Schlußanträge des Generalanwalts Herrn Karl Roemer

vom 14. Dezember 1966

Gliederung

Seite
 

Einleitung (Sachverhalt, Anträge der Parteien, Verfahren)

 

Rechtliche Würdigung

 

I. Zulässigkeitsfragen

 

II. Begründetheit

 

1. Zu den sich unmittelbar auf die angegriffenen individuellen Entscheidungen beziehenden Argumenten

 

a) Zu der von der Hohen Behörde angewandten Methode der Bestimmung des Schrottverbrauchs

 

aa) Zum Zeitraum von Februar 1957 bis November 1958

 

bb) Zum Zeitraum von Mai 1950 bis Januar 1957

 

b) Zu den übrigen, die individuellen Entscheidungen unmittelbar betreffenden Argumenten

 

2. Zur Einrede der Rechtswidrigkeit allgemeiner Schrottent scheidungen

 

a) Fehlende Zustimmung des Ministerrats

 

b) Begründungsmangel und Verletzung von Artikel 78 des Vertrages

 

c) Zur vorläufigen Natur der Ausgleichsabrechmmgen

 

d) Mißachtung von Empfehlungen des Ministerrats; Diskriminierung; unkorrekte Festsetzung der Ausgleichspreise

 

3. Zu den Schadensersatzanträgen

 

4. Zwischenanträge und Kostenentscheidung

 

III. Schlußanträge

Herr Präsident, meine Herren Richter !

Die beiden verbundenen Rechtssachen, zu denen ich heute Stellung nehme, haben offene Beitragsschulden der Klägerin im Rahmen des Schrottausgleichs zum Gegenstand. Da wir die wesentlichen Tatsachen dieser Einrichtung aus zahlreichen anderen Prozessen kennen, kann ich mich jetzt darauf beschränken, die Umstände anzuführen, die das vorliegende Verfahren kennzeichnen.

Während des Funktionierens der Ausgleichseinrichtung hat die Klägerin in Savigliano (Cuneo) ein Stahlwerk mit einem Elektroofen von 4,5 Tonnen betrieben, in dem ausgleichspflichtiger Schrott zum Einsatz kam. Das Werk ist offenbar entstanden durch entgeltliche Übernahme und technischen Umbau von Betriebsanlagen der Firma „ISAP“, über die in den Jahren 1055 und 1956 ein Liquidations- und Vergleichsverfahren durchgeführt worden war. Über den Beginn der für die Ausgleichseinrichtung relevanten Produktionstätigkeit der Klägerin herrscht daher Streit unter den Parteien. Ab 1. Februar 1957 jedenfalls und bis November 1958, d.h. bis zum Ende des Funktionierens der Ausglcichseinrichtung, hat die Klägerin regelmäßig dem italienischen Regionalbüro Meldungen über Schrottkäufe erstattet und auch gewisse Beiträge entrichtet. Diesen Meldungen zufolge hat sie in der fraglichen Zeit 1163 Tonnen Schrott gekauft. An Beitragsleistungen wurden von ihr insgesamt 661176 Lire erbracht.

Zur Überprüfung der gemachten Angaben fanden bei der Klägerin wie bei anderen schrottverbrauchenden Unternehmen wiederholt Kontrollen statt. So haben Angestellte der Schweizerischen Treuhandgesellschaft im Auftrag der Hohen Behörde den Betrieb der Klägerin in der Zeit vom 25. bis 30. Juni 1958 eingehend geprüft (vgl. den Bericht vom 5. Juli 1958). Dabei sollen jedoch nicht alle verlangten Buchführungsunterlagen vorgelegt worden sein. Vielmehr sei nur der Einblick in einen Elektrizitätslieferungs-Vertrag und in Elektrizitäts-Rechnungen gestattet worden, aus denen entnommen werden konnte, welche Strommengen im Stahlwerk während der Zeit vom 1. Mai 1956 bis 31. Dezember 1957 verbraucht worden waren. Um diese Zahlen überprüfen zu können, forderte die Generaldirektion Stahl der Hohen Behörde die Klägerin durch Schreiben vom 27. November 1961 auf, ihr alle Rechnungen über den Stromverbrauch zu übersenden oder durch ihren Stromlieferanten übersenden zu lassen und zu versichern, daß die Rechnungen den gesamten Stromverbrauch decken. Als sich die Klägerin in einem Schreiben vom 27. Dezember 1961 weigerte, der Aufforderung nachzukommen, erließ die Hohe Behörde am 23. Februar 1962 eine förmliche Entscheidung, in der die Anordnung der Generaldirektion Stahl wiederholt wurde. Wie wir wissen, kam es darüber zu einem gerichtlichen Verfahren (Rechtssachen 5 — 11, 13 — 15/62, RsprGH VIII 923 ff.), in dessen Endurteil vom14. Dezember 1962 die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung anerkannt wurde. Später sah sich die Hohe Behörde, da die Aufforderung weiterhin nicht befolgt wurde, zur Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern gemäß Artikel 47 des Montanvertrags veranlaßt (Entscheidungen vom 18. Dezember 1962). Auch diese Akte wurden von den betroffenen Unternehmen angefochten (Rechtssachen 2 — 10/63; RsprGH IX 711 ff.), aber auch insoweit hat der Gerichtshof durch Urteil vom 16. Dezember 1963 den Standpunkt der Hohen Behörde im wesentlichen gebilligt.

Noch im Jahr 1962 (und zwar in der Zeit vom 2.—9. Oktober) unterzog die Hohe Behörde, diesmal mit Hilfe ihrer Inspekteure, den Betrieb der Klägerin einer weiteren Kontrolle (vgl. den Bericht vom 19. November 1962), deren Ergebnisse jedoch mit denen der ersten Überprüfung nicht übereinstimmten.

Nach Erlaß der allgemeinen Entscheidung Nr. 7/63 erhielt die Klägerin wie andere schrottverbrauchende Unternehmen in einem Schreiben der Generaldirektion Stahl vom 8. April 1963 eine vorläufige, auf den 31. Mai 1963 bezogene Abrechnung von Guthaben und Schulden aus dem Schrottausgleich. Darin wurde ihre Beitragsschuld, da die angeforderten Stromrechnungen bei der Hohen Behörde noch nicht eingegangen waren, aufgrund der ursprünglichen Meldungen auf 8067684 Lire beziffert. Die. Klägerin bestritt jedoch die Korrektheit dieser Abrechnung und reagierte im übrigen mit einer Anfrage nach Einzelheiten des Funktionierens der Ausgleichseinrichtung, die ihr in einem Schreiben vom 31. Juli 1964 mitgeteilt wurden.

