SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS JOSEPH GAND

VOM 1. JULI 1969 ( 1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

Zum zweiten Mal gibt Ihnen der von Herrn Sayag, Ingenieur bei Euratom, verursachte Verkehrsunfall Veranlassung, auf Ersuchen der belgischen Cour de Cassation einige Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen.

Herr Sayag hatte sich gegen seine Strafverfolgung vor den belgischen Gerichten auf die Befreiung von der Gerichtsbarkeit berufen, die nach Artikel 11 Buchstabe a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der EAG vom 17. April 1957 den Bediensteten dieser Gemeinschaft „bezüglich der von ihnen in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen …“ zusteht. In dieser Eigenschaft, so meinte er, habe er gehandelt, als er sich im Besitz eines die Benutzung seines privaten Kraftwagens vorsehenden Dienstreiseauftrags in Begleitung zweier Bediensteter privater Firmen, denen er die Anlagen der Gemeinsamen Kernforschungsstelle zeigen sollte, von Brüssel nach Mol begab.

Auf die Frage der belgischen Cour de Cassation nach der Bedeutung dieser Bestimmung des Protokolls haben Sie in ihrem Urteil vom 11. Juli 1968 (Sayag, 5/68 EuGH Slg. XIV, 602) geantwortet, daß die Befreiung sich ausschließlich auf Handlungen erstreckt, die ihrer Rechtsnatur nach als Teilnahme desjenigen, der die Befreiung geltend macht, an der Erfüllung der Aufgaben des Organs anzusehen sind, dem er untersteht. Insbesondere, so haben Sie weiter ausgeführt, ist das Führen eines Kraftfahrzeugs als eine in amtlicher Eigenschaft vorgenommene Handlung nur in den Ausnahmefällen anzusehen, in denen diese Tätigkeit auf keine andere Weise als unter Hoheit der Gemeinschaft und durch deren Bedienstete ausgeübt werden kann.

Es war klar, daß es in diesem Rechtsstreit nicht nur um eine Frage der Befreiimg von der Strafgerichtsbarkeit, sondern auch um ein zivilrechtliches Haftpflichtproblem ging, bei dem sich der Urheber und das Opfer des Unfalls nebst ihren jeweiligen Versicherern gegenüberstanden.

Deshalb haben Sie in Ihrer Antwort auf die gestellte Frage bemerkt, daß die Frage der Haftung der Gemeinschaft nicht dadurch präjudiziert werde, wie eine Handlung hinsichtlich der Befreiung von der Gerichtsbarkeit qualifiziert wird und wie über die Aufhebung der Befreiung entschieden wird: „Dies ist die Folge davon, daß die Haftung besonderen Vorschriften unterliegt, die einem anderen Zweck dienen als die Bestimmungen des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen“.

Ihr Urteil hat die Cour de Cassation veranlaßt, die gegen die öffentliche Anklage erhobene Kassationsbeschwerde zurückzuweisen; sie hatte es aber auch mit zwei Rügen gegen das Urteil zu tun, das über die Zivilklage gegen den Urheber des Unfalls und seinen Versicherer, die Gesellschaft Zürich, ergangen war. Aufgrund des EAG-Vertrags wurde geltend gemacht, daß die Gemeinschaft Dritten gegenüber für die von ihren Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schäden allein hafte und daß Ihr Gerichtshof allein für Klagen auf Ersatz solcher Schäden zuständig sei. Hilfsweise wurde ausgeführt, wenn der Bedienstete für die Dritten unter solchen Bedingungen verursachten Schäden haftbar bleibe, sei diese Haftung wie die der Gemeinschaft „nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind“, zu beurteilen und unterliege ebenfalls Ihrer Zuständigkeit.

Bei diesem Sachstande bittet Sie die Cour de Cassation mit Urteil vom 17. Februar 1969 um Auslegung des in Artikel 188 EAG-Vertrag gebrauchten Ausdrucks „in Ausübung ihrer Amtstätigkeit“. Sie fragt ferner für den Fall, daß der Bedienstete die schadenstiftende Handlung in Ausübung seiner Amtstätigkeit, aber nicht in amtlicher Eigenschaft begangen haben sollte, ob dies die persönliche Haftung des Beamten begründe oder ob diese Haftung in der der Gemeinschaft aufgehe. Sie bittet Sie schließlich, gegebenenfalls klarzustellen, welches Recht auf die gegen den Bediensteten und seinen Versicherer gerichtete Haftpflichtklage anwendbar und welches Gericht für die Entscheidung über diese Klage zuständig sei.

