtsordnungen möglich, das Gesetz auf seine Vereinbarkeit mit einer höherrangigen Norm zu prüfen; das englische Verfassungssystem schließt zum Beispiel eine derartige Möglichkeit aus. Auch in den Rechtsordnungen, in denen es eine klare Hierarchie zwischen Vorschriften des Verfassungsrechts und Vorschriften des einfachen Gesetzesrechts gibt (wie insbesondere in Italien und Deutschland), ist die Frage der Haftung für Schäden aus einem verfassungswidrigen Gesetz alles andere als gelöst. Man darf freilich nicht vergessen, daß in allen Staaten auch gewisse Akte der öffentlichen Verwaltung wie die Rechtsverordnungen der Verwaltung oder der Regierung beziehungsweise der Ministerien normativen Charakter haben, also eine Regelung mit genereller Wirkung treffen. Insoweit ist aber im allgemeinen der Grundsatz anerkannt, daß diese Akte wie jede Handlung der Verwaltung die durch höherrangige Normen, darunter die Vorschriften von Gesetzen, gezogenen Grenzen einhalten müssen; und es kann auch als allgemein anerkannt gelten, daß der Staat für Schäden, die durch rechtswidrige Rechtsverordnungen entstanden sind, haftet (wenn auch unter von einer Rechtsordnung zur anderen unterschiedlichen Voraussetzungen).

Danach erschiene es unumgänglich zu entscheiden, ob die Verordnungen der Gemeinschaft den Gesetzen oder den mit genereller Wirkung ausgestatteten Handlungen der Verwaltung gleichzustellen sind, um festzustellen, welchem Bereich jene „allgemeinen Rechtsgrundsätze, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind“, auf die Artikel 215 EWG-Vertrag die außervertragliche Haftung stützt, zu entnehmen sind. Jede der beiden Lösungen kann sich auf bestimmte Argumente stützen. Stellt man auf die Funktion ab, die die Verordnungen des Rates innerhalb der Gemeinschaftsrechtsordnung erfüllen, indem sie den „Rahmen“ des Vertrages mit neuen Inhalten füllen, und denkt man vor allem an die Grundverordnungen und an jene Verordnungen, die weitreichende wirtschaftspolitische Entscheidungen enthalten, dann scheint es sicher, daß solche Akte sehr viel mehr den staatlichen Gesetzen ähneln als den Rechtsverordnungen. Da freilich alle Gemeinschaftsverordnungen der Rechtmäßigkeitskontrolle des Gerichtshofes unterliegen und folglich auf ihre Vereinbarkeit mit den höherrangigen Normen des Vertrages geprüft werden, läßt sich der Vergleich mit den innerstaatlichen Gesetzen leichter für diejenigen staatlichen Rechtsordnungen ziehen, in denen die Gesetze der Prüfung auf ihre Verfassungsmäßigkeit durch Rechtsprechungsorgane unterliegen. Im übrigen ist aber auch in diesen Grenzen wegen der strukturellen Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen der Staaten und der Gemeinschaft und insbesondere wegen des Umstandes, daß die Gemeinschaftsverordnungen nicht, wie dies bei den staatlichen Gesetzen der Fall ist, von einem parlamentarischen Organ erlassen werden, die Analogie alles andere als vollständig. Auch aus diesem Grund ist die Notwendigkeit einer Überwachung der Rechtmäßigkeit solcher Akte durch die Rechtsprechung im System des Gemeinschaftsrechts stärker spürbar geworden, als dies bei staatlichen Gesetzen der Fall ist. Andererseits weist das in Artikel 173 EWG-Vertrag geregelte System der Anfechtungsklagen starke Ähnlichkeiten mit den Rechtsbehelfen auf, die einige innerstaatliche Rechtsordnungen gegen Verwaltungshandlungen zur Verfügung stellen.

Interessante Überlegungen zu dieser Frage finden sich in den Schlußanträgen vom 13. Juli 1971 des Generalanwalts Roemer in der Rechtssache Zuckerfabrik Schöppenstedt (Slg. 1971, 989-991). Er hob hervor, die Frage, ob Schadensersatzansprüche aus normativen Akten hergeleitet werden könnten, werde in Frankreich und in Belgien bejaht, und in Italien und in Deutschland würden Ansprüche nicht ausgeschlossen.

Aber jenseits der allgemeinen Rechtsgrundsätze der Mitgliedstaaten unterstrich er die Notwendigkeit, auf die „speziellen Vertragsziele und die Besonderheiten der Gemeinschaftsstruktur“ abzustellen, und erwähnte insoweit die mangelhafte Ausbildung der parlamentarischen Kontrolle, den Grundsatz der weiten Auslegung der Bestimmungen über den Rechtsschutz der einzelnen und die Befugnis der einzelnen zur Anfechtung der Gemeinschaftsverordnungen. Von besonderem Interesse scheint mir schließlich der Hinweis des Generalanwalts Roemer auf Artikel 34 EGKS-Vertrag zu sein, der eine Schadensersatzpflicht der Hohen Behörde vorsieht, wenn der Gerichtshof eine Handlung der Hohen Behörde für nichtig erklärt und die Gemeinschaft für verantwortlich erklärt hat, auch wenn es sich um „allgemeine Entscheidungen“, also um Verordnungen, handelt.

Jedoch braucht diese Untersuchung nicht weiter vertieft zu werden. Ich glaube nämlich, daß eine Stellungnahme zu dem aufgeworfenen theroretischen Problem dadurch überflüssig wird, daß der Gerichtshof bereits wiederholt erklärt hat, daß die Gemeinschaft zum Ersatz des Schadens aus rechtswidrigen Verordnungen verpflichtet sein kann. Es geht aus dieser Rechtsprechung nicht hervor, ob der Ansicht des Gerichtshofes die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Mitgliedstaaten im Bereich der Staatshaftung für Handlungen mit Rechtssatzcharakter zugrunde liegen oder ob er sich auf die weitergehende Überlegung des Generalanwalts Roemer gestützt hat. Meines Erachtens ist es in Anbetracht der außerordentlichen Schwierigkeit, die Hierarchie der Gemeinschaftsrechtsnormen mit der der staatlichen Rechtsnormen zu vergleichen, folgerichtig, im Bereich der Haftung der öffentlichen Gewalt, was den Rat der Gemeinschaften anbelangt, der strengeren Lösung zu folgen; der Rat trägt das doppelte Gewand des Gesetzgebers und des Trägers öffentlicher Verwaltung, ohne jene demokratische Legitimation, jene Fähigkeit zum Ausdruck der Volkssouveränität zu besitzen, die es rechtfertigen können, den Gesetzgeber von den allgemeinen Regeln über die Haftung auszunehmen.

Ihre Urteile, auf die ich mich beziehe, sind die Urteile vom 2. Dezember 1971 in der Rechtssache 5/71 (Zuckerfabrik Schöppenstedt — Slg. 1971, 975), vom 13. Juni 1972 in den verbundenen Rechtssachen 9 und 11/71 (Compagnie d'approvisionnement — Slg. 1972, 392), vom 24. Oktober 1973 in der Rechtssache 43/72 (Merkur — Slg. 1973, 1056), vom 2. Juli 1974 in der Rechtsache 153/73 (Holtz & Willemsen — Slg. 1974, 676), vom 14. Mai 1975 in der Rechtssache 74/74 (Comptoir national technique agricole [CNTA] — Slg. 1975, 534) und vom 31. März 1977 in den Rechtssachen 54 bis 60/76 (Compagnie industrielle du Comté de Loheac — Slg. 1977, 645).

