SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS GERHARD REISCHL

VOM 15. DEZEMBER 1976

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

Die Pretura in Cittadella hat durch Beschluß vom 27. April 1976 Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die sich einmal auf die Befugnisse der nationalen Interventionsstellen im Rahmen der Gemeinsamen Marktordnung für Getreide, zum anderen auf das Diskriminierungsverbot des Artikels 40 Absatz 3 Unterabsatz 2, die Beihilfevorschriften der Artikel 92 bis 94 sowie die Artikel 86 und 90 des EWG-Vertrags beziehen. Im einzelnen lauten die Fragen wie folgt:

„1.

Lassen es die Gemeinschaftsbestimmungen über den Gemeinsamen Markt für Getreide zu, daß die einzelnen Interventionsstellen, namentlich die AIMA, einseitig beschließen, die Agrarerzeugnisse und insbesondere den in ihrem Besitz befindlichen Weizen unter Bedingungen zu verkaufen, die von den in Artikel 3 der Verordnung Nr. 132/67/EWG und in der Verordnung (EWG) Nr. 376/70 vorgesehenen Ausschreibungsverfahren abweichen?

Bedeutet ein solches Verhalten in jedem Fall eine Verletzung des in Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages von Rom verankerten Diskriminierungsverbots?

2.

Lassen es die Gemeinschaftsbestimmungen über den Gemeinsamen Markt für Getreide zu, da die einzelnen Interventionsstellen, namentlich die AIMA einseitig beschließen, die Agrarerzeugnisse und insbesondere den in ihrem Besitz befindlichen Weizen zu anderen als den in Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 376/70 genannten Preisen zu verkaufen?

Bedeutet ein solches Verhalten in jedem Fall eine Verletzung des in Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages von Rom verankerten Diskriminierungsverbots?

3.

Stellt es die Gewährung einer staatlichen Beihilfe für Unternehmen im Sinne der Artikel 92 bis 94 EWG-Vertrag und des Artikels 22 der Verordnung Nr. 120/67/EWG dar, wenn sich eine Interventionsstelle staatlicher Finanzierungseinrichtungen bedient, um Getreide auch zu anderen als den in den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Agrarbestimmungen aufgestellten Bedingungen zu kaufen und es dann zu niedrigeren als den in der Verordnung (EWG) Nr. 376/70 festgelegten Mindestpreisen wieder zu verkaufen?

Bedeutet ein solches Verhalten in jedem Fall eine Verletzung des in Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages von Rom verankerten Diskriminierungsverbots?

4.

Stellt ein Unternehmen, das über bedeutende Finanzmittel verfügt, die es ihm ermöglichen würden, ohne Rücksicht auf das Verhalten und die Reaktionen der Konkurrenten auf dem Markt zu operieren, ein marktbeherrschendes Unternehmen im Sinne der Artikel 86 und 90 des Vertrages und der Verordnung Nr. 26/62/EWG dar, und zwar auch dann, wenn dieses Unternehmen eine Interventionsstelle im Sinne der Verordnung Nr. 120/67/EWG ist?

5.

Stellt es den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung auch nach Artikel 90 des Vertrages dar, wenn ein Unternehmen gegen Gemeinschaftsbestimmungen verstößt, die der Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen im Gebiet der Gemeinschaft dienen?

6.

Ist der Interventionsstelle bei Verneinung der Fragen zu 1 und 2 und Bejahung der Fragen zu 3, 4 und 5 verpflichtet, die Schäden zu ersetzen, die durch ihren Verstoß gegen die in den vorstehenden Fragen genannten Gemeinschaftsbestimmungen entstanden sind?

7.

Welche Bindungswirkung hat die vom Gerichtshof gegebene Auslegung des Gemeinschaftsrechts für das vorlegende Gericht? Ist es an das, was der Gerichtshof ‚für Recht erkennt‘, in gleichem Maße gebunden wie an die ‚Rechtsauffassung‘ der Corte di Cassazione?“

Nach Ansicht des vorlegenden Richters sind diese Fragen für die Entscheidung eines Verfahrens von Bedeutung, das ein italienischer Mühlenbesitzer gegen eine andere italienische Mühle eingeleitet hat. Der Kläger trägt vor, die AIMA, die italienische Interventionsstelle für die Gemeinsame Getreidemarktordnung, habe in der Zeit von November 1975 bis Januar 1976 größere Mengen italienischen Weichweizens auf dem Markt der Provinz Padua unter Abweichung von den Regeln des Gemeinschaftsrechts und namentlich zu einem Preis abgesetzt, der unter dem gemeinsamen Interventionspreis gelegen sei. In den Genuß dieser Aktion sei — anders als der Kläger — die beklagte, in der Provinz Padua gelegene Mühle gekommen. Sie habe deshalb Mehl zu einem unter dem Marktpreis liegenden Preis abgeben können, weshalb der Kläger einen Kunden verloren habe, an den er früher immer geliefert habe. Da dies nach Ansicht des Klägers als unlauterer Wettbewerb, als Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht zu werten ist, hat er Klage auf Leistung von Schadensersatz erhoben. Da die eigentliche Urheberin der Schädigung aber die AIMA sei, wurde auch ihr der Streit verkündet Außerdem ist zu erwähnen, daß dem Verfahren auf Seiten des Klägers als Streithelfer einige regionale Unternehmensverbände, namendich der Mühlenindustrie, beigetreten sind.

