SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS HENRI MAYRAS

VOM 19. JUNI 1973 ( 1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

I — Einleitung

Wenn auch die Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes in manchen Bereichen eine gemeinsame Wirtschaftspolitik bedingt und als deren Folge auch die Zuflucht zu gewissen dirigistischen Eingriffen der Organe in den Wirtschaftsablauf gestattet, beruht doch der von liberalem Geist getragene Vertrag von Rom nicht weniger auf dem freien Spiel des Wettbewerbs.

Die Tätigkeit der Gemeinschaft soll nach Artikel 3 f des Vertrages auf „die Errichtung eines Systems gerichtet sein, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schützt“.

Dieser Grundsatz hat nicht allein das Verbot von Kartellen, d.h. von Vereinbarungen zwischen Unternehmen und von aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, die den freien Wettbewerb verhindern, einschränken oder verfälschen können (Artikel 85), sowie des Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung (Artikel 86) zur Folge; er kann auch den Staaten als solchen entgegengehalten werden. Diese intervenieren nämlich ihrerseits in ihre Nationalwirtschaft, namentlich, indem sie bestimmten Unternehmen oder Gruppen von Unternehmen wegen deren Standort oder mit Rücksicht auf die Art ihrer Wirtschaftstätigkeit ihre Hilfe zukommen lassen. Handle es sich nun um Beihilfen mit regionaler Zweckrichtung oder um sektorielle Beihilfen, in beiden Fällen ist das Verhalten des Staates geeignet, durch Störung der Gleichheit der Mittel und damit verbundene Verletzung der allen auf dem einheitlichen Markt in Wettbewerb stehenden Unternehmen eingeräumten Chan cengleichheit die Wettbewerbsbedingungen zu beeinträchtigen.

Indessen können gewisse Staatsbeihilfen zur Förderung regionaler oder sektorieller Wirtschaftstätigkeit im Gemeininteresse sich als notwendig erweisen oder zur Erhaltung bestimmter Wirtschaftszweige, die durch die technologischen Wandlungen zu verschwinden drohen, unentbehrlich sein. Jedenfalls ist es zulässig, daß die vorübergehende Hilfe der öffentlichen Hand eingesetzt wird, um die Anpassung oder, wie man sagt, die „Umstellung“ der durch strukturell bedingten Rückgang betroffenen Produktionszweige zu erleichtern.

Deshalb besteht zwar der Grundsatz, daß „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen“, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind, doch läßt Artikel 92 des Vertrages vielfältige, näher bezeichnete Ausnahmen von diesem Grundsatz zu.

Dabei handelt es sich um die Grundregeln, die die Gemeinschaftsbestimmungen über staatliche Beihilfen beherrschen.

Die Technik ihrer Anwendung findet sich beschrieben in Artikel 93, der Verfahrensregeln aufstellt, nach denen die Gemeinschaftsorgane, der Rat und die Kommission auf diesem Gebiete intervenieren, und die Befugnisse umschreibt, über die die Organe den Staaten gegenüber verfügen.

Hatten Sie, noch in jüngster Zeit, in Rechtsstreitigkeiten über die Vereinbarkeit bestimmter von Mitgliedstaaten beschlossener Hilfsmaßnahmen mit dem Vertrag zu entscheiden, so bietet Ihnen die gegenwärtige Rechtssache die Gelegenheit, sich mit dem Interventionsverfahren der Kommission zu befassen, und sie stellt Ihnen die Aufgabe, die Grenzen dieser zustehenden Befugnisse abzustekken.

II — Der Aufbau von Artikel 93 des Vertrages

Es erscheint mir zunächst unerläßlich darzulegen, worin diese Befugnisse bestehen und in welcher Weise sie ausgeübt werden dürfen.

Artikel 93 unterscheidet in dieser Hinsicht zwei gänzlich verschiedene Sachverhalte.

Sein erster Absatz betrifft die in den Mitgliedstaaten bestehenden Beihilferegelungen, im Hinblick auf die der Kommission einerseits ein Prüfungsund Vorschlagsrecht und andererseits ein gegebenenfalls der Billigung des Gerichtshofes unterliegendes Anordnungs- und Entscheidungsrecht zusteht.

Nach Prüfung einer derartigen Regelung in einem kontradiktorischen Verfahren unter Beteiligung des betroffenen Staates kann sie in der Tat in einem ersten Abschnitt diesem Staat die durch die schrittweise Entwicklung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes gebotenen Maßnahmen vorschlagen. Es handelt sich dabei im Sinne des Artikels 189 letzter Absatz des Vertrages um „Empfehlungen“, die für den Adressaten nicht verbindlich sind.

Der zweite Absatz des Artikels 93 geht erheblich weiter. Falls die Kommission einigen Grund zu der Annahme hat, daß die bestehende Beihilferegelung vielleicht unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt ist, falls sie es also, anders ausgedrückt, mit einer „verdächtigen“ Beihilfe zu tun hat, dann muß sie ein förmliches Verfahren eröffnen, das damit beginnt, daß sowohl den Staaten als auch den sonstigen Beteiligten, also allen irgendwie durch die Beihilferegelung betroffenen natürlichen oder juristischen Personen, eine Frist zur Äußerung gesetzt wird, wodurch jedermann die Möglichkeit erhält, seine Einwendungen anzubringen.

Falls die Kommission nach deren Prüfung feststellt, daß die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, dann ist sie zu der Entscheidung befugt, daß der betreffende Staat sie binnen einer von ihr bestimmten Frist aufzuheben oder umzugestalten hat. Diese Entscheidung ist vollstreckbar. Lehnt dieser Staat es ab, sich einer solchen Entscheidung zu beugen, muß er mittels Anfechtungsklage innerhalb der in Artikel 173 des Vertrages vorgeschriebenen Frist dagegen vorgehen. Unterläßt er dies, wird er nicht mehr gehört, wenn er deren Rechtmäßigkeit später bestreitet; nicht einmal vor dem Gerichtshof kann er einwenden, die Entscheidung sei rechtswidrig, denn Artikel 184 läßt es nur zu, die Ungültigkeit von Verordnungen geltend zu machen.

Sie haben allerdings in Ihrem Urteil vom 10. Dezember 1969 (Französische Republik/Kommission — Slg. 1969, 523, 540) eine Abweichung von diesem Grundsatz für den Fall zugelassen, daß der vom betroffenen Staat behauptete, der Entscheidung anhaftende Mangel so schwer wiegt, daß bei tatsächlichem Vorliegen „die… Entscheidung jeder Rechtsgrundlage in der Gemeinschaftsrechtsordnung entbehren“ würde. Dabei handelt es sich jedoch um einen Ausnahmefall.

Kommt also der Staat der Entscheidung, ohne daß er sie fristgemäß angefochten hat, nicht in der gesetzten Frist nach, so kann die Kommission ebenso wie jeder betroffene Staat unmittelbar den Gerichtshof anrufen.