Der in allen diesen Entscheidungen — mit leichten sprachlichen Abweichungen aber inhaltlich im wesentlichen unverändert — bekräftigte Grundsatz wurde in dem Urteil vom 2. Dezember 1971 wie folgt zum Ausdruck gebracht: „Die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft setzt zumindest die Unrechtmäßigkeit der angeblich schadenstiftenden Handlung voraus. Da es sich um einen Rechtsetzungsakt handelt, der wirtschaftspolitische Entscheidungen einschließt, kann die Haftung der Gemeinschaft für den Einzelpersonen etwa durch diesen Akt entstandenen Schaden nach den Vorschriften von Artikel 215 Absatz 2 des Vertrages nur durch eine hinreichend qualifizierte Verletzung einer höherrangingen, dem Schutz der einzelnen dienenden Rechtsnorm ausgelöst werden.“

Meines Erachtens löst diese Rechtsprechung die grundsätzliche Frage, mit der ich mich bisher befaßt habe, in dem richtigen Sinne: Die Gemeinschaft kann zum Ersatz der durch rechtswidrige normative Akte verursachten Schäden verpflichtet sein. In der zitierten Entscheidung wird gerade von einem Rechtsetzungsakt gesprochen, „der wirtschaftspolitische Entscheidungen einschließt“: Zweifellos gehörte die Verordnung Nr. 563/76 zu ihnen, denn der vom Gerichtshof verwendete Begriff bezieht sich im wesentlichen auf Akte, die das Ergebnis der Ausübung einer Ermessensbefugnis bei der Regelung eines Wirtschaftssektors sind. Zugleich bestätigt diese Rechtsprechung auch den zweiten Punkt, den ich einleitend klarstellen wollte, also die fehlende Übereinstimmung zwischen den Gründen der Ungültigkeit und den Haftungsvoraussetzungen. In dem zitierten Abschnitt des Urteils Zuckerfabrik Schöppenstedt wird richtig bemerkt, daß die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft „zumindest“ die Unrechtmäßigkeit der schadenstiftenden Handlung voraussetzt; und es wird sogleich hinzugefügt, daß diese Haftung für Schäden, die durch Verordnungen verursacht worden sind, die wirtschaftspolitische Entscheidungen einschließen, von der Erfüllung zweier weiterer Voraussetzungen abhängt: daß die Norm eine „höherrangige, dem Schutz der einzelnen dienende Rechtsnorm“ verletzt und daß die Verletzung „hinreichend qualifiziert“ („suffisamment caractérisée“; „grave“) ist. Dies sind also die Merkmale, deren Erfüllung zusätzlich zu der bloßen Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Verordnung und vor der Behandlung der Fragen der Natur des Schadens, des Kausalzusammenhangs zwischen rechtswidrigem Verhalten und Schaden und des Betrags des zu ersetzenden Schadens nachgewiesen werden muß.

3. 

Im vorliegenden Fall ist es nicht schwer festzustellen, daß die verletzten Rechtsnormen oder zumindest zwei davon tatsächlich als Rechtsnormen mit höherem Rang als Verordnungen anzusehen sind, die dem Schutz der einzelnen dienen und denen ihrem Inhalt nach sogar subjektive Rechte der einzelnen entsprechen. Aus der zitierten Randnummer 7 der Entscheidungsgründe der Urteile vom 5. Juli 1977 ergibt sich vor allem, daß der Gerichtshof den Grundsatz des Diskriminierungsverbots als verletzt angesehen hat, denn er hat die durch die Verordnung Nr. 563/76 begründete Ankaufsverpflichtung als eine „diskriminierende Verteilung der Lasten auf die einzelnen Agrarsektoren“ bezeichnet. Ich glaube, es braucht nicht untersucht zu werden, ob der Gerichtshof sich bei dieser Beurteilung auf die in Artikel 40 Absatz 3 zweiter Unterabsatz EWG-Vertrag enthaltene Regel der Nichtdiskriminierung gestützt hat oder auf den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung, dem jede Gemeinschaftsrechtsnorm unterworfen ist; in beiden Fällen gehört die verletzte Rechtsnorm zur Zahl derer, die den einzelnen subjektive Rechte verleihen. An zweiter Stelle ist in den zitierten Urteilen mittelbar auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Bezug genommen worden, wie folgender Satz zeigt: „Außerdem war diese (Ankaufs-)Verpflichtung nicht erforderlich, um das angestrebte Ziel … zu erreichen.“ Auch dieser Grundsatz hat zweifellos höheren Rang als Verordnungsrecht, und auch er ist zum Schutze der einzelnen bestimmt, denen daraus ein entsprechendes grundlegendes subjektives Recht erwächst: Es sei mir gestattet, zu dieser Frage auf die eingehenden Ausführungen in meinen Schlußanträgen vom 7. Juni 1977 (Abschnitt 6) und auf die zitierte Rechtsprechung (insbesondere auf das Urteil vom 17. Dezember 1970 in der Rechtssache 25/70, Einfuhr- und Vorratsstelle/Köster — Slg. 1970, 1162) zu verweisen.

Im letzten Satz der zitierten Randnummer 7 der Entscheidungsgründe haben die Urteile vom 5. Juli 1977 schließlich den Artikel 39 EWG-Vertrag — der die Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik aufzählt — oder genauer gesagt den Artikel 40 Absatz 3 zweiter Unterabsatz des Vertrages mit der Verpflichtung der gemeinsamen Marktorganisationen, „sich auf die Verfolgung der Ziele des Artikels 39 zu beschränken“, für verletzt erklärt. In dem betreffenden Satz wird nämlich hervorgehoben, daß die in der Verordnung Nr. 563/76 aufgestellte Ankaufsverpflichtung „im Rahmen der Verwirklichung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik nicht zu rechtfertigen [war]“. Aber insoweit kann man zweifeln, ob es sich um eine Norm handelt, die dem Schutz der einzelnen dient und ihnen subjektive Rechte verleiht: Die Interessen der Adressaten der gemeinsamen Agrarpolitik werden sicher dadurch geschützt, jedoch nicht in Form der Gewährung von subjektiven Rechten. Indessen ändert dieser Gesichtspunkt des hier untersuchten Falles die Feststellungen über die Tragweite der anderen beiden verletzten Regeln, der Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit, nicht. Es hätte die Unvereinbarkeit mit auch nur einer dieser Regeln genügt, um jede Rechtsverordnung als rechtswidrig und ungültig und ein individuelles subjektives Recht als verletzt anzusehen; deshalb ist es unerheblich, daß eine dritte Rechtsnorm, zu der die Verordnung Nr. 563/76 im Widerspruch steht, ein Mittel zum Schutz bloßer Interessen und nicht Quelle subjektiver Rechte ist.

4. 

Sehr viel schwieriger ist festzustellen, ob im vorliegenden Fall eine hinreichend qualifizierte Verletzung des Gemeinschaftsrechts vorliegt. Tatsächlich weichen die Ansichten zur Bestimmung dieses Merkmals, dieser besonderen Qualität, die einer Verletzung zukommen muß, damit die Gemeinschaft für Schäden aus einer rechtswidrigen Verordnung haftbar ist, weit voneinander ab.

Nach einer von den Generalanwälten Roemer und Reischl vertretenen Ansicht ist als hinreichend qualifizierte, besonders ausgeprägte Verletzung eine krasse, offensichtliche Verletzung anzusehen (vgl. die Schlußanträge in den Rechtssachen 63-69/72, Werhahn — Slg. 1973, 1259 — und in der Rechtssache 153/73, Holtz & Willemsen — Slg 1974, 705).

Generalanwalt Reischl hat auch von einem „deutlichen Verstoß“ gegen ein Prinzip (es handelte sich in jenem Fall wie im vorliegenden Fall um das Diskriminierungsverbot) und von einer „offensichtlichen, schweren Mißachtung seines Grundgehalts“ (a.a.O. Slg. 1974, 705) gesprochen und schließlich auf die „Größenordnung“ der angeblichen Diskriminierung Bezug genommen (Slg. 1974, 707).

Ich fürchte, jeder Versuch, die hinreichend qualifizierte Verletzung durch das Merkmal der „Offensichtlichkeit“ zu bestimmen, bedeutet eine sprachliche Korrektur, die nicht genügt, um die Zweifel auszuräumen. Und vor allem weise ich darauf hin, daß es sich im Rahmen beider vorerwähnter Schlußanträge im wesentlichen darum handelte festzustellen, ob der Grundsatz des Diskriminierungsverbots verletzt war oder nicht: Generalanwalt Roemer bejahte dies und leitete daraus die Haftung der Gemeinschaft ab; Generalanwalt Reischl sprach sich dagegen aus und verneinte, daß die Gemeinschaft zum Ersatz der angeblichen Schäden verpflichtet sein könne. Im übrigen wird in dem erwähnten Urteil vom 14. Mai 1975 in der Rechtssache CNTA, in dem der Grundsatz des Schutzes des berechtigten Vertrauens für verletzt erklärt wird, weil in einer Gemeinschaftsverordnung keine geeigneten Ubergangsmaßnahmen vorgesehen worden waren, festgestellt, diese habe „eine höherrangige Rechtsnorm verletzt und infolgedessen eine Haftung der Gemeinschaft begründet“ (Randnummer 44 der Entscheidungsgründe).