Ehe ich auf die Fragen eingehe, die der vorlegende Richter formuliert hat, will ich noch anmerken, daß die kritisierte, von der AIMA vorgenommene Weichweizenabgabe im Rahmen einer Aktion erfolgte, die der Verbilligung des Konsumbrotes, für das in Italien eine Preiskontrolle gilt, dienen sollte. Sie wurde grundsätzlich vom Interministeriellen Ausschuß für Wirtschaftsplanung — CIPE —, einem Ministerkomitee unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten, beschlossen. Die Zuteilung der vorgesehenen Weichweizenmengen, für die der genannte Ausschuß den Preis festgelegt hatte, erfolgte auf Antrag der Präfekten besonders benachteiligter Provinzen durch den Landwirtschaftsminister. Die Präfekten teilten dann die zugewiesenen Mengen auf die Mühlen ihrer Provinzen auf. Dabei traf die Mühlen die Verpflichtung, das aus dem Getreide gewonnene Mehl zu einem vorgeschriebenen, ermäßigten Preis an Bäckereien abzugeben, die dafür von den Präfekten Gutscheine erhielten, die Bäckereien wiederum mußten das Mehl zur Herstellung verbilligten Brotes verwenden, das vor allem von den ärmeren Bevölkerungsschichten verbraucht wird.

Weiter möchte ich vorab darauf hinweisen, daß die im folgenden immer wieder zitierten Ratsverordnungen Nr. 120/67 und Nr. 132/67 mit Wirkung vom 1. November 1975 — also auch schon für den im vorliegenden Fall interessierenden Zeitraum von November 1975 bis Januar 1976 — durch die Ratsverordnung Nr. 2727/75 vom 29. Oktober 1975 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide (ABl. 1975, L 281, S. 1) und die Ratsverordnung Nr. 2738/75 vom 29. Oktober 1975 zur Festlegung der Grundregeln für die Intervention bei Getreide (ABl. 1975, L 281, S. 49) ersetzt worden sind. Änderungen der im folgenden zum Teil im Wortlaut zitierten Vorschriften haben sich hieraus nicht ergeben. Lediglich der später erwähnte Artikel 19 der Verordnung Nr. 120/67 ist geändert worden. Ich werde darauf bei der Behandlung dieser Vorschrift zurückkommen.

1.

Bei der Untersuchung der uns unterbreiteten Probleme sollten die beiden ersten Fragen zusammengefaßt werden. Demnach muß zunächst überlegt werden, ob es die Gemeinschaftsbestimmungen über den Getreidemarkt ausschließen, daß nationale Interventionsstellen einseitig beschließen, in ihrem Besitz befindlichen Weizen unter Abweichung von dem in der Ratsverordnung Nr. 132/67 (ABl. 1967, S. 2364) — jetzt Verordnung Nr. 2738/75 (ABl. 1975, L 281, S. 49) — und in der Kommissionsverordnung Nr. 376/70 (ABl. 1970, L 47) vorgesehenen Verfahren sowie zu einem anderen Preis als dem nach der Verordnung Nr. 376/70 vorgeschriebenen abzugeben. Außerdem ist zu prüfen, ob ein solches Verhalten, wenn es sich auf die Mühlen einer Provinz beschränkt, Verarbeitungsbetriebe angrenzender Regionen also außer Betracht läßt, eine Verletzung des in Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 des EWG-Vertrags enthaltenen Diskriminierungsverbots darstellt.

Lassen Sie mich dazu vorweg in Erinnerung bringen, was in den angeführten Vorschriften angeordnet ist Nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 132/67 (jetzt Verordnung Nr. 2738/75) erfolgt „die Abgabe des Getreides, das sich bei den Interventionsstellen befindet … durch Ausschreibung“. Gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 376/70 ist eine Ausschreibung, d.h. eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten, ordnungsgemäß zu veröffentlichen. Die Ausschreibungsbedingungen — dies sieht wiederum Artikel 3 der Verordnung Nr. 132/67 (jetzt Verordnung Nr. 2738/75) vor — „müssen gewährleisten, daß der Zugang allen Beteiligten, unabhängig von ihrem Niederlassungsort in der Gemeinschaft, zu den gleichen Bedingungen offensteht“. Ferner ist in Artikel 4 der Verordnung Nr. 132/67 (jetzt Verordnung Nr. 2738/75) vorgesehen, daß der Rat, wenn es sich aufgrund besonderer Umstände als notwendig erweist, ein anderes Verfahren für die Abgabe von Getreide durch die Interventionsstellen festlegen kann. Zu den Preisen ist in Artikel 3 der Verordnung Nr. 132/67 (jetzt Verordnung Nr. 2738/75) angeordnet, daß der Absatz auf der Grundlage von Preisbindungen erfolgt, die vor Beginn des Getreidewirtschaftsjahres festgelegt werden und durch die sich eine Verschlechterung der Marktlage verhindern läßt. Artikel 3 der Verordnung Nr. 376/70 schreibt — darauf will ich mich jetzt beschränken — für den Fall, daß das angebotene Getreide an einem Handelsplatz gelagert wird, vor, daß der Verkaufspreis mindestens dem örtlichen Marktpreis entsprechen muß und daß er in keinem Fall unter dem für diesen Handelsplatz gültigen Interventionspreis, der um 1,50 Rechnungseinheiten je Tonne erhöht wird, liegen darf. Schließlich will ich noch erwähnen, daß durch Verordnung Nr. 935/70 (ABl. 1970, L 111) dem Artikel 3 der Verordnung Nr. 376/70 ein Absatz 4 hinzugefügt wurde, nach dem in außergewöhnlichen Fällen auf Antrag eines Mitgliedstaates die Interventionsstelle dieses Mitgliedstaates ermächtigt werden kann, die Ausschreibung auf bestimmte Verwendungszwecke zu beschränken.