Artikel 93 Absatz 2 eröffnet eine Sonderform der auf eine Vertragsverletzung gestützten Klage, die in ihren Wirkungen mit der in den Artikeln 169 und 170 vorgesehenen Klage identisch ist, sich davon aber, was das Verfahren betrifft, insofern unterscheidet, als hier die Kommission nicht verpflichtet ist, vor Anrufung des Gerichtshofes eine mit Gründen versehene Stellungnahme abzugeben. Die unmittelbare Anrufung des Gerichtshofes rechtfertigt sich aus dem Umstand, daß die Kommission dem betreffenden Mitgliedstaat ebenso wie übrigens auch den sonstigen Beteiligten durch ihre Aufforderung, sich zu äußern, bereits die Möglichkeit eingeräumt hat, ihre Einwendungen anzubringen. Der kontradiktorische Charakter des einleitenden Verfahrens ist also auch hier gewahrt.

Darüber hinaus steht dem Rat eine Sonderbefugnis zu. Auf Antrag eines Mitgliedstaates nämlich kann er einstimmig entscheiden, daß eine von diesem Staat gewährte oder geplante Beihilfe in Abweichung von Artikel 92 als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gilt, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen.

Mir scheint sich jedoch schon aus dem Wortlaut des Artikels 93 Absatz 2 Unterabsatz 3 eindeutig zu ergeben, daß diese Berufung oder vielmehr dieser „Einspruch“ beim Rat einzulegen ist, bevor die Kommission das förmliche Verfahren zur Aufhebung oder Umgestaltung der fraglichen Beihilfe eingeleitet, zumindest jedenfalls, bevor die Kommission ihre Entscheidung getroffen hat. Die Anrufung des Rates bewirkt namentlich die Aussetzung dieses Verfahrens, sofern ein solches bereits eröffnet worden ist. Diese Bestimmung wäre sinnlos, wenn der Staat sich noch an den Rat wenden könnte, nachdem die Kommission ihre Entscheidung erlassen und damit das Verfahren beendet hat.

Außerdem ist dieser Suspensiveffekt zeitlich beschränkt: Äußert sich der Rat nicht binnen drei Monaten nach Antragstellung, so entscheidet die Kommission, deren Entscheidungsbefugnis wieder auflebt.

Wie ließe sich schließlich, wenn der Rat auch noch angerufen werden könnte, nachdem die Kommission entschieden hat, die im wesentlichen auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende Ent schließung des Rates vereinbaren mit dem der Kommission zuerkannten Recht, beim Gerichtshof Klage zu erheben mit dem Antrag, eine Vertragsverletzung festzustellen? Es ist undenkbar, daß die Verfasser des Vertrages einen möglichen Konflikt zwischen einer in Würdigung außergewöhnlicher und die Abweichung von Artikel 92 ausnahmsweise rechtfertigender Umstände getroffenen Entscheidung des Rates und einem auf einer davon völlig unabhängigen Auslegung derselben Vertragsbestimmung beruhenden Urteil des Gerichtshofes hingenommen haben könnten.

Was die bestehenden Beihilfen angeht, ergibt sich schließlich aus der Systematik des Artikels 93 Absatz 2, daß die Kommission zwar befugt ist, eine Beihilfe für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären, ihre Entscheidung Wirkungen jedoch nur für die Zukunft entfaltet. Diese kann, wie das übrigens einem von den Mitgliedstaaten und Ihrem Gerichtshof übereinstimmend anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsatz entspricht, keine rückwirkende Kraft haben. Eine solche Entscheidung hat konstitutiven und nicht deklaratorischen Charakter. Aus ihr und nur aus ihr erwächst das Verbot einer Beihilfe oder die Verpflichtung, sie umzugestalten.

Artikel 93 anders auszulegen, würde heißen, erworbene Rechte Dritter zu mißachten, wäre der Rechtssicherheit abträglich und würde schließlich unüberwindliche praktische Schwierigkeiten mit sich bringen.

Ganz anders ist die Lage, wenn sich die Kommission dem Plan gegenübersieht, eine neue Beihilfe einzuführen oder eine bestehende Beihilfe umzugestalten. Aus einem bloßen Plan kann kein subjektives Recht erwachsen. Deshalb wurde es als vertretbar erachtet, die Kommission in diesem Fall mit der umfassenden Befugnis auszustatten, sich dem Vollzug der beabsichtigten Maßnahmen zu widersetzen, falls sie zu der Auffassung gelangt, daß diese Maßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne des Artikels 92 unvereinbar sind.

Die Kommission darf es indessen nicht bloß bei ihrer „Auffassung“, ein Plan sei mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, und der Mitteilung ihrer Bedenken an den Staat, den Schöpfer dieses Planes, bewenden lassen. Um sich eine wohlbegründete Meinung über die Vereinbarkeit des Planes mit dem Vertrag bilden zu können, ist sie gehalten, dadurch, daß sie ihrer Absicht, diesem Plan gegebenenfalls zu widersprechen oder seine Umgestaltung zu verlangen, eine gewisse Publizität verleiht, die „Betroffenen“ zur Äußerung anzuregen. Diesem Ziele dient es, wenn der Kommission die Pflicht auferlegt wird, unverzüglich das in Artikel 93 Absatz 2 vorgesehene Verfahren einzuleiten, d. h. den Mitgliedstaaten und den sonstigen Beteiligten eine Frist zur Äußerung zu setzen. Erst an diese Fristsetzung knüpft sich eine suspensive Wirkung. Sie zieht eine regelrechte Vollzugshemmung nach sich, bis das Verfahren zu einer abschließenden Entscheidung geführt hat.

Aus dieser Systematik ergibt sich nach meiner Ansicht, daß die Kommission, wenn sie das Verfahren einmal eröffnet, stets zu entscheiden hat, sei es, daß sie die Durchführung der beabsichtigten Maßnahmen endgültig untersagt oder ihren Vollzug von gewissen Änderungen oder Anpassungen abhängig macht, oder sei es, daß sie im Gegenteil nach eingehender Prüfung die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt bejaht. Würde die Kommission ihre Ent scheidung zu lange hinauszögern und die Handlungsfähigkeit des betroffenen Staates auf unabsehbare Zeit lähmen, könnte dieser, meine ich, mit der Untätigkeitsklage gegen sie vorgehen.

III — Sachverhaltsdarstellung

Es bedarf nun der Darstellung, unter welchen Umständen die Kommission es für erforderlich erachtet hat, gemäß Artikel 93 Absatz 2 die Bundesrepublik Deutschland bei Ihnen unter dem Vorwurf zu verklagen, sie sei einer Entschei dung nicht nachgekommen, in der ihr die Aufhebung eines Investitionsbeihilfesystems aufgegeben worden war.

Der deutsche Gesetzgebet billigte am 15. Mai 1968 das sogenannte „Kohlegesetz“. Diese Normierung umfaßt einerseits Aktionen zur Gesundung des Steinkohlenbergbaus mit dem Ziel, wirtschaftliche Rückschläge in den durch die Krise der Steinkohlenförderung bettoffenen Gebieten zu vermeiden und die durch die Stillegung verschiedener Zechen ausgelöste Arbeitslosigkeit abzubauen, andererseits Förderungsmaßnahmen bei der Errichtung, Vergrößerung oder Verlagerung von Gewerbebetrieben in diesen Gebieten, um die Beschäftigungslage zu verbessern und eine Diversifizierung der bis dahin zu einseitig auf den Kohlenabbau ausgerichteten Wirtschaftsstruktur zu ermöglichen.