Die letzte Frage ist in ihren beiden Aspekten nur eventualiter und hilfsweise gestellt. Ich meine jedoch, daß die Cour de Cassation sie Ihnen mit Recht schon jetzt vorgelegt hat, nicht nur, weil sie sich logisch aus den ersten Fragen ergibt, sondern auch, weil die Prüfung der durch sie aufgeworfenen Schwierigkeiten in gewissem Maße zur Lösung der beiden Hauptfragen beitragen kann. Wir haben es mit einem Gebiet zu tun, auf dem Ihre Rechtsprechung notwendigerweise eine schöpferische Rolle zu spielen hat, und wenn es auch weder möglich noch wünschenswert ist, aus Anlaß dieses Einzelfalls eine allgemeine Theorie der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaften aufzustellen, so muß man sich doch der Entwicklungen bewußt sein, die sich aus den heute von Ihnen zu findenden Lösungen ergeben können.

I

Die erste Frage bezieht sich auf die beiden einzigen Artikel des EAG-Vertrags, die von der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft handeln und für die sich genaue Entsprechungen im EWG-Vertrag finden.

1.

Einerseits geht es um Artikel 188 Abs. 2, der besagt, daß im Bereich der außervertraglichen Haftung die Gemeinschaft den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ersetzt, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind. Andererseits handelt es sich um Artikel 151, der Sie für Streitsachen über den in Artikel 188 Abs. 2 vorgesehenen Schadensersatz für zuständig erklärt.

Die Verfasser des Vertrages haben auf diese Weise die Bestimmung des zuständigen Gerichtes und des anzuwendenden materiellen Rechts eng miteinander verbunden, da für beide die gleichen Gründe maßgebend sind. Die Gründe, aus denen ganz allgemein die Gemeinschaft dem innerstaatlichen Recht und den innerstaatlichen Gerichten entzogen ist, liegen auf der Hand. Es geht in erster Linie darum, ihre Unabhängigkeit zu gewährleisten: Ihre Tätigkeit darf nicht durch die Verpflichtung eingeschränkt werden, sich dem Recht eines Staates zu unterwerfen, dessen Bestrebungen sich berechtigterweise von den ihren unterscheiden können, und ihre Tätigkeit darf nicht von einem fremden Gericht beurteilt werden. Andererseits geht es darum, durch die Einheit des angewendeten Rechts die Rechtssicherheit zu gewährleisten. Es ist aber auch darauf hinzuweisen, daß die Rechtsstreitigkeiten der Gemeinschaften vorbehaltlich der Ihnen erteilten Zuständigkeiten den innerstaatlichen Gerichten nicht entzogen sind. Auch ihre Tätigkeiten können dem innerstaatlichen Recht unterliegen, wenn der Vertrag nichts anderes bestimmt oder wenn nicht Erfordernisse, die sich aus dem Zweck und der geordneten Tätigkeit der Organe ergeben, dem entgegenstehen. Auf dem benachbarten Gebiet des Vertragsrechts ist Ihre Zuständigkeit vom Bestehen einer Schiedsklausel abhängig (Artikel 153), und die vertragliche Haftung der Gemeinschaft richtet sich nach dem für den jeweiligen Vertrag geltenden Recht, welches das eines Mitgliedstaates, aber auch das eines dritten Staates sein kann (Artikel 188 Absatz 1.)

Für die außervertragliche Haftung stellt der Vertrag zwei Rechtssätze auf:

Was ihr Ausmaß anbelangt, so erstreckt sich diese Haftung nicht nur auf Schäden, die von den Organen der Gemeinschaft verursacht werden, sondern auch auf solche, die „von ihren Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit“ verursacht werden. Um diesen letzten Aspekt geht es in den Ihnen gestellten Fragen.

Was die maßsgebenden Grundsätze anbelangt, so wird verwiesen auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind.

2.

Worin bestehen diese Grundsätze und inwieweit können sie Ihnen als Richtschnur dienen?

Anläßlich einer eingehenden Prüfung dieser Frage durch die Kommission für internationales Recht des Internationalen Richterbundes wies Generalanwalt Dumon ( 2 ) darauf hin, daß der recht nah verwandte Begriff der allgemeinen Rechtsgrundsätze sowohl im innerstaatlichen als auch im internationalen Recht wohlbekannt sei. Im innerstaatlichen Recht gelte als allgemeiner Grundsatz eine Idee oder eine Ethik, „die in Gesetz und Rechtsprechung bereits ein oder mehrere Male angewandt worden und dazu angetan ist, auch künftig angepaßt an neue oder andere Umstände angewandt zu werden“. Im internationalen Recht gelte, daß ein allgemeiner Grundsatz, auch wenn er sich in den Rechtsordnungen aller die Staatengemeinschaft bildenden Völker wiederfindet, nicht angewandt werde, falls er nicht geeignet sei, in die internationale Rechtsordnung Eingang zu finden. Herr Dumon meint, daß ebenso auch ein den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamer allgemeiner Rechtsgrundsatz keine Aufnahme in die Gemeinschaftsrechtsordnung finden könne, wenn eine Norm oder ein Rechtsgrundsatz dieser Rechtsordnung den Sachverhalt unabhängig oder abweichend von diesen Grundsätzen regelt.

