Schlußanträge des Generalanwalts

HERRN KARL ROEMER

2. März 1962

GLIEDERUNG

Seite
 

A. Sachverhalt und Klageanträge

 

B. Rechtliche Würdigung

 

I — Artikel 65 § 2 Buchstabe c

 

1. Was versteht der Vertrag unter „Preisbestimmung“ und „Absatzkontrolle“?

 

a) Grundsätzliche Bemerkungen zur Interpretation

 

b) Die Einzelargumente der Klägerinnen

 

2. Hat die Hohe Behörde die Begriffe „Preisbestimmung“ und „Absatzkontrolle“ in ihrer Entscheidung richtig angewandt?

 

a) Preisbestimmung

 

b) Absatzkontrolle

 

3. Zur Bestimmung des Marktanteils

 

a) Die Begründung des Begriffs „wesentlicher Teil“

 

b) Die Beschränkung der Betrachtung auf den Markt der Bundesrepublik Deutschland

 

c) Das Problem der Verbundlieferungen und des Landabsatzes

 

i) Preisbestimmung

 

ii) Absatzkontrolle

 

iii) Würdigung des Marktanteils

 

d) Was ist bei der Beurteilung des Marktanteils außerdem zu berücksichtigen?

 

II — Artikel 65 § 2 Buchstabe b

 

III — Ergebnis

Herr Präsident, meine Herren Richter!

In dem gegenwärtigen Prozeß ist der Gerichtshof aufgerufen, über die Auslegung und Anwendung einer der wichtigsten Vorschriften des Montanvertrages zu urteilen, die das Kartellrecht der Gemeinschaft enthält. Sie ist nicht zum ersten Mal Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens. Auch die Klägerinnen setzen sich nicht zum ersten Mal über die Probleme dieser Vertragsnorm mit der Hohen Behörde auseinander. Wohl aber ist die Fragestellung, mit der sich der Gerichtshof jetzt zu befassen hat, ohne Vorbild in früheren Verfahren. — Es kann mit Recht gesagt werden, daß alle Beteiligten in einer ungewöhnlich gründlichen Weise versucht haben, das Ihre zur Klärung der Streitpunkte beizutragen. Davon zeugen umfangreiche Schriftsätze mit einer Fülle von Tatsachenmaterial, Rechtsausführungen, Literaturzitaten, aber auch die breiten und tiefen Erörterungen in der mündlichen Verhandlung. Könnten auf irgendeiner Seite Zweifel über die große wirtschaftliche Tragweite dieses Verfahrens bestehen, dann müßten sie zerstreut werden angesichts der gewaltigen Stoffülle, die vor den Gerichtshof getragen wurde, aber auch angesichts des großen Ernstes und der unbestreitbaren Sachlichkeit, mit der das Verfahren von den Beteiligten geführt wurde.

Die Aufgabe des Gerichtshofes in der Rechtsfindung ist in dem vorliegenden Fall nicht als leicht anzusehen. Es darf aber nicht übersehen werden, daß es eine Aufgabe der Auslegung und Anwendung bestehender Normen ist, die dort ihre Grenze haben muß, wo die Kritik an den geltenden Texten beginnt. Mit diesem Vorbehalt kann die in den Plädoyers ausgesprochene Aufforderung zu einer mutigen und zukunftsorientierten Rechtsdeutung Gehör beanspruchen, ohne daß ein wesentliches Fundament der Gemeinschaftsordnung, auf das diese so wenig wie jede andere Rechtsordnung verzichten kann, erschüttert wird, die Idee der Rechtssicherheit nämlich.

A — Sachverhalt und Klageanträge

Zum Sachverhalt werde ich mich kurz fassen. Den Klägerinnen geht es um die Zusammenfassung und die einheitliche Gestaltung des Absatzes nahezu sämtlicher Ruhrbergwerke. Zu diesem Zwecke wurde am 17. Mai 1960 eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet, der 38 Bergwerksunternehmen des Ruhrreviers, die — bis zum heutigen Tage auf Grund einer Übergangsregelung ( 1 ) der Hohen Behörde tätigen — Verkaufsgesellschaften Präsident, Geitling und Mausegatt sowie die Ruhrkohletreuhand GmbH angehören. Gleichzeitig wurden die Verträge der Präsident-, Mausegatt- und Geitling-Verkaufsgesellschaften entsprechend geändert. Nach dem Gesellschaftsvertrag ist Gegenstand des Unternehmens der Vertrieb von Steinkohle, Steinkohlenkoks, Steinkohlenschwelkoks und Steinkohlenbriketts aus den Anlagen der Gesellschafter (§ 2); die Verkaufsgesellschaft soll das alleinige Recht zum Absatz der von den Gesellschaftern jeweils gemeldeten Brennstoffmengen haben. Das ergibt sich aus § 6 des Gesellschaftsvertrages in Verbindung mit § 6 der gleichlautenden Gesellschaftsverträge Präsident, Geitling und Mausegatt, auf welche in folgenden Wendungen verwiesen wird:

„Zur Durchführung eines gemeinsamen Verkaufs übertragen die Gesellschafter Geitling-, Mausegatt-, Präsident-Ruhrkohlen-Verkaufsgesellschaft mbH, die sich aus ihren Satzungen und den geltenden Beschlüssen der genannten Ruhrkohlenverkaufsgesellschaften ergebenden Aufgaben, Rechte und Pflichten auf die Gesellschaft. Die in den Ruhrkohlen-Verkaufsgesellschaften zusammengeschlossenen Gesellschafter treten der Übertragung bei. Die Gesellschaft tritt in die Rechte und Pflichten der Verkaufgesellschaften ein.“

Wenn in diesem Verfahren von Kartellabmachungen über den Einheitsverkauf die Rede ist, muß demgemäß immer die Gesamtheit des Vertragswerkes betrachtet werden. Zusätzliche Gesellschafterbeschlüsse behandeln die Auftragsverteilung, den Beschäftigungsausgleich und das Abrechnungsverfahren. Für Einzelheiten will ich an dieser Stelle auf die Texte verweisen, die sich bei den Akten befinden. Als Zeitpunkt für den Beginn des gemeinsamen Verkaufs wurde vereinbart der 1. Juli 1960. Die Abmachungen sollen gelten bis zum 31. März 1963.

Am 20. Mai 1960 wurde das Vertragswerk und die Beschlüsse mit einer umfangreichen Begründung — die gleichfalls bei den Akten ist — der Hohen Behörde zur Genehmigung eingereicht.

Wie bekannt ist, konnte sich die Hohe Behörde nicht zu einer Billigung entschließen, vielmehr lehnte sie eine Genehmigung gemäß Artikel 65 des Vertrages in der Entscheidung vom 22. Juni 1960(Amtsblatt vom 23. Juli 1960, Seite 1014 ff.) ab.

Ihre Gründe lassen sich in folgender Weise zusammenfassen:

Die vorgelegten Vereinbarungen schließen das normale Spiel des Wettbewerbs zwischen den beteiligten Unternehmen aus; sie unterliegen daher dem Verbot des Artikels 65 § 1.

Für die Anwendung von Artikel 65 § 2 könne davon ausgegangen werden, daß ein gemeinsamer Verkauf durch mehrere Bergwerksgesellschaften zu einer merklichen Verbesserung der Verteilung ihrer Erzeugnisse beitrage.

Was die Voraussetzung des Buchstaben b in § 2 des Artikels 65 angehe, so lasse die Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten unter Berücksichtigung der charakteristischen Merkmale der Unternehmen, ihrer Abbaubedingungen und der Absatzbedingungen für die einzelnen Kohlenarten und -sorten nicht die Feststellung zu,

daß es zur Lösung der von den Antragstellerinnen genannten Probleme unbedingt erforderlich sei, über die beträchtlichen Mittel zu verfügen, welche die vorgeschlagene Verkaufsorganisation mit sich bringe,

daß es technisch nicht möglich sei, diese Probleme durch andere Vereinbarungen zu lösen.