In § 32 Absatz 1 dieses Gesetzes wird insbesondere eine Investitionsprämie zugunsten derjenigen Steuerpflichtigen, natürlichen Personen wie auch Gesellschaften, eingeführt, die in einem der Steinkohlenbergbaugebiete eine Betriebsstätte errichten oder erweitern. Diese Beihilfe ist nicht in die Form einer direkten Subvention gekleidet. Sie besteht vielmehr in einem Abzug von der Einkommen- oder Körperschaftsteuer bis zur Höhe von 10 % der Investitionskosten.

Der Abzug ist nur zulässig, wenn der Bundesbeauftragte für den Steinkohlenbergbau, ein hoher Beamter, der unmittelbar dem Wirtschaftsminister untersteht, im Benehmen mit der Regierung des betreffenden Landes bescheinigt hat, daß die Errichtung oder Erweiterung geeignet ist, die Wirtschaftsstruktur des Steinkohlenbergbaugebietes zu verbessern und, allgemeiner, daß sie volkswirtschaftlich förderungswürdig ist. Für den Fall, daß die Errichtung oder Erweiterung der Betriebsstätte mit einer Verlagerung des Betriebes verbunden ist, ist des weiteren erforderlich, daß in angemessenem Umfang neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Die Berücksichtigung der Investitionen wird sichergestellt durch die Ausstellung einer „Unbedenklichkeitsbescheinigung“, bei deren Vorlage die Finanzverwaltung verpflichtet ist, den Steuerabzug, berechnet anhand des Gesamtbetrages der Investitionskosten, vorzunehmen.

Der Antrag auf Ausstellung der Bescheinigung kann der Investition vorangehen; die Bescheinigung darf in diesem Falle nur für Vorhaben erteilt werden, die nach Lage, Art und Investitionsumfang hinreichend bestimmt sind. Der Antrag kann aber auch noch nach Vornahme der Investitionen oder während diese im Gange sind gestellt werden.

Schließlich, und dies ist entscheidend, wird der Steuerabzug nach § 32 des Gesetzes vom 15. Mai 1968 nur für Investitionen zugebilligt, die während eines sogenannten „Begünstigungs“ -Zeitraumes, der sich ursprünglich vom 30. April 1967 bis zum 1. Januar 1970 erstreckte, vorgenommen wurden. Wurde mit der Errichtung oder Erweiterung einer Betriebsstätte während dieses Zeitraumes begonnen, wird die Vergünstigung des Steuerabzuges unter gewissen Einschränkungen auch noch für Investitionen bei Fortführung und Abschluß der Arbeiten innerhalb weiterer zwei Jahre nach Ablauf des Begünstigungszeitraums gewährt.

Dieses System hat unleugbar den Charakter einer „staatlichen Beihilfe“ im Sinne des Artikels 92, denn die Investitions prämie wirkt sich begünstigend auf die Einrichtung und Erweiterung von Betriebsstätten aus und wird, da sie in einer Verminderung der Steuerlast gewisser Betriebe besteht, aus öffentlichen Mitteln gespeist.

Die Bundesregierung verkannte dies übrigens auch gar nicht, denn schon 1967, als sich das Kohlegeserz noch im Entwurfstadium befand, unterrichtete sie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften davon, wie ihr dies nach Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages vorgeschrieben war.

Damals erhob die Kommission gegen die Gewährung einer derartigen Beihilfe, jedenfalls soweit ihr zeitlicher Anwendungsbereich begrenzt blieb, keine Einwendung.

Mit Rücksicht auf die Krise, die den Steinkohlenbergbau seinerzeit bedrängte, die Schwierigkeiten beim Absatz von Steinkohle, die ungünstige Einkommensentwicklung in den Kohlebergbaugebieten im Verhältnis zum übrigen Bundesgebiet und schließlich die Notwendigkeit, innerhalb des Begünstigungszeitraumes etwa 20000 neue Arbeitsplätze zu schaffen, kam die Kommission zu dem Schluß, daß diese Prämienregelung, die darauf abzielte, durch den massiven Rückgang der in der Wirtschaftsstruktur dieser Gebiete vorherrschenden Tätigkeit ausgelöste ernste wirtschaftliche und soziale Schwierigkeiten zu vermeiden, gerechtfertigt war.

Die Durchführungsmodalitäten wertete sie befriedigend:

Es wurde eine beträchtliche Anstrengung zur Gesundung des betroffenen Wirtschaftszweiges unternommen.

Die Beihilfe war „transparent“, d. h. im Verhältnis zur Investition meßbar, und hatte eine selektive Funktion, denn da es sich um eine Prämie handelte, die in Gestalt eines Steuerabzuges eingeräumt wurde, konnten allein Gewinn erwirtschaftende, also grundsätzlich wettbewerbsfähige Betriebe in ihren Genuß kommen.

Schließlich waren die Steinkohlenbergbaugebiete klar und eindeutig abgegrenzt.

Mit Zustimmung der Kommission also wurde, nachdem das Kohlegesetz in Kraft getreten war, die Investitionsprämienregelung für Steinkohlenbergbaugebiete ausgeführt.

Ein Jahr später brachte die Bundesregierung im Bundestag den Entwurf eines Steueränderungsgesetzes ein, der namentlich ein Bündel von Maßnahmen allgemeiner Bedeutung auf dem Gebiete der Gewährung von Investitionszulagen im Zonenrandgebiet und in anderen förderungswürdigen Gebieten umfaßte.

Dieser Entwurf enthielt in seiner ursprünglichen Fassung keinen Vorschlag zur Änderung des Kohlegesetzes. Im Laufe der zweiten Lesung im Bundestag jedoch warf dessen Finanzausschuß die Frage einer Einbeziehung auch der Steinkohlenbergbaugebiete in diesen Entwurf auf. Abgesehen vom Saarland hielt er es in Überemstimmung mit dem Wirtschaftsausschuß für ausreichend, den Zeitraum für die Anwendung des besonderen, in § 32 des Kohlegesetzes vorgesehenen Beihilfesystems um zwei Jahre zu verlängern. Im Wege der Änderung des Regierungsentwurfs schlugen die beiden Ausschüsse daher vor, den nach der ursprünglichen Regelung zum 1. Januar 1970 zu Ende gehenden Begünstigungszeitraum bis zum 1. Januar 1972 auszudehnen. Folglich sollte die Nachfrist, in der noch Steuerabzüge für Investitionen aufgrund der bereits begonnenen Errichtung oder Erweiterung einer industriellen oder gewerblichen Betriebsstätte in Anspruch genommen werden konnten, ebenfalls um zwei Jahre verlängert werden und erst am 31. Dezember 1973 ablaufen.

Diese Änderung, der der Bundestag in zweiter Lesung zustimmte, ging in Artikel 9 des Entwurfs des Steueränderungsgesetzes ein, der vom Bundesrat am 10. Juli 1969 gleichfalls gebilligt wurde.