In der Tat ist man zwar einhellig der Auffassung, daß der Vertrag selbstverständlich nicht auf positiv-rechtliche Lösungen, sondern auf die Grundgedanken verweist, auf denen diese Lösungen beruhen, doch sind Zweifel an der Tragweite und Wirksamkeit dieser Verweisung möglich. Jener Begriff läßt sich nicht als der größte Nenner oder gar als die Synthese der in den Mitgliedstaaten anerkannten Grundprinzipien verstehen. Generalanwalt Lagrange hat bemerkt, wirklich gemeinsam sei nur der Rechtsgrundsatz, daß heute in allen Mitgliedstaaten die These der Nichthaftung des Staates abgelehnt werde, darüber 'hinaus aber seien die Rechtsordnungen oft grundlegend verschieden. Er hat in Artikel 188 nur eine jener diplomatischen Formeln gesehen, die sich häufig in internationalen Verträgen finden und nur insoweit eine Bedeutung haben, als sie auf gewisse Billigkeitsgrundsätze hinweisen, die in Rechtsstaaten normalerweise anerkannt werden ( 3 ).

Wenn dem so ist, kommt Ihnen die Hauptaufgabe zu: Sie haben die Grenzen der außervertraglichen Haftung abzustecken, indem Sie die von den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gelieferten Beispiele den Wesensmerkmalen und Bedürfnissen der Gemeinschaft gegenüberstellen.

Als Sie diese Frage hinsichtlich der Tätigkeit eines Organs zu entscheiden hatten, haben Sie allerdings die gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätze nicht erwähnt. Ihr Urteil Kampffmeyer vom 14. Juli 1967 (EuGH 5 - 7, 13 - 24/66, Slg. XIII, 332) stellt die Haftung der EWG für eine von der Kommission durch die Aufrechterhaltung einer von der deutschen Bundesregierung ergriffenen Maßnahme begangene Rechtswidrigkeit fest. Sie sind davon ausgegangen, daß dieses Verhalten einen Amtsfehler darstelle (der Ausdruck findet sich in Ihrem Urteil, obwohl die Artikel 215 EWG-Vertrag und 188 EAG-Vertrag ihn im Unterschied zu Artikel 40 EGKS-Vertrag nicht verwenden). Es handelte sich darum, daß die Kommission ihre Entscheidungsbefugnis fehlerhaft gebraucht hatte, also um einen Rechtsakt, um etwas, was im Recht einiger Mitgliedstaaten als „anonymer Amtsfehler“ bezeichnet wird, der nicht an die Tätigkeit einer bestimmten Person gebunden ist.

Hier handelt es sich dagegen zum ersten Mal seit Bestehen des Gerichtshofes der EGKS um eine physische schadenstiftende Handlung, die einem ganz bestimmten Bediensteten der Gemeinschaft zugerechnet werden kann. Artikel 188 sieht vor, daß eine solche Handlung die Haftung der Gemeinschaft begründen kann, wenn sie in Ausübung der Amtstätigkeit begangen wird; es bleibt aber zu prüfen, was hierunter zu verstehen ist, und welche Lösungen in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten vorgesehen sind.

Hierzu hat die Kommission in ihren Erklärungen eine sehr gründliche Untersuchung vorgelegt, so daß ich nur die wichtigsten daraus abzuleitenden Schlußfolgerungen festzuhalten brauche.

Zunächst wird im Recht der meisten Mitgliedstaaten der Verwaltung die Haftung für schadenstiftende Handlungen ihrer Bediensteten sehr großzügig auferlegt, entweder indem die Normen des Privatrechts angewandt werden, oder aufgrund einer eigenständigen Theorie. Soweit ein schematischer Uberblick möglich ist, wird diese Haftung im italienischen Recht durch solche Handlungen begründet, die mit dem öffentlichen Dienst, den der Bedienstete verrichtet, in Zusammenhang gebracht werden können; das gilt selbst dann, wenn die Handlung vorsätzlich ist. In den Niederlanden sind es solche Handlungen, die „mit dem Amt zusammenhängen, weil sie bei der Erfüllung einer Aufgabe des Bediensteten oder unter Verwendung der diesem Bediensteten aus seinem Amt zur Verfügung stehenden Mittel begangen sind“, in Belgien Handlungen, „zu denen der Bedienstete befugt oder verpflichtet war“. In Frankreich, dessen Lösungen vielleicht am umfassendsten sind, sind es Handlungen, „denen nicht jeder Zusammenhang mit dem Dienst fehlt“. Die deutsche Rechtsprechung ist dagegen einschränkender: Damit die schadenstiftende Tätigkeit eines Bediensteten als in Ausübung seines Amtes begangen gilt und geeignet ist, die Haftung der öffentlichen Gewalt zu begründen, muß zwischen dieser Tätigkeit und dem Amt „ein innerer Zusammenhang“ bestehen, der die Handlung und die Ausübung des Dienstes als ein unauflösliches, notwendiges Ganzes erscheinen läßt. Um zu erkennen, ob dieser innere Zusammenhang besteht, muß festgestellt werden, ob das Ziel, auf das die Handlung gerichtet ist, in der Erfüllung des Dienstauftrags enthalten ist und ob dieses Ziel und die Tätigkeit, die den Schaden verursacht hat, unauflöslich miteinander verbunden sind. Mit dieser bedeutenden Einschränkung wird der Begriff der „Amtsausübung“ in den innerstaatlichen Rechtsordnungen oder zumindest in ihrer Anwendung weit ausgelegt. Vielleicht ist in dieser Praxis das Bestreben zu erkennen, den Ersatz des verursachten Schadens auf jeden Fall dadurch sicherzustellen, daß er einer juristischen Person angelastet wird, die im Unterschied zum Urheber der Handlung schon ihrer Begriffsbestimmung nach zahlungsfähig ist.