Aus alledem wäre man versucht zu folgern, daß der Begriff der hinreichend qualifizierten Verletzung sich in dem Begriff einer Verletzung eines Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts erschöpft oder sogar zu einem überflüssigen Zusatz wird, wenn man bereits geklärt hat, daß die Haftung die Verletzung einer für die einzelnen subjektive Rechte begründenden, höherrangigen Rechtsnorm voraussetzt. Von dieser Ansicht bin ich im Sinne des Urteils in der Rechtssache CNTA in meinen vorangegangenen Schlußanträgen vom 7. Juni 1977 ausgegangen. Eine solche Schlußfolgerung könnte jedoch, so glaube ich, leicht übereilt erscheinen, und angesichts des Nachdruckes, mit dem der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung wiederholt hat, daß die Haftung für die Schäden aus normativem Handeln bei hinreichend qualifizierten Verletzungen anzuerkennen ist, und wegen der weitreichenden Folgen einer solchen Haftung, die ein beträchliches Maß an Vorsicht rechtfertigen, halte ich es für erforderlich, die Untersuchung noch weiterzuführen. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß Generalanwalt Roemer in den zitierten Schlußanträgen feststellte, im Urteil in der Rechtssache 5/71 seien Vorkehrungen getroffen worden, „daß Schadensersatzklagen aus normativen Akten auf bestimmte exzeptionelle Situationen beschränkt bleiben“. So wurde, meine ich, die Funktion umschrieben, die der Gerichtshof dem Merkmal der „hinreichenden Qualifiziertheit“ der Verletzung einräumen wollte.

5. 

Um noch in allgemeiner und grundsätzlicher Form zu sprechen, möchte ich sagen, daß ein Unrecht besonders qualifiziert sein kann und durch den Rang oder die Bedeutung der verletzten Rechtsnorm, durch das Ausmaß des Verschuldens des Handelnden oder durch den Umfang der Vermögensschädigung. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß wir es mit einem normativen Unrecht zu tun haben und daß der Verstoß des Rechtssatzes gegen das Gemeinschaftsrecht bereits anerkannt worden ist, scheint es mir angebracht, einige Ausführungen zu jedem dieser Gesichtspunkte zu machen.

Am wenigsten umstritten scheint mir der erste der erwähnten Gesichtspunkte. Es ist klar, daß die Rechtswidrigkeit eines normativen Aktes bedeutet, daß er im Widerspruch zu einer höherrangigen Norm steht, und wir haben auch bereits gesehen, daß die Rechtsprechung des Gerichtshofes speziell für die Haftung verlangt, daß es sich um eine Norm handelt, die dem Schutz der einzelnen dient; dies ist durch den noch engeren Begriff einer den einzelnen subjektive Rechte verleihenden Norm ausgedrückt worden. Dies kann bereits dazu dienen, die Haftung auszuschließen, wenn eine Vorschrift über das Verfahren oder die Form von Rechtsnormen verletzt ist: Vorschriften dieser Art verleihen im allgemeinen den einzelnen keine subjektiven Rechte, auch wenn es zweifellos möglich ist, daß eine aus Gründen des Verfahrens oder der Form fehlerhafte Rechtsnorm für ungültig erklärt wird. Aber im Zusammenhang mit der Bedeutung, die die Rechtsnorm haben muß, damit ihre Verletzung als hinreichend qualifiziert angesehen wird, möchte ich noch weiter gehen: Ich glaube nämlich, daß es sich um ein Prinzip, um eine Regel handeln muß, die im Rahmen des Systems des Gemeinschaftsrechts von grundlegender Bedeutung ist. In anderen Worten, die hinreichende Qualifiziertheit der Rechtsverletzung sollte meines Erachtens im Hinblick auf das ganze System beurteilt werden, und sie sollte folglich in Beziehung gesetzt werden zu dem Gewicht, das der Norm aufgrund ihres Inhalts und ihrer Funktion innerhalb des Systems zukommt.

Sehr viel komplexer ist das Problem des Verschuldens. Der sprachliche Unterschied, der insoweit zwischen Artikel 40 Absatz 1 EGKS-Vertrag und Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag besteht, ist bekannt. In der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu dem letztgenannten Vertrag fehlt es nicht nur an der Feststellung, daß das Verschulden zu den notwendigen Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft gehört, sondern es wird im Gegenteil erklärt: „Nach Artikel 215 Absatz 2 und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, auf die er verweist, ist Voraussetzung für die Haftung der Gemeinschaft, daß ein Tatbestand erfüllt ist, dessen Merkmale das Vorliegen eines Schadens, das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem geltend gemachten Schaden und dem den Organen zur Last gelegten Verhalten und die Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens sind“ (vgl. Urteile vom 28. April 1971 in der Rechtssache 4/69, Lütticke — Slg. 1971, 323 — und vom 2. Juli 1974 in der Rechtssache 153/73, Holtz & Willemsen — Slg. 1974, 675 ff.; ersteres betraf eine Einzelfallregelung, das zweite einen normativen Akt). Und es ist erneut auf das Urteil vom 14. Mai 1975 in der Rechtssache 74/74, CNTA, hinzuweisen, denn dort wird die Haftung der Gemeinschaft für einen mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes unvereinbaren Rechtsetzungsakt festgestellt, nachdem das Verhalten der Kommission objektiv, aber ohne jede Bewertung des subjektiven Elements des Verschuldens, beschrieben worden war (sofortige Abschaffung der Ausgleichsbeträge ohne Übergangsmaßnahmen). Letztlich scheint es also, daß das Gemeinschaftsrecht es — in Ermangelung einer Möglichkeit, andere Lösungen aus den den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätzen abzuleiten — für die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft genügen läßt, daß die Organe unbestreitbar freiwillig gehandelt haben; dies begründet die Vermutung des Verschuldens, wenn es sich um eine rechtswidrige Maßnahme handelt. Dies ist im übrigen die Lösung der Rechtsordnungen einiger Mitgliedstaaten, darunter Italiens, der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs, für rechtswidriges Verwaltungshandeln (vgl. insoweit die Veröffentlichung „Zur Reform des Staatshaftungsrechts“ des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 1975, 8).

Dies vorausgeschickt, scheint es mir schwierig anzunehmen, daß die Verletzung für die Zwecke der Haftung für Schäden aus normativen Akten der Gemeinschaft durch ein zusätzliches Merkmal (schweres Verschulden) qualifiziert sein muß, das keinerlei Rolle als allgemeine Haftungsvoraussetzung für die Haftung der Gemeinschaftsorgane spielt. Zum anderen ist in einem Fall wie dem vorliegenden, wo das Verhalten der Gemeinschaftsorgane für die Feststellung, ob die betreffende Verordnung ungültig ist, bereits einer Bewertung unterzogen worden ist, die „Unentschuldbarkeit“ dieses Verhaltens schon als festgestellt anzusehen. Dies wird durch den Umstand bewiesen, daß Rat und Kommission bei der Darstellung der Gründe, die ihres Erachtens den Erlaß der Maßnahme rechtfertigen und folglich beweisen, daß sie kein schweres Verschulden getroffen habe, auf Argumente zurückgegriffen haben, die der Gerichtshof bereits in den Vorabentscheidungssachen 114, 116 und 119-120/76 untersucht und verworfen hatte: die ernste Krise auf dem Milchsektor, die Dringlichkeit der Maßnahmen zur Abhilfe, die Entwicklung von Sojaeinfuhren aus den Vereinigten Staaten usw. In anderen Worten: Das Problem, das gestellt war, als über die Ungültigkeit des fraglichen Rechtssatzes gestritten wurde — nämlich ob der Rat in dem Bereich seiner Ermessensbefugnis geblieben war oder die Grenzen dieser Befugnis überschritten hatte —, umfaßte bereits die Frage der „Entschuldbarkeit“ der getroffenen Maßnahme mit; wäre diese durch die Umstände voll gerechtfertigt gewesen, dann hätte kein Anlaß bestanden, die Verordnung für nichtig zu erklären, und es wäre die wesentliche Haftungsvoraussetzung, nämlich die Rechtswidrigkeit der Handlung, fortgefallen.