Einige Tage später, am 16. Juli, unterrichtete die Bundesregierung davon die Kommission der Europäischen Gemeinschaften.

Diese reagierte schnell auf diese Mitteilung und wies darauf hin, sie hätte rechtzeitig, und zwar mit Vorlegung des Änderungsentwurfes, von dieser Umgestaltung des § 32 des Kohlegesetzes unterrichtet werden müssen. Im übrigen beschränkte sie sich aber auf die Aufforderung an die Bundesrepublik, ihr „die Einzelheiten und die Begründung der genannten Verlängerung“ mitzuteilen.

Diese antwortete darauf, allerdings erst am 1. Oktober, eine Änderung von § 32 des Kohlegesetzes sei von der Regierung anfangs gar nicht beabsichtigt gewesen, die Verlängerung des Begünstigungszeitraums beruhe vielmehr auf einer parlamentarischen Initiative; deshalb sei es nicht möglich gewesen, die Kommission vor Annahme des Änderungsvorschlages davon zu unterrichten.

In der Zwischenzeit wurde das Steueränderungsgesetz am 18. August 1969 ausgefertigt. Es wurde am 21. August im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am Tage darauf in Kraft, wovon die Kommission offiziell am 19. September die Bestätigung erhielt.

Wie sie behauptet, bemühte sie sich, von der Bundesregierung Einzelheiten zu erfahren, die die Verlängerung der Investitionsprämienregelung in den Steinkohlenbergbaugebieten hätten rechtfertigen können.

Keine der, wie es scheint, nur schleppend gemachten Angaben überzeugte sie von der Vereinbarkeit der undifferenzierten Beibehaltung dieser besonders gearteten Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt. Eingehendere Nachforschungen veranlaßten sie im Gegenteil zu der Feststellung, daß sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den Kohlegebieten günstig entwickelt hatten und daß die Beschäftigungslage, insbesondere in Nordrhein-Westfalen, zufriedenstellend geworden war. Innerhalb von zwei Jahren waren Zehntausende von Arbeitsplätzen geschaffen und die Arbeitslosenzahlen zum größten Teil abgebaut worden. Die Auswirkungen der Steinkohlenkrise waren zwar noch nicht gänzlich beseitigt, aber doch schon weitgehend abgeschwächt.

Ohne die Verlängerung der Regelung für die außerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen gelegenen Steinkohlenbergbaugebiete, in denen die Probleme der Rezession im Bergbau noch durch weitere örtliche Probleme überlagert wurden, in Frage zu stellen, kam die Kommission zu dem Schluß, daß jedenfalls in dem genannten Land die unterschiedslose Gewährung von Investitionsprämien nicht gerechtfertigt war.

Deshalb entschloß sie sich, von den ihr in Artikel 93 Absatz 2 eingeräumten Befugnissen Gebrauch zu machen. Dies geschah am 30. Juli 1970, indem sie die Bundesregierung von ihrem Wunsch unterrichtete, die undifferenzierte Gewährung der in § 32 des Kohlegesetzes vorgesehenen Investitionsprämien in Nordrhein-Westfalen vom folgenden 1. Dezember 1970 an einzustellen, und sie aufforderte, sich dazu binnen sechs Wochen zu äußern.

Dieselbe Aufforderung wurde an die übrigen Mitgliedstaaten gerichtet. Auch die durch die fragliche Beihilferegelung betroffenen Einzelpersonen wurden in einer im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften am 14. August 1970 veröffentlichten Mitteilung aufgerufen, ihren Standpunkt darzulegen.

Die deutsche Regierung äußerte sich in Beantwortung dieser Aufforderung erst am 5. November 1970.

Jedoch erst am 14. Februar 1971, also sechs Monate nach Einleitung des Verfahrens, erließ die Kommission, nachdem sie sämtliche Antworten der Beteiligten zur Kenntnis genommen hatte, ihre Entscheidung, in deren Artikel 1 der Bundesrepublik aufgegeben wurde, „unverzüglich“ alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die unterschiedslose Gewährung von Investitionsprämien nach § 32 Absatz 1 des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des Steinkohlenbergbaus und der Steinkohlenbergbaugebiete in der Fassung von Artikel 9 des Steueränderungsgesetzes vom 18. August 1969 in den Steinkohlenbergbaugebieten des Landes Nordrhein-Westfalen einzustellen.

Die Begründung enthielt unter Abschnitt V zwei Präzisierungen, die die Reichweite der Entscheidung verdeutlichten:

Einerseits sollte die Gewährung von Beihilfen nach dem neugefaßten § 32 des Kohlegesetzes lediglich ausgesetzt werden, solange nicht eine differenzierte Handhabung dieser Beihilfen gesichert war.

Andererseits sollte für Unternehmen, die vor Erlaß der Entscheidung eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Bundesbeauftragten für den Steinkohlenbergbau erhalten hatten, die in § 32 Absatz 1 Satz 2 verankerte Nachfristenregelung fortbestehen, d. h. die diesen für ihre nach dem 1. Januar 1970 vorgenommenen Investitionen zugesicherten Steuerabzüge sollten ihnen auch tatsächlich zuteil werden, vorausgesetzt, daß diese Investitionen in Zusammenhang mit einer vor diesem Zeitpunkt angefangenen Betriebserrichtung oder -Weiterung standen.

In ihrem Zustellungsbegleitschreiben schließlich schlug die Kommission der Bundesregierung die Aufnahme von Gesprächen vor, um wirtschaftliche und geographische Kriterien auszuarbeiten, nach denen eine mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare differenzierte Beihilferegelung sollte vollzogen werden können.

Im Anschluß an eine Zusammenkunft in Brüssel am 4. Mai 1971 machte die deutsche Regierung in dieser Richtung Vorschläge, denen die Kommission nach näherer Prüfung und nach einem Meinungsaustausch in einem Schreiben vom 16. Dezember 1971 zustimmte.

Dem Schreiben zufolge sollte die Gewährung von Investitionsprämien in bestimmten Landkreisen und kreisfreien Städten von folgenden alternativ zu fordernden Voraussetzungen abhängig sein:

entweder davon, daß im Jahre 1969 noch mehr als 20 % der Industriebeschäftigten im Steinkohlenbergbau tätig waren und zugleich das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung mindestens 10 % unter dem Landesdurchschnitt lag,

oder davon, daß Anpassungsmaßnahmen im Steinkohlenbergbau (Zechenstillegungen) eingeleitet und noch nicht abgeschlossen waren bzw. bis zum 31. Dezember 1971 eingeleitet wurden.

Das in der Entscheidung vom 17. Februar 1971 angesprochene differenzierte Beihilfesystem konnte somit erst am Ende desselben Jahres genügend konkret und genau umschrieben werden.

Seit dieser Zeit ist die Regierung der Bundesrepublik, wie die Kommission einräumt, nach den von der letzteren gegebenen Auslesekriterien verfahren. Sie hat niemals die grundsätzliche Unvereinbarkeit einer undifferenzierten, in ganz Nordrhein-Westfalen angewandten Beihilferegelung mit dem Gemeinsamen Markt oder die Rechtmäßigkeit der von der Kommission getroffenen Entscheidung bestritten.