Zu dieser Zeit scheinen sich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Klägerin erheblich vergrößert zu haben. Ihr Unternehmen wurde deshalb durch Beschluß des Zivilgerichts von Saluzzo vom 8. Juni 1964 für ein Jahr unter Zwangsverwaltung gestellt. Dadurch fühlte sich die Hohe Behörde veranlaßt, die für die Klägerin geltende Abrechnung des Schrottausgleichs aufgrund der damals zur Verfügung stehenden Ermittlungsergebnisse beschleunigt zu überprüfen. Das entsprechende Ergebnis hat sich in einem Schreiben der Generaldirektion Stahl vom 18. August 1964 niedergeschlagen, in dem die Beitragsschuld nunmehr auf 114055664 Lire beziffert wurde. Da die Klägerin diesen Betrag gleichfalls nicht anerkannte, kam es am 13. November 1964 zum Erlaß zweier förmlicher Entscheidungen, die es der Hohen Behörde ermöglichen sollten, sich an dem gegen die Klägerin eingeleiteten Zwangsverwaltungsverfahren zu beteiligen. In der ersten dieser Entscheidungen wurde aufgrund der Kontrollergebnisse betreffend den Stromverbrauch festgelegt, von welchem beitragspflichtigen Schrottverbrauch für das klägerische Unternehmen auszugehen sei (nämlich von 16444Tonnen); die zweite Entscheidung bezifferte in Übereinstimmung mit dem Schreiben vom 18. August 1964 die Beitragsschulcl auf 114055664 Lire.

Gegen diese Entscheidungen richtet sich die erste der jetzt zu behandelnden Klagen, die clas Aktenzeichen 9/65 trägt.

Während des gerichtlichen Verfahrens wurde über das klagende Unternehmen durch Urteil des Zivilgerichts Saluzzo vom 22. Juni 1965 der Konkurs eröffnet. Gemäß einer Mitteilung vom 27. Dezember 1965 erhielt jedoch der von dem Unternehmen bis dahin beauftragte Rechtsanwalt auch vom Konkursverwalter Prozeßvollmacht, so daß die kontinuierliche Fortsetzung des Rechtsstreits gewährleistet war.

Gleichfalls während des Verfahrens wurden der Hohen Behörde nach Kontakten mit den zuständigen italienischen Behörden über die italienische Botschaft in Luxemburg am 9. April 1965 zusätzliche Angaben gemacht über den von der Klägerin während der Zeit vom 1. Mai 1956 bis 30. November 1958 in ihrem Elektroofen verbrauchten Strom. Dies veranlaßte sie, am 5. Oktober 1965 zwei weitere Entscheidungen zu erlassen, in denen festgelegt war, welche Mengen Schrott die Klägerin über die in der Entscheidung vom 13. November 1964 genannten Quantitäten hinaus verbraucht habe (nämlich 17497 Tonnen) und welche zusätzliche Beitragsschuld sich daraus errechne (nämlich 122696963 Lire). Diese beiden Entscheidungen hat der Konkursverwalter der Klägerin in einer Klage vom 26. November 1965 angegriffen, die das Aktenzeichen 58/65 trägt.

Die beiden anhängig gemachten Rechtssachen wurden schließlich durch Beschluß des Gerichtshofes vom 18. Januar 1966 zum Zwecke gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden, so daß wir nunmehr insgesamt die folgenden Anträge zu beurteilen haben:

 

Rechtssache 9/65:

Nichtigerklärung der Entscheidungen der Hohen Behörde vom 13. November 1964;

Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtanwendbarkeit der allgemeinen Entscheidung Nr. 7/63.

 

Rechtssache 58/65:

Nichtigerklärung der Entscheidungen der Hohen Behörde vom 5. Oktober 1965;

Feststellung der Rechtswidrigkeit und der Nichtanwendbarkeit der allgemeinen Entscheidungen Nrn. 7/61 und 7/63;

Verurteilung der Hohen Behörde zur Leistung von Schadensersatz wegen Amtsfehlers bei der Führung und Überwachung der Ausgleichseinrichtung, inisbesondere im Hinblick auf die im Schrottausgleich begangenen Betrügereien und die verspätete Mitteilung der Beitragssätze, wobei die genaue Schadenssumme durch einen Sachverständigen festzustellen wäre.

Die Hohe Behörde hält die eingereichten Klagen für unbegründet und bittet aus diesem Grund um ihre Zurückweisung.

Zum gerichtlichen Verfahren ist noch zu bemerken, daß die Klägerin eine Reihe von Zwischenanträgen gemäß Artikel 91 der Verfahrensordnung gestellt hat, die noch nicht alle erledigt sind.

So hat sie am 27. April 1965 um die Aussetzung des Prozesses gebeten bis zum Erlaß eines Urteils in dem durch Vorlagebeschluß des Zivilgerichts Turin vom 11. Dezember 1964 eingeleiteten italienischen Verfassungsrechtsstreits über die Vereinbarkeit einiger Bestimmungen der EGKS-Vertrags mit der italienischen Verfassung. Diesen Antrag hat der Gerichtshof in einem Beschluß vom 22. Juni 1965 zurückgewiesen und gleichzeitig angeordnet, die Klägerin habe die entsprechenden Kosten zu tragen.

In einem zweiten Zwischenantrag vom 4. April 1966 hat die Klägerin beantragt, von der Hohen Behörde Aufklärung darüber zu verlangen, welche Bedeutung für das Verfahren das Schreiben ihrer Generaldirektion Stahl vom 28. Januar 1966 habe, in dem der Klägerin nach Erlaß der allgemeinen Entscheidung Nr. 19/65 (mit endgültigen Beitragssätzen für den Schrottausglcich) eine neue und höher bezifferte Abrechnung ihrer Beitragsschulden (252494640 Lire) mitgeteilt worden war. Die Entscheidung über diesen Antrag hat der Gerichtshof durch Beschluß vom 2. Juni 1966 dem Endurteil vorbehalten.

Schließlich hat die Klägerin in einem Antrag vom 27. Juni 1966 darum gebeten, von der Hohen Behörde das Original eines nur als Photokopie vorliegenden Anhangs zu dem Schreiben der italienischen Botschaft vom 9. April 1965 zu verlangen. Nachdem das Original dem Kanzler unterbreitet worden war, stellte der Gerichtshof in einem Beschluß vom 13. Juli 1966 dessen Übereinstimmung mit der überreichten Photokopie fest. Die zu dem Zwischenantrag fällige Kostenentscheidung blieb dem Endurteil vorbehalten.

Zu diesem Streitkomplex habe ich nunmehr meine Ansicht vorzutragen.

Rechtliche Würdigung

I. Zulässigkeitsfragen

Fragen der Klagezulässigkeit wurden im Prozeß nicht aufgeworfen. Sie stellen sich auch von Amts wegen nicht. Wir können uns daher unverzüglich den Hauptproblemen des Verfahrens zuwenden.

II. Begründet heit

In der Hauptsache geht der Streit in erster Linie darum, ob die Hohe Behörde den ausgleichspflichtigen Schrottverbrauch der Klägerin in den beiden Entscheidungen vom 13. November 1964 und 5. Oktober 1965 korrekt ermittelt hat. — Darüber hinaus sind Fragen in Streit, welche die Beitragsfestsetzung in verschiedener Richtung betreffen. In ihrem Zusammenhang wird auf die Rechtmäßigkeit allgemeiner Schrottentscheidungen einzugehen sein. — Schließlich wurde von der Klägerin der Vorwurf der Amts-Pflichtverletzung erhoben, d. h. geltend gemacht, mangelhafte Führung und Überwachung der Ausgleichseinrichtung hätten zu überhöhten Umlagesätzen geführt und den schrottverbrauchenden Unternehmen die Berücksichtigung der Beitragslasten in ihren Gestehungskosten unmöglich gemacht.