Es bleibt zu prüfen, ob der Begriff der „hinreichend qualifizierten Verletzung“ mit dem Gesichtspunkt der Schwere des Schadens, des Umfangs der Vermögensverletzung zusammenhängen kann. Ein Hinweis in diese Richtung ist in den zitierten Schlußanträgen des Generalanwalts Roemer vom 18. September 1973 (Slg. 1973, 1259) enthalten, wo erklärt wird, zwar seien von einer bestimmten Regelung über die Festsetzung von Preisen alle Angehörigen einer Gruppe betroffen, doch rücke sie für die Haftung in die Nähe eines Maßnahmegesetzes, „weil sie angeblich an den Kern ihrer Existenz rührt“. Etwas später sagte der Generalanwalt, daß er es für die Zulässigkeitsprüfung für ausreichend halte, wenn die angegriffene Maßnahme für die Kläger „tiefgreifende, ihre Existenz bedrohende Auswirkungen“ habe. Generalanwalt Reischl trat jedoch in seinen zitierten Schlußanträgen vom 8. Mai 1974 diesem Standpunkt entgegen und schloß aus, daß die Schwere der Folgen einer rechtswidrigen Handlung als Voraussetzung für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs angesehen werden könne; er hob hervor, daß weder die Rechtsprechung des Gerichtshofes noch die Erwähnung des Begriffs der „hinreichend qualifizierten Verletzung“ einen Anhaltspunkt für einen derartigen Gedanken geben könnten.

In machen innerstaatlichen Rechtsordnungen findet man Fälle, in denen der Anspruch auf Schadensersatz auch von der Schwere des Schadens abhängt. So wurde zum Beispiel in zwei Entscheidungen des französischen Conseil d'État (vom 14. Januar 1938 — La Fleurette, Recueil Lebon S. 25 — und vom 22. Oktober 1943 — Établissements Lacaussade, a.a.O. S. 231) der Ersatz des Schadens, der aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen entstanden war, davon abhängig gemacht, daß er „ungewöhnlich schwer“ sei. In demselben Sinne entschied der Conseil d'État auch in den Fällen Caucheteux und Desmonts — 21. Januar 1944 —, Vannier — 27. Januar 1961 —, Chauche — 10. Februar 1961 — und Bovero — 25. Januar 1963 — (vgl. die zitierte Veröffentlichung des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, S. 61 ff.). Man bemerke jedoch, daß sich die Frage dort stets auf die Entschädigung für Schäden aus rechtmäßigen Normen bezog; außerdem sahen sie noch eine zweite Voraussetzung vor, nämlich die der Spezialität des Schadens. Das Problem stellte sich also auch abgesehen von der Unmöglichkeit, Lösungen aus der Rechtsordnung eines einzelnen Mitgliedstaates auf das Gemeinschaftsrecht zu übertragen, nicht in derselben Weise.

Man kann sich fragen, ob es vom Standpunkt der Billigkeit aus gerechtfertigt sein kann, den Begriff der „hinreichend qualifizierten Verletzung“ der höherrangigen Rechtsnorm durch den Gemeinschaftsgesetzgeber auf das Merkmal der Schwere der Vermögensverletzung zu stützen. Meines Erachtens halten sich die Erwägungen für und wider die Waage. Einerseits könnte man die Ansicht vertreten, daß ein gewisses Opfer im Interesse der Allgemeinheit verlangt werden kann, sofern ein Schaden — in den Gruppen, die Opfer der Diskriminierung sind — zahlreiche Personen trifft, und sich das Opfer in den Grenzen einer wirtschaftlich tragbaren Einbuße hält. Als solche könnte man, wenn der Vermögensschaden wie im vorliegenden Fall in einer Erhöhung der Preise durch die ungültige Maßnahme besteht, eine Einbuße ansehen, die nicht über die Spanne der statistisch feststellbaren mittleren Preisschwankungen der Marktpreise bestimmter Waren hinausgeht. Ungenauer könnte man auch sagen, daß eine wirtschaftliche Einbuße, die den Ablauf der Geschäfte eines Unternehmens nicht unterbricht oder spürbar verändert, tragbar erscheint. Die Anwendung solcher Kriterien würde jedoch die Bezugnahme auf ein abstraktes Modell eines mittleren Unternehmens voraussetzen. In Wahrheit kann das, was für ein großes Unternehmen tragbar ist, für ein anderes Unternehmen mit geringerer Widerstandskraft untragbar sein; aber dennoch kann man nicht die Schwere der Verletzung in bezug auf jeden einzelnen der Betroffenen, die Schadensersatz verlangen, beurteilen wollen, denn es geht darum, eine Voraussetzung der Haftung für eine Maßnahme mit genereller Wirkung zu bestimmen.

Andererseits spricht gegen die Verwendung des Merkmals der Schwere der Vermögensverletzung, daß eine rechtswidrige Maßnahme, die im Widerspruch zu einer grundlegenden Norm des Systems und zu den durch diese begründeten subjektiven Rechten steht, zu einer Entschädigung führen sollte, damit im Gemeininteresse das durch das Unrecht gestörte Gleichgewicht wieder hergestellt wird, und zwar unabhängig von dem Umfang des Schadens. Dies ist noch offensichtlicher, wenn das Unrecht in einer Verletzung des Diskriminierungsverbots oder des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit besteht. Es ist nicht ohne Bedeutung, daß die Voraussetzung der Schwere der wirtschaftlichen Benachteiligung in der französischen Rechtsprechung nur für die Entschädigung für Nachteile aus rechtmäßigen normativen Akten aufgestellt worden ist.

Schließlich würde eine Anerkennung des Merkmals, von dem ich gesprochen habe, in Ihrem Urteil eine interpretative Fortentwicklung des Begriffs der „hinreichend qualifizierten Verletzung“ darstellen, die zwar nicht mit der inneren Logik des Systems der Haftung für normative Akte unvereinbar wäre, aber aus den den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen nicht herzuleiten ist. Wenn sich aus diesen Rechtsordnungen eine gemeinsame Auffassung ergibt, dann geht diese Auffassung zumindest im Bereich der Haftung für rechtswidrige (auch normative) Handlungen der öffentlichen Verwaltung in die Richtung, daß die Entschädigung nicht vom Umfang des Schadens abhängig gemacht wird.

6. 

Wir haben gesehen, daß die zuletzt untersuchte Frage in der Rechtsprechung des französischen Conseil d'État mit einer anderen Frage zusammenhängt, nämlich eben der Frage der Besonderheit des Schadens („préjudice spécial au requérant“). Es handelt sich dabei in dieser Rechtsprechung um eine zweite Voraussetzung für die Entschädigung eines Betroffenen, der durch einen rechtmäßigen Akt des Gesetz- (oder auch Verordnungs-)gebers einen Schaden erlitten hat.

Parallel hierzu hat sich im deutschen Recht die Lehre vom „Sonderopfer“ entwickelt, auf die im Laufe der vorliegenden Verfahren häufig Bezug genommen worden ist; diese Lehre ist anscheinend im Bereich der Enteignung entstanden, weil man neben dem formalen Element des individuellen Charakters dieser rechtmäßigen Zwangsmaßnahme ihr materielles Element bestimmen wollte.