Unter diesen Umständen mag es auf den ersten Blick ein wenig verwunderlich erscheinen, daß die Kommission sich überhaupt gemüßigt fühlte, beim Gerichtshof Klage zu erheben.

Die aufgetretenen Schwierigkeiten betreffen nicht den sachlichen Kern des Problems, sondern lediglich die Auslegung und den zeitlichen Anwendungsbereich der Entscheidung vom 17. Februar 1971.

Für die Kommission besteht der der Bundesrepublik Deutschland vorwerfbare Verstoß darin, nach dem 24. Februar 1971, dem Tag des Zugangs der Entscheidung, im gesamten Bereich des Landes Nordrhein-Westfalen weiterhin Beihilfen für nach dem 1. Januar 1970, also nach Ende des in § 32 des Kohlegesetzes ursprünglich bestimmten Begünstigungszeitraumes, vorgenommene Investitionen gewährt zu haben.

Die Klägerin beantragt ferner zu erkennen, daß die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist, die aufgrund von nach dem 24. Februar 1971 ausgestellten Bescheinigungen gezahlten Prämien zurückzufordern, es sei denn, daß die diesen Prämien zugrunde liegenden Investitionen spätestens bis zum 20. August 1970 begonnen wurden oder der Antrag auf Erteilung der Bescheinigung vor diesem Tage gestellt worden war.

Die Wahl gerade dieses Stichtages wird mit der Überlegung gerechtfertigt, die betroffenen Investoren seien durch die im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 14. August 1970 veröffentlichte Mitteilung ordnungsgemäß davon unterrichtet worden, daß die Verlängerung einer undifferenzierten Beihilferegelung mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sei.

IV — Analyse der Rechtslage

Bevor ich auf das Vorbringen der Parteien eingehe, ist es zur Klärung der Streitfrage zweckmäßig, die Rechtslage, die sich aus dem dargelegten Sachverhalt ergibt, unter dem Maßstab der in Artikel 93 des Vertrages enthaltenen Bestimmungen zu analysieren.

Als die deutsche Regierung am 16. Juli 1969 die Kommission von der Annahme des Änderungsvorschlages im Parlament, die Investitionsprämienregelung nach § 32 des Kohlegesetzes zu verlängern, unterrichtete, sah sich die Klägerin der beabsichtigten Umgestaltung einer bestehenden Beihilfe im Sinne des Artikels 93 Absatz 3 Satz 1 gegenüber.

Einerseits ist es nicht zweifelhaft, daß gerade der vorübergehende Charakter der Stützungsmaßnahmen für die Steinkohlenbergbaugebiete einen wesentlichen Faktor darstellte, der übrigens im Jahre 1967 die Kommission bewogen hatte, die getroffene Regelung für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt anzusehen; deshalb war die Verlängerung dieses Systems um zwei weitere Jahre schon derart, daß sie der Kommission Grund zum Widerspruch gab, stellte diese Verlängerung doch eine grundlegende Umgestaltung der früheren Regelung dar; andererseits war zwar über den Verlängerungsvorschlag in dem Augenblick, als die Klägerin davon unterrichtet wurde, bereits abgestimmt, doch war das Gesetz weder ausgefertigt noch verkündet.

Darum, so meine ich, hätte die Kommission von der ihr in Artikel 93 Absatz 3 Satz 2 eingeräumten Befugnis Gebrauch machen und unverzüglich das im vorangehenden Absatz vorgesehene Verfahren einleiten, d. h. außer der Bundesrepublik auch den übrigen Mitgliedstaaten und den sonstigen Beteiligten eine Frist zur Äußerung setzen können. Auf diese Weise hätte sie den deutschen Geserzgebungsgang blockiert, und die Bundesrepublik wäre bis zum Erlaß einer abschließenden Entscheidung rechtlich gehindert gewesen, die beabsichtigte Maßnahme durchzuführen.

Die Kommission begnügte sich aber mit einer grundsätzlichen „Ermahnung“ der Bundesrepublik und eröffnete mit ihrem Verlangen nach Angabe von Einzelheiten und nach Begründung einen Dialog.

Dieser Schritt, der in keiner Weise öffentlich bekannt gemacht wurde, konnte rechtlich nicht einer Vollzugshemmung gleichkommen.

Das Steueränderungsgesetz, dessen Artikel 9 die Verlängerung der Investitionsprämienregelung in den Steinkohlenbergbaugebieten enthielt, durfte daher nach Ausfertigung und vom 22. August 1969 an vollzogen werden.

Nolens, volens, sah sich die Kommission nunmehr einer „bestehenden Beihilfe“ im Sinne des Artikels 93 Absatz 1 gegenüber.

Gegen diese These lassen sich zwei Einwände erheben, die ich indessen glaube zurückweisen zu dürfen.

Läßt sich zunächst eine in dem Augenblick, als die Kommission davon erfuhr, von den parlamentarischen Gremien bereits angenommene Vorlage noch als „Entwurf“ kennzeichnen? Der Bundespräsident ist, wie es scheint, nach dem Grundgesetz nicht berechtigt, die Ausfertigung eines vom Parlament beschlossenen Gesetzes abzulehnen. Als jedoch die Kommission eingeschaltet wurde, war das Steueränderungsgesetz 1969 noch nicht perfekt: es konnte noch nicht vollzogen werden. Die Bundesregierung hätte sich nach meiner Ansicht nicht auf den Vorrang ihrer Verfassungsnormen vor den Vorschriften des Vertrages berufen können. Der Primat des Gemeinschaftsrechts hätte die Aussetzung des Vollzuges verlangt, vorausgesetzt allerdings, die Kommission härte unverzüglich das suspensiv wirkende Verfahren nach Artikel 93 Absatz 3 eingeleitet.

Hat nicht zum anderen die deutsche Regierung ihrerseits dadurch, daß sie die Kommission mit Verspätung unterrichtete zu einem Zeitpunkt, als der Änderungsvorschlag bereits angenommen war, ein ihr nach dieser Vertragsbestimmung auferlegtes Gebot mißachtet? Hätte sie nicht tätig werden können, gleich nachdem der Finanzausschuß des Bundestages die Frage der Verlängerung aufgeworfen hatte?

Sehr wahrscheinlich ja, doch scheint mir ihr Verhalten rechtlich keine Folgen nach sich zu ziehen. Es wäre Sache der Kommission gewesen, ohne Zögern Klage wegen Verstoßes gegen dieses Gebot zu „rechtzeitiger“ Information zu erheben. Dies hat sie nicht getan.

Um, wie bereits gesagt, das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 3 durch die an die Beteiligten gerichtete Aufforderung zur Äußerung innerhalb einer bestimmten Frist in Gang zu bringen, stand der Kommission zudem in der Tat ein, wie mir scheint, für diesen Zweck ausreichender Zeitraum von einem Monat zur Verfügung. Es genügte, daß ihr die Verlängerung „verdächtig“ vorkam, um ihr zu gestatten, daß sie das Verfahren auslöste und auf diese Weise die Aussetzung des Vollzuges sicherstellte.

Sie verfügte somit über die notwendige Zeit, sich zu unterrichten, die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu prüfen und nach einiger Überlegung eine abschließende Entscheidung zu treffen.