1. Zu den sich unmittelbar auf die angegriffenen individuellen Entscheidungen beziehenden Argumenten

a) Zu der von der Hohen Behörde angewandten Methode der Bestimmung des Schrottverbrauchs

Von diesen Streitfragen soll uns zuerst das Kernproblem des Prozesses beschäftigen, nämlich die Ermittlung des ausgleichspflichtigen Schrottverbrauchs der Klägerin. Wie sie zustande kam, will ich noch einmal in Erinnerung rufen. So konnte die Hohe Behörde — nach ihren Angaben — bei wiederholten Kontrollen des klägerischen Betriebes aus den vorgelegten Dokumenten ein zuverlässiges Bild über die für den Ausgleichsmechanismus notwendigen Daten (Schrottzukäufe, Lagerhaltung, Eigen entfall etc.) nicht gewinnen. Sie machte deshalb von der induktiven Methode Gebrauch, d.h. sie ging aus von der Menge elektrischen Stroms, die im Ofen der Klägerin für die Herstellung von Stahl verbraucht wurde. Daraus läßt sich nach einem bekannten Schlüssel nicht nur die Stahlproduktion, sondern auch die Menge des eingesetzten Schrotts errechnen. In ihrer ersten Entscheidung stützte sich die Hohe Behörde dabei auf die von den Angestellten der Schweizerischen Treuhandgesellschaft im Juni 1958 ermittelten Daten über den Stromverbrauch während der Zeit von Mai 1956 bis Dezember 1957 und für die restliche Zeit des Funktionierens der Ausgleichseinrichtung auf einen nach diesen Angaben errechneten monatlichen Durchschnittsstromverbrauch, weil die von den Inspekteuren im Jahr 1962 ermittelten Zahlen nicht der Wirklichkeit entsprochen haben sollen. Insgesamt ergab dies einen Stromverbrauch von 14909605 kWh und — am Ende der Rechnung — einen Schrottverbrauch von 16444 Tonnen.

Nachdem die Hohe Behörde über die italienische Botschaft von den zuständigen italienischen Behörden (letztlich der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft ENEL) die Mitteilung erhalten hatte, es sei von einem Gesamtstromverbrauch im Ofen der Klägerin in Höhe von 30141900 kWh auszugehen, konnte sie in einer weiteren Entscheidung entsprechend dem noch nicht berücksichtigten Verbrauch von 15232295 kWh Strom einen zusätzlichen Schrottverbrauch der Klägerin von 17497 Tonnen errechnen.

Nach diesen Vorgängen stellt sich zuerst die Frage, ob die Anwendung der induktiven Methode auf den Fall der Klägerin überhaupt zu rechtfertigen ist. Artikel 2 der Entscheidung Nr. 13/58 (Amtsblatt 1958, Seite 271), auf den sich auch die Klägerin beruft, bestimmt dazu folgendes: „Wenn die Unternehmen die für die Berechnung der Beiträge notwendigen Angaben nicht melden, ist die Hohe Behörde befugt, Schätzungen von Amts wegen vorzunehmen. Die Hohe Behörde ist ferner befugt, Meldungen von Amts wegen zu berichtigen, für die ausreichende Nachweise nicht beigebracht werden können.“

Wir haben demnach zu unterscheiden zwischen Perioden, in denen die Klägerin unstreitig Meldungen nicht abgegeben hat (dies ist der Fall für Mai 1956 bis Januar 1957) sowie der Zeit danach, für welche Schrottmeldungen vorhanden sind und somit nur deren Berichtigung in Betracht kommen kann.

aa) Zum Zeitraum von Februar 1957 bis November 1958

Nehmen wir zunächst che Hauptperiode, also den Zeitraum, für den die Klägerin regelmäßig Meldungen über ihren Schrottverbrauch erstattet hat.

An sich könnte es überflüssig erscheinen, insoweit jetzt noch die Frage aufzuwerfen, ob die induktive Methode grundsätzlich angewandt werden durfte, hat doch der Gerichtshof in einem früheren Verfahren (Rechtssachen 5-11, 13 und 15/62, RsprGH VIII 944), an dem auch die Klägerin beteiligt war und in dem es um die Vorlage von Elektrizitätsrechnungen ging, folgende Feststellung getroffen: „Im vorliegenden Fall war die Forderung der Hohen Behörde auf Übersendung der Rechnungen nach Luxemburg den Umständen nach nicht übertrieben und stand auch nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Ziel. Die vorher bereits an Ort und Stelle durch Beamte der Hohen Behörde und durch Angestellte der Schweizerischen Treuhandgesellschaft durchgeführten Kontrollen ließen zu Recht ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der von einigen Unternehmen abgegebenen Erklärungen über den Schrottausgleich aufkommen.“

Indessen brauchen wir uns auf diesen Hinweis nicht zu beschränken, denn das vorliegende Verfahren hat erneut den Beweis für die Richtigkeit der zitierten Feststellung erbracht. So entnehmen wir dem nach Abschluß der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bericht der Schweizerischen Treuhandgesellschaft, daß bestimmte übliche Buchführungsunterlagen von der Klägerin angeblich nicht geführt wurden (wie Schrotteingangsbücher, Rechnungsregister, industrielle Buchführung und Lagerbuchführung ( 1 ) oder erst ab 1958 (wie die Bücher über Schrottbewegungen im Betrieb ( 1 )), daß andere Unterlagen nicht mehr aufbewahrt wurden (wie Wiegekarten und Transportpapiere ( 1 )) oder verlorengegangen seien (wie Bücher über Halbfertigerzeugnisse ( 1 )), sowie schließlich, daß die Vorlage anderer Dokumente ausdrücklich vom Anwalt der Klägerin verweigert wurde (wie die Vorlage der Tagebücher und Inventurbücher ( 2 ) bzw., daß vorgelegte Dokumente sich nur auf einen beschränkten Zeitraum, nämlich den Monat Januar 1957, bezogen (wie bestimmte Einkaufs- und Verkaufsrechnungen ( 3 ) und darüber hinaus erwiesenermaßen unvollständig waren. — Im Jahr 1962 war die Klägerin den Inspekteuren gegenüber zwar scheinbar vorlagefreudiger (obwohl auch hier ihr Anwalt zunächst Widerstand leistete). Nach dem uns vorliegenden Bericht fehlten aber auch zu diesem Zeitpunkt einige Dokumente (so entgegen der Behauptung des Anwalts im Schriftsatz vom 11. November 1966 das Register über Halbfertigfabrikate für das Jahr 1957 ( 4 ), es waren Ungenauigkeiten in Erklärungen festzustellen(so zu dem von der „ISAP“ übernommenen Gußschrott ( 5 ) oder nicht aufzulösende Widersprüche zwischen verschiedenen Aufzeichnungen, Erklärungen und technischen Analysen (etwa bezüglich des Inventurbuchs und der Erklärungen zum Schrottlager ( 6 ), hinsichtlich der Erklärungen zur Erzeugung von Blöcken und Walzwerkfabrikaten ( 7 ) etc.). Vor allem aber — und dies ist von entscheidender Bedeutung — haben die Einlassungen der Klägerin im Verfahren selbst mit absoluter Deutlichkeit gezeigt, daß sie während des uns interessierenden Zeitraums ihre Meldepflicht aufs schwerste verletzt hat. Gab sie nämlich, wie aus der Entscheidung vom 13. November 1964 hervorgeht, für die Zeit von Februar 1957 bis November 1958 ursprünglich nur einen Verbrauch an Zukaufschrott in Höhe von 1163 Tonnen an, so mußte sie anläßlich der Vorlegung von Buchführungsunterlagen mit der Replik einräumen, daß von ihr während dieser Zeit wenigstens 10046,601 Tonnen ausgleichspflichtigen Schrotts verbraucht worden waren, d.h. fast das Zehnfache der früher gemeldeten Menge.