Zu § 2 Buchstabe c wird ausgeführt:

Unter „die betreffenden Erzeugnisse“ im Sinne von Buchstabe c seien nur diejenigen Erzeugnisse zu verstehen, die auf Grund der Vereinbarung abgesetzt werden sollen. Ein Vergleich der im Jahre 1959 auf dem gemeinsamen Markt insgesamt abgesetzten Mengen (Steinkohle, Steinkohlenbriketts und Steinkohlenkoks einschließlich der Einfuhren aus dritten Ländern) mit den von den Antragstellern abgesetzten Mengen ergebe, daß die Anteile der Antragsteller einen wesentlichen Teil der betreffenden Erzeugnisse auf dem gemeinsamen Markt darstellen. (In diesem Vergleich sind nicht berücksichtigt der Zechenselbstverbrauch, Deputate und verschenkte Mengen, Abgaben an zecheneigene Kokereien und Brikettfabriken, Freiverkäufe und Abgaben außerhalb des gemeinsamen Marktes; einbezogen sind dagegen der Landabsatz und andere Vorbehaltsmengen.)

Die Preisbestimmung durch den Gemeinschaftsverkauf bestehe ich in der Aufstellung der Preislisten und Verkaufsbedingungen, welche die Beteiligten gemeinsam und einheitlich für die Erzeugnisse festsetzen, die durch die Ruhrkohlen-Verkaufsgesellschaft abgesetzt werden.

Die Preisbestimmung gelte auch für den Landabsatz; sie erstrecke sich auf die Verbundlieferungen zwischen verschiedenen juristischen Personen mit Rücksicht auf das Diskriminierungsverbot und die Tatsache, daß ein Absatz der von den Verbundunternehmen nicht abgenommenen Mengen nur über den Gemeinschaftsverkauf oder auf dem Wege des Landabsatzes erfolgen darf. Die Möglichkeit zur Preisbestimmung liege auch vor, soweit Angleichungen vorgenommen werden. Die Preisbestimmung durch den Gemeinschaftsverkauf wirke sich also auf die gesamten Mengen der Erzeugnisse der Beteiligten aus, die im gemeinsamen Markt abgesetzt werden, und damit auf einen wesentlichen Teil dieser Erzeugnisse auf dem gemeinsamen Markt.

Hilfsweise untersucht die Hohe Behörde den Wettbewerbseinfluß von Angeboten aus dritten Ländern und von anderen Energieträgern.

Es wird dargestellt der Absatz an Steinkohle und Koks im Markt der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1959.

Die Hohe Behörde stellt fest, es sei nicht ersichtlich, daß die Unternehmen des Ruhrreviers in der Bestimmung des Preisniveaus den Bewegungen anderer Unternehmen der Gemeinschaft gefolgt seien. Vielmehr hätten die Preise der Ruhrkohle im Gegenteil die Preisgestaltung der benachbarten Reviere beeinflußt. Die Unternehmen des Ruhrreviers hätten von der Möglichkeit der Preisangleichung nur in geringem Umfang Gebrauch gemacht.

Zum Einfluß der aus dritten Ländern importierten Kohle werden Angaben gemacht über die Einfuhren in die Bundesrepublik im Jahre 1959. Es wird hingewiesen auf die Möglichkeit gezielter Preisangleichungen und auf die Einführung eines Kohlenzolls durch die Bundesregierung. Auch vor deren Einführung habe die Ruhr ihre Listenpreise nicht den Preisen für Einfuhrkohle angepaßt.

Der Wettbewerb des Heizöls treffe die Kohlenarten und -sorten in unterschiedlicher Weise. Arn wenigsten betroffen sei die Kokskohle (über deren Anteil an der Förderung Angaben gemacht werden). Auch gewisse Anthrazitsorten seien verhältnismäßig unempfindlich, ebenso wie Hochofenkoks und Gießereikoks. Stark sei die Stellung der Kohle u. a. bei den Elektrizitätswerken.

In keinem Fall seien die Antragsteller in der Preissenkung dem Heizöl soweit gefolgt, daß ihr Preis als vom Heizöl bestimmt angesehen werden könne. Auf Heizöl werde überdies eine Abgabe im Hauptabsatzgebiet der Beteiligten, in der Bundesrepublik, erhoben.

Infolgedessen seien die beteiligten Unternehmen in der Lage, die Preise und Verkaufsbedingungen für den weit überwiegenden Teil des Absatzes selbständig zu bestimmen.

Da die Antragsteller das alleinige Recht zum Absatz der gemeinsamen Verkaufsgesellschaft übertragen, da die Begriffsbestimmungen, Regeln und Voraussetzungen für die Vorbehaltsmengen von der Verkaufsgesellschaft festgesetzt werden, da jede anderweitige Abgabe an Dritte unzulässig sei, wozu sich die im Verbund belieferten Unternehmen ebenso wie die im Landabsatz belieferten Verbraucher verpflichten müßten, unterliege der Absatz der gesamten Förderung der Beteiligten der Kontrolle der einheitlichen Verkaufsgesellschaft. Die Kontrolle erstrecke sich auf einen wesentlichen Teil der Erzeugnisse auf dem gemeinsamen Markt.

Folglich seien die Abmachungen mit Artikel 65 § 2 c) nicht zu vereinbaren und könnten daher nicht genehmigt werden.

Gegen diese Entscheidung, die den Antragstellern nach ihren eigenen Angaben am 1. Juli 1960 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende Klage. Sie ist unterzeichnet von allen am Vertrag beteiligten Gesellschaften und wurde eingebracht am 6. August 1960.

Ihr Antrag lautet auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Hohen Behörde.

Unterstützt wird dieser Antrag vom Land Nordrhein-Westfalen, dessen Intervention der Gerichtshof in einem Beschluß vom 3. Mai 1961 zugelassen hat.

Die Klägerinnen berufen sich auf alle vier Klagegründe des Artikels 33 und machen außerdem eine offensichtliche Verkennung der Vertragsbestimmungen geltend. In der Replik haben sie den Vorwurf des Ermessensmißbrauchs fallengelassen.

B — Rechtliche Würdigung

In der Untersuchung des Sachverhalts ist nichts zu sagen zur Frage der Zulässigkeit. Die Klagefrist ist gewahrt. Die Hohe Behörde erhebt im übrigen keine Einwände, und von Amts wegen sind keine Bedenken ersichtlich.

Demnach eröffnet sich für die rechtliche Prüfung sogleich das weite Feld der zur Hauptsache vorgetragenen streitigen Argumente. Ganz eindeutig ist aus den Schriftsätzen und aus den mündlichen Verhandlungen zu entnehmen, wo die Parteien übereinstimmend den Schwerpunkt der Debatte sehen, nämlich in Artikel 65 § 2 c). Die Hohe Behörde hat ausdrücklich eingeräumt, sie habe Buchstabe b dieser Vorschrift nicht abschließend geprüft, sondern ihre Entscheidung im wesentlichen gestützt auf Buchstabe c. Entsprechend glaube ich auch in den Schlußanträgen nicht der nach dem Vertragstext angezeigten Reihenfolge der Prüfung folgen zu sollen (Artikel 65 § 2 Buchstaben a, b und c), vielmehr werde ich beginnen mit Buchstabe c. Dieses Vorgehen ist um so weniger bedenklich, als die in Buchstabe c zusammengefaßten Kriterien rechtliche Eigenständigkeit haben; sie sind für sich allein in der Lage, die Ablehnung einer Kartellgenehmigung zu tragen. Nur wenn sich zeigt, daß die Entscheidung der Hohen Behörde in ihrem auf Buchstabe c gegründeten Fundament wesentlich erschüttert wird, sind die Bemerkungen zu Buchstabe b einer Würdigung zu unterziehen.