Von dieser Befugnis machte die Klägerin keinen Gebrauch; infolgedessen blieb ihr nichts weiter übrig, als sich auf das für „bestehende Beihilfen“ geschaffene Kontrollsystem zurückzuziehen. Genau dies tat sie dann, wenn auch mit großem Bedacht, denn erst beinahe ein Jahr nach der Verkündung des Gesetzes, am 14. August 1970, entschloß sie sich endlich, das Verfahren mit einer Mitteilung an die Beteiligten einzuleiten.

Das Ihnen unterbreitete Rechtsproblem ist somit, was die Kommission auch gar nicht bestreitet, im Bereich des Artikels 93 Absatz 2 anzusiedeln, und dies ist für die Entscheidung des Rechtsstreits von ausschlaggebender Bedeutung.

V — Das Problem der in Artikel 93 Absatz 2 vorgesehenen Frist zum Vollzug einer Entscheidung der Kommission

Die Regierung der Bundesrepublik tritt der Klage der Kommission wegen des, wie sie es nennt, Fehlens einer Klagevoraussetzung entgegen mit der Begründung, die Kommission habe ihr in der Entscheidung vom 17. Februar 1971 keine Frist zur Einstellung der unterschiedslosen Gewährung von Investitionsprämien im Land Nordrhein-Westfalen gesetzt.

Das schon dem Wortlaut zu entnehmende Erfordernis der Fristsetzung sei eine notwendige Voraussetzung für das Recht der Kommission, beim Gerichtshof unmittelbar eine auf eine Vertragsverletzung gestützte Klage zu erheben.

Ich glaube nicht, meine Herren, daß die hiermit angeschnittene Frage sich wirklich im Rahmen der Klagezulässigkeit stellt. Es geht hier darum, ob die Entscheidung der Kommission zwingenden Charakter hat oder nicht.

Die Bundesregierung vertritt die Ansicht, mangels Einräumung einer in Zeiteinheiten ausgedrückten Frist sei die Entscheidung fehlerhaft gewesen; sie habe eines wesentlichen Elements ermangelt. Dem Vertragswortlaut zufolge bestimme die Kommission die Frist, in der der betreffende Staat die für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt gehaltene Beihilferegelung aufzuheben oder umzugestalten habe; von welchem Zeitpunkt an aber solle nun ein Verstoß gegen die Verpflichtung, ihrer Entscheidung nachzukommen, festgestellt werden können, wenn gar keine Frist gesetzt worden sei?

Dieses auf einer strengen Wortinterpretation aufbauende Vorbringen erweckt nur den Schein der Wohlbegründetheit.

Es läßt zwei Überlegungen außer acht:

Zu der ersten, ebenfalls am Wortlaut ausgerichteten, gibt die Entscheidung selbst Veranlassung. Wenn auch nach der französischen Fassung die Kommission forderte, daß die Bundesrepublik Deutschland die unterschiedslose Gewährung von Investitionsprämien „sans délai“ einstellte, so wird doch im deutschen Text lediglich der Ausdruck „unverzüglich“ verwandt, der sich besser mit „sans retard“ übersetzen ließe. Dies bedeutet nicht mehr, als daß der Staat, an den die Entscheidung gerichtet ist, alle Eile aufbieten muß, um diese in die Tat umzusetzen.

Die zweite Bemerkung geht von dem Gesamtaufbau des Artikels 93 Absatz 2 aus. Die Entscheidung, die die Kommission über die Nichtvereinbarkeit einer Beihilferegelung mit dem Gemeinsamen Markt zu treffen berufen ist, bildet, daran sei erinnert, den Schlußpunkt nach einem kontradiktorischen Verfahren. Ihr ist vorausgegangen die unter Fristsetzung erfolgte Aufforderung zur Äußerung, die dazu bestimmt ist, den übrigen Staaten und den sonstigen Beteiligten Gelegenheit zu Einwendungen zu geben; diese Einwendungen sind von der Kommission geprüft worden; sie haben meistens zu einem Meinungsaustausch mit der betreffenden Regierung Veranlassung gegeben. Durch die Aufforderung zur Äußerung schon vorgewarnt ist diese in aller Regel gerade durch diesen Austausch über den Standpunkt der Kommission ausgiebig unterrichtet.

Wenn also Artikel 93 Absatz 2 die Bestimmung einer Frist verlangt, in der der Staat der Entscheidung nachzukommen hat, dann ist es allein Sache der Kommission, diese Frist unter Berücksichtigung namentlich der Dauer der für die Durchführung ihrer Entscheidung erforderlichen innerstaatlichen Verfahren festzusetzen (Mégret, Band IV, S. 393).

Die Kommission verfügt auf diesem Gebiet mit anderen Worten über eine weitgehende Ermessensbefugnis. Falls beispielsweise die Umgestaltung der Beihilferegelung Gesetzgebungsmaßnahmen erfordert, dann ist offensichtlich eine recht ausgedehnte Frist notwendig, damit der Gesetzgebungsgang abgeschlossen werden kann.

Falls dagegen der Vollzug der Entscheidung durch einfache sofort ergreifbare Verwaltungsmaßregeln sichergestellt werden kann, ist nicht einzusehen, weshalb die Kommission nicht sollte verlangen können, daß diese Maßnahmen so rasch wie möglich geschehen, oder zumindest, daß sie nicht ungebührlich verzögert werden.

Genau dies aber war vorliegend der Fall. Der Gewährung von Investitionsprämien ist nach dem Verfahrensschema des § 32 Kohlegesetz notwendig die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgeschaltet. Um auszuschließen, das gewerbliche Investoren weiterhin Prämienvergünstigungen erhielten, genügte es also, daß der Wirtschaftsminister den ihm unterstellten Bundesbeauftragen für den Steinkohlenbergbau anwies, die Ausstellung von Bescheinigungen auszusetzen. Dazu bedurfte es keiner im voraus festgesetzten Frist.

Nach allem läßt sich, glaube ich, der Kommission nicht der Vorwurf machen, der Bundesrepublik keine derartige Frist zur Einstellung der unterschiedslosen Gewährung von Investitionsprämien gesetzt zu haben, denn die zu diesem Zweck „erforderlichen Maßnahmen“ bestanden in bloßen Weisungen an die Verwaltung. Das Vorbringen der Regierung der Bundesrepublik zu diesem Punkte ist zu verwerfen. Schließlich sind die nationalen Behörden verpflichtet, alle geeigneten Vorkehrungen zu treffen, die dazu beitragen, daß die Gemeinschaftsentscheidungen ihre vollen Wirkungen entfalten, und die deutsche Regierung kann sich nicht auf Bestimmungen und Übungen innerstaatlichen Rechts berufen, um damit die Nichtbeachtung der aus solchen Entscheidungen sich ergebenden Verpflichtungen zu rechtfertigen (EuGH 13. Juli 1972 — Kommission/Italien, 48/71, — Slg. 1972, 535, und 8. Februar 1973 — Kommission/Italien, 30/72, — S. 20 des vervielfältigten Textes). Im übrigen ist es sogar erlaubt, sich zu fragen, ob die Regierung der Bundesrepublik angesichts der Tatsache, daß sie davon abgesehen hat, fristgemäß Anfechtungsklage gegen diese Entscheidung zu erheben, sich überhaupt noch in zulässiger Weise auf die mangelnde Fristsetzung der Kommission berufen kann.