Damit ist die Anwendung der induktiven Methode durch die Hohe Behörde unzweifelhaft gerechtfertigt.

Nach unserer bisherigen Rechtsprechung stellt sich folglich allein die Frage, ob die Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt, etwa, während des gerichtlichen Verfahrens, nachweisen konnte, die Ergebnisse der induktiven Methode seien unhaltbar und durch andere zu ersetzen. In Betracht kommen dafür namentlich die mit der Replik vorgelegten Bücher. — Ehe wir sie näher ansehen, ist allerdings zu überlegen, ob ihre Berücksichtigung nicht wie die Hohe Behörde meint, aus prozessualen Gründen ausgeschlossen ist, nämlich weil die Vorschrift des Artikels 42 unserer Verfahrensordnung mißachtet wurde. Dort heißt es in § 1: „Die Parteien können in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung noch Beweismittel benennen. Sie haben die Verspätung zu begründen.“ Tatsächlich suchen wir in dem genannten Schriftsatz vergeblich nach einer ausdrücklichen Begründung. Indessen wird man bei wohlwollender Würdigung eine stillschweigende Begründung vielleicht im Hinweis der Klägerin auf die Kürze der Klagefrist und auf die Tatsache erblicken können, daß sich ihr Unternehmen nach der Eröffnimg des Vergleichs- und Konkursverfahrens zur Zeit der Klageerhebung in einer besonderen Situation befunden hat. Jedenfalls möchte ich im vorliegenden Fall nicht eine strenge Anwendung des genannten Grundsatzes vorschlagen, sondern dafür eintreten, daß der Inhalt der vorgelegten Bücher gewürdigt und ein sachliches Urteil zur Beweissituation gefällt wird.

Dabei wird allerdings sofort deutlich, daß zwei Arten von Büchern für die Zwecke des Verfahrens ohne Nutzen sind, nämlich das „libro inventario“ sowie die vier „libri giornalmastri“. In den letzteren finden sich nur Eintragungen mit Lire-Beträgen, aus denen ohne Kenntnis der in Bezug genommenen Belege nicht genau abgelesen werden kann, um welche Vorgänge es sich handelt und welche Gütermengen im Spiele sind. Das „libro inventario“ enthält offensichtlich gleichfalls nur Lire-Eintragungen über Lagerbestände; sie sind zudem bezogen auf das jeweilige Jahresende (1957, 1958 und 1959), ergeben also nichts über die für den Ausgleichsmechanismus relevanten Schrottbewegungen während der verschiedenen Wirtschaftsjahre. In Betracht kommt somit allein eine Übersicht über Güterbewegungen von und zum Lager („riepilogo dei movimenti di magazzino“), aus dem die Klägerin ableiten will, daß für sie allenfalls von einem beitragspflichtigen Schrottverbrauch in Höhe von 10046,601 Tonnen ausgegangen werden dürfe.

Dazu müssen jedoch nach meiner Überzeugung einige Vorbehalte und Bedenken geltend gemacht werden.

So sind aus diesem Buch, dessen Zusammenstellungen für das Jahr 1957 eineinhalb Seiten und für das Jahr 1958 rund zwei Seiten ausmachen, nur zu entnehmen einige Gesamtziffern über Schrotterwerb (8864,170 Tonnen im Jahr 1957, 3884,092 sowie 3953,980 Tonnen im Jahr 1958) und Schrottabgaben zur Verarbeitung im Betrieb (9046,571 Tonnen im Jahr 1957; 8011,272 Tonnen im Jahr 1958). Dagegen fehlt es an einer Einzelaufschlüssclung und an Angaben über die von der Klägerin für notwendig gehaltenen Abzüge mit Rücksicht auf gewisse Eigenentfälle und auf angeblichen Schrottverbrauch für Gießereizwecke (der übrigens im Gegensatz steht zu den in den Kontrollberichten festgehaltenen Ermittlungen). Zumindest könnten wir daher nicht die in der Replik (Seite 19) errechnete Gesamtsumme ausgleichspflichtigen Schrotts (14834,439 Tonnen) als richtig anerkennen, geschweige denn die auf andere Zahlen gestützte Berechnung im Schriftsatz vom 18. November 1966, die zu einem Endresultat von 10046,601 Tonnen gelangt.

Ein zweiter Einwand, der dem Beweiswart des genannten Dokuments gilt, ist noch wichtiger. Insoweit ist vorweg darauf hinzuweisen, daß es sich um Eintragungen handelt, die von der Klägerin selbst stammen und die auf ihre inhaltliche Richtigkeit von unbeteiligten Dritten nicht geprüft wurden. Daran ändert nichts die in dem Buch enthaltene Fülle von Registrierungsstempeln, Paraphen und Beglaubigungsvermerken; denn richtig verstanden ist mit ihnen nur ein Nachweis zu führen über Beginn und Ende der Eintragungen oder die Tatsache, daß Seiten nicht ausgetauscht bzw. entfernt worden sind. — Was die inhaltliche Richtigkeit des. Dokuments angeht, so sollten wir zwar nicht so weit gehen, sie einfach im Hinblick auf die Tatsache anzuzweifeln, daß die Klägerin zur selben Zeit der Ausgleichseinrichtung gegenüber falsche Angaben gemacht, sich also grob unwahrhaftig verhalten hat. Ebenso wäre es wohl nicht allein mit einem Hinweis auf die Ermittlungsergebnisse der Schweizerischen Treuhandgesellschaft und der Inspekteure getan, die offenbar auf beträchtliche Mengen nicht registrierten Maschinenschrotts aus den Beständen der „ISAP“ gestoßen sind und die aus der Produktion von Blöcken auf einen erheblichen Schrottverbrauch schließen konnten. — Zu denken gibt vielmehr in erster Linie die schon erwähnte Mitteilung italienischer Behörden über den Stromverbrauch der Klägerin, aus der sich bei Anwendung eines bisher stets für zutreffend gehaltenen Schlüssels ein Schrottverbrauch in Höhe von rund 25000 Tonnen errechnet. An diesen Zahlen können wir nicht vorbeigehen, wissen wir doch, daß gerade der Stromverbrauch in Italien für Steuerzwecke einer strengen staatlichen Kontrolle unterliegt, ein Umstand, der diesbezüglichen staatlichen Mitteilungen einen besonderen Beweiswert gibt.