I — ARTIKEL 65 § 2 BUCHSTABE c

Vor Eintritt in die Untersuchungen erscheint es nützlich, den Text der Bestimmung in Erinnerung zu rufen. Es heißt da:

„Die Hohe Behörde genehmigt jedoch für bestimmte Erzeugnisse Vereinbarungen über Spezialisierung oder über gemeinsamen Ein- oder Verkauf, wenn sie feststellt,

c)

daß sie [die betreffende Vereinbarung] nicht geeignet ist, den beteiligten Unternehmen die Möglichkeit zu geben, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Erzeugnisse auf dem gemeinsamen Markt die Preise zu bestimmen, die Erzeugung oder den Absatz zu kontrollieren oder einzuschränken, noch diese Erzeugnisse dem tatsächlichen Wettbewerb anderer Unternehmen auf dem gemeinsamen Markt zu entziehen.“

Schon an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß der deutsche Text im letzten Satzteil eine fehlerhaft Übersetzung enthält, wie ein Vergleich mit dem allein verbindlichen französischen Wortlaut zeigt. Die Hohe Behörde bemerkt zu Recht, daß es nicht heißen dürfe „diese Erzeugnisse“, vielmehr sei zu lesen „diese Unternehmen“ oder „sie“, weil „les“ nach der französischen Satzkonstruktion nichts anderes bedeuten könne als „entreprises“. Im Interesse einer klaren Ausgangsposition ist die gegebene Richtigstellung angezeigt, auch wenn sie nicht in entscheidender Weise bedeutsam ist für den Rechtsstreit.

Bei der Lektüre des Buchstaben c zeigt sich sogleich, daß seine Auslegung und Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt eine Aufgliederung der Untersuchung empfiehlt. Zwei große Problemkreise sind klar zutage getreten:

einmal die Deutung des Begriffs „Preisbestimmung“ und des Begriffs „Absatzkontrolle“;

zum anderen die Umgrenzung des Merkmals „wesentlicher Teil“.

Da nach der Auffassung beider Parteien die Begriffe „Preisbestimmung“ und „Absatzkontrolle“ eine im wesentlichen gleichwertige Sinnerfüllung erfahren müssen, ist ihnen zunächst ein gemeinsames Kapitel in der Auslegung einzuräumen.

1. Was versteht der Vertrag unter „Preisbestimmung“ und „Absatzkontrolle“?

Die Ansicht der Klägerinnen läßt sich — ohne alle Einzelheiten zu wiederholen — etwa so kennzeichnen:

Buchstabe c will Marktbeherrschung, monopolistische Marktmacht, ausschließen. Preisbestimmungsmacht ist nur gegeben bei einer Marktstellung, die eine Preisgestaltung ohne Rücksicht auf die Marktdaten, vor allem beträchtliche Preiserhöhungen, zuläßt, ohne die Gefahr, bedeutende Teile des Absatzes zu verlieren, also bei Fehlen wesentlichen Wettbewerbs.

Absatzkontrolle ist im großen ganzen dasselbe: Marktmacht, die es gestattet, Absatzlenkungen vorzunehmen, Art und Menge des Absatzes zu bestimmen, die Märkte aufzuteilen, eine Verknappung der Waren zu bewirken und dadurch die Vertragsziele in Gefahr zu bringen.

Diese qualitativen Elemente, so betonen die Klägerinnen, seien bei Anwendung des Buchstaben c gegenüber dem quantitativen Element (wesentlicher Anteil am Markt) mit Vorrang zu berücksichtigen.

a) Grundsätzliche Bemerkungen zur Interpretation

Zur allgemeinen Rechtfertigung ihrer Ansicht bringen die Klägerinnen vor, Buchstabe c sei eng auszulegen, weil er eine Ausnahme von den Grundsätzen der Buchstaben a und b enthalte, denen zufolge nützliche Kartelle zu genehmigen seien. Buchstabe c wolle nur Kartelle verhindern, die zu den allgemeinen Zielen des Vertrages in Widerspruch stehen, nicht dagegen solche, die zur Erreichung dieser Ziele erforderlich erscheinen. Daneben unterstreichen die Klägerinnen die Notwendigkeit der Rechtsfortbildung bei einer wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Situation.

In ähnlicher Weise befürwortet die intervenierende Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen eine extensive Deutung der Vorschriften über die Genehmigung von Kartellen anstelle einer formalistischen Anwendung. Nicht vorhersehbare Veränderungen der Wettbewerbslage verlangten eine Ausfüllung von Gesetzeslücken mit allgemeinen Prinzipien, zu denen nach dem Vertrag die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit gehöre. Außerdem gelte das Prinzip, daß bei außergewöhnlichen Umständen Abweichungen vom geschriebenen Recht möglich und erforderlich seien.

Wenn so versucht wird, den heute notwendigen Standort für die Anwendung des Kartellrechts der Montanunion — jedenfalls was die Kohle angeht — zu umreißen und anzugeben, welche Grundtendenz allein zu wirtschaftlich sinnvollen Ergebnissen führen kann, so glaube ich, kann diesen Bemühungen nicht von vornherein jede Überzeugungskraft und Berechtigung abgesprochen werden. Dies gilt zwar nicht für das Argument, Buchstabe c sei eng auszulegen, weil er eine Ausnahme von der Regel der Buchstaben a und b enthalte, denn ersichtlich haben die Kriterien der Buchstaben a bis c für eine Kartellgenehmigung das gleiche Gewicht; wohl aber gilt dies für die übrigen angeführten Argumente.

Nichtsdestoweniger hat man sich zu fragen, ob die Ansicht der Klägerinnen in den rechtlichen Rahmen des Vertrages paßt oder ob sie diesen Rahmen sprengt.

Vor kurzer Zeit hatte der Gerichtshof Gelegenheit, zum Kartellrecht des Montanvertrages seine Meinung zu äußern. Ich denke an die Stellungnahme zur Vertragsrevision 1/61, die in der mündlichen Verhandlung erwähnt wurde und die beiden Parteien im Wortlaut bekannt ist. An dieser Stellungnahme kann im vorliegenden Verfahren nicht vorbeigegangen werden, auch wenn es bedenklich erscheint, ihr in allen Punkten zu folgen.

Durch die Vertragsrevision wurde angestrebt eine Ausweitung des Kartellrechts mit dem Ziel, Vereinbarungen zu ermöglichen, die ein ganzes Revier erfassen, wenn diese dazu beitragen könnten, die Wettbewerbsfähigkeit der Kohle wiederherzustellen sowie wirtschaftliche und soziale Störungen zu verhindern (vgl. Revisionsantrag, Seiten 11, 16, 22). Es ist kein Geheimnis, daß die Antragsteller im Revisionsverfahren gerade die Situation an der Ruhr und ihre Dimensionen im Auge hatten.

Sieht man unter diesem Aspekt die Stellungnahme des Gerichtshofes an, so ergibt sich im einzelnen das folgende Bild.

Nach der Ansicht des Gerichtshofes sind die vorgeschlagenen Bestimmungen über Anpassungsvereinbarungen zu vage formuliert (Seite 6); angesichts der Präzisierung zulässiger Kartelle im geltenden Recht nach Art und Zweck stelle dies keine erlaubte Vertragsänderung im Sinne von Artikel 95 dar. Damit kommt zum Ausdruck, daß nach dem Vertrag auf genau definierte Regeln im Kartellrecht und auf deren strikte Anwendung nicht verzichtet werden kann. Diese Feststellung hat ihre Bedeutung vor allem im Hinblick auf das Argument, die Vertragsziele seien in erster Linie wesentlich für die Umgrenzung zulässiger Kartelltatbestände.

Zu Buchstabe c enthält die gerichtliche Stellungnahme auf den Seiten 10 und 12 zwar Wendungen, die an die These der Klägerinnen erinnern:

„Die Bedeutung, die dieser Voraussetzung im Rahmen der Ziele und der Struktur des gemeinsamen Marktes zukommt, wird um so deutlicher erkennbar, als sie gewährleisten soll, daß keine Vereinbarung — unabhängig davon, in welchem Umfang sie im übrigen genehmigungsfähig wäre, je selbst, welche Vorteile sie aufweise — die Beteiligten in die Lage versetzen kann, kraft ihrer Machtstellung in einem bestimmten Sektor den Markt der in Frage stehenden Erzeugnisse zu kontrollieren oder gar die Erreichung der Ziele des gemeinsamen Marktes, soweit es sich um diese Erzeugnisse handelt, zu verhindern.“

„Es ist nunmehr zu prüfen, ob der Vorschlag mit Artikel 4 Buchstabe d des Vertrages vereinbar ist. Hierzu ist zunächst die Bedeutung des in dieser Bestimmung ausgesprochenen Verbots zu untersuchen. Dieses Verbot hat offensichtlich den Zweck, die Unternehmen daran zu hindern, mit Hilfe von einschränkenden Praktiken eine Stellung zu erlangen, die ihnen eine Aufteilung oder Ausbeutung der Märkte gestattet.“

Wenige Absätze später führt der Gerichtshof dann aber aus: Die Bestimmung des Buchstaben c „enthält somit ein objektives Tatbestandsmerkmal, das es gestattet festzustellen, wann ein Kartell jedenfalls mit dem in Artikel 4 Buchstabe d ausgesprochenen Verbot unvereinbar wäre; dies ist nämlich hiernach dann der Fall, wenn das Kartell, einen wesentlichen Teil der betreffenden Erzeugnisse auf dem gemeinsamen Markt' erfaßt“.