Nach den Ausführungen des Klägers des Ausgangsverfahrens und den Darlegungen des vorlegenden Richters könnte man den Eindruck haben, daß die beanstandeten Verkäufe sich auf Interventionsgetreide bezogen. Sollte dem tatsächlich so sein, so würde die Beantwortung der gestellten Fragen keine Schwierigkeiten bereiten.

Mit dem weiteren Schicksal des von einer Interventionsstelle übernommenen Getreides befaßt sich nämlich ausdrücklich der Artikel 7 der Ratsverordnung Nr. 120/67 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide (ABl. 1967, S. 2269 — jetzt Ratsverordnung Nr. 2727/75 — ABl. 1975, L 281, S. 1). Seinem Absatz 3 zufolge geben die Interventionsstellen das von ihnen aufgekaufte Getreide zur Versorgung des Binnenmarktes unter Bedingungen ab, die nach den Absätzen 4 und 5 des Artikels 7 festzulegen waren. Absatz 4 sieht vor, daß der Rat die Grundregeln für die Interventionstätigkeit festlegt. Nach Absatz 5 werden Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel, unter anderem das Verfahren und die Bedingungen für die Abgabe durch die Interventionsstellen, in dem bekannten Verwaltungsausschußverfahren festgelegt. Gerade diese Bestimmungen habe ich vorhin angeführt und ihren Inhalt dargelegt Demnach ist klar, daß die Interventionsstellen öffentliche Ausschreibungen vornehmen und allen Interessierten gleichen Zugang gewähren müssen; außerdem sind sie zur Einhaltung der maßgebenden Preisvorschriften verpflichtet, d. h. es dürfen die von ihnen festgelegten Preise die normale Preisentwicklung nicht beeinträchtigen. Fehlt es daran, so kann mit Sicherheit von einer Verletzung des Gemeinschaftsrechts gesprochen werden.

Nach allem, was schon gesagt wurde, insbesondere zu dem nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 132/67 (jetzt Verordnung Nr. 2738/75) geltenden Erfordernis, allen Beteiligten Zugang zu gleichen Bedingungen zu gewähren, braucht dabei übrigens auf Artikel 40 des EWG-Vertrags, nach dem eine gemeinsame Marktorganisation sich auf die Verfolgung der Ziele des Artikels 39 zu beschränken und jede Diskriminierung zwischen Erzeugern oder Verbrauchern innerhalb der Gemeinschart auszuschließen hat, nicht zurückgegriffen zu werden. Hält man es trotzdem für angebracht, so kann auch insofern nur der Kommission gefolgt werden. Tatsächlich ist nicht daran zu zweifeln — auf diese Feststellung will ich mich beschränken —, daß Artikel 40 nicht nur den Gemeinschaftsgesetzgeber bindet, sondern daß er auch für die Mitgliedstaaten gilt, soweit sie mit ihren Interventionsstellen Funktionen im Rahmen der Gemeinsamen Marktordnung wahrnehmen.

Indessen können wir uns mit diesen Feststellungen nicht begnügen. Die italienische Regierung hat nämlich zur Rechtfertigung ihres Verhaltens einmal geltend gemacht, die AIMA habe im vorliegenden Fall nicht als Interventionsstelle gehandelt, sondern als Hilfsorgan des Staates bei der Bewältigung einer regionalen Notsituation, und sie sei daher in bezug auf die Abgabe von Weizen, der nicht im Rahmen der Gemeinschaftsregelung erworben worden sei, auch nicht an die Interventionsregeln gebunden gewesen. Zum anderen vertritt die italienische Regierung den Standpunkt, das Gemeinschaftsrecht stelle keine vollständige Regelung dar. Es sei eher zugeschnitten auf Uberschußsituationen und enthalte keine Bestimmungen zum Schutze des Verbrauchers in Mangellagen. Namentlich sehe es keine Regelung für den Fall vor, daß sich eine Störung nur auf einen Mitgliedstaat oder einen Teil davon beschränke und sich vor allem auf Produkte beziehe, die für einen Mitgliedstaat von besonderer Bedeutung seien. Bei derartigen Sachverhalten müßten also die Mitgliedstaaten als zum Erlaß nationaler Maßnahmen befugt angesehen werden.

Hierzu muß zwar eingeräumt werden, daß die Feststellung, es habe sich bei dem von der AIMA abgegebenen Getreide nicht um Interventionsgetreide, also nicht um Getreide gehandelt, das von den Interventionsstellen im Rahmen der Getreidemarktordnung auf Kosten der Gemeinschaft zum Zwecke der Marktstabilisierung übernommen worden ist, die weitere Feststellung nach sich zieht, derartige Getreideverkäufe könnten nicht den vorhin erwähnten Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 132/67 (jetzt 2738/75) und 376/70 unterliegen. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß nationale, auf Anweisung der Regierung handelnde Stellen insoweit völlig ungebunden handeln könnten.