Von den durch die italienische Botschaft übermittelten Werten können wir auch nicht — wie die Klägerin meint — mit der Begründung absehen, es handele sich um unmaßgebliche Äußerungen dritter, am Verfahren nicht beteiligter Stellen, denn der Montanvertrag ermächtigt die Hohe Behörde ausdrücklich (Artikel 5), sich um staatliche Auskünfte zu bemühen und er verpflichtet andererseits (Artikel 86) die Mitgliedstaaten, die Aktion der Gemeinschaft in der Verwirklichung der Vertragsziele zu fördern. Schließlich kann in diesem Zusammenhang die klägerische Frage unbeachtet bleiben, ob es nicht möglich sei, daß die genannten Werte den gesamten Stromverbrauch ihres Unternehmens umfassen, denn in der Mitteilung der italienischen Botschaf t ist ausdrücklich von einem „Stromverbrauch der Elektroofen für die Herstellung von Stahl“ („Consumi di energia elettrica inerenţi ai forni elettrici per la produzione di acciaio“) die Rede und somit jedes Mißverständnis ausgeschlossen.

Wenn sich aber bei Zugrundelegung dieser Zahlen und bei Anwendung des vom Gerichtshof schon wiederholt bestätigten Parameters nicht nur gewisse unbedeutende Abweichungen von den Angaben der Klägerin feststellen lassen, sondern verglichen mit ihnen ein Mehrverbrauch an Schrott von über 100 %, so bleibt nur der Schluß, daß die klägerischen Dokumente unvollständig sein müssen und einen Beweiswert nicht haben können. Dieser Eindruck wird verstärkt, hält man sich vor Augen, daß die Zahlen der Klägerin ungefähr übereinstimmen mit den Rechnungsresultaten der Hohen Behörde, die nach den Ermittlungen der Schweizerischen Treuhandgesellschaft zum Stromverbrauch der Klägerin gewonnen wurden. Wie sich aus der Anlage I zur Klagebeantwortung der Rechtssache 9/65. ergibt, wurden nämlich den Angestellten der Schweizerischen Treuhandgesellschaft im Jahr 1958 Rechnungsbelege vorgelegt, die zwei Monate umfassen sollen, während nach der mit der Duplik eingereichten Versicherung des Elektrizitätslieferanten der Klägerin vom 13. Dezember 1960 für Unternehmen dieser Größenordnung (für „wichtige Verbraucher“, die mehr beziehen als Licht-, Haushalts- und Motorenstrom) die Regel galt, monatliche Elektrizitätsrechnungen auszustellen.

Alle diese Überlegungen zwingen dazu, den klägerischen Versuch eines Gegenbeweises mit Hilfe der eingereichten Dokumente als gescheitert zu betrachten. Ein anderes Resultat ließe sich nur dann rechtfertigen, wenn uns Einzeldokumente aus der fraglichen Zeit vorgelegt worden wären, Dokumente, die offenbar — nach den Angaben des klägerischen Anwalts vom 11. November 1966 — wenigstens zum Teil noch existieren und zu deren Aufbewahrung, im übrigen um so mehr Anlaß bestanden hätte, als schon bei den Kontrollen im Jahr 1958 wie auch später im Jahr 1962 schwerwiegende Differenzen hinsichtlich der Bestimmung des Schrottverbrauchs aufgetreten sind. Allenfalls könnte der Gerichtshof in diesem Zusammenhang ein übriges tun und die Frage an die italienischen Behörden richten, ob die von ihnen übermittelten Daten tatsächlich nur den Stromverbrauch im Elektroofen der Klägerin umfassen. Da ich selbst angesichts des klaren Wortlauts der erwähnten Mitteilung eine solche Rückfrage nicht für unerläßlich halte, schlage ich vor, für die Produktionsperiode von Februar 1957 bis November 1958 an den von der Hohen Behörde auf induktivem Wege ermittelten Rechnungsergebnissen festzuhalten, es wäre denn, andere Überlegungen, zu denen ich später komme, würden insoweit eine Korrektur erforderlich machen.

bb) Zum Zeitraum von Mai 1956 bis Januar 1957

Schwieriger noch gestaltet sich die Untersuchung der Periode, für welche die Klägerin einen Schrottverbrauch nicht gemeldet hat mit der Begründung, es habe an einer einschlägigen Stahlproduktion gefehlt. — Wir erinnern uns dazu aus der Schilderung des Sachverhalts, daß die Klägerin aus der Vergleichsmasse des Unternehmens „ISAP“, das in Savigliano eine Gießerei betrieben hatte, 1956 gewisse Betriebsteile übernahm, um daraus ein Stahl- und Walzwerk zu bilden. Diese Umwandlung habe sich über das ganze Jahr 1956 erstreckt mit der Wirkung, daß die eigentliche Stahlproduktion erst am 1. Februar 1957 aufgenommen werden konnte. Bis dahin hätte sich die Klägerin, abgesehen von den Umstellungsarbeiten, allenfalls mit der Ausführung von Gießereiaufträgen befaßt, die sie gleichfalls von dem Unternehmen „ISAP“ übernommen habe und die für den Schrottausgleich irrelevant seien.

Würden diese Behauptungen zutreffen, so wären die angegriffenen Entscheidungen tatsächlich wenigstens teilweise aufzuheben, weil sie davon ausgehen, daß die Klägerin schon vor dem 1. Februar 1957 Schrott für die Stahlproduktion verbraucht hat.

Indessen müssen wir den Eindruck gewinnen, daß auch in diesem Punkt die Beurteilung der Beweislage nicht zu einem für die Klägerin günstigen Ergebnis führt Dabei soll nicht einmal der Hauptakzent auf ihr Vorbringen gelegt werden, sie habe während des Jahres 1956 keine Schrottkäufe getätigt, was sicher deshalb unerheblich wäre, weil für den Schrottausgleich — wie die Hohe Behörde unterstreicht — eine Stahlproduktion auf der Basis vorhandener Lagerbestände genügt. — Desgleichen will ich mich nicht darauf beschränken, ihr Vorbringen, sie habe mit vorhandenen Stahlblöcken Gießereiarbeiten ausgeführt, mit der Hohen Behörde deshalb für unglaubwürdig zu erklären, weil jede. Wahrscheinlichkeit dagegen spricht, daß Blöcke, also Halbfertigfabrikate für Walzwerke, zu Gießereizwecken verwendet werden.