In Verbindung mit der Revisionsbegründung, die auf die Ermöglichung reviereinheitlicher Kartelle abzielte, hat gerade die Betonung des quantitativen Elements in der Stellungnahme des Gerichtshofes besondere Bedeutung. Wie sich angesichts dieser Feststellung eine Rechtfertigung finden lassen soll für die von den Klägerinnen vorgeschlagene Auslegungsmethode, die, wenn nicht weiter, so doch sicher bis zur Grenze einer äußerst extensiven Interpretation reicht, ist nicht zu erkennen. Würde sie dem Gerichtshof akzeptabel erscheinen, dann hätte jedenfalls im Hinblick auf die Ausweitung der Kartellgrenzen in der Stellungnahme zur Vertragsrevision die Ansicht auftauchen müssen, daß die Notwendigkeit einer Vertragsänderung mit Rücksicht auf die bestehenden Interpretationsmöglichkeiten nicht gegeben sei.

Gerade die Wege, die der Vertrag selbst zu seiner Ergänzung und Änderung in Artikel 95 Absätze 1, 3 und 4 bietet, verlangen vielmehr umgekehrt eine zurückhaltende Anwendung der hergebrachten Grundsätze über Lückenausfüllung und Rechtsfortbildung.

Somit erscheint nach dem System des Vertrages, nach Vorgeschichte und Behandlung der letzten kleinen Vertragsrevision, keine Möglichkeit gegeben, daß der Gerichtshof die Ausgangsthese der Klägerinnen zur Interpretation von Artikel 65 § 2 c) billigen wird.

b) Die Einzelargumente der Klägerinnen

Es ist aber für die rechtliche Prüfung darüber hinaus unerläßlich, sich mit den Einzelargumenten der Klägerinnen auseinanderzusetzen, die vorgebracht wurden zur Definition der Begriffe des Buchstaben c.

Die Klägerinnen ziehen ein Argument aus der Verwendung der Worte „pouvoir“ und „déterminer“ im französischen Text. „Pouvoir“ sei mehr als „possibilité“; „pouvoir“ bedeute Macht. „Déterminer“ sei zu sehen in der Gegenüberstellung zu „fixer“ (Artikel 65 § 1); während „fixer“ die rechtliche Möglichkeit zur formellen Festsetzung der Preise umschreibe, drücke „déterminer“ die freie Bestimmung der Preishöhe aus.

Es ist aber allgemein anerkannt, daß derartige Wortargumente gerade im Montanvertrag eine schwache Stellung haben, denn in der Vorbereitung der Texte ist nicht die Zeit geblieben für eine Redaktion, die sich an Sorgfältigkeit mit der nationaler Gesetze messen kann.

Im übrigen erscheint es nicht zwingend, aus dem Begriff „pouvoir“ Macht über den Markt herauszulesen. Betrachtet man ihn nicht isoliert, sondern — wie er im Vertrag verwendet wird — zusammen mit dem Verbum „déterminer“, so kann er sprachlich auch bedeuten eine Befugnis im Sinne einer tatsächlichen oder rechtlichen Einwirkungsmöglichkeit. Mit Recht weist die Hohe Behörde darauf hin, daß in den entsprechenden Vorschriften des EWG-Vertrages das Wort „possibilité“ verwendet wird.

„Déterminer“ ist nach Littré gleichbedeutend mit „préciser“, „décider“, „arrêter“, „régler“. Stellt man „déterminer“ dem Begriff „fixer“ gegenüber (vgl. Artikel 65 § 1), so liegt es nahe, „fixer“ zu verstehen als die unmittelbare genaue Festsetzung, während „déterminer“ eher eine mittelbare Einflußnahme umschreibt (womit „déterminer“ als der weitere und nicht als der intensivere Begriff gekennzeichnet wäre). Jedenfalls ist nicht zu erkennen; warum „déterminer“ das Element „frei vom Marktgeschehen“ enthalten soll.

Umgekehrt ist zu verweisen auf Artikel 61, wo der Ausdruck „fixer“ verwendet wird für die Festsetzung von Höchstoder Mindestpreisen durch die Hohe Behörde, d. h. für einen Tatbestand, in dem sicher ein Spielraum für die Gestaltung der Entscheidung gegeben ist.

Der Hinweis der Klägerinnen auf das amerikanische Wettbewerbsrecht, das gleichfalls von „power to fix prices“ spricht, wird entwertet durch die Tatsache, daß der amerikanische Begriff zur Kennzeichnung marktbeherrschender Einzelunternehmen dient, während das amerikanische Kartellrecht kollektive Preisfestsetzungen absolut ausschließt. Gerade wenn man von einem Einfluß des amerikanischen Rechts auf die Redaktion des Montanvertrages ausgeht, muß bezweifelt werden, daß „déterminer les prix“ im Kartellrecht der Montanunion den gleichen Sinn hat wie „power to fix prices“.

Die Klägerinnen sind der Ansicht, Buchstabe c hätte mit Sicherheit eine andere Fassung erhalten, wenn die Autoren des Vertrages nicht das von den Klägerinnen für richtig gehaltene Ziel (Verhinderung monopolistischer Marktmacht) im Auge gehabt hätten, nämlich etwa die folgende, „daß von der Vereinbarung, soweit sie sich auf Preise, Erzeugung oder Absatz bezieht, ein wesentlicher Teil der betreffenden Erzeugnisse auf dem gemeinsamen Markt erfaßt wird“ (Replik, Seite 34), oder auch nur diese, „daß die Vereinbarung sich nicht auf einen wesentlichen Teil der betreffenden Erzeugnisse auf dem gemeinsamen Markt bezieht“.

Dem hält die Hohe Behörde zutreffenderweise entgegen, daß es nicht überflüssig erscheint, die Art und Weise der Marktbeeinflussung (Preisbestimmung, Absatz- und Erzeugungskontrolle) zu erwähnen. Buchstabe c wolle nur Wettbewerbsbeschränkungen bestimmter Auswirkung und Intensität ausschließen, was mit der von den Klägerinnen angeführten Formulierung, die nur auf den Marktanteil abstellt, nicht in gleicher Weise erreicht worden wäre. Nicht jedes Verkaufskartell habe notwendigerweise eine Preisfestsetzung zum Inhalt.

Die Klägerinnen verweisen zur Stützung ihrer These auch auf Artikel 85 des EWG-Vertrages, wo in Absatz 3 b) die Rede ist von der Möglichkeit, „für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten“. Sie begehen aber den Fehler, diese Formulierung gleichzusetzen mit der in Artikel 65 § 2 c) enthaltenen Wendung „les soustraire à une concurrence effective“. Gerade die Verschiedenheit des Wortlauts der Bestimmungen legt die Annahme nahe, daß in Artikel 85 nicht an die globale Außenwirkung des Kartells auf den Markt gedacht ist, sondern an die Ausschaltung des Wettbewerbs unter den Kartellbeteiligten, also an die von den Klägerinnen sog. Innenwirkung des Kartells.