Die zweite Bemerkung, zu der diese Prüfung Anlaß gibt, führt uns zu dem Fall, der die Cour de Cassation bewogen hat, sich mit der Vorlage an Sie zu wenden; sie geht dahin, daß die Verkehrsunfälle einen beachtlichen Teil der Rechtsprechung zur Haftung der öffentlichen Gewalt ausmachen. Dies ist nicht erstaunlich, denn die Verwaltungen der Mitgliedstaaten umfassen eine große Zahl ziviler oder militärischer Vollzugsdienststellen, welche die Verwendung von Fahrzeugen notwendig machen. Die Gerichtsentscheidungen betreffen jedoch vor allem Unfälle, die durch Fahrzeuge der Verwaltung oder Armee verursacht wurden; gewiß nicht ausschließlich, denn zumindest in der französischen Rechtsprechung finden sich auch Fälle, in denen die Haftung des Staates für einen Unfall angenommen wurde, der durch den Privatkraftwagen eines Offiziers verursacht war, der die Genehmigung hatte, seinen Wagen für dienstliche Zwecke zu verwenden (Bourrée, CE., 26. Juli 1944, Slg. Lebon, 217.)

Die dritte Bemerkung liegt auf anderer Ebene und lautet wie folgt: Die stetig zunehmende Verwendung von Kraftfahrzeugen hat eine Tendenz zur Folge, neue besondere Gesetzes- oder Verordnungsvorschriften für dieses Gebiet vorzusehen. Nichts ist hierfür bezeichnender als das französische Gesetz vom 31. Dezember 1957 über Haftpflichtklagen gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts wegen Schäden, die von Fahrzeugen verursacht sind. Unter bewußter Abwendung von sämtlichen Grundsätzen des französischen Verwaltungsrechts verleiht dieses Gesetz den ordentlichen Gerichten die ausschließliche Zuständigkeit zur Entscheidung über diese Klagen, die, wie das Gesetz ausdrücklich bestimmt, nach den zivilrechtlichen Vorschriften zu beurteilen sind. Gleichzeitig mit der Verallgemeinerung der Kraftfahrzeugpflichtversicherung suchen die meisten Mitgliedstaaten zu vermeiden, daß die öffentliche Hand Schäden ersetzen muß, die durch die Benutzung von Privatkraftwagen aus dienstlichem Anlaß verursacht werden. Zu diesem Zweck verpflichten sie den Bediensteten entweder zum Abschluß einer privaten Haftpflichtversicherung, welche auch die Haftpflicht des Staates einschließt, oder dazu, den Staat von Haftungsklagen freizuhalten. Zu diesem Punkt, worin nur ein Hinweis auf eine Tendenz zu sehen ist, verweise ich auf die von der Kommission als Anlage zu ihren Erklärungen vorgelegte Untersuchung.

3.

Nach diesem allgemeinen Uberblick müssen wir nun auf Artikel 188 zurückkommen: In welchen Fällen ist anzunehmen, daß ein Beamter der Gemeinschaft „in Ausübung seines Amtes“ handelt? Genauer ausgedrückt — denn dies ist der Fall, der zu der Vorlage geführt hat — wie ist die Rechtslage bei einem Unfall, den ein Beamter bei der Verwendung seines Privatwagens für Dienstfahrten verursacht hat?

Die Kommission schlägt zur Begründung ihres Standpunktes einen recht ungewöhnlichen Weg ein, indem sie mit der Prüfung der Praxis der Organe beginnt, die ihr insofern zufriedenstellend erscheint, als sie weder das Rechtsbewußtsein noch das Billigkeitsgefühl der Urheber und Opfer der Schäden zu verletzen scheine, und sodann zur Prüfung der Rechtsgrundlage der so gefundenen Lösungen übergeht. Wenn auch die Praxis ein nicht zu vernachlässigender Faktor sein mag, so glaube ich doch, daß der umgekehrte Weg gegangen werden muß. Es muß sich nach den Vorschriften des Vertrages und den Bestrebungen, von denen sie getragen sind, sowie nach den Wesensmerkmalen der Gemeinschaft bestimmen, inwieweit diese für die Handlungen ihrer Bediensteten zu haften hat und unter welchen Umständen diese Bediensteten als in Ausübung ihres Amtes handelnd anzusehen sind.