Mit Recht hat die Kommission für den Fall, daß tatsächlich jene andere Sachlage gegeben war, auf das Urteil der Rechtssache 60/75 (Russo/AIMA, Urteil vom 22. Januar 1976, Slg. 1976, 55) hingewiesen. Danach sind zwar staatliche Interventionen zur Bremsung des Preisanstiegs für bestimmte Nahrungsmittel als solche aus der Sicht des Marktordnungsrechts nicht zu beanstanden. Andererseits wurde aber deutlich gemacht, daß nicht die Ziele oder das Funktionieren einer gemeinsamen Marktorganisation gefährdet werden dürften. Eine solche Gefährdung wurde für den Fall angenommen, daß die Tätigkeit der nationalen Stelle geeignet ist, ein Fallen der Preise unter das Niveau des Richtpreises oder gar des Interventionspreises hervorzurufen. Wenn ich recht sehe, war dieser Effekt aber mit den im vorliegenden Fall interessierenden Aktionen der ALMA verbunden. Dies ergibt sich jedenfalls aus den von der Kommission gelieferten Angaben zu den seinerzeit geltenden Richt- und Interventionspreisen und einem Vergleich mit den von der AIMA festgesetzten Preisen. Es läge demnach in jedem Falle ein Verstoß gegen die im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation geltenden Preisregelungen vor.

Daneben scheint mir auch sicher zu sein, daß die Mitgliedstaaten selbst bei einer derartigen Fallgestaltung — freihändige Getreideabgabe außerhalb der Intervention — an das Diskriminierungsverbot des Artikels 40 gebunden sind. Dies folgt gleichfalls aus dem Urteil der Rechtssache 60/75 mit seinem Hinweis darauf, daß staatliche Maßnahmen nicht die Ziele und das Funktionieren einer gemeinsamen Marktorganisation in Gefahr bringen dürfen. Man hat demnach davon auszugehen, daß ein Mitgliedstaat beim Erlaß von Maßnahmen, die sich auf die Gemeinsamen Marktordnungen auswirken, alle Grundsätze zu beachten hat, von denen dieses Gebiet beherrscht wird, also auch das Diskriminierungsverbot Nicht zuletzt läßt sich dafür auch auf das Urteil der Rechtssache 51/74 (Van der Hulst's Zonen/Produktschap voor Siergewassen, Urteil vom 23. Januar 1975, Slg. 1975, S. 95) verweisen. In diesem wurde der Grundsatz des Artikels 40 zumindest analog für anwendbar erklärt auf ein nationales Interventionssystem, das eine gemeinsame Marktordnung ergänzen sollte.

Im übrigen dürfte auch die Ansicht der italienischen Regierung von der Unvollständigkeit der Gemeinschaftsregelung und der daraus folgenden Kompetenz der Mitgliedstaaten zum Erlaß rein regionaler Maßnahmen schwerlich haltbar sein.

Verfehlt ist schon ihre Ansicht die Schutzklauseln der Gemeinsamen Getreidemarktordnung, insbesondere Artikel 19 der Verordnung Nr. 120/67, seien auf Uberschußsituationen zugeschnitten. In Wahrheit spricht Artikel 19 davon, daß der cif-Preis den Schwellenpreis erheblich überschreitet, d. h. er hat eine Situation im Auge, in der die Weltmarktpreise über den Gemeinschaftspreisen liegen und in der wegen der daraus resultierenden Anziehungskraft des Weltmarktes Schwierigkeiten für die Versorgung der Gemeinschaft entstehen könnte. An dieser Grundtendenz hat auch die Neufassung des Artikels 19 durch die Verordnung Nr. 2727/75 nichts geändert, wenn auch der Ansatzpunkt für Maßnahmen auf den Gleichstand zwischen Weltmarktpreis und Gemeinschaftspreisen vorgezogen wird.

Ebenso unhaltbar ist die Meinung, das Gemeinschaftsrecht sehe nichts für Fälle lokaler Notsituationen vor, wenn Maßnahmen mit Eingriffen in das Funktionieren der gemeinsamen Marktorganisation erforderlich werden. Insofern erinnere ich daran, daß in die Verordnung Nr. 376/70 durch die Verordnung Nr. 935/70 eine zusätzliche Bestimmung eingefügt wurde, nach der in außergewöhnlichen Fällen die Interventionsstelle eines Mitgliedstaates ermächtigt werden kann, Ausschreibungen auf einen bestimmten Verwendungszweck zu beschränken. Außerdem ist von Interesse, daß nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 132/67 (jetzt Verordnung Nr. 2738/75) der Rat beim Vorliegen besonderer Umstände ein anderes Verfahren für die Getreideabgabe durch die Interventionsstellen vorsehen kann. Wie sich diese Vorschriften in der Praxis und gerade auch zugunsten Italiens ausgewirkt haben, hat die Kommission mit Eindringlichkeit im Verfahren gezeigt. So wurde in der Ratsverordnung Nr. 1984/73 (ABl. 1973, L 201) die Italienische Republik zum freihändigen Verkauf einer bestimmten Menge Weichweizens ermächtigt, wobei angeordnet wurde, die Italienische Republik habe sicherzustellen, „daß der gemäß dieser Verordnung verkaufte Weizen ausschließlich zur Herstellung von Nahrungsmitteln zur Versorgung der Bevölkerung der Gebiete Süditaliens, vor allem der Städte Neapel, Palermo, Ragusa und Caltanissetta, verwendet wird“. Durch Verordnung Nr. 2043/73 (ABl. 1973, L 207) wurde diese Ermächtigung auf eine zusätzliche Menge Weichweizens erstreckt, die ebenfalls zu den in der Verordnung Nr. 1984/73 genannten Bedingungen verkauft werden konnte. Daneben ist die Ratsverordnung Nr. 2104/73 (ABl. 1973, L 214) — jetzt seit 1. November 1975 Ratsverordnung Nr. 2737/75 (ABl. 1975, L 281, S. 47) — zu erwähnen, nach der die deutsche, die französische und die belgische Interventionsstelle bestimmte Weichweizenmengen für die italienische Interventionsstelle zur Verfügung hielten. Auch diese Mengen konnte die Italienische Republik freihändig verkaufen, wiederum mußte aber sichergestellt werden, daß der Weizen ausschließlich zur Herstellung von Nahrungsmitteln für die Versorgung der Bevölkerung verwendet wird. Schließlich ist noch die Ratsentscheidung vom 18. Mai 1976 über Verkauf und Verwendung von bei der italienischen Interventionsstelle eingelagertem Weichweizen (ABl. 1976, L 136) von Interesse. Ihr zufolge konnte die italienische Interventionsstelle der italienischen Regierung eine bestimmte Menge Weichweizen überlassen. Ausdrücklich heißt es dazu in Artikel 1 Absatz 3 dieser Entscheidung: „Die italienische Regierung tritt die in Absatz 1 genannten Mengen zur Weiterverarbeitung an die Mühlenindustrie ab, damit sie hieraus Brot der Art ‚pane comune‘ zu einem niedrigeren Preis herstellt, der den am stärksten benachteiligten Verbrauchern den Erwerb dieses Brotes ermöglicht.“