Die Klägerinnen geben eine Fülle von Literaturhinweisen und Zitaten aus Parlamentsdebatten, um zu zeigen, daß Artikel 65 die Verhinderung der Marktbeherrschung zum Ziele habe. Auch wenn die Hohe Behörde den Aussagewert einiger dieser Zitate durch Ergänzungen, Berichtigungen und erläuternde Hinweise vermindert, ist doch nicht zu leugnen, daß sich da und dort in der Tat Begriffe wie „marktbeherrschende Größe“, „Situation monopolistique“, „Verbot eines Monopols“, „Position dominante“, „marktbeherrschende Position“ finden. Man kann sich aber mangels einer genauen Auseinandersetzung mit den Problemen des Buchstaben c, wie sie sich in diesem Verfahren präsentieren, mit Recht fragen, ob die erwähnten Literaturstellen mehr geben wollen als eine schlagwortartige Kennzeichnung von Ziel und Zweck des Artikels 65, ohne sich über die Mittel und Wege zu äußern, die rechtstechnisch zur Erreichung dieses Zieles im Vertrag gewählt wurden. Bezeichnend ist etwa das Zitat von Ophüls ( 2 ), der zwar von marktbeherrschender Größe spricht, im gleichen Artikel aber auch betont, schon in der Erklärung Schumans vom 9. Mai 1950 sei der Gegensatz des angestrebten Systems zu einem System der Kartelle scharf hervorgehoben worden; sachlich liege die Kartellgesetzgebung des Vertrages in der Richtung der Freiburger Schule und der herrschenden amerikanischen Auffassung.

Jedenfalls erscheint mir fraglich, ob die erwähnten Zitate geeignet sind, die aus einer Einzelauslegung der Merkmale des Buchstaben c zu gewinnenden sachlichen Argumente zu verdrängen und vor allem die in der Stellungnahme des Gerichtshofes vorgezeichnete Auslegungstendenz wesentlich zu beeinflussen.

Auffällig ist nämlich, daß dem Vertrag der Begriff „Marktbeherrschung“ („position dominante“) nicht fremd ist. Er wird verwendet in Artikel 66 § 7 zur Beurteilung der Marktstellung von Einzelunternehmen. Es kann aber nicht angenommen werden, daß die gelegentlich festzustellende Unvollkommenheit in der Redaktion des Montanvertrages so weit ging, daß in zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Vorschriften ein und derselbe Gegenstand auf so augenfällig verschiedene Art und Weise umschrieben sein sollte. Die beträchtliche Differenz in der Redaktion legt vielmehr den Schluß nahe, daß mit den verschiedenen Formulierungen auch eine Verschiedenheit des Inhalts gemeint sein muß.

Schließlich hat die von den Klägerinnen gegebene Auslegung des Buchstaben c den Mangel, daß die einzelnen Merkmale dieser Bestimmung ihres eigenständigen Sinngehalts beraubt werden. Absatzkontrolle, Preisbestimmung und Wettbewerbsentziehung (der sog. Entzugstatbestand) sollen ihnen zufolge allesamt nur den Gedanken der Marktbeherrschung umschreiben. Auch der Begriff „wesentlicher Teil“ verliere demgegenüber, wie die Klägerinnen betonen, an Bedeutung. Es ist in der Tat kaum vorstellbar, daß ein Kartell den Markt beherrscht, ohne gleichzeitig einen wesentlichen Teil des Marktes zu erfassen. Eine derartige Redaktionsmethode wäre aber nach allen hergebrachten Maßstäben unverständlich.

Was den Entzugstatbestand („les soustraire à une concurrence effective“) angeht, so erscheinen die Versuche der Klägerinnen, ihm dennoch einen eigenen Sinn zu geben, nicht geglückt. Sie stützen sich auf die unrichtige deutsche Übersetzung von „les“ = Erzeugnisse, während „les“ in Wirklichkeit, wie schon erwähnt, Unternehmen bedeutet. Die Klägerinnen sind der Meinung, der Entzugstatbestand wolle verhindern, daß durch Sperren und Boykott Erzeugnisse vom Wettbewerb ferngehalten werden (Sperren gegen Außenseiter, Boykott durch vertikale Absprachen).

Damit würde dieses Kriterium aber einen so engen Sinn erhalten, daß es in Artikel 66 § 7, wo es gleichfalls auftaucht, keine ausreichende Handhabe gegen Mißbrauch einer Marktstellung bieten würde.

Es wäre auch nicht verständlich, warum für diesen Tatbestand innerhalb des Buchstaben c auf das zusätzliche Erfordernis „wesentlicher Teil“ verzichtet sein sollte. Nur durch die erwähnte falsche Deutung des Wortes „les“ kommen die Klägerinnen zu der Ansicht, daß das Element „wesentlicher Teil“ auch für den Entzugstatbestand gelte.

Einleuchtender für die Auslegung des Entzugstatbestands ist aber m. E. die Ansicht der Hohen Behörde, nach der hier Fälle gemeint sind, in denen Kartellvereinbarungen sich nicht auf einen wesentlichen Teil des gemeinsamen Marktes beziehen, aber infolge Isolierung eines Marktteils die Ausschaltung des Wettbewerbs bewirken.

Zusammenfassend ist demnach festzuhalten:

Nach der hergebrachten Auslegungsmethode, die auch für den Vertrag nicht vollkommen beiseite gelassen werden kann und für die es ankommt auf die Berücksichtigung des Wortlauts der verwendeten Begriffe sowie auf den Vergleich mit anderen, verwandten Texten, ist es nicht möglich, in Buchstabe c als entscheidendes Element für den Ausschluß von Kartellgenehmigungen die Marktbeherrschung zu erkennen.

Auch die grundlegende Veränderung der wirtschaftlichen Situation, die bei der Errichtung der Gemeinschaft nicht vorauszusehen war, erlaubt nach dem Vertragssystem (Artikel 95) schwerlich eine Rechtsfindung und Rechtsfortbildung derart, daß an die Stelle von Begriffen, die vielleicht formell erscheinen, ein Kriterium tritt, dessen Handhabung für den Juristen wie für den Wirtschaftler anerkanntermaßen äußerst schwierig sein würde. Zumindest ist kaum fraglich, daß der Gerichtshof nach seiner jüngsten Äußerung zum Kartellrecht eine solche Ausweitung des Gesetzestextes nicht billigen würde.

Demnach muß unter Preisbestimmung und Absatzkontrolle verstanden werden, was schon durch den allgemeinen Sprachgebrauch (vor allem der französischen Sprache) nahegelegt wird:

selbständige Festsetzung der Preise und Lieferbedingungen;

entscheidende Beeinflussung und Gestaltung des Absatzes im Sinne einer selbständigen Absatzpolitik.

Es ist offensichtlich, daß von einer Preisgestaltung und Absatzkontrolle nicht gesprochen werden könnte in einer Marktsituation, die auch einem Kartell nur die Möglichkeit läßt, sich in vollem Umfang vorgegebenen Marktdaten anzupassen, in der also jeder Spielraum für selbständige wirtschaftliche Entscheidungen fehlt.

Insofern kann auch bei der von mir für richtig gehaltenen Auslegung des Buchstaben c nicht abgesehen werden von einer Beurteilung der Marktlage unter Einbeziehung aller wesentlichen Marktelemente. In keinem Falle wäre es richtig, wenn sich die Hohe Behörde ausschließlich mit der Feststellung eines bestimmten Marktanteils begnügen würde, da diese Methode die Erwähnung der Einwirkungsmöglichkeiten auf den Markt neben dem Kriterium „wesentlicher Teil“ in Buchstabe c überflüssig erscheinen lassen müßte. Buchstabe c ist aber stets in seiner Gesamtheit zu betrachten, ohne daß erkennbar dem einen oder anderen Element ein Vorrang einzuräumen wäre.

2. Hat die Hohe Behörde die Begriffe „Preisbestimmung“ und „Absatzkontrolle“ in ihrer Entscheidung richtig angewandt?

a) Preisbestimmung

Wenn die Hohe Behörde in Ziffer 10 der Entscheidungsbegründung feststellt, die Preisbestimmung durch den Gemeinschaftsverkauf bestehe in der Aufstellung der Preislisten und Verkaufsbedingungen, welche die Beteiligten gemeinsam und einheitlich für die Erzeugnisse festsetzen, die durch die Ruhr-kohlenverkaufsgesellschaft abgesetzt werden, so hat es den Anschein, als ginge sie von einem rein formalen Begriff aus, der auf die Marktsituation keine Rücksicht nimmt und als solcher nach der eben gegebenen Definition zu eng wäre.