Vielmehr sollten wir uns fragen, ob die Hohe Behörde Elemente vorgebracht hat, die es in hohem Maß wahrscheinlich machen, daß die Klägerin schon geraume Zeit vor dem 1. Februar 1957 eine Stahlproduktion aufgenommen hat. Das scheint der Fall zu sein. So ist es an sich schon unwahrscheinlich, daß sich der erwähnte Umstellungsprozeß nahezu ein Jahr hingezogen haben soll, ohne daß es während dieser Zeit zu einer irgendwie verwendbaren Stahlproduktion gekommen wäre. Wir dürfen nicht vergessen, daß die klägerische Gesellschaft schon am 25. Oktober 1955 errichtet wurde, daß sie am 1. Dezember 1955 einen Mietvertrag über ihre Betriebsstätten abgeschlossen hat und daß folglich schon von diesem Zeitpunkt an (oder wenigstens, gemäß ihrer Erklärung gegenüber den Registerbehörden, vom 1. Januar 1956 an), nicht dagegen erst ab Mitte Mai, wie sie jetzt vorbringt, die Umstellung der Werksanlagen begonnen werden konnte. —Wesentlicher noch als diese allgemeinen Überlegungen sind die von der Schweizerischen Treuhandgesellschaft ermittelten Zahlen zum Stromverbrauch. Aus ihnen ist nicht nur zu entnehmen, daß ein Elektrizitätslieferungs-Vertrag mit Wirkung vom 1. Mai 1956 abgeschlossen worden war; sie zeigen auch, und zwar aufgrund einer Einsicht in Originalrechnungen, daß schon in den Monaten Mai/Juni 1956 und insbesondere ab September/Oktober 1956 beträchtliche Strommengen im Elektroofen der Klägerin verbraucht worden waren (nämlich in den Monaten Mai/Juni 493500, Juli/August 652300, September/Oktober 925500 und schließlich November/Dezember 913300 kWh). Vergleicht man diese Zahlen mit denen des Jahres 1967, die Schwankungen aufweisen zwischen 915100 und 1332900 kWh und bedenkt man des weiteren (was von der Klägerin unwidersprochen hingenommen wurde), daß sich die Zahl ihrer Arbeitskräfte in den Jahren 1956 und 1967 kaum verändert hat, so bleibt nur der Schluß, es müsse in den Betriebsanlagen der Klägerin schon im Jahr 1956 eine erhebliche Stahlproduktion stattgefunden haben.

Wenn aber somit auch für die erste Streitperiode als erwiesen gilt, daß die Klägerin entgegen den Verpflichtungen der allgemeinen Schrottentscheidungen Meldungen unterlassen hat, so steht gemäß Artikel 2 der Entscheidung Nr. 13/58 gleichzeitig die grundsätzliche Zulässigkeit der induktiven Methode fest und es obliegt der Klägerin, den Beweis für die Richtigkeit ihrer Behauptungen zu führen.

Daran fehlt es vollständig. Die Klägerin beschränkt sich im wesentlichen darauf, die Richtigkeit der angeführten Zahlen über den Stromverbrauch zu bestreiten. Daneben wirft sie die Frage auf, ob sie sich allein auf ihren Elektroofen beziehen und dies, obwohl dem Bericht der Schweizerischen Treuhandgesellschaft mit Klarheit entnommen werden kann, daß sehr sorgfältig zwischen den verschiedenen Verwendungszwecken des Stroms unterschieden wurde, und obwohl die Klägerin, sollte ihr daran liegen, auch heute noch in der Lage wäre, wenigstens durch Vorlage von Kopien früherer Stromrechnungen die Fundiertheit ihrer Zweifel zu belegen. — Im übrigen bietet sie noch Zeugenbeweis an für die Richtigkeit der Behauptung, vor dem 1. Februar 1957 habe eine Stahlproduktion in ihrem Werk nicht stattgefunden. Der Gerichtshof hat es jedoch bisher stets abgelehnt, zu Vorgängen, die über zehn Jahre zurückliegen, einen Zeugenbeweis zu erheben und von betroffenen Unternehmen in ähnlicher Lage durchweg Dokumentarbeweise gefordert. Daran sollte im vorliegenden Fall festgehalten werden.

Somit bleibt nach den Beweisregeln des Gerichtshofes nur die Möglichkeit, auch hinsichtlich der ersten Periode der klägerischen Produktionstätigkeit die von der Hohen Behörde mit Hilfe der induktiven Methode errechneten Ergebnisse als richtig anzuerkennen, es wäre denn, andere Argumente, zu denen wir jetzt kommen, könnten diese Feststellung erschüttern.

b) Zu den übrigen, die individuellen Entscheidungen unmittelbar betreffenden Argumenten

Um insofern das Ergebnis gleich vorwegzunehmen: Auch die übrigen, sich unmittelbar auf die individuellen Entscheidungen beziehenden Klagegründe führen die Bemühungen der Klägerin nicht zum Erfolg, handelt es sich doch nahezu ausschließlich um Argumente, die der Gerichtshof in anderen Verfahren schon zu behandeln hatte und die jetzt nicht durch neue, überzeugungskräftige Gesichtspunkte ergänzt worden sind.

aa)

So kann auch im vorliegenden Fall die Methode der Schätzung des Schrottverbrauchs aufgrund des Stromverbrauchs nicht ersetzt werden durch eine Schätzung nach Maßgabe der für die Stahlerzeugung im Ofen der Klägerin wahrscheinlich aufgewendeten Arbeitszeit, denn wir wissen aus anderen Verfahren, daß auf diese Weise kein genaueres Ergebnis zu erwarten ist als bei Anwendung der von der Hohen Behörde praktizierten Methode, und wir finden diese Feststellung bestätigt durch einen Vergleich der in der Klageschrift 9/65 enthaltenen Berechnung mit den von der Klägerin selbst später gelieferten Zahlen. — Desgleichen besteht kein Anlaß, den angewandten Schlüssel (900 kWh pro Tonne erzeugten Stahls) durch einen anderen, höheren zu ersetzen, etwa mit Rücksicht auf die Ofenkapazität, die Stärke des Transformators, das Alter der klägerischen Einrichtungen oder andere nicht näher spezifizierte Elemente. Auch zu dieser Frage hat der Gerichtshof schon wiederholt die Angemessenheit der von einem Expertenteam unter Beachtung einer Vielzahl von Faktoren erarbeiteten Formel betont. Dafür aber, daß bei der Klägerin eine erheblich abweichende Situation gegeben war, wurden uns (über die in den Kontrollberichten enthaltenen Bemerkungen hinaus) keine genügenden Anhaltspunkte geliefert, sondern lediglich das wenig brauchbare Angebot gemacht, einen Zeugenbeweis zu erheben. — Weiterhin besteht kein Anlaß, aufgrund der von der Klägerin gelieferten unbestimmten Angaben über Schrottabfälle in ihrem Betrieb abzugehen von dem in der Formel der Hohen Behörde enthaltenen Prozentsatz für Eigenentfall. Dazu könnte sich der Gerichtshof allenfalls entschließen, wenn für die Richtigkeit der vorgetragenen Behauptungen wenigstens der Beginn eines Beweises (etwa durch Vorlegung von Geschäftsdokumenten) erbracht worden wäre.