Ich habe soeben gesagt, daß die Gemeinschaft — und unter deren Organen Ihr Gerichtshof —; eine Zuständigkeit besitzt, die, mag sie auch noch so weit gehen, doch eine „verliehene“ Zuständigkeit bleibt. Die für sie einschlägigen Vorschriften sind daher, wenn auch nicht eng, so doch zumindest in einer Weise auszulegen, welche die Unabhängigkeit und das Gleichgewicht des. Gemeinschaftsbereichs und des staatlichen Bereiches respektiert.

Ihre Zuständigkeit und das Bestehen eigener Rechtsnormen über die Haftung der Gemeinschaft sind durch zwingende Gründe geboten, wo es darum geht, die Schadensfolgen von Rechtsakten zu beurteilen, in denen die Hoheitsgewalt der Gemeinschaft zum Ausdruck kommt. Es wäre nicht zu verstehen, um auf das Beispiel Kampffmeyer zurückzukommen, wenn die EWG nach deutschem Recht für Schäden, die den Importeuren dieses Landes durch eine fehlerhafte Entscheidung der Kommission verursacht wurden, für haftbar oder nicht haftbar erklärt würde, oder wenn diese Schäden von einem deutschen Gericht zu beurteilen wären. Es geht hier um Handlungen, die wirklich die Gemeinschaft binden und nur nach Gemeinschaftsrecht beurteilt werden können.

Anders kann es sein, wo wir es mit physischen Handlungen zu tun haben, die mit der Tätigkeit der Dienststellen der Gemeinschaft zusammenhängen. Lassen wir hier die im Falle der Euratom sehr wichtige Frage der durch die Kernenergie verursachten Schäden beiseite: Das Kernrisiko ist in bisher noch unvollkommenen internationalen Abkommen geregelt und wirft heikle Fragen der gerichtlichen Zuständigkeit und des anzuwendenden Rechts auf ( 4 ). Auf dem etwas konkreteren Gebiet des Dienstbetriebs können schadenstiftende Handlungen von Beamten die Haftung der Gemeinschaft nur begründen, soweit zwischen diesen Handlungen und der Amtsausübung ein mehr oder weniger enger Zusammenhang besteht, den es genau zu bestimmen gilt.

Im Hinblick auf die Wesensmerkmale der Gemeinschaft, die vor allem geistige Aufgaben der Konzeption, Weisung und Aufsicht wahrnimmt, meine ich, daß ein recht enger Zusammenhang zu fordern ist. Wir können uns nicht mit rein äußerlichen Beziehungen zufriedengeben, die auf Zufall beruhen oder nur in der Gleichzeitigkeit bestehen, und es reicht nicht aus, daß die schadenstiftende Handlung während des Dienstes oder am Dienstort, d.h. anläßlich des Dienstes, geschehen ist. Es muß ein unmittelbarer innerer Zusammenhang zwischen dieser Handlung und der Amtsausübung bestehen.

Wie stellt sich unter diesem Gesichtspunkt der von einem Bediensteten am Steuer seines privaten Kraftwagens während einer Fahrt oder Dienstreise verursachte Unfall dar? Die Antwort muß meines Erachtens lauten, daß er die Haftung der Gemeinschaft normalerweise nicht begründet, denn es besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der schadenstiftenden Handlung und dem Amt. Der Bedienstete hat wohl die Verpflichtung, seine Dienstreise auszuführen und sich zunächst an den Dienstreiseort zu begeben; wenn er hierzu aber seinen eigenen Wagen benutzt, so geschieht dies aus freien Stücken und aus ganz persönlichen Gründen, die mit den Erfordernissen des Dienstes in keinem Zusammenhang stehen.

Es muß als feststehend angesehen werden, daß ein Beamter niemals außer im Falle einer ausdrücklichen gegenteiligen Vorschrift gehalten sein kann, private Mittel einzusetzen, um seine Dienstreise auszuführen; insbesondere muß er, um sich an den Dienstreiseort zu begeben, Dienstfahrzeuge oder öffentliche Beförderungsmittel benutzen können. In diesem Punkte scheint mir die von der Kommission vertretene Auffassung richtig zu sein. Sie reicht auch aus, um die Lösung des Falles zu diktieren, ohne daß Veranlassung besteht, andere Argumente zu berücksichtigen, die vorgebracht wurden. Ich lasse insbesondere die Bestimmung von Artikel 12 Absatz 4 letzter Unterabsatz des Anhangs VII zum Statut außer Betracht, wonach ein Beamter, dem die Benutzung seines privaten Kraftwagens gestattet wird, in vollem Umfang für etwaige Unfälle haftbar bleibt, die das Fahrzeug Dritten verursacht, denn eine Verordnung kann zu dem, was sich aus dem Wortlaut des Vertrages oder seiner Ihnen geboten erscheinenden Auslegung ergibt, nichts hinzufügen. Ebenso ist meines Erachtens ohne Einfluß auf die Lösung, daß die Benutzung des privaten Kraftwagens im Dienstreiseauftrag erwähnt und gestattet ist, denn diese Erlaubnis soll vor allem dazu dienen, die Maßstäbe für die Erstattung der Reisekosten zu bestimmen, zu der die Verwaltung verpflichtet ist.