Sie setzt jedoch ihre Prüfung unter Ziffer 11 fort und befaßt sich mit den Markteinflüssen. Zwar läßt sie dahingestellt, ob diese Prüfung im Rahmen des Artikels 65 § 2 c) erforderlich ist; sie gibt aber doch zu erkennen, daß hier unter Preisbestimmung die Möglichkeit verstanden wird, für einen wesentlichen Teil des Absatzes das Preisniveau selbständig zu wählen und im übrigen selbständig zu bestimmen, in welchen Gebieten, mit welchen Mengen und zu welchen Preisen dem Wettbewerb anderer Unternehmen und anderer Erzeugnisse begegnet werden soll.

Damit hat sie einen rechtlichen Ausgangspunkt bezogen, der m. E. dem Vertrag entspricht.

Was die Durchführung der rechtlichen und tatsächlichen Prüfung angeht, so ist festzustellen, daß die Hohe Behörde in der Entscheidungsbegründung eine große Zahl rein quantitativer Elemente verwertet, etwa in Ziffer 12 a) (Absatzanteil, der für die Bundesrepublik bestimmt ist), 12 c) (Importe in die Bundesrepublik, verglichen mit der Förderung der Klägerinnen), 12 d) (Prozentsatz der Fettkohle in der Förderung der Klägerinnen). Diese Elemente dienen aber nur als Indizien für die Beurteilung der Marktstellung der Klägerinnen. Daneben finden sich andere Überlegungen und Untersuchungen: Entwicklung der Listenpreise im Vergleich mit den Preisen anderer Reviere, Umfang der Angleichungen, handelspolitische Schutzmaßnahmen (Kohlenzoll, Heizölabgabe), Absatzmöglichkeiten des Heizöls unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Konkurrenzdrucks auf die verschiedenen Kohlenarten (Koks, Anthrazit), Stellung der Kohle bei Großabnehmern.

Diese Untersuchungen werden in Einzelheiten von den Klägerinnen gerügt und als unvollständig oder teilweise unrichtig bezeichnet. Zu beachten ist aber, daß die Klägerinnen von einem wesentlich weiter gedachten Begriff der Preisbestimmungsmacht ausgehen, an dem gemessen die Nachprüfung der Hohen Behörde sich in der Tat als nicht ausreichend erweisen würde. — Für den richtigerweise anzuwendenden Begriff ist wesentlich, daß die Klägerinnen selbst in ihrer Antragsbegründung (Seite 25) einräumen: „Selbstverständlich würde ein Gemeinschaftsverkauf die Möglichkeit zu einer beschränkten Beeinflussung der Preise haben.“ Diese Erklärung zusammen mit den Erwägungen der Entscheidung schließt den Vorwurf aus, die Hohe Behörde habe nicht im einzelnen geprüft, ob für das Einheitskartell die Freiheit der Preisgestaltung in vollem Umfang ausgeschlossen oder doch so erheblich reduziert bleibt, daß sie keine wirtschaftliche und markttechnische Bedeutung haben kann.

In der Untersuchung der Preisbestimmung glaube ich daher, keinen Fehler der Hohen Behörde entdecken zu können.

b) Absatzkontrolle

Was die Absatzkontrolle angeht, so begnügt sich die Hohe Behörde in Ziffer 13 der Entscheidungsbegründung zunächst mit der Feststellung, daß die beteiligten Unternehmen das alleinige Recht zum Absatz ihrer Erzeugnisse der gemeinsamen Verkaufsgesellschaft übertragen. (Die sich anschließenden Bemerkungen beziehen sich auf die besonderen Probleme der Vorbehaltsmengen, zu denen später Stellung genommen werden soll).

Sie fährt fort:

„Infolge dieser Vereinbarungen erlangt die Verkaufsgesellschaft für die ihr zum Absatz übertragenen Mengen die Möglichkeit, die gezielten Wettbewerbsmaßnahmen, wie sie bei der Erörterung der Preisbestimmung bereits dargelegt wurden, durch eine entsprechende Lenkung des Absatzes zu verstärken.“

Schließlich folgert sie:

„Indem die Verkaufsgesellschaft derartige, für alle Beteiligten verbindliche Regeln für den gesamten Absatz selbständig aufstellt und die Möglichkeit besitzt, den Absatz in der geschilderten Weise selbständig zu lenken, kontrolliert sie den Absatz im Sinne des Artikels 65 § 2 Buchstabe c des Vertrages. Diese Kontrolle erstreckt sich auf den gesamten Absatz der Beteiligten und damit gemäß den oben getroffenen Feststellungen auf einen wesentlichen Teil der Erzeugnisse auf dem gemeinsamen Markt.“

Es erscheint nach diesen Erwägungen zweifelhaft, ob die Hohe Behörde das Merkmal der Absatzkontrolle richtig erfaßt hat. Auch wenn man nicht der weiten Auffassung der Klägerinnen zuneigt, so ist doch der Zusammenhang des Vertragstextes nicht zu übersehen, in dem die Tatbestandsmerkmale Erzeugung und Absatz einerseits und andererseits Kontrolle und Einschränkung verbunden sind, was zu der Annahme nötigt, daß Absatzkontrolle in der Auswirkung auf das Marktgeschehen mehr sein muß als eine bloße Zusammenfassung des Absatzes.

Bedenken bleiben auch übrig, wenn man die Andeutung einer begrifflichen Ausweitung in den Worten selbständige Lenkung des Absatzes für ausreichend hält. Es ist offensichtlich, daß die Hohe Behörde in der Entscheidung keine Anstrengung unternimmt, das Vorliegen einer wirklichen Absatzkontrolle mit Hilfe besonderer wirtschaftlicher Erwägungen zu rechtfertigen, d. h. wenigstens einen Teil jener qualitativen Prüfung durchzuführen, die die Klägerinnen im Prinzip zu Recht, in der Umgrenzung aber zu weitgehend fordern. Daß diese Prüfung in befriedigender Weise mit Hilfe der Even-tualausführungen zur Frage der Preisbestimmung unter Ziffer 11 vorgenommen werden konnte, ist nicht anzunehmen, weil die Merkmale Preisbestimmung und Absatzkontrolle sich nicht decken und weil die Marktstellung eines Kartells hinsichtlich dieser beiden Funktionen nicht die gleichen Auswirkungen hat.

Anders als in der Frage der Preisbestimmung scheinen mir daher die Ausführungen der Hohen Behörde zum Problem der Absatzkontrolle nicht frei zu sein von Fehlern in der Rechtsauslegung und in der Motivierung.

3. Zur Bestimmung des Marktanteils

Artikel 65 § 2 c) ist nur anwendbar, wenn die Kartellvereinbarung den beteiligten Unternehmen die Möglichkeit geben würde, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Erzeugnisse auf dem gemeinsamen Markt die Preise zu bestimmen etc.… Es kommt also darauf an, wie nach dem Vertrag das Merkmal „wesentlicher Teil“ zu verstehen ist.

Die Klägerinnen erheben in diesem Zusammenhang folgende Rügen:

a)

Die Hohe Behörde habe keine rechtliche Definition für den Begriff „wesentlicher Teil“ gegeben.

b)

Die Hohe Behörde habe zu Unrecht bei der Ermittlung des Marktanteils angerechnet die Landabsatzmengen und andere Vorbehaltsmengen. Nach Ansicht der Klägerinnen ist zu unterscheiden:

Was die Preisbestimmung angeht, so lasse die Hohe Behörde lediglich unberücksichtigt die Lieferungen an zecheneigene Kokereien und Brikettfabriken, dagegen rechne sie andere Lieferungen innerhalb einheitlicher Unternehmen an, obwohl in der Begründung der Entscheidung nur abgehandelt wird die Preisbestimmung für Verbundlieferungen zwischen verschiedenen juristischen Personen;

die Möglichkeit der Preisbestimmung habe das Kartell zwar für den Landabsatz, nicht aber für die Verbundlieferungen; diese müßten also außer Betracht bleiben;

die Absatzkontrolle des Kartells erstrecke sich nicht auf den Landabsatz und die Verbundlieferungen.

c)

Nach Ansicht der Klägerinnen ist es unrichtig, als Vergleichsmaßstab den Markt der Bundesrepublik heranzuziehen. Entscheidend sei der gemeinsame Markt und der Anteil an diesem Markt.