Auf die Ebene des Gemeinschaftsrechts und insbesondere unseres Problems der Haftung für Schäden aus rechtswidrigen Verordnungen übertragen, geben diese Auffassungen Veranlassung zu folgender Frage: Ist die Haftung der Gemeinschaft auf die Fälle zu begrenzen, in denen es um im einzelnen bestimmte Personen oder Personengruppen geht, und ist sie folglich auszuschließen, wenn der normative Akt eine große Anzahl von Personen betrifft? Ich möchte sofort bemerken, daß man meines Erachtens dieses Problem nicht in der Weise behandeln sollte, daß man der einen oder anderen Ausrichtung des innerstaatlichen Rechts verhaftet bleibt — zumal Schadensersatz für rechtswidrige Akte und Entschädigung für rechtmäßige Akte zwei grundlegend verschiedene Dinge sind —, sondern daß man dabei vielmehr einen Anhaltspunkt im Gemeinschaftsrecht berücksichtigen sollte, wie ihn der erwähnte Artikel 34 EGKS-Vertrag bietet, der die Verpflichtung zum Schadensersatz durch die Hohe Behörde wegen rechtswidriger — gegebenenfalls genereller — Entscheidungen auf die Fälle beschränkt, in denen „ein Unternehmen oder eine Gruppe von Unternehmen … einen unmittelbaren und besonderen Schaden erlitten“ hat.

Man muß jedoch die Grenzen bestimmen, in denen sich das Problem stellt. Einerseits ist es offensichtlich, daß die Gemeinschaft nicht verpflichtet sein kann, für Schäden zu haften, die durch einen rechtswidrigen normativen Akt der Allgemeinheit aller Rechtssubjekte des Gemeinschaftsrechts zugefügt worden sind: Unabhängig von der Absurdität der Annahme könnte ein derartiger Akt auch nicht wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot aufgehoben werden! Andererseits wäre es unzulässig, ein Erfordernis der „individuellen Schädigung“ einzuführen, so daß letztlich die Haftung der Gemeinschaft für rechtswidrige Normen von der Voraussetzung abhängig gemacht würde, daß der Geschädigte unmittelbar und individuell betroffen ist. Man würde auf diese Weise nämlich letztlich eine eigentlich die Nichtigkeitsklage betreffende Voraussetzung auf die Ebene der Schadensersatzklage übertragen; dies wäre schwer mit der deutlichen Trennung der beiden Klagen in Einklang zu bringen, die in Ihrer Rechtsprechung vorgenommen wird (vgl. in diesem Sinne die Ausführungen von Fuss, „Zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes über die Gemeinschaftshaftung für rechtswidrige Verordnungen“, in Festschrift für Friedrich August Freiherr von der Heydte, Band I, S. 179).

Der Kern der Frage ist im vorliegenden Fall also, ob die Angehörigen einer weitgehend bestimmten Gruppe — die Züchter von Rindern, Schweinen und Geflügel, die die durch die Verordnung Nr. 563/76 auferlegten Belastungen getroffen haben — Schadensersatz beanspruchen können, obwohl sie der Zahl nach sicher über eine „Gruppe von Unternehmen“ hinausgehen. Man könnte annehmen, daß, auch wenn die Diskriminierung der genannten Wirtschaftsgruppe zur Ungültigkeit dieser Verordnung geführt hat, der Umstand, daß die diskriminierte Gruppe zu groß ist, dennoch verhindert, daß der erlittene Schaden als für die Haftungsbegründung hinreichend individuell angesehen wird. Erfordernisse des öffentlichen Interesses könnten zum Ausschluß der Ersatzfähigkeit von Schäden führen, die große Personengruppen betreffen, auch um zu verhindern, daß die Gemeinschaft durch drückende Entschädigungsbeträge belastet wird.

Diese Zweckmäßigkeitserwägungen finden allerdings in aus dem positiven Recht hergeleiteten Argumenten keine Stütze (mit Ausnahme des zitierten Artikels 34 EGKS-Vertrag, in dem man jedoch, so scheint mir, kaum den Ausdruck eines allgemeinen Prinzips sehen kann, zumal das gemeinschaftrechtliche Haftungssystem durch den EWG-Vertrag erneuert worden ist). Auch im deutschen Recht wird, wenn es um den Schadensersatz für einen rechtswidrigen normativen Akt geht, nicht verlangt, daß der Schaden einen besonders individuellen Charakter aufweist; der Bundesgerichtshof hat erklärt, daß es genüge, die Rechtswidrigkeit der Vermögensschädigung festzustellen, um ein „Sonderopfer“ als gegeben anzusehen (vgl. Kimminich, Bonner Kommentar, Artikel 14 GG, Randnummer 241). Dem liegt, so scheint mir, ein Gedanke zugrunde, der auch auf das Gemeinschaftsrecht erstreckt werden kann: Wenn man anerkennt, daß die Gemeinschaft für Schäden zu haften hat, welche durch eine Maßnahme mit genereller Wirkung entstanden sind, die aufgrund eines ebenfalls allgemeinen Prinzips für rechtswidrig erklärt worden ist, wie kann man dann den Bereich der Schadensersatzberechtigten anders eingrenzen, als nach dem verletzten Prinzip und dem unmittelbar erlittenen Schaden? Vergessen wir nicht, daß die Haftung der Gemeinschaft in dem Bereich, über den wir sprechen, von der Verletzung einer höherrangigen, subjektive Rechte begründenden Rechtsnorm abhängt: Es ist also folgerichtig, daß der verletzte Rechtsinhaber schadensersatzberechtigt ist, gleich wieviele Inhaber desselben verletzten Rechts (freilich stets innerhalb des von der höherrangigen Norm gestützten Adressatenkreises) es gibt. So hat übrigens, scheint mir, der Gerichtshof in der zitierten Rechtssache CNTA argumentiert, als er die Gemeinschaft wegen des Erlasses einer mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes unvereinbaren Verordnung für haftbar ansah, die alle Exporteure von Raps- oder Rübsensamen und daraus hergestellten Ölen benachteiligt hatte.

7. 

Es scheint mir zweckmäßig, an dieser Stelle unter Bezugnahme auf den konkreten Fall zusammenfassend die Ergebnisse zu wiederholen, zu denen ich in der Frage der Unterscheidungsmerkmale einer „hinreichend qualifizierten“ Verletzung gelangt bin:

a)

Sicher muß für die Haftung für durch Verordnungen verursachte Schäden die Bedeutung der verletzten Norm berücksichtigt werden; es muß sich um eine Verhaltensregel handeln, der im gemeinschaftsrechtlichen System grundlegende Bedeutung zukommt. Dies war vorliegend der Fall.

b)

Ein „schweres Verschulden“ ist nicht erforderlich, denn das Verschulden wird im System der Haftung für Handlungen der Gemeinschaftsorgane und insbesondere für Rechtsetzungsakte impliziert. Dies macht die Prüfung der „Entschuldbarkeit“ der von den Gemeinschaftsstellen im Zusammenhang mit dem Erlaß der Verordnung Nr. 563/76 getroffenen Entscheidungen überflüssig. Die „Entschuldbarkeit“ ist auch bereits verneint worden, als der Gerichtshof eine Überschreitung der Grenzen der Ermessensbefugnis des Rates angenommen und (in den Urteilen vom 5. Juli 1977) unter anderem festgestellt hat, daß die getroffene Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Ziels nicht erforderlich war.

c)

Nach den den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen setzt die Haftung des Staates für rechtswidrige Handlungen nicht voraus, daß der Schaden einen bestimmten Umfang hat. Sollte der Gerichtshof im Wege einer „fortentwikkelnden“ Auslegung den Begriff der hinreichend qualifizierten Verletzung ausbauen und annehmen, daß die hinreichende Qualifiziertheit an den Umfang des Schadens anknüpft, wäre es zweckmäßig, eine allgemeine Formel aufzustellen, durch die die Grenzen des tragbaren Schadens bestimmt werden.

d)

Es ist davon auszugehen, daß für Schäden, die aus dem Widerspruch von Gemeinschaftsrechtssätzen zu höherrangigen Rechtsnormen, die den einzelnen Rechte verleihen, entstehen, grundsätzlich jeder Inhaber des verletzten Rechts Anspruch auf Ersatz hat, auch wenn er zu einer großen Personengruppe gehört. Es ist erforderlich und ausreichend, daß die Berechtigten individuell bestimmbar sind, was im konkreten Fall möglich erscheint, weil die Verordnung Nr. 563/76 eben nur bestimmte Gruppen von Wirtschaftsunternehmen traf.

8. 