Es lassen sich jedoch Fälle denken, in denen die Benutzung des privaten Kraftwagens in so unmittelbarem Zusammenhang zum Amt steht, daß die Haftung der Gemeinschaft begründet ist. So zum Beispiel dann, wenn diese Wahl entgegen dem äußeren Anschein nicht frei ist, weil es kein anderes Mittel zur Ausführung der Dienstreise gibt. Die Kommission mag wohl sagen, daß der Bedienstete dann berechtigt sei, diese zu verweigern; dieser Grundsatz mag vielleicht theoretisch gelten, aber die Beamten wären zweifellos wohl beraten, nicht auf seiner Anwendung zu bestehen. Wandelt man den Fall etwas ab, so ist es denkbar, daß der Bedienstete, ohne daß er sich freiwillig dazu erboten hat, von seinen Vorgesetzten den Auftrag erhält, in seisem Wagen andere Beamte der Gemeinschaft oder Personen, mit denen diese in Beziehung steht, zu befördern; in diesem Fall käme seine Lage der des „Fahrers vom Dienst“ sehr nahe. Hierbei handelt es sich um Sonderfälle, die heikle Beweisfragen aufwerfen können, auf die ich nicht einzugehen brauche.

Nach alledem kommt die von mir vorgeschlagene Begriffsbestimmung der „Amtsausübung“ derjenigen sehr nahe, die Sie im vergangenen Jahr für die „in amtlicher Eigenschaft vorgenommene“ Handlung gegeben haben, wenn sie nicht gar mit ihr übereinstimmt. Ich hatte damals erklärt, daß nicht notwendigerweise eine Parallelität zwischen den beiden Begriffen bestehen müsse. Nach gründlicherer Prüfung der Frage komme ich zu dem Ergebnis, daß sie sich in den meisten Fällen decken können, mögen die mit ihnen angestrebten Ziele auch verschieden sein. Eine Begriffsbestimmung ist aber notwendigerweise schematisch, und es ist nicht ausgeschlossen, daß in bestimmten Fällen die beiden Situationen nicht identisch sind.

II

Damit komme ich zur zweiten Frage der Cour de Cassation.

Würde eine schadenstiftende Handlung, die ein Bediensteter in Ausübung seines Amtes begehen sollte, ohne dabei in amtlicher Eigenschaft zu handeln, und für die daher die Gemeinschaft haften würde, zugleich auch die persönliche Haftung des Bediensteten auslösen oder würde diese Haftung in der der Gemeinschaft aufgehen?

Bekanntlich ist diese Frage in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten unterschiedlich gelöst. Nur einige dieser Rechtsordnungen sehen vor, daß konkurrierend mit der Klage gegen die öffentliche Hand auch der Bedienstete für seine persönliche Handlung gerichtlich belangt werden kann. Aus Gründen, die sich aus den einschlägigen Vorschriften ergeben und aus rechtlichen und praktischen Zweckmäßigkeitserwägungen schlage ich vor, in diesem Fall die Möglichkeit konkurrierender Haftung auszuschließen.

Zunächst zu den Vorschriften. Ich meine, daß Artikel 188 Absatz 2 des Vertrages nur den Ersatz der von Gemeinschaftsbediensteten in Ausübung ihres Amtes verursachten Schäden durch die Gemeinschaft betrifft. Würde eine Haftung dieser Bediensteten angenommen, so könnte sie also nur vor den einzelstaatlichen Gerichten geltend gemacht werden — wir werden sogleich sehen, mit welchen Konsequenzen.

Ohne Zweifel läßt sich die Gegenmeinung auf Artikel 151 in Verbindung mit Artikel 188 stützen. Denn der erste dieser Artikel erklärt Sie für Streitsachen über den in Artikel 188 Absatz 2 vorgesehenen Schadensersatz für zuständig. Dies bezieht sich auf alle Schäden, die von Bediensteten in Ausübung ihres Amtes verursacht werden, unabhängig davon, gegen welche natürliche oder juristische Person die Schadensersatzklage gerichtet ist. Die niederländische und deutsche Fassung scheinen dieser Auslegung zu entsprechen; eine andere, allerdings spätere, Vorschrift veranlaßt mich jedoch, diese Auslegung zu verwerfen.