bb)

Was das Argument angeht, die Hohe Behörde habe Artikel 86 des Vertrages dadurch verletzt, daß sie eine private Firma mit der Kontrolle des klägerischen Betriebes beauftragte, ohne die italienischen Behörden zu informieren, so kann ich mich zu seiner Zurückweisung gleichfalls auf unsere bisherige Rechtsprechung beziehen (vgl. etwa Rechtssache 31/59, RsprGH VI 180). Aus ihr geht mit Deutlichkeit hervor, daß die Hohe Behörde in solchen Fällen lediglich von ihrer Befugnis zur Einholung von Auskünften gemäß Artikel 47 des Vertrages Gebrauch macht und daß folglich nicht von einer unzulässigen Delegation hoheitlicher Kompetenzen auf private Unternehmen gesprochen werden kann. — Auch dürfte aus den angeführten Gründen, um dies gleich jetzt zu sagen, nichts dagegen einzuwenden sein, daß nach der Durchführung der Kontrollen die Aufnahme eines streitigen Protokolls in Anlehnung an die Regeln des Fiskalrechts unterblieb. Immerhin entnehmen wir dazu den tatsächlich angefertigten Berichten, daß die Kontrolleure der Hohen Behörde erfolglos den Versuch machten, von den Vertretern der Klägerin eine Gegenzeichnung zu erhalten.

cc)

Schließlich erscheint auch der Vorwurf der Verletzung wesentlicher Formvorschriften, der sich in mehrere Einzelargumente aufgliedert, nicht begründet. —Gemessen an den in der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Maßstäben enthalten die untersuchten individuellen Entscheidungen ausreichende Angaben über die getroffenen tatsächlichen Feststellungen. Dagegen konnten nicht sämtliche Einzelheiten des Sachverhalts in ihnen aufgeführt werden, etwa eine präzise Darstellung dessen, was sich bei den verschiedenen Kontrollen im einzelnen abgespielt hat oder — was für die zweite angegriffene Entscheidung von Bedeutung sein soll — welche nationale Instanz der Hohen Behörde zusätzliche Auskünfte über den Stromverbrauch der Klägerin geliefert hat. Derartige Einzelelemente eines Sachverhalts bleiben vielmehr dem Vorbringen der beklagten Partei im gerichtlichen Verfahren vorbehalten. — Was aber die angebliche Verletzung von Artikel 36 des Vertrages angeht, die darin zu erblicken sein soll, daß der Klägerin nicht Gelegenheit gegeben wurde, zu den Ermittlungen der Hohen Behörde vor Erlaß der angegriffenen Entscheidungen Stellung zu nehmen, so steht nach unserer Rechtsprechung (vgl. Rechtssache 18/62) die Unhaltbarkeit dieses Vorwurfs deswegen fest, weil eine Schätzung von Amts wegen keine Sanktion im Sinne des Artikels 36 darstellt. Darüber hinaus ist zu sagen, daß die Hohe Behörde in der Regel vor Erlaß von individuellen Entscheidungen im Schrottausgleich mit Hilfe vorbereitender Schreiben ein Verwaltungsverfahren eingeleitet hat. Wenn sie davon im Fall der Klägerin (jedenfalls was die zweite angegriffene Entscheidung angeht) abgewichen ist, so erscheint dies nicht unverständlich angesichts der Eröffnung des Konkursverfahrens sowie in Anbetracht der Art und Weise, in der die Klägerin früher auf solche Verwaltungsschreiben reagiert hat.

Somit kann auch keines der soeben behandelten Argumente die Rechtswidrigkeit der angegriffenen individuellen Entscheidungen belegen.

2. Zur Einrede der Rechtswidrigkeit allgemeiner Schroltenischeidungen

Wie in anderen Fällen macht die Klägerin darüber hinaus den Versuch, die Basis zu erschüttern, auf die sich die individuellen Entscheidungen stützen, und mit Hilfe der Einrede der Rechtswidrigkeit zu erreichen, daß die allgemeinen Entscheidungen Nrn. 7/61 und 7/63 für unanwendbar erklärt werden. Auch insofern kann ich mit Rücksicht auf unsere bisherige Rechtsprechung verhältnimäßig kurz sein.

a)

So wissen wir aus den Rechtssachen 111/63, 37/64 und 39/64, daß entgegen der Ansicht der Klägerin die Zustimmung des Ministerrats zum Erlaß allgemeiner Entscheidungen im Rahmen der Abwicklung des Schrottausgleichs nicht erforderlich war, daß sich das Zustimmungserfordernis gemäß Artikel 53 des Vertrages vielmehr beschränkt auf die Errichtung einer derartigen Einrichtung und die Festlegung der wesentlichen Züge ihres Funktionierens. Da die Entscheidungen Nrn. 7/61 und 7/63 lediglich Ausführungsverordnungen im Sinne der soeben gegebenen Definition darstellen, konnten sie folglich ohne die Mitwirkung des Ministerrats ergehen.

b)

Wiederholt hat der Gerichtshof auch schon hervorgehoben, die Begründungspflicht dürfe hinsichtlich des Erlasses allgemeiner Entscheidungen im Schrottausgleich nicht überspannt werden. Daher können die beiden erwähnten Entscheidungen abweichend von der Meinung der Klägerin nicht deswegen für rechtswidrig erklärt werden, weil sie nicht sämtliche Einzelheiten der Festlegung der Beitragssätze und ihrer Berichtigung wiedergeben, sondern sich in ihren Tabellen darauf beschränken, die Ergebnisse umfangreicher Berechnungen wiederzugeben. — In diesem Zusammenhang ist auch das Argument zurückzuweisen, Artikel 78 des Vertrages sei verletzt worden, denn aus den Erklärungen der Hohen Behörde ergibt sich, daß die gewissenhafte Kontrolle des Rechnungsprüfers sich durchaus auf die Ausgleichseinrichtung erstreckte.

c)

Weiter ist nach unserer Rechtsprechung die vorläufige Natur der Ausgleichsabrechnungen nicht zu beanstanden. Nach den vom Gerichtshof anerkannten Erklärungen der Hohen Behörde war es im Hinblick auf den Teilnehmerkreis der Ausgleichseinrichtung, die Vielzahl erfaßter Geschäftsvorgänge und die Notwendigkeit wiederholter gründlicher Kontrollen nicht möglich, kurze Zeit nach Abschluß der einzelnen Ausgleichsperioden zu einer definitiven Festlegung der Beitragsschulden zu gelangen. Die schrittweise Annäherung an die endgültige Abrechnung, wie sie nunmehr möglich erscheint, muß deshalb als unvermeidlich hingenommen werden (vgl. etwa Rechtssache 108/63, RsprGH XI 2).

d)