Zu Beginn der zweiten schriftlichen Phase dieses Verfahrens hat der Gerichtshof die Parteien aufgefordert darzulegen, „ob die Kläger die Möglichkeit hatten, diese Auswirkungen [nämlich die schädigenden Auswirkungen der Verordnung Nr. 563/76] in ihren Beziehungen zu ihren Lieferanten dadurch auszugleichen, daß sie sich der Weitergabe der Auswirkung des durch die Verordnung geschaffenen Systems auf die Futterpreise durch jene widersetzten“. Auf diese Weise sollte festgestellt werden, ob der Schaden bei einem anderen Verhalten der Kläger vermeidbar gewesen wäre.

Die Kläger haben in Beantwortung der Frage des Gerichtshofes erklärt, sie seien nicht in der Lage gewesen, sich den Preiserhöhungen zu widersetzen, sei es wegen der Unmöglichkeit der Haltung großer Vorräte angesichts des daraus bei den Futtermitteln entstehenden Qualitätsverlusts, sei es wegen des verringerten Ertrags des Viehs, den eine Veränderung der Ernährung durch einen Wechsel der Lieferanten verursacht hätte, weil die Zusammensetzung der Futtermittel von einem Hersteller zum anderen wechsele. Was die Möglichkeit, sich bei Lieferanten in weiter entfernten Gegenden einzudecken, anbelange, so habe die erhebliche Inzidenz der Transportkosten dies ausgeschlossen.

Der Rat hat die Ansicht vertreten, die Käufer von Futtermitteln hätten sich den Preiserhöhungen widersetzen können; daß sich ein Unternehmen geweigert habe, diese Erhöhungen hinzunehmen, beweise dies (gerade von diesem sei das Vorabentscheidungsverfahren 114/76 ausgegangen). Anscheinend konnte sich jedoch in diesem besonderen Fall der Züchter auf bestimmte Vertragsklauseln berufen, die ihn an seinen Lieferanten banden und gestatteten, sich einer auf eine umstrittene Vorschrift gestützten Erhöhung zu widersetzen. Es ist nicht erwiesen, daß die gleiche Möglichkeit auch für die jetzigen Kläger bestand.

Andererseits hat die Kommission anerkannt, daß die Lieferanten von Futtermitteln auf dem Markt eine recht starke Stellung haben und folglich die Möglichkeit für kleine und mittlere Zuchtunternehmen, sich Preiserhöhungen zu widersetzen, sehr gering waren. Dennoch hätten nach Ansicht der Kommission die einzelnen Züchter versuchen können, durch ein Vorgehen über ihre Berufsverbände oder durch einen Zusammenschluß Widerstand zu leisten. Aber letztlich verneint die Kommission selbst, daß die Frage entscheidendes Gewicht für die Lösung in den vorliegenden Rechtssachen erlangen kann.

Mir scheint, daß man nicht von einem Verhalten der Kläger sprechen kann, das bei der Verursachung des Schadens mitgewirkt hat. Tatsächlich sind die Begründungen, die sie für ihr Verhalten geliefert haben, überzeugend; ich füge hinzu, daß die Verordnung Nr. 563/76 zu der Zeit, als die Kläger begannen, die Preiserhöhungen zu verspüren, noch nicht für ungültig erklärt worden war und daß die Zweifel an der Gültigkeit einer Norm zwar die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens rechtfertigen, aber die Betroffenen nicht verpflichten, sich gegen jedes Verhalten eines anderen, das auf der Anwendung dieser Vorschrift beruht, zur Wehr zu setzen.

9. 

Die bisherigen Überlegungen bringen mich zu dem Ergebnis, daß die Gemeinschaft für die Schäden, die aus der Anwendung der Verordnung Nr. 563/76 entstanden sind, verantwortlich ist. Es bleiben die Fragen der Natur des Schadens und des Kausalzusammenhangs zwischen rechtswidriger Handlung und Schaden zu behandeln, wobei zur Zeit, wie ich eingangs erwähnt habe, die Frage der Schadenshöhe außer Betracht bleibt.

Die Kläger beklagen sich im wesentlichen darüber, daß es infolge der zitierten Verordnung zu einer Erhöhung der Preise bei Futtermitteln gekommen sei; als Käufer dieser Erzeugnisse seien sie gezwungen gewesen, diesen Preis zu zahlen, wodurch sie einen Schaden erlitten hätten, der dem Ausmaß der Erhöhung entspreche.

Es ist also zu prüfen:

a)

ob grundsätzlich ein Schaden ersatzfähig ist, den nicht die Hauptadressaten der Verordnung Nr. 563/76 — die Erzeuger und Importeure von Futtermitteln —, sondern die Käufer dieser Futtermittel erlitten haben;

b)

welche Inzidenz die Verordnung Nr. 563/76 für die Erhöhung der Futtermittelpreise hatte und ob sie der einzige Faktor dieser Erhöhungen war;

c)

ob die Kläger die Belastung durch die höheren Preise nicht ihrerseits auf ihre Kundschaft abwälzen konnten;

d)

welche Bedeutung eine Untersuchung über die Auswirkungen der zitierten Verordnung auf die Produktionskosten und auf die Gewinnspannen der klagenden Firmen haben kann.

Zu Punkt a: Hierzu kann man meines Erachtens der Ansicht der beklagten Organe nicht folgen, wonach die Existenz eines adäquaten Kausalzusammenhanges zwischen der Verordnung und dem von den Klägern erlittenen Schaden zu verneinen sei, weil die verschiedenen Stufen, die zwischen Ursache und Wirkung lägen, der Unmittelbarkeit des Kausalzusammenhangs entgegenstünden. Der Umstand, daß die Bestimmungen der Verordnung sich unmittelbar an die Hersteller und Importeure von Futtermitteln richteten — und daß folglich letztlich andere Personen als die Adressaten der Verordnung deren wirtschaftliche Auswirkung verspürt haben —, genügt nicht, um zu verneinen, daß die Verordnung die Ursache (oder zumindest eine der Ursachen) höheren Futtermittelpreises war. Ferner ist daran zu erinnern, daß nach Artikel 5 der Verordnung die nachfolgende Käufer der in den Artikeln 2 und 3 genannten Erzeugnisse (insbesondere von Raps- und Rübsensamen und Sonnenblumenkernen, von Leinsaat und Soja) oder der aus ihrer Verarbeitung hervorgegangenen eiweißhaltigen Erzeugnisse die Auswirkungen der Belastung aus der Verordnung bei allen vor dem Tag des Inkrafttretens der Verordnung geschlossenen Verträgen trugen. Die Käufer von Futtermitteln waren also auch formal nicht „Dritte“ in bezug auf die Regelung der Verordnung.

Zu Punkt b: Die beiden beklagten Organe vertreten die Ansicht, die im Frühjahr 1976 bei Futtermitteln aufgetretenen Preiserhöhungen seien nicht in vollem Umfang durch die Auswirkungen der Milchpulverbeimischungspflicht gerechtfertigt gewesen.

Nach Ansicht der Kommission sind diese Erhöhungen zu einem guten Teil auf andere Ursachen zurückzuführen, die nichts mit der Verordnung Nr. 563/76 zu tun hätten. Unter Bezugnahme auf den Umstand, daß zwischen März und Juli 1976 die Erhöhung des Sojapreises fast das Vierfache der Preiserhöhung ausgemacht habe, die man als zu Beginn der Geltung der Verordnung des Rates durch die Verwendung von Magermilchpulver verursacht ansehen könne, wirft die Kommission die Frage auf, welcher Teil der Erhöhung des Futterpreises wirklich auf die Milchpulverankaufspflicht entfalle und welcher Teil der Erhöhung des Weltmarktpreises für Soja zuzurechnen sei. Im übrigen sollen nach der Behauptung der Kommission die Hersteller von Tierfutter versucht haben, die Auswirkung der doppelten Erhöhung der Kosten zu vermindern, indem sie auf eiweißhaltige einheimische Substitutionserzeugnisse zurückgegriffen hätten, bei denen keine Verpflichtung zum Ankauf von Milchpulver bestanden habe.