Bekanntlich erklärte Artikel 40 Absatz 2 EGKS-Vertrag Sie für zuständig, einen Beamten zum Ersatz des einem Dritten durch persönliches Verschulden des Bediensteten in Ausübung seiner dienstlichen Obliegenheiten verursachten Schadens zu verurteilen. Konnte die geschädigte Partei von dem Bediensteten diesen Schadensersatz nicht erlangen, so konnten Sie der Gemeinschaft die Zahlung einer angemessenen Entschädigung auferlegen. Artikel 26 des Fusionsvertrags hat diese Bestimmungen jedoch durch die folgenden ersetzt: „Der Gerichtshof ist ferner zuständig, eine Entschädigung zu Lasten der Gemeinschaft zuzuerkennen, falls ein Schaden durch persönliches Verschulden eines Bediensteten der Gemeinschaft in Ausübung seiner dienstlichen Obliegenheiten verursacht worden ist. Die persönliche Haftung der Bediensteten gegenüber der Gemeinschaft bestimmt sich nach den Vorschriften ihres Statuts oder der für sie geltenden Beschäftigungsbedingungen“. Somit vollzieht diese Vorschrift eine gewisse sachliche Angleichung an die Lösungen der Verträge von Rom für die Frage der Haftung Dritten und der Gemeinschaft gegenüber, hebt aber gleichzeitig Ihreim EGKS-Vertrag ausdrücklich vorgesehene Zuständigkeit für die Entscheidung über die persönlich e Haftung der Bediensteten diesen Dritten gegenüber auf. Es kann schwerlich angenommen werden, das die Verfasser des EAG-Vertrags nicht gleichfalls diese Lösung gewollt haben.

Ein geschädigter Dritter konnte also nur vor den innerstaatlichen Gerichten gegen den Beamten Klage erheben, aber die Möglichkeit einander widersprechender Entscheidungen, die sich aus einem solchen System ergeben würde, muß zu dessen Verwerfung führen. Ihr Gerichtshof, der allein zur Entscheidung über Klagen gegen die Gemeinschaft zuständig ist, und das innerstaatliche Gericht, das über die gegen den Bediensteten gerichtete Klage zu entscheiden hätte, würden jeweils ihr eigenes Recht anwenden und könnten den Sachverhalt verschieden beurteilen. Frankreich kennt allerdings eine Dualität der Zuständigkeiten, aber die hiermit verbundenen Nachteile sprechen nicht dafür, dieses System auch auf Gemeinschaftsebene einzuführen. Die Kommission für internationales Recht des internationalen Richterbundes hat sich eindeutig dagegen ausgesprochen, Klagen aus persönlicher Haftung der Beamten vor einzelstaatlichen Gerichten zuzulassen. Nach ihrer Ansicht hätten diese Gerichte Sie gegebenenfalls gemäß Artikel 150 EAG-Vertrag um Auslegung des Vertrages in diesem Punkte zu ersuchen. Das ist hier seitens der belgischen Cour de Cassation geschehen, und ich schlage Ihnen vor, ihre Frage im angegebenen Sinn zu beantworten.

Bevor ich diesen Punkt abschließe, möchte ich noch mit einem Wort der Kritik entgegentreten, die gegen dieses System vorgebracht werden könnte, dem man vorwirft, es stumpfe den Sinn des Beamten für Verantwortlichkeit ab. Diese Gefahr ist nach meiner Ansicht nicht zu befürchten. Auf der einen Seite habe ich Ihnen eine recht einschränkende Begriffsbestimmung der „Amtsausübung“ vorgeschlagen. Auf der anderen Seite bleibt die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beamten auf jeden Fall bestehen, ohne daß es der Aufhebung irgendeiner Befreiung bedürfte, falls der Bedienstete nicht in „amtlicher Eigenschaft“ handelt. Schließlich kann der Beamte nach Artikel. 22 des Beamtenstatuts zum Ersatz des Schadens herangezogen werden, der der Gemeinschaft durch sein schwerwiegendes Verschulden entstanden ist, und diese Regreßklage, die durch eine Entscheidung nach Abschluß des Disziplinarverfahrens eingeleitet wird, wäre bei Ihnen anhängig zu machen. Dies alles erscheint mit geeignet, die erwähnte Gefahr auszuschließen.

III

Bleibt schließlich noch die dritte Frage, die nach der Rechtsordnung, die für die Klage gegen den Bediensteten und seinen Versicherer gilt, und nach dem für diese Klage zuständigen Gericht.

Nach meinen bisherigen Ausführungen kann sich diese Frage nur dann stellen, wenn die Handlung nicht in Ausübung des Amtes begangen wurde; da sie zudem nur hilfsweise gestellt ist, erübrigt sich vielleicht eine Antwort.

Es bedarf jedenfalls nur der Feststellung, daß in diesem Fall nur das innerstaatliche Gericht zuständig sein kann und daß die Vorschriften seiner Rechtsordnung anwendbar sind.