Der Streithelfer schließlich brachte var, zwar sei der Marktanteil nur unter Zugrundelegung des Kohlenabsatzes zu ermitteln, es müsse aber der unbestimmte Begriff „wesentlich“ in dem Merkmal „wesentlicher Marktanteil“ ausgefüllt werden unter Berücksichtigung der Einflüsse der Substitutionsgüter auf den Kohlenmarkt.

Diese Rügen sollen nunmehr untersucht werden, freilich ohne daß in jedem Fall die eben gewählte Systematisierung beibehalten wird.

a) Zur Begründung des Begriffs „wesentlicher Teil“

Eine Begründung in abstrakt-theoretischer Form gibt die Entscheidung tatsächlich nicht. Sie ist vielleicht in dieser Weise gar nicht möglich, ohne daß an die Stelle des im Vertrag verwendeten Begriffs ein anderer allgemeiner Begriff gesetzt wird, der keine wesentliche Erläuterung bringt.

Welche Daten und welche Größenordnungen die Hohe Behörde im vorliegenden Fall für wichtig hält, ist aber aus der Entscheidungsbegründung, die eine Anwendung des Gesetzes auf den konkreten Tatbestand enthält, mit Klarheit zu entnehmen. Damit dürfte eine ausreichende Begründung gegeben sein.

b) Die Beschränkung der Betrachtung auf den Markt der Bundesrepublik Deutschland

Es erscheint mir sicher, daß nach dem Wortlaut des Artikels 65 Bezugsmaßstab für die Bestimmung des Marktanteils der gemeinsame Markt in seiner Gesamtheit, nicht dagegen ein Teilmarkt ist, der sich nach geographischen oder wirtschaftlichen Merkmalen ermitteln läßt. Wenn sich die Situation ergibt, daß innerhalb der Gemeinschaften isolierte Märkte bestehen, für die aus geographischen, wirtschaftlichen oder technischen Gründen nur Lieferungen aus bestimmten Teilgebieten des gemeinsamen Marktes in Betracht kommen, dann kann dieses Phänomen im Kartellrecht nicht mit Hilfe des Kriteriums „wesentlicher Teil der Erzeugnisse auf dem gemeinsamen Markt“ erfaßt werden (wobei entscheidende Bezugsgröße nur der Teilmarkt wäre), vielmehr müßte hier für die Ablehnung einer Kartellgenehmigung auf das letzte Kriterium des Buchstaben c (den sog. Entzugstatbestand) zurückgegriffen werden.

Im vorliegenden Fall hat diese Überlegung jedoch keine Bedeutung, denn in Ziffer 9 der Entscheidungsbegründung, welche die Bestimmung des Marktanteils zum Inhalt hat, taucht als Vergleichsmaßstab nicht der Markt der Bundesrepublik, sondern der Gesamtabsatz im gemeinsamen Markt auf. Erst in einem späteren Zusammenhang, bei der Untersuchung der Markteinflüsse auf die Preisbestimmungsmacht der Klägerinnen, wird unter anderem auf die Förderung und den Absatz in der Bundesrepublik abgehoben.

Die vorgebrachte Rüge ist demnach nicht stichhaltig.

c) Das Problem der Verbundlieferungen und des Landabsatzes

i) Preisbestimmung

Daß die Hohe Behörde im Hinblick auf die Preisbestimmungsmacht den Landabsatz in die Anteilsberechnung einbezogen hat, ist auch nach Ansicht der Klägerinnen nicht zu beanstanden, bestimmt doch der Kartellvertrag ausdrücklich in § 21 Absatz 3, daß die Landabsatzlieferungen „zu den gleichen Preisen und Bedingungen durchzuführen [sind], welche für die Mengen gelten, die über die Gesellschaft geliefert werden“.

Streitig ist allein das Schicksal der anderen Vorbehaltsmengen, und zwar der Lieferungen im Werkselbstverbrauch innerhalb eines einheitlichen Unternehmens sowie die Lieferungen im Verbund, d. h. von einem beherrschenden an ein beherrschtes Unternehmen oder umgekehrt.

Was zunächst den Werkselbstverbrauch angeht, so zeigt die Tabelle in Ziffer 9 der Entscheidungsbegründung, daß die Hohe Behörde zum Absatz der Klägerinnen nicht hinzugerechnet hat die Abgaben an zecheneigene Kokereien und Brikettfabriken (um nur die wichtigsten der in Anmerkung I unter 1 bis 6 aufgeführten Mengen zu erwähnen). Sie hat dagegen in ihre Berechnung einbezogen die Mengen, die in § 18 des Kartellvertrages unter dem Stichwort „Eigenverbrauch“ erfaßt werden, d. h. die Lieferungen der in sonstigen Betriebsabteilungen eines Gesellschafters verbrauchten Brennstoffe. Daß diese Berücksichtigung nicht auf einem Versehen beruht, erfuhren wir im schriftlichen und mündlichen Verfahren, in dem die Hohe Behörde sogar die Einrechnung des Zechenselbstver-brauchs in die Absatzmengen des gemeinsamen Verkaufs zu rechtfertigen suchte.

Wesentlich erscheint nun — und darauf weisen die Klägerinnen hin —, daß in der Entscheidungsbegründung nur die Berücksichtigung der Verbundlieferungen, also der Lieferungen zwischen verschiedenen juristischen Personen, unter Berufung auf das Diskriminierungsverbot ausdrücklich motiviert wird. Es kann natürlich nicht davon die Rede sein, daß diese Begründung auch den sachlich verschiedenen Fall des Werkselbstverbrauchs deckt. Andererseits hätte eine Begründung für die Einbeziehung des Werkselbstverbrauchs deshalb besonders nahegelegen, weil die Hohe Behörde die ihrer ökonomischen Natur nach analogen Tatbestände der Abgaben an zecheneigene Kokereien und Brikettfabriken expressis verbis nicht zur Absatzmenge des Kartells hinzugerechnet hat.

Welche Mengen innerhalb einheitlicher Unternehmen abgesetzt werden, haben die Klägerinnen im Verfahren mitgeteilt. Nach ihren Auskünften beliefen sich im Wirtschaftsjahr 1960/1961 die entsprechenden Abgaben von Kohle und Koks insgesamt auf 7,2 Millionen Tonnen. Es handelt sich also um Lieferungen und Quantitäten, die im Rahmen der Gesamtprüfung keine untergeordnete Rolle spielen. Wenn sie in der Begründung übergangen worden sind, muß darin folgerichtig ein Verstoß gesehen werden, der die Entscheidung in einem wesentlichen Teil fehlerhaft erscheinen läßt.

Wie stellt sich die Lage dar für die Verbundlieferungen, d. h. diejenigen Warenbewegungen, die nach § 19 des Kartellvertrages zwischen Unternehmen stattfinden, von denen das eine das andere durch genau bezeichnete Mehrheitsbeteiligungen oder durch bestimmte Verträge beherrscht?

Der Kartellvertrag enthält für sie keine Preisbestimmung wie für den Landabsatz, vielmehr gilt hier § 6 Ziffer 3:

„Über die der Gesellschaft nicht zum Vertrieb übertragenen Mengen (Vorbehaltsmengen) verfügen die Gesellschafter nach eigenem Ermessen.“

Aus zwei Gründen sollen aber nach der Beklagten diese Mengen dennoch bei der Berechnung des Anteils, auf den sich die Preisbestimmung des Kartells erstreckt, berücksichtigt werden:

Sie stellen nach der Meinung der Hohen Behörde einen potentiellen Absatz des Kartells dar, womit eine potentielle Preisbestimmungsfähigkeit gegeben sei;

sie seien auf Grund des Diskriminierungsverbots ebenfalls zu den Bedingungen der Kartellpreislisten zu verkaufen.