VI — Vorliegen einer Vertragsverletzung

Aus dem Gesagten folgt aber, selbst wenn anerkannt wird, daß die Entscheidung der Kommission für die deutsche Regierung auch ohne Fristbestimmung verbindlich war, nicht notwendig, daß damit auch die vorgeworfene Vertragsverletzung feststeht. Es bleibt zu prüfen, ob die Regierung den Auflagen dieser Entscheidung nun eigentlich nachgekommen ist oder nicht.

Dabei stellt sich eine erste Frage: War die Kommission befugt, die Aussetzung der undifferenzierten Gewährung von Investitionsbeihilfen anzuordnen, obwohl sich aus der Begründung ihrer Entscheidung eindeutig ergibt, daß sie diese Regelung nicht insgesamt verurteilte, sondern lediglich beabsichtigte, mit Hilfe gewisser Auswahlkriterien deren Anwendung auf genau umrissene Räume zu begrenzen?

Hätte sie nicht, bevor sie ihre Entscheidung erließ, abwarten müssen, bis das Prüfungsverfahren abgeschlossen war, bis also die Kriterien in Übereinstimmung mit der Regierung der Bundesrepublik festgelegt waren? Muß nicht, mit anderen Worten, angenommen werden, daß die Klägerin mit ihrer Anordnung, die Gewährung von Investitionsprämien einstweilen bis zu einer endgültigen Lösung völlig einzustellen, im Grunde eine Maßnahme zur Vollzugsaussetzung ergriffen hat, die nach dem Vertrag von Rechts wegen nur im Falle einer geplanten Beihilfe, nicht aber bei einer bestehenden Beihilfe zulässig ist?

Nur zögernd schlage ich Ihnen vor, von dieser Anschauungsweise Abstand zu nehmen. Da die Kommission in der Tat der Verlängerung der in $ 32 Kohlegesetz getroffenen Regelung, wenn auch mit Abwandlungen und Differenzierungen, letztlich zustimmte, kann man wahrhaftig versucht sein zu meinen, sie hätte erst in voller Kenntnis aller Umstände und nach Festlegung der Kreise, in denen diese Regelung in Einklang mit den Regeln des Artikels 92 weiterhin angewandt werden konnte, entscheiden dürfen.

Wäre diese Lösung richtig, dann ergäbe sich daraus ohne weiteres, daß die Entscheidung vom 17. Februar 1971 nicht bereits aus sich heraus verbindliche Wirkungen erzeugte, daß sie Vollstreckungskraft vielmehr erst am 16. Dezember 1971 erlangte, nachdem sie durch die Aufzählung der Landkreise und kreisfreien Städte, in denen die Prämiengewährung als erlaubt erachtet wurde, vervollständigt worden war.

In diesem Falle ist klar, daß Sie die Klage abweisen müßten, denn die Kommission räumt selber ein, daß die Bundesregierung seit dem letztgenannten Tage ihrer Entscheidung nachgekommen ist.

Ich will indessen nicht bei dieser Lösung stehenbleiben, die mir auf übertriebener „Buchstabentreue“ zu beruhen und den tatsächlichen Gegebenheiten nicht genügend Rechnung zu tragen scheint.

Sie zu billigen würde nämlich der Annahme gleichkommen, daß die undifferenzierte Gewährung von Prämien auch nach dem 24. Februar noch Monate hindurch hätte fortgesetzt werden können, ohne daß es, aus später darzulegenden Gründen, möglich gewesen wäre, für außerhalb der auserlesenen „förderungswürdigen“ Räume vorgenommene Investitionen gezahlte Prämien zurückzufordern. Es sei daran erinnert, daß Artikel 93 Absatz 2 der Kommission weitgehende Befugnisse einräumt, die bis zur völligen Aufhebung einer Beihilferegelung gehen. Mit ihrer Anordnung, die Gewährung von Prämien vorübergehend einzustellen, scheint mir die Klägerin ihre Befugnisse nicht überschritten zu haben; damit beabsichtigte sie, die Belange der Gemeinschaft gegenüber denen der deutschen Gewerbetreibenden durchzusetzen. Im übrigen konnten die betroffenen Investoren, sobald die Kreise festgelegt waren, in denen die Verlängerung des Beihilfesystems anerkanntermaßen mit dem Vertrag vereinbar war, ihr Recht auf einen Steuerabzug wieder ausüben. Die einzige Auswirkung der Entscheidung für sie war allenfalls, daß sich die Begünstigung aus der Beihilfe um einige Monate verzögerte.

VII — Das Problem der Rückforderung gewisser nach dem 24. Februar 1971 gewährter Prämien

Bleibt also noch die letzte durch die Klageanträge aufgeworfene Frage, die die Anwendbarkeit der Entscheidung auf vor dem 24. Februar 1971 eingetretene Sachverhalte ins Spiel bringt.

Wie wir gesehen haben, vertritt die Kommission die Auffassung, die deutsche .Regierung sei ihrer Entscheidung schon deshalb nicht nachgekommen, weil sie nach deren Bekanntgabe den Bundesbeauftragten für den Steinkohlenbergbau nicht angewiesen habe, keine weiteren, zu Investionsprämien berechtigenden Bescheinigungen auszustellen.

Die deutsche Regierung bestreitet dies nicht und räumt ein, zwischen dem 24. Februar 1971 und Mitte Dezember 1971 seien tatsächlich weiterhin Bescheinigungen erteilt worden.

War die Kommission aber überhaupt befugt, ohne Rücksicht auf etwaige vor ihrer Entscheidung erworbene Rechte oder vor deren Bekanntgabe begründete Rechtsverhältnisse anzuordnen, daß der Ausstellung von Bescheinigungen ein Ende gesetzt wurde?

Wie bereits gesagt, kann sie im Rahmen des Artikels 93 Absatz 2 Entscheidungen nur für die Zukunft treffen. Aufgrund dieser Bestimmung ergangene Entscheidungen haben keine deklaratorische Wirkung. Darunter ist zu verstehen, daß die fragliche Beihilferegelung, vorbehaltlich Ihrer gerichtlichen Überprüfung, erst vom Augenblick des Spruches der Kommission an als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu behandeln ist. Dies schließt sicherlich jegliche Rückwirkung aus und rechtfertigt jedenfalls nicht die Rückforderung früher erlangter Prämien von den betreffenden Unternehmen.

So weit geht die Kommission vorliegend übrigens auch gar nicht, denn sie fordert von der deutschen Regierung keineswegs, daß diese mit bereits vor dem 24. Februar 1971 beglichenen Steuerschulden verbundene Investitionsprämien zurückverlangt.

Sie billigt sogar zu, daß Gewerbetreibenden. die vor diesem Tage vom Bundesbeauftragten eine Bescheinigung bekommen haben, zur Fortsetzung der angefangenen Arbeiten die in § 32 Kohlegesetz vorgesehene Nachfristregelung und damit die Vergünstigung der Investitionsprämie erhalten bleibt.