In den für den Kassationskläger vor Ihnen abgegebenen Erklärungen wurde jedoch die Auffassung vertreten, die allgemeinen, den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen Rechtsgrundsätze müßten stets Anwendung finden, welches Gericht auch immer mit der Schadensersatzklage befaßt sei. Unter Hinweis auf einige Besonderheiten der belgischen Rechtsprechung — namentlich hinsichtlich der Schadensberechnung bei dauernder Arbeitsunfähigkeit und des Ersatzes des immateriellen Schadens —, die im Recht der anderen Mitgliedstaaten keine Entsprechung hätten, wurde die Ansicht vertreten, daß Sie trotz der allgemeinen Fassung des Vorlageurteils in diesen Punkten die anzuwendenden Rechtsgrundsätze genau angeben müßten, „wenn die Parteien nicht gezwungen sein sollen, erneut die Auslegung des Vertrages zu verlangen“.

Dieser Vorschlag bezieht sich zweifellos auf den Fall, daß die Möglichkeit konkurrierender Haftung offengelassen würde. Ich muß jedoch gestehen, daß mir das diesbezügliche Vorbringen nicht recht verständlich ist. Artikel 188 Absatz 2 verweist auf die allgemeinen, den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen Rechtsgrundsätze nur im Zusammenhang mit der Haftpflicht der Gemeinschaft für von ihren Bediensteten in Ausübung ihres Amtes verursachte Schäden. Sie hätten sich also nur dann über die Bedeutung dieser allgemeinen Rechtsgrundsätze für den genauen Umfang und die Einzelheiten des Schadensersatzes sowie für die etwa zu berücksichtigenden Schäden zu äußern, wenn bei Ihnen eine Klage gegen die Gemeinschaft anhängig wäre und Sie über die Begründetheit der Anträge der Parteien zu entscheiden hätten. Dies ist eine Frage der Anwendung des Vertrages, nicht seiner Auslegung auf einen Vorabentscheidungsantrag hin. Daher halte ich es nicht für erforderlich, die Prüfung, um die Sie gebeten werden, noch weiter auszudehnen.

Damit habe ich die Prüfung der von der belgischen Cour de Cassation gestellten Frage beendet. Die von mir vorgeschlagenen Antworten können sicherlich Kritik oder Vorbehalte auslösen. Aber sie haben, glaube ich, zumindest den Vorteil, einfach zu sein. Da sie auf alle Fälle die Möglichkeit konkurrierender Haftung ausschließen, vermeiden sie die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen. Wenn andererseits die recht enge Auslegung des Begriffs „Ausübung des Amtes“ dazu führt, daß es in den meisten Fällen den einzelstaatlichen Gerichten überlassen bleibt, nach ihrem eigenen Recht über die Folgen der von Beamten am Steuer ihres privaten Kraftwagens verursachten Unfälle zu entscheiden, so dürfte diese Lösung keine praktischen Schwierigkeiten bereiten, ganz im Gegenteil. Aus der Tatsache, daß zwei Unfälle die Gemeinsamkeit aufweisen, von zwei Euratombediensteten verursacht worden zu sein, der eine in Ispra, der andere in Mol, ergibt sich nicht die Notwendigkeit, beide dem Gemeinschaftsrecht und den allgemeinen, den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen Rechtsgrundsätzen zu unterwerfen. Das Opfer des Unfalls erwartet einen Schadensersatz nach innerstaatlichem Recht.

Im Ergebnis meine ich, daß die Antworten auf die von der Cour de Cassation gestellten Fragen von folgenden Gedanken ausgehen könnten:

1.

Für die Anwendung von Artikel 188 Absatz 2 EAG-Vertrag ist ein Beamter als „in Ausübung seines Amtes“ handelnd anzusehen, wenn ein unmittelbarer innerer Zusammenhang zwischen der ihm vorgeworfenen schadenstiftenden Tätigkeit und seinem Amt besteht.

Ein Unfall, den ein Beamter bei der Benutzung seines privaten Kraftwagens für Dienstfahrten verursacht, entspricht — von Sonderfällen abgesehen — dieser Voraussetzung nicht und kann die Haftung der Gemeinschaft nicht begründen.

2.

Ist ein Schaden durch eine in Ausübung des Amtes vorgenommene Handlung verursacht worden, so ist die Gemeinschaft unbeschadet ihres Rechts, gegebenenfalls in den Grenzen und unter den Voraussetzungen des Artikels 22 den Beamten regreßpflichtig zu machen, Dritten gegenüber allein zum Schadensersatz verpflichtet.

Andernfalls ist der Beamte allein haftbar zu machen, und zwar vor den zuständigen innerstaatlichen Gerichten.

3.

Die Haftpflichtklage des Opfers gegen den Bediensteten und seinen Versicherer ist dem Gemeinschaftsrecht in vollem Umfang entzogen.


( 1 ) Aus dem Französischen übersetzt.

( 2 ) Außervertragliche Haftung der Europäischen Gemeinschaften und ihrer Bediensteten — Cahiers de Droit Européen, 1969, S. 37 ff.

( 3 ) The non-contractual liability of the Community in the E.C.S.C. and in the E.E.C. — Common Market Law Review — 1965 — 1966, S. 32.

( 4 ) Dritter Kongreß der Fédération Internationale pour le Droit Européen — Bulletin des Juristes Européens Nr. 25-26.