Dies alles macht klar, daß man die Gemeinsame Getreidemarktordnung tatsächlich als eine umfassende Regelung anzusehen hat und daß sie, anders als es die italienische Regierung wahrhaben will, durchaus auch eingreift, wenn es um den Erlaß von Sondermaßnahmen in bezug auf Ausnahmesituationen rein lokaler Natur geht

Unverändert muß deshalb gelten, was der Gerichtshof schon in der Rechtssache 31/74 (Galli, Urteil vom 23. Januar 1975, Slg. 1975, 61 und 63) ausgesprochen hat. Danach ist wesentlich, daß die gemeinsame Marktorganisation für Getreide um der Verwirklichung eines Einheitsmarktes willen ein System aufgerichtet hat, das eine Reihe von materiellrechtlichen und Zuständigkeitsvorschriften umfaßt und damit einen organisatorischen Rahmen setzt, der es gestattet, allen Eventualitäten Herr zu werden. Demgemäß müssen die Mitgliedstaaten, wenn sie auf einem einer gemeinsamen Marktorganisation unterliegenden Sektor Maßnahmen zur Bekämpfung des Preisanstiegs beabsichtigen, im Rahmen der Gemeinschaft die geeigneten Initiativen ergreifen, um zu erreichen, daß von den zuständigen Gemeinschaftsbehörden Maßnahmen erlassen oder genehmigt werden, die den Erfordernissen des durch die Verordnung Nr. 120/67 (jetzt Verordnung Nr. 2727/75) geschaffenen einheitlichen Marktes entsprechen.

2.

In Anbetracht dieser Erkenntnisse, die sich zu den beiden ersten Fragen ergeben, kann man mit Recht daran zweifeln, ob es noch notwendig ist, auf die Fragen 3 bis 5, die sich auf die Beihilfevorschriften und Artikel 90 in Verbindung mit Artikel 86 beziehen, ebenfalls einzugehen. Für die Schlußanträge will ich eine solche Konsequenz nicht ziehen. Ich erlaube mir aber doch, die Fragen nur kursorisch zu behandeln, um diese nicht zuletzt auch deswegen, weil sich bei näherer Betrachtung zeigt, daß eine abschließende Würdigung mangels ausreichender Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse nicht möglich ist

a)

Zu untersuchen ist also zunächst, ob es als Beihilfe im Sinne des Artikels 92 des EWG-Vertrags und im Sinne des Artikels 22 der Verordnung Nr. 120/67 (jetzt Verordnung Nr. 2727/75) anzusehen ist, wenn eine Interventionsstelle mit staatlichen Mitteln Getreide kauft und es zu einem niedrigeren als dem nach Gemeinschaftsrecht erlaubten Preis absetzt.

Artikel 92, der nach Artikel 22 der Verordnung Nr. 120/67 (jetzt Verordnung Nr. 2727/75) auch auf den Handel mit Erzeugnissen anwendbar ist, die von dieser Verordnung erfaßt werden, erklärt bekanntlich als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen, gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen …, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen“. Gemäß Absatz 2 Buchstabe a, auf den im gegenwärtigen Zusammenhang im Verfahren auch Bezug genommen worden ist, sind mit dem Gemeinsamen Markt unter anderem vereinbar „Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher, wenn sie ohne Diskriminierung nach der Herkunft der Waren gewährt werden“.