Dagegen möchte sie die deutsche Regierung zur Rückforderung von Prämien verpflichten, sofern diese zum einen aufgrund einer nach dem 24. Februar 1971 erteilten Bescheinigung erworben worden sind und sich zum anderen auf nach dem 20. August 1970 begonnene Investitionen oder nach diesem Tage gestellte Anträge beziehen.

Im Grunde erscheint mir der bei den Auseinandersetzungen auf dem Spiele stehende Einsatz verhältnismäßig gering. Würde den Anträgen der Kommission stangegeben, wären letzten Endes, der Bundesregierung zufolge, lediglich 18 Unternehmen wegen erst nach dem 20. August 1970 angefangener Investitionen erstattungspflichtig; diese Investitionen sollen sich auf insgesamt 33 Millionen DM belaufen, was einem Investitionsprämienbetrag von 3300000 DM entspräche.

Von wie beschränktem finanziellem Interesse der Rechtsstreit letztlich auch sein mag, er wirft dennoch eine Grundsatzfrage auf. Wie dargelegt, eröffnete die Investitionsprämienregelung in § 32 des Kohlegesetzes den Unternehmen verschiedene Wahlmöglichkeiten:

bei der ersten Fallgestaltung konnte der Antrag auf Bescheinigung und in dessen Gefolge die Einräumung der Prämienbegünstigung dem Abschluß der Arbeiten nachfolgen;

bei der zweiten Fallgestaltung konnte die Bescheinigung im Verlaufe der Arbeiten erteilt werden, wobei der Betreffende im übrigen noch über eine Nachfrist verfügte, um die angefangenen Arbeiten zu Ende zu führen:

schließlich konnte der Antrag auch jeglicher Investitionsvornahme vorausgehen; in diesem Falle wurde die Bescheinigung für ein Vorhaben erteilt, sofern dieses gewisse Voraussetzungen erfüllte.

Nach meiner Ansicht konnte und mußte die Entscheidung der Kommission, in der der Bundesregierung aufgegeben wurde, die Erteilung von Bescheinigungen nach dem 24. Februar 1971 unverzüglich einzustellen, nur bei dieser letzten Fallage sofort in Vollzug gesetzt werden, vorausgesetzt, daß die Betroffenen nicht bereits einen Bewilligungsantrag gestellt hatten.

Was diejenigen Gewerbetreibenden betrifft, die schon vor diesem Tage Investitionen vorgenommen hatten, oder — noch gewichtigerer Gründe wegen — diejenigen, die die Arbeiten zur Schaffung oder Erweiterung von Betriebsstätten bereits vollständig finanziert hatten, so konnten sie unter der alleinigen Voraussetzung, daß der Bundesbeauftragte diese Investitionen als im Einklang mit den Zielen der Anpassung und Verbesserung der Wirtschaftsstruktur in den Steinkohlenbergbaugebieten beurteilte, von Gesetzes wegen nach ihrem nationalen Recht einen Anspruch auf die Vergünstigung der Investitionsprämien geltend machen. Die Kommission gründet denn auch ihre Behauptung, Prämien, in deren Genuß Steuerpflichtige anhand nach dem 24. Feburar 1971 ausgestellter Bescheinigungen gekommen seien, müßten erstattet werden, allein auf den Gesichtspunkt, nur bis spätestens zum 20. August 1970 hätten die fraglichen Investitionen angefangen oder Anträge gestellt werden dürfen. Damit nimmt sie für sich das Recht in Anspruch, die Wirkungen der Suspendierung des Beihilfesystems auf einen vor der Entscheidung liegenden Zeitpunkt zurückzubeziehen, nämlich auf den Zeitpunkt der von ihr am 14. August 1970 im Amtsblatt der Gemeinschaften veröffentlichten Mitteilung, wobei sie eine Frist von sechs Tagen, beginnend mit dieser Veröffentlichung, zubilligt, die in ihren Augen ausreichte, damit alle Beteiligten davon Kenntnis nehmen konnten.

Diese Schlußfolgerung scheint mir irrig zu sein, denn sie mißt der Mitteilung eine Wirkung bei, die ihr nicht zukommt. In Wirklichkeit handelt es sich bei dieser lediglich um das erste, keinerlei einer Entscheidung vergleichbare Wirkungen äußernde Element eines Verfahrens, dessen einzigen vollziehbaren Rechtsakt die abschließende Entscheidung darstellt. Des weiteren ist Anspruchsgrund für die Investitionsprämie, entgegen der Darstellung der Kommission, nicht etwa die Ausstellung der Bescheinigung durch den Bundesbeauftragten. Dieser ergibt sich vielmehr schon aus der Tatsache, Arbeiten unternommen und finanziert zu haben, die anerkanntermaßen den Zielen des § 32 Kohlegesetz entsprechen. Im übrigen wird die Prämie, die ja für den Steuerpflichtigen in einer Ermäßigung seiner Steuerschuld besteht, endgültig erst in dem Augenblick erlangt, in dem der Steuerbetrag festgesetzt wird. Die Kommission hätte aus ihrer Sicht folgerichtig ebenso gut anordnen können, vom Augenblick der Bekanntgabe ihrer Entscheidung an seien keine Steuerabzüge mehr vorzunehmen. Das durchaus willkürliche Kriterium des Tages, an dem die Bescheinigung erteilt wurde, beruht auf keiner ernsthaften Rechtsgrundlage.

Außerdem erscheint die Wahl des 20. August 1970 als letzter Termin für den Beginn von Investitionen nirgendwo in der Entscheidung selbst. Dieses Datum ergibt sich aus dem Schreiben der Kommission an die Bundesregierung vom 16. Dezember 1971. Diese nach meinem Dafürhalten auf einer ungenauen Vorstellung von den Kommissionsbefugnissen beruhende Wahl verstößt auch gegen das Gebot des Schutzes berechtigten Vertrauens, zu dem Sie in Ihrem kürzlich ergangenen Urteil vom 5. Juni 1973 (Kommission/Rat, Rechtssache 82/72) ausgeführt haben, daß es als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts Geltung beansprucht.

Unter diesen Umständen war die einzige Verpflichtung, die der Bundesregierung aufzuerlegen die Kommission berechtigt war, diejenige, die undifferenzierte Gewährung von Investitionsprämien im Land Nordrhein-Westfalen mit Wirkung vom 24. Februar 1971 an in den Fällen einzustellen, in denen an diesem Tage Investitionen noch nicht begonnen oder auf entsprechende Vorhaben bezügliche Anträge noch nicht gestellt worden waren.

Die deutsche Regierung hat, ohne daß dies bestritten worden wäre, vorgetragen, daß für derartige Investitionen oder Vorhaben keine einzige Bescheinigung erteilt worden ist.

Unter diesen Umständen kann ich nur feststellen, daß diese Regierung nicht gegen Verpflichtungen verstoßen hat, die ihr aufzuerlegen die Kommission von Rechts wegen befugt war; deshalb beantrage ich, die Klage der Kommission abzuweisen und der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.


( 1 ) Aus dem Französischen übersetzt.