Die klagenden Firmen haben zahlreiche Schreiben vorgelegt, die sie von ihren jeweiligen Lieferanten unmittelbar nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 563/76 erhielten und in denen diese ihnen mitteilten, das durch diese Verordnung geschaffene System zwinge sie, die Futterpreise zu erhöhen. Die anfängliche Erhöhung, die bis zu 5 % betragen hatte, wurde im allgemeinen später um etwa ein Viertel zurückgenommen. Diese Ermäßigung, so ist uns in der mündlichen Verhandlung erklärt worden, soll darauf zurückzuführen sein, daß die Futtermittelerzeuger zunächst die größere Belastung, die durch den Verlust der in den Artikeln 2 und 3 der Verordnung vorgesehenen Kaution entstanden wäre, auf ihre Preise umlegten, während sie sich später darauf beschränkten, ihren Abnehmern die geringere, aus der Beimischung von Milchpulver zu den Futtermitteln resultierende Belastung weiterzugeben. Dies würde auch erklären, warum der Rückgang der Futtermittelpreise, zu dem es nach dem Außerkrafttreten des durch diese Verordnung des Rates geschaffenen Systems kam, niedriger war als die ursprünglichen Erhöhungen.

Die Beklagten haben erwidert, die Vorlage der Erklärungen der Lieferanten genüge nicht, die Kläger müßten angeben, wie sich die Preiserhöhungen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Zusammensetzung der Futtermittel je nach den verschiedenen Aufzuchtarten berechnet hätten.

Letztlich leugnen die beklagten Organe nicht das Vorliegen eines Zusammenhanges zwischen der Verordnung des Rates und der Erhöhung der Futtermittelpreise. Sie bestreiten vielmehr, daß der gesamte Betrag der von den Klägern geltend gemachten Erhöhungen dieser Verordnung zuzurechnen sei. In diesem speziellen Punkt geht der Streit also nicht um das Ob, sondern um das Wieviel.

Dies ändert nichts daran, daß die Frage von sehr großer Bedeutung für die Feststellung ist, inwieweit ein Kausalzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Verordnung und dem Schaden besteht und der Schaden auf die Anwendung der Verordnung zurückgeführt werden kann. Ich möchte sagen, daß die Kläger die Unvollständigkeit des angebotenen Beweises nicht zu Unrecht mit dem Hinweis rechtfertigen, es sei schwierig festzustellen, wie der Futtermittelhersteller seine Berechnung vornehme und wie sich seine Erzeugnisse genau zusammensetzten. Sie beantragen, die bei den verschiedenen Futtermittelerzeugern für die Berechnung der Auswirkung der Milchpulverankaufsverpflichtung verantwortlichen Personen als Zeugen zu laden und nennen im einzelnen deren Namen, Stellung und Anschriften.

In Wahrheit sind allein die Hersteller in der Lage, anzugeben, wie sie die Auswirkung der Verordnung Nr. 563/76 auf ihre Kosten unter Berücksichtigung der verschiedenen Bestandteile, aus denen sich die Futtermittel zusammensetzen, ihres quantitativen Verhältnisses und der Erhöhungen der Sojapreise in der fraglichen Zeit berechnet haben. Es ist überflüssig hinzuzufügen, daß die Antworten je nach den Erzeugern und den Futterarten wechseln können. All dies muß deshalb meines Erachtens durch eine mündliche Beweisaufnahme und ein Sachverständigengutachten geklärt werden.

Zu Punkt c: Sollte sich erweisen, daß die Kläger ihrerseits die höheren Kosten des Futters auf die ihrer Kundschaft berechneten Preise überwälzen konnten, so würde es aber für die Bezifferung des Schadensersatzanspruchs nicht genügen, das Ausmaß der Auswirkung des vorgeschriebenen Ankaufs von Milchpulver auf den Futtermittelpreis nachzuweisen. Deshalb war auch diese Frage Gegenstand eines umfangreichen Streits zwischen den Parteien.

Die Kläger vertreten die Ansicht, sobald das Vorliegen eines Schadens aufgrund der Preiserhöhungen infolge der Verordnung nachgewiesen sei, obliege es nicht ihnen nachzuweisen, daß es unmöglich gewesen sei, diese Belastung auf ihre Kundschaft abzuwälzen, sondern es sei Sache der Beklagten, den Gegenbeweis zu liefern. Ihres Erachtens hängt jede derartige Möglichkeit von den Marktverhältnissen ab, da ja der Preis eines Erzeugnisses, von seinen Kosten abgesehen, das Ergebnis des Spiels von Angebot und Nachfrage ist.

Die Kläger haben aber ein Gutachten der Sachverständigen Hülsemeyer und Graser vorgelegt, und, gestützt auf dieses Gutachten, weisen sie darauf hin, daß zwar die Zahl der Unternehmen im Geflügelzuchtsektor und ihre relative Größe den Eindruck einer oligopolistischen Marktstruktur erwecken könnten, daß jedoch die weitgehende Produkthomogenität und der freie Zugang konkurrierender Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten zum deutschen Markt den Unternehmen des Sektors in der Praxis die Möglichkeit nehme, sich wie Unternehmen auf einem oligopolistischen Markt zu verhalten. Von dieser Überlegung abgesehen, sind die Kläger der Ansicht, das Gutachten Hülsemeyer-Graser habe aufgrund einer genauen Untersuchung der Auswirkung der Futterpreise auf die Preise für Küken der Legerassen und Junghennen nachgewiesen, daß die Veränderungen der Futtermittelpreise keinen spürbaren Einfluß auf die zur Reife gelangten Eier gehabt hätten. Wenn also das Angebot von Küken der Legerassen nicht auf die Veränderung der Futtermittelpreise reagiert habe, müsse man nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage folgern, daß auch die Preise für diese Erzeugnisse nicht hätten verändert werden können. Letztlich sei es bei dem für die fraglichen Erzeugnisse kennzeichnenden Marktsystem für die betroffenen Züchter zumindest in der Zeit, in der die Verordnung des Rates in Kraft gewesen sei, nicht möglich gewesen, die durch die Verordnung verursachten Kostensteigerungen auf ihre Abnehmer abzuwälzen.

Die Kommission kritisiert dieses Gutachten unter verschiedenen Gesichtspunkten, aber sie bestreitet nicht die Richtigkeit der ihm zugrunde liegenden Daten und einiger wichtiger wirtschaftlicher Bewertungen. Was insbesondere die Geflügelzüchter anbelangt, ist die Kommission der Ansicht, es bestehe im Bereich der Preise eine gewisse Handlungsfreiheit, während sie hinsichtlich der Eierproduzenten anerkennt, daß deren Marktposition gegenüber den Abnehmern schwach sei und in diesem Sektor ein besonders lebhafter Wettbewerb bestehe. Sie erklärt, für eine Beantwortung der Frage, ob die durch die Verordnung Nr. 563/76 begründete Ankaufsverpflichtung einen Einfluß auf den Eierpreis gehabt habe, müsse man nicht nur die konkreten Marktverhältnisse berücksichtigen, sondern auch eine allgemeinere Untersuchung der wirtschaftlichen Mechanismen vornehmen, die für den fraglichen Markt bestimmend seien.

Der äußerst technische Charakter dieser Untersuchung macht es mir schwer, zur Sache Stellung zu nehmen. Ich meine, auch zu dieser Frage sollte der. Gerichtshof in der Folge ein Sachverständigengutachten anordnen, das es ermöglicht, Licht in ein Problem zu bringen, das so bedeutsam für die Bestimmung des Schadensersatzes ist.

Zu Punkt d: Im Laufe dieses Verfahrens sind die nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen der Verordnung Nr. 563/76 auch in bezug auf die Produktionskostenentwicklung bei den Klägern und auf ihre Gewinnspannen untersucht worden. Ich möchte hervorheben, daß diese Beurteilung meines Erachtens keinen Einfluß auf die Natur des Schadens und seiner Berechnungsweise haben: Der Schaden besteht, wie ausgeführt, aus der größeren Belastung, die den Klägern durch die Erhöhung der Futtermittelpreise infolge der erwähnten Verordnung erwachsen ist, und die Bestimmung der Schadenshöhe erfordert im wesentlichen, daß die beiden Probleme des Einflusses der anderen Faktoren auf die Futtermittelpreiserhöhungen und der möglichen Überwälzung der Belastung auf die Kundschaft der Kläger gelöst werden. In Wahrheit ist es unter einem anderen Gesichtspunkt von Interesse festzustellen, in welchem Maße die Verordnung Nr. 563/76 die Produktionskosten der Kläger und ihre Gewinnspannen belastet hat, nämlich für den Fall, daß das Erfordernis der hinreichenden Qualifiziertheit der vom Rat begangenen Verletzung mit der Schwere des den Klägern entstandenen Schadens in Verbindung gebracht wird.