Im vorliegenden Fall — diesen Eindruck konnte man nach dem Verfahrensablauf gewinnen — scheint es sich so verhalten zu haben, daß die AIMA auf Anweisung der italienischen Regierung mit staatlichen Mitteln Weichweizen zum Interventionspreis gekauft und zu einem erheblich darunter liegenden Preis mit dem Ziel der Verbilligung des Brotpreises verkauft hat Man kann also davon ausgehen, daß der italienische Staat ein finanzielles Opfer gebracht hat und daß demnach das Merkmal „aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe“ erfüllt ist

Da das Ziel der Aktion in der Verbilligung des Brotpreises zugunsten einkommensschwacher Bevölkerungsteile bestand, liegt es allerdings auch nahe, von einer Beihilfe sozialer Art an einzelne Verbraucher zu sprechen, also die Vereinbarkeit der Aktion mit dem Vertrag anzunehmen. Dem läßt sich jedoch entgegenhalten, daß die angewandte Methode, die nicht unmittelbare Zuwendungen an die Verbraucher vorsah, auch eine Begünstigung der eingeschalteten Mühlenbetriebe mit sich bringen konnte. Davon mag gesprochen werden, weil nur bestimmte Mühlen in die Verbilligungsaktion einbezogen wurden und für sie der Mehlabsatz, wenn auch zu einem niedrigeren Preis, gesichert wurde, während andere Mühlen, die an sich gleichfalls in dem fraglichen Wirtschaftsgebiet tätig werden, vorübergehend auf gewisse Absätze verzichten mußten. Auch könnte zutreffen — dies hätte der vorlegende Richter gegebenenfalls noch zu untersuchen —, daß beim Absatz verbilligten Mehls, wie in der mündlichen Verhandlung behauptet wurde, größere Gewinne, etwa im Hinblick auf anfallende teure Nebenprodukte, möglich waren als beim Absatz von Mehl, das aus Getreide gewonnen wurde, für das die normalen Marktpreise galten.

Daß bei dieser Sachlage, d.h. bei der Annahme der Begünstigung bestimmter Mühlen, auch von einer Wettbewerbsverfälschung oder wenigstens — was ausreicht — von einer drohenden Wettbewerbsverfälschung gesprochen werden kann, ist ebenfalls durchaus naheliegend. Insofern dürfte jedenfalls — man denke an höhere Transportkosten oder den Verlust traditioneller Kunden — die von der italienischen Regierung vorgebrachte Bemerkung, wegen der seinerzeit bestehenden Mangellage hätten für keine Mühle Absatzprobleme bestanden, gleichgültig, ob sie an der Verbilligungsaktion beteiligt worden sei oder nicht, keinen wirksamen Einwand darstellen.

Dagegen erscheint eine Aussage nicht möglich zu dem weiteren Tatbestandselement, dem der Beeinträchtigung des zwischenstaadichen Handels, die, soll von einer Beihilfe im Sinne des Vertrages gesprochen werden können, bei der Begünstigung bestimmter Unternehmen befürchtet werden muß oder die — wie andere meinen — tatsächlich eintreten muß. Zwar ist eine derartige Gefahr sicher verhältnismäßig klein bei Beihilfeaktionen, die auf eine einzige Provinz beschränkt sind und die in Zeiten internationaler Getreideknappheit stattfinden. Völlig auszuschließen ist sie indessen nicht. Auch dazu hätte der vorlegende Richter also noch die notwendige Klarheit zu schaffen, etwa unter Heranziehung maßgeblicher Außenhandelsstatistiken, an denen sich eventuell ablesen läßt, daß Getreideimporte oder Mehlimporte nach Italien zurückgegangen sind oder daß eine Veränderung der Handelsströme in der Weise erfolgte, daß Mehl, das sonst auf dem italienischen Markt Absatz gefunden hätte, in andere Länder exportiert worden ist.

Auf diese Bemerkungen kann man sich wohl, was die Auslegung des Artikels 92 angeht, im vorliegenden Falle beschränken. Nicht notwendig erscheint es mir, darüber hinaus noch auf die gleichfalls gestellte Frage nach der Verletzung des Diskriminierungsverbots einzugehen, sind doch nach dem Vertrag jedenfalls unzulässige Beihilfen schon ihrer Natur nach diskriminierend. Desgleichen erscheint es mir nicht erforderlich, zusätzlich die Vorschriften des Artikels 93 — Notwendigkeit der rechtzeitigen Unterrichtung der Kommission und Folgen ihrer Unterlassung — zu behandeln. Danach wurde vom vorlegenden Richter nicht ausdrücklich gefragt, und dies ist wohl in der richtigen Überlegung unterblieben, daß es für die Beurteilung von Schadensersatzansprüchen — um sie geht es ja im Ausgangsverfahren — nur auf die Verletzung materieller Vertragsbestimmungen, nicht aber auf die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften ankommt.

b)

Die beiden anderen Fragen, die ich ebenfalls nur kursorisch behandeln möchte, beziehen sich auf die Artikel 86 und 90 des EWG-Vertrags. Ihnen zufolge soll geklärt werden, ob eine Interventionsstelle, die über bedeutende Finanzmittel verfügen kann, ein marktbeherrschendes Unternehmen im Sinne der angegebenen Artikel ist und ob es einen Mißbrauch ihrer beherrschenden Stellung darstellt, wenn sie beim Getreideabsatz gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, das Wettbewerbsverzerrungen verhindern will.

Dem vorlegenden Richter geht es in diesem Zusammenhang offenbar insbesondere um die Anwendung von Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe c, nach dem ein Mißbrauch sein kann „die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden“. Hält man sich das vor Augen und ruft man sich in Erinnerung, was ich vorhin zur Geltung des Diskriminierungsverbots in bezug auf das Handeln von Interventionsstellen, sei es, daß sie Interventionsgetreide absetzen, oder sei es, daß sie sich außerhalb ihrer eigentlichen Funktionen betätigen, gesagt habe, so ist besonders schwer einzusehen, worin der zusätzliche Nutzen der Fragen 4 und 5 bestehen soll. Lassen Sie mich dazu aber doch wenigstens folgendes anmerken.