Endlich kann in Abweichung von der Ansicht der Klägerin nicht als erwiesen gelten, die Hohe Behörde habe in der Führung und Abwicklung der Ausgleichseinrichtung wesentliche vom Ministerrat festgelegte Empfehlungen mißachtet, denenzufolge eine Erhöhung der Ausgleichsbeiträge nur aus sehr ernsten Gründen vorgenommen und eine beträchtliche Erhöhung des Schrottverbrauchs vermieden werden sollte. Dieser Vorwurf könnte gemäß Artikel 33 des Vertrages schon deswegen zurückgewiesen werden, weil er nicht zuletzt im Hinblick auf die gleichfalls zu beachtenden Vertragsziele des Artikels 3 c eine Beurteilung der wirtschaftlichen Gesamtsituation verlangt, die uns nur unter engen, von der Klägerin nicht dargelegten Voraussetzungen gestattet ist. Im übrigen kann ich mich in diesem Zusammenhang, was die Argumente zur Zulässigkeit von Zinsleistungen, Zinsforderungen, Prämienleistungen an bestimmte Unternehmen, zur behaupteten Bevorzugung der Stahlgießereien und der Hersteller legierter Stähle sowie zu der angeblich nicht der Wirklichkeit entsprechenden Festsetzung der Ausgleichspreise angeht, auf die Feststellungen früherer Prozesse beziehen, in denen dazu alles notwendige gesagt wurde (vgl. etwa Rechtssachen IS/62, RsprGH IX 602, und 30/65, RsprGH XII 183).

Nach meiner Überzeugung bietet somit auch das gegenwärtige Verfahren keine genügenden Anhaltspunkte dafür, die Rechtmäßigkeit allgemeiner Schrottentscheidungen in Frage zu stellen und so die davon abgeleiteten individuellen Entscheidungen für rechtswidrig zu erklären.

3. Zu den Schadensersatzanträgen

Es bleiben nach alledem noch die Schadensersatzanträge zu behandeln, welche die Klägerin im Hinblick auf angebliche Amtsfehler der Hohen Behörde bei der Führung und Überwachung der Ausgleichseinrichtung formuliert hat, namentlich wegen Nichtverhinderung der bekannten Betrugsaffären und wegen angeblich verspäteter Mitteilung der Beitragssätze.

Sie können nach unserer Rechtsprechung zumindest vorläufig nicht geltend gemacht werden, soweit sie sich auf die betrügerischen Machenschaften im Schrottausgleich beziehen (vgl. Rechtssachen 9 und 25/64, RsprGH XI 435). Nach der Auffassung des Gerichtshofes muß vielmehr der endgültige Abschluß aller von der Hohen Behörde eingeleiteter Aktionen zur Wiedererlangung unrechtmäßig geleisteter Ausgleichsvergütungen abgewartet werden, ehe ein Urteil möglich erscheint über die Schädigung der am Ausgleich beteiligten Unternehmen. Eine weitere Aufklärung dieses Punktes — wie sie die Klägerin in zahlreichen Beweisanträgen verlangt hat — erübrigt sich daher.

Was aber die angebliche Schädigung durch verspätete Mitteilung der Beitragssätze angeht, die verhindert haben soll, daß die Klägerin bei der Festlegung ihrer eigenen Preise den Belastungen im Schrottausgleich angemessen Rechnung trug, so entnehmen wir dem Urteil der Rechtssachen 14, 16, 17, 20, 24, 26, 27/60 und 1/61, RsprGH VII 361 f.), es sei davon auszugehen, daß die zeitweilige Ungewißheit einen Schaden im allgemeinen nicht verursachen konnte, weil ihr andere Vorteile der Ausgleichseinrichtung gegenüberstanden und weil die Unternehmen wohl in der Lage gewesen seien, die mäßigen Auswirkungen auf den Gestehungspreis zu berücksichtigen. Nach den wenig substantiierten Angaben im Prozeß können wir nicht annehmen, die Klägerin habe sich insoweit in einer abweichenden Situation befunden. Jedenfalls ist es nicht der Sinn einer vom Gerichtshof durchzuführenden Beweiserhebung, mit Hilfe von technischen und wirtschaftlichen Expertisen diejenigen Elemente für die Begründung eines Anspruchs an den Tag zu bringen, die aufzuzeigen die Klägerin selbst in Form des Beginns eines Beweises unterlassen hat.

Somit sehe ich auch für die Schadensersatzansprüche im vorliegenden Verfahren keine Chance.

4. Zwischenanträge und Kostenentscheidung

Zu dieser Beurteilung der Klagen führt die Rechtslage, wie sie bei Einleitung der Prozesse bestand. In anderen Verfahren haben wir schon hervorgehoben — und damit komme ich auf einen noch offenen Zwischenantrag der Klägerin —, daß der spätere Erlaß der allgemeinen Entscheidung Nr. 19/65 mit der definitiven Festlegung des Schrottausgleichs (und folglich das sich darauf stützende Schreiben der Hohen Behörde vom 28. Januar 1966) für die Beurteilung zuvor eingereichter Klagen ohne Bedeutung ist. Das erwähnte Schreiben hat ersichtlich nur die Funktion, der Klägerin die auf den 31. Dezember 1965 bezogenen definitiven Daten der Ausgleichsabrechnung zu übermitteln und ihr Gelegenheit zur Einleitung eines Verwaltungsverfahrens hinsichtlich der geänderten Faktoren zu geben. Über die dann noch verbleibenden und im gegenwärtigen Rechtsstreit nicht grundsätzlich behandelten, Probleme wird unter Umständen nach Erlaß einer förmlichen Entscheidung, die sich die Hohe, Behörde vorbehalten hat, in einem neu einzuleitenden Gerichtsverfahren zu befinden sein. Vorläufig aber fehlt es verfahrensrechtlich an der Möglichkeit, auf die neuen Elemente einzugehen. — Da diese Beurteilung gewonnen werden konnte aufgrund des Wortlauts des Schreibens und der bekannten Verfahrenspraxis der Hohen Behörde, besteht meines Erachtens kein Anlaß, in der Kostenentscheidung auf die erwähnten Akte Rücksicht zu nehmen. Dasselbe gilt überdies für die noch offene Kostenfrage des letzten Zwischenverfahrens, da kein objektiver Anlaß bestand, die Übereinstimmung der von der Hohen Behörde vorgelegten Kopie mit dem Original zu bezweifeln.

Alle Verfahrenskosten hat demnach die Klägerin zu tragen.

III. Schlußanträge

Mein Schlußantrag lautet nach alledem wie folgt:

Die eingereichten Klagen sind zulässig, aber nicht begründet. Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der noch nicht entschiedenen Zwischenverfahren, fallen der Klägerin zur Last.


( 1 ) Seite 2 des Berichtes.

( 2 ) Seite 3 des Berichtes.

( 3 ) Seite 6 des Beriuhts.

( 4 ) Seite 6 des Berichtes.

( 5 ) Seite 8 des Berichtes.

( 6 ) Seite 10 des Berichtes.

( 7 ) Seiten 11 und 12 des Berichtes.