Ich habe diese theoretische Möglichkeit bereits geprüft und geglaubt, sie aus den dargelegten Gründen ausschließen zu sollen: Aber einige der von den Parteien insoweit vorgetragenen Überlegungen dienen zur Vervollständigung des Bildes der wirtschaftlichen Bewertungen, die die Betroffenen vorgenommen haben.

Es ist vorauszuschicken, daß die Parteien sowohl über die Bestimmung des Ausmaßes als auch über die Bewertung der Schwere der Erhöhung der Produktionskosten der Kläger streiten. Die Beklagten scheinen nicht zuzugestehen, daß eine größere Steigerung als 1 % eingetreten ist, während die Kläger sie bei durchschnittlich 2 % ansetzen. Auch in diesem letzten Falle könnte nach der Ansicht der Beklagten der Schaden nicht als schwer angesehen werden. Die Kläger vertreten dagegen die Auffassung, wegen der äußerst geringen Gewinnspanne, die für den Sektor kennzeichnend sei, komme einer Kostensteigerung dieser Größenordnung erhebliche Bedeutung zu.

In Wahrheit kann man nicht bei der einfachen Feststellung des niedrigen Prozentsatzes stehenbleiben, den die Auswirkung der Milchpulverankaufsverpflichtung auf die Endkosten der Erzeugnisse der Kläger ausmacht. Um festzustellen, welches die wahre betriebswirtschaftliche Bedeutung dieser Auswirkung ist, muß man sehen, in welchem Verhältnis dieses erhöhte Produktionskostenniveau zur Gewinnspanne steht. Diese Bewertung muß für jedes Unternehmen getrennt vorgenommen werden; wollte man aber allgemein argumentieren, müßte man von der mittleren Gewinnspanne der gut geführten Unternehmen des Sektors als Bezugsgröße ausgehen.

Diese Bezugsgröße fehlt. Die Behauptungen der Parteien werden durch keine überzeugenden Beweise belegt. Nach dem Vortrag der Kläger soll die Erhöhung der Produktionskosten, die aufgrund der Verordnung Nr. 563/76 eingetreten sei, dazu führen, daß in einigen Fällen der Jahresgewinn ganz aufgezehrt wird und manchmal sogar größere Verluste verursacht werden. Letzteres scheint bei der Klägerin in der Rechtssache 83/76 der Fall zu sein, die angeblich einen Verlust, der erheblich über dem mittleren Jahresgewinn liegen soll, erlitten hat. Der Kläger in der Rechtssache 40/77 trägt seinerseits vor, die Auswirkung der fraglichen Verordnung habe seine Gewinne in der Zeit der Anwendbarkeit der Verordnung praktisch auf Null zurückgeführt, und dieselbe Behauptung wird auch von dem Kläger in der Rechtssache 94/76 vorgetragen. Nur die Kläger in den Rechtssachen 4/77 und 15/77 haben nach ihrem Vortrag eine verhältnismäßig geringere Auswirkung der Verordnung verspürt und einen Rückgang des Jahresgewinns um 20 % gehabt.

Die Beklagten behaupten, den Eierproduzenten seien zum Ausgleich Erleichterungen beim Export aufgrund einer weitgehenden und intensiven Anwendung des Systems der Erstattungen gewährt worden. Aber hier muß man sich fragen, ob und in welchem Maße solche Erleichterungen in Verbindung mit der durch die betreffende Verordnung auferlegten Belastung gewährt worden sind. In anderen Worten: Nichts beweist, daß diese Vorteile, die es schon vor der Verordnung Nr. 563/76 gab und die danach fortbestanden, einen anderen Umfang gehabt hätten, wenn jene Verordnung niemals erlassen worden wäre.

Was das System der Gemeinschaftsabschöpfungen anbelangt, auf die die Kommission auch Bezug nimmt, bemerken die Kläger, dies könne nur dazu beitragen, den Wettbewerb der Erzeugnisse aus Drittländern zu hemmen. Andererseits heben die Kläger in diesem Zusammenhang hervor, die durch die Milchpulverankaufsverpflichtung verursachte Kostensteigerung sei tatsächlich bei der Festsetzung des auf die Einfuhr von Geflügel und abgeleiteten Erzeugnissen anwendbaren Abschöpfungsbetrages nicht berücksichtigt worden, weil der Betrag sich nur nach Maßgabe der Änderungen des Unterschiedes zwischen dem Preis für Futtergetreide auf dem Gemeinschaftsmarkt und dem Preis für dieselben Getreidearten auf dem Weltmarkt ändere, dagegen nicht durch Veränderungen beeinflußt werde, die in anderen Sektoren einträten.

Wenn man von der Produktionskostenerhöhung und dem Rückgang der Gewinne der betroffenen Unternehmen spricht, stellt sich schließlich erneut die Frage der relativen Auswirkung der Erhöhungen des Sojapreises. Zwar haben diese Erhöhungen die Produktionskosten der Kläger stärker als die Milchpulverankaufsverpflichtung nach der Verordnung Nr. 563/76 belastet, jedoch ist zu bemerken, daß die fraglichen Unternehmen diese Erhöhungen möglicherweise ertragen konnten, indem sie ihre Gewinnspanne entsprechend verkleinerten, daß sich aber gerade angesichts dessen die Auswirkung der Milchpulverankaufsverpflichtung für die Geschäftslage der Unternehmen als außerordentlich belastend erweisen konnte.

Angesichts objektiver Umstände, die die Lage der betroffenen Unternehmen erschwerten, erweist sich in der Tat um so deutlicher die Verantwortung des Rates, der durch den Erlaß und die Beibehaltung der betreffenden Maßnahme die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Unternehmen der Branche vergrößert hat, obgleich dies, wie der Gerichtshof festgestellt hat, für die Erreichung der angestrebten Ziele nicht erforderlich war.

Zu den äußerst schwierigen technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten dieser komplexen Situation scheint es mir jedoch nach dem Stand der Akten nicht möglich, ein abschließendes Urteil abzugeben. Ich schließe daraus, daß, sollte der Gerichtshof zu der Ansicht gelangen, daß die hinreichende Qualifiziertheit der Verletzung von der Schwere des Schadens abhängig ist, dieser letztgenannte Umstand ohne eine weitere Phase der Beweisaufnahme kaum festgestellt werden könnte.

10. 

Abschließend schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die von der Firma Bayerische HNL, dem Kaufmann Bernd Adleff, der Firma F. X. Zollner, dem Landwirt Christof Schwab und Johann Seidl gegen den Rat und die Kommission erhobenen Schadensersatzklagen zu erkennen:

a)

Die Verordnung (EWG) Nr. 563/76 des Rates, die bereits durch die Urteile vom 5. Juli 1977 in den Vorabentscheidungssachen 114, 116, 119 und 120/76 für ungültig erklärt worden ist, hat die höherrangigen Regeln des Diskriminierungsverbots und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, aus denen den einzelnen Rechte erwachsen, sowie Artikel 40 Absatz 3 zweiter Unterabsatz und Artikel 39 EWG-Vertrag in hinreichend qualifizierter Weise verletzt.

b)

Die Gemeinschaft ist folglich zum Ersatz der Schäden verpflichtet, die den Klägern durch die Auswirkung der Anwendung der vorgenannten Verordnung entstanden sind.

c)

Die Höhe der zu ersetzenden Schäden wird im weiteren Verlauf des Verfahrens festzusetzen sein, sofern die Parteien dem Gerichtshof nicht binnen sechs Monaten nach dem Erlaß des Urteils mitteilen, daß sie sich über die Höhe des Schadensersatzes verglichen haben.


( 1 ) Aus dem Italienischen übersetzt.