Mir erscheint es außerordentlich zweifelhaft, ob eine Interventionsstelle, die im Auftrag des Staates Getreideverkäufe zu vorgeschriebenen Preisen und mit einem bestimmten sozialpolitischen Ziel tätigt, überhaupt als ein öffentliches Unternehmen angesehen werden kann, auf das die Wettbewerbsvorschriften des Vertrages Anwendung finden. Tatsächlich beteiligt sich ein solcher Organismus am Wirtschaftsleben und am wirtschaftlichen Wettbewerb nicht wie ein Unternehmen. Er erinnert eher an ein Verwaltungsorgan des Staates, das sich hoheitlich betätigt; im Grunde handelt der Staat selbst über die eingeschaltete Stelle zur Erreichung bestimmter Ziele, und es geht deshalb in Wahrheit unmittelbar um die Verantwortung des Staates, zu deren Beurteilung ein Rückgriff auf die Wettbewerbsvorschriften des Vertrages gekünstelt erscheint.

Hält man es aber für vertretbar, die Interventionsstelle als ein öffentliches Unternehmen im Sinne des Artikels 90 anzusehen, so liegt gleichzeitig der Schluß nahe, von einem Unternehmen, das „mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ betraut ist, im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 zu sprechen. Dies kann nach in der Literatur vertretener Ansicht auch angenommen werden, wenn es nur um die Interessen eines Teils der Bevölkerung geht, etwa um die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln oder die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs. In einem solchen Falle jedoch gelten die Vertragsvorschriften nicht vorbehaltlos; sie kommen nur zum Zuge, soweit dadurch nicht die Erfüllung der den Unternehmen übertragenen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert wird. Wie es sich damit und mit der Beeinträchtigung der Entwicklung des Handelsverkehrs, von der in Artikel 90 Absatz 2 ebenfalls die Rede ist, im gegenwärtigen Fall im Hinblick auf die Einhaltung des Diskriminierungsverbots verhält, kann indessen mangels ausreichender Tatsachenkenntnisse im Vorlageverfahren nicht geklärt werden, ganz abgesehen davon, daß eine solche Klärung schon deswegen unterbleiben kann, weil die Vorschrift des Artikels 90 Absatz 2 — dies wurde im Urteil der Rechtssache 10/71 (Staatsanwaltschaft von Luxemburg/Witwe J. P. Hein, Urteil vom 14. Juli 1971, Slg. 1971, 723) festgestellt — nicht unmittelbar anwendbar im Sinne der Begründung individueller Rechte ist.

3.

Die sechste Frage, der wir uns danach zuwenden, zielt auf die Klärung des Problems, ob die Interventionsstelle zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn ihr ein Verstoß gegen die in den vorhergehenden Fragen aufgeführten Gemeinschaftsbestimmungen nachgesagt werden kann. Dabei handelt es sich offensichtlich um einen Amtshaftungsanspruch, denn entweder ist davon auszugehen, daß die Interventionsstelle gleichsam als Verwaltungsorgan des Staates auf Weisung der Regierung gehandelt hat, oder es ist anzunehmen, daß sie im Rahmen ihrer eigentlichen Marktordnungsaufgabe, die ebenfalls als hoheitliche Tätigkeit zur Erreichung der Vertragsziele zu qualifizieren ist, tätig geworden ist.

Ausgangspunkt der Überlegungen in diesem Zusammenhang ist die Frage, ob es sich bei den Gemeinschaftsbestimmungen, deren Mißachtung behauptet wird, um unmittelbar anwendbare Vorschriften handelt, die Rechte einzelner begründen. Wenn dem so ist — und dies ist anzunehmen im Hinblick auf die für Abgabe von Interventionsgetreide geltenden Vorschriften, im Hinblick auf die Bestimmungen zur Preisbildung im Gemeinsamen Markt sowie im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot —, so folgt daraus nach Gemeinschaftsrecht, dem ja gegenüber nationalem Recht ein Vorrang zukommt, daß entgegenstehendes nationales Recht verdrängt und seine Anwendung ausgeschlossen wird, auch wenn es später erlassen wurde. Im Prinzip gehört dazu aber auch, weil nur so dem Gemeinschaftsrecht volle Geltung verschafft wird, daß eine dennoch erfolgte Anwendung nationalen Rechts rückgängig gemacht werden muß oder daß Ersatz in Geld zu leisten ist, wenn eine solche Rückgängigmachung ausscheidet Dies trifft jedenfalls zu, soweit es sich um Normen handelt, die als Schutznormen für den Geschädigten anzusehen sind; als solche sind aber die hier interessierenden Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zu werten.

Andererseits wurde zu Recht geltend gemacht, das Gemeinschaftsrecht enthalte nur Vorschriften über die Haftung der Gemeinschaftsorgane. In keiner Bestimmung dagegen sei eine Haftung des Staates oder staatlicher Organe normiert. Des weiteren ist einzuräumen, daß das nationale Schadenersatzrecht in verschiedener Hinsicht zum Teil erhebliche Unterschiede aufweist und daß dies nicht einfach unter Hinweis auf die Erfordernisse des Gemeinschaftsrechts, namentlich seiner einheitlichen Geltung, außer acht gelassen werden kann.

Aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts ist deshalb in diesem Zusammenhang nur festzuhalten, daß die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, alles zu tun, was zu einem vollen Schutz der Rechte der einzelnen notwendig ist. Es gilt zwar das Prinzip, daß im Falle eines Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht auch eine Entschädigungspflicht besteht. Es bleibt aber beim jetzigen Stande der Integration nur die Möglichkeit, für Einzelheiten auf die Vorschriften des nationalen Rechts zu verweisen. Das hat der Gerichtshof in der Rechtssache 60/75 (Russo/AIMA) mit den Worten zum Ausdruck gebracht: „Ist ein solcher Schaden infolge der Verletzung des Gemeinschaftsrechts entstanden, so ist der betreffende Staat verpflichtet, gegenüber dem Geschädigten im Rahmen der Bestimmungen des nationalen Rechts über die Staatshaftung die Folgen zu tragen.“ Weiterreichende Feststellungen erscheinen mir auch im gegenwärtigen Fall nicht denkbar.

4.

Eine letzte Frage schließlich bezieht sich auf die Bindungswirkung der vom Gerichtshof erlassenen Vorabentscheidungen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts. Dazu haben alle am Verfahren Beteiligten im wesentlichen denselben Standpunkt eingenommen, und dazu erscheint in der Tat auch nur eine einzige Antwort möglich.

Für die Annahme, daß die Vorabentscheidungen des Gerichtshofs für die vorlegenden Richter verbindlich sind, spricht schon die Tatsache, daß der Artikel 177 des EWG-Vertrages den Terminus „entscheidet“ verwendet; von gutachtlichen Äußerungen des Gerichtshofes ist dagegen etwa in Artikel 228 die Rede. Bei einer anderen Deutung wäre im übrigen auch das Ziel des Artikels 177, eine einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten, nicht zu erreichen und wäre die für oberste Gerichte geltende Vorlagepflicht, die sich auf die gleichen Kompetenzen des Gerichtshofes bezieht, nicht verständlich. So hat sich außerdem der Gerichtshof schon im Urteil der Rechtssache 29/68 (Milch-, Fett- und Eier-Kontor GmbH /Hauptzollamt Saarbrücken, Urteil vom 24. Juni 1969, Slg. 1969, 178) mit der Feststellung geäußert, die mit dem Ausgangsverfahren befaßten staatlichen Gerichte seien „in der Tat an die vom Gerichtshof vorgenommene Auslegung gebunden“. Das bedeutet, wenn der Gerichtshof die unmittelbare Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts feststellt, mit Rücksicht auf dessen Vorrang namentlich, daß das vorlegende Gericht entgegenstehendes nationales Recht außer acht zu lassen hat, und zwar ohne daß es eines weiteren nationalen Aktes, etwa eines Gesetzes oder der Feststellung eines Verfassungsgerichtshofes, bedürfte.

Wegen der Bezugnahme auf die Wirkungen eines von einem nationalen Kassationsgerichtshof erlassenen Urteils ist in diesem Zusammenhang allerdings noch ein Zusatz erforderlich. Eine Bindung besteht für den vorlegenden Richter sicher nur in dem Sinne, daß er bei seiner Entscheidung nicht von einer anderen Auslegung des Gemeinschaftsrechts ausgehen kann als der vom Gerichtshof vorgenommenen. Nicht ausgeschlossen ist es dagegen — auch das wurde im Urteil der Rechtssache 29/68 erklärt —, daß der vorlegende Richter den Gerichtshof bei fehlender Klarheit erneut befaßt. Außerdem ist es natürlich denkbar, daß sich sein Urteil zur Entscheidungserheblichkeit vorgelegter Fragen ändert und daß er aus diesem Grunde eine verfahrensabschließende Entscheidung trifft, ohne das für ihn bestimmte Vorlageurteil zu beachten.

Damit dürfte auch zu der siebten Frage alles Erforderliche gesagt sein.

5.

Unter Beschränkung auf das für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens Wesentliche kann demnach auf die Fragen der Pretura in Cittadella wie folgt geantwortet werden:

a)

Mit der Gemeinsamen Marktordnung für Getreide ist es nicht vereinbar, daß ein Mitgliedstaat auf dem Gemeinsamen Markt über eine staatliche Interventionsstelle Weichweizen zu einem unter dem Niveau des Richtpreises oder gar des Interventionspreises liegenden Preis und — soweit es sich um Interventionsgetreide handelt — unter Außerachtlassung der für den Absatz von Interventionsgetreide geltenden Vorschriften veräußert. In jedem Fall ist bei derartiger Abgabe von Getreide auch der Grundsatz der Gleichbehandlung der Abnehmer zu beachten.

b)

Die Vorschriften über die Gemeinsame Getreidemarktordnung, aus denen sich die angeführten Grundsätze ergeben, und das Gleichbehandlungsgebot sind unmittelbar anwendbar und begründen subjektive Rechte der einzelnen. Bei ihrer Mißachtung und einer sich daraus ergebenden Schädigung von Personen, deren Interessen die genannten Bestimmungen schützen sollen, ist der Staat dazu verpflichtet, im Rahmen der Bestimmungen des nationalen Rechts Schadensersatz zu leisten.

c)

Vorabentscheidungen des Gerichtshofs nach Artikel 177 des EWG-Vertrags binden den vorlegenden Richter in dem Sinne, daß er seiner Entscheidung, wenn es darauf ankommt, die vom Gerichtshof gegebene Auslegung des Gemeinschaftsrecht zugrunde zu legen hat.