Es erhebt sich also zunächst die Frage, ob eine potentielle Preisbestimmungsfähigkeit ausreicht für die Anwendung des Artikels 65 § 2 c).

Nach dem Kartellvertrag hat das Syndikat, also die Gesamtheit der Unternehmen, nur einen beschränkten Einfluß auf die Gestaltung der Verbundlieferungen. Die Verkaufsgesellschaft kann nicht von sich aus beschließen, daß Verbundlieferungen ganz oder zum Teil in den gemeinsamen Absatz einbezogen werden. Nur in einem geringen Umfang ist eine Einwirkungsmöglichkeit im Sinne einer Ermessensbefugnis zu erkennen, insoweit nämlich als der Mengenausschuß feststellen muß, ob der sich aus dem Verbund ergebende Einfluß im Einzelfalle nicht eingeschränkt ist (was zum Ausschluß des Verbundsbezuges führen würde). Der Mengenausschuß muß weiterhin feststellen, ob gewisse Verträge einer endgültigen Verschmelzung der Beteiligten im wirtschaftlichen Sinne gleichzuachten sind, und bei gemeinsamer Beteiligung an einem Kohle verbrauchenden Unternehmen entscheidet die Gesellschafterversammlung mit 75 % der abgegebenen Stimmen über die Zulassung einer Verbundlieferung.

Wenn insoweit eine Befugnis des Kartells gegeben ist, auf die Verbundlieferungen Einfluß zu nehmen, muß wohl auch von einer potentiellen Preisbestimmungsfähigkeit gesprochen werden. Es ist jedoch ersichtlich, daß durch diese Erwägung allenfalls ein kleiner Bruchteil der Verbundlieferungen als bedingt möglicher Gemeinschaftsabsatz zur Absatzmenge des Kartells geschlagen werden kann.

Im übrigen liegt es im Ermessen der einzelnen Unternehmen, ob sie Verbund lieferungen durchführen oder aufgeben wollen. Ihre Entscheidung hängt ab von rechtlichen Elementen (Fortbestand der Verbundbeziehungen), von wirtschaftlichen Elementen (Höhe des Marktpreises), aber auch von technischen Erwägungen und von Überlegungen, die in die Kategorie der Traditionen, der engen, inneren Verbundenheit mehrerer Unternehmen gehören. Es ist nicht anzunehmen, daß hier brüske und in kurzen Zeiträumen erheblich differierende Schwankungen eintreten. Vor allem ist zu beachten, daß nach dem Kartellvertrag eine Änderung der Jahresmeldung grundsätzlich nur für das folgende Kohlen Wirtschaftsjahr und im übrigen nur unter bestimmten Voraussetzungen vorgenommen werden kann, etwa bei Wegfall der Verbundvoraussetzungen (§ 10) oder bei unzumutbarer Härte (§ 13).

Angesichts dieser Faktoren und angesichts der zeitlichen Begrenzung des Vertrages über den Einheitsverkauf kann es für die Bejahung der potentiellen Preisbestimmungsfähigkeit nicht ausreichen, wenn von der Hohen Behörde erwogen wird, welche Änderungen in der Entwicklung der Verbundlieferungen während einer unbestimmten Zeit denkbar erscheinen. Eine Schätzung der voraussichtlichen Entwicklung des Umfangs der Verbundlieferungen im Vergleich zur gesamten Förderung und zum Kartellabsatz hat sich zu stützen auf die Entwicklung dieses Verhältnisses in der Vergangenheit und hat den gegenwärtigen ökonomischen Trend in Rechnung zu stellen. Demnach ist für den in Frage kommenden Zeitraum mit einer Veränderung der Proportionen zugunsten des Kartellabsatzes nicht zu rechnen. Ein Argument für die gegenteilige Ansicht findet sich nicht in der Entscheidung und nicht in den Ausführungen der Beklagten im Prozeß.

Mit Hilfe des Begriffs „potentielle Preisbestimungsfähigkeit“ kann folglich nicht die Einbeziehung aller Verbundlieferungen in die Berechnung des Marktanteils des Kartells gerechtfertigt werden .

Es ist aber noch zu prüfen, ob die Hohe Behörde mit ihrem Hinweis auf das Diskriminierungsverbot eine stichhaltige Rechtfertigung für die Behandlung der Verbundlieferungen in der angegriffenen Entscheidung gegeben hat. Die Begründung enthält nichts weiter als den Satz: „Diese Lieferungen sind nämlich gemäß den Bestimmungen des Vertrages über das Verbot diskriminierender Praktiken ebenfalls zu den Bedingungen der Preislisten vorzunehmen.“

Folgende Einwendungen der Klägerinnen kommen hier in Betracht:

Die Hohe Behörde habe für die Anwendung des Diskriminierungsverbots keine Begründung gegeben;

Das Diskriminierungsverbot gelte nicht für Verbundlieferungen;

sollte es gelten, dann wäre in dieser gesetzlichen Bestimmung, nicht dagegen in einem Beschluß des Kartells, der Rechtsgrund zu suchen für die Anwendung der Kartellpreise auf die Verbundlieferungen.

Schließlich bemerken die Klägerinnen noch, Verbundlieferungen seien auch deswegen nicht zu berücksichtigen, weil sie wirtschaftlich gesehen nicht auf den Markt kommen.

Was den ersten Einwand angeht, so wird man schwerlich sagen können, daß die zitierte Feststellung der Hohen Behörde eine genügende Begründung darstellt für die Anwendung eines Rechtssatzes, der in seinen Auswirkungen auf den vorliegenden Fall von wesentlichem Interesse ist. Zumindest sind erhebliche Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit dieser Entscheidungsstelle berechtigt, auch wenn man der Meinung ist, daß mit Rücksicht auf die Erwägungen über die potentielle Preisbestimmungsfähigkeit lange Ausführungen über das Diskriminierungsverbot nicht unerläßlich erscheinen.

Ob das Diskriminierungsverbot den Sachverhalt der Verbundlieferungen erfaßt, erscheint zweifelhaft. Die Hohe Behörde rückt in den Vordergrund die rechtliche Selbständigkeit der beteiligten Unternehmen. Für die wirtschaftliche Betrachtung, die im Wettbewerbsrecht den Vorrang beanspruchen kann, ist aber ohne weiteres ersichtlich, daß die rechtliche Kennzeichnung der Beziehungen keinen ausschlaggebenden Wert hat. Wirtschaftlich werden die beteiligten Unternehmen durch die Verbundsbeziehungen in eine Stellung gebracht, die derjenigen der Einheitsunternehmen gleich oder stark angenähert ist. Wenn aber faktisch eine Unternehmenseinheit gegeben ist, kann begrifflich das Diskriminierungsverbot nicht eingreifen, da eine Selbstdiskriminierung nicht vorstellbar ist. Es ist außerdem zu betonen, daß im Rahmen der Verbundsbeziehungen für lange Dauer festgelegte Liefer- und Abnahmerechte und -pflichten bestehen, die wegen des sie charakterisierenden objektiven Tatbestands einmalig sind und sich nicht in eine Preisliste einordnen lassen (Organschaft mit Gewinn- und Verlustübernahme). — Die Frage der Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots kann aber letztlich offenbleiben, weil andere Erwägungen im Vordergrund stehen.

Selbst wenn man annimmt, das Diskriminierungsverbot gelte auch in bezug auf die Verbundlieferungen, so ist doch zu überlegen, ob damit eine Preisbestimmungsmacht im Sinne des Artikels 65 gegeben ist. Es kann zwar keinem Zweifel unterliegen, daß nicht nur die vom Kartell abgesetzten Mengen und angewandten Preise zu betrachten sind. Nach richtiger Auffassung müssen bei der Ermittlung des maßgeblichen Marktanteils auch berücksichtigt werden die Mengen, die außerhalb des Gemeinschaftsverkaufs kraft des Markteinflusses des Kartells zu den gleichen Preisen angeboten werden. In jedem Fall aber ist eine Preisbestimmung durch das Kartell nur dann vorhanden, wenn die Preisgestaltung und die Anwendung der Preise auf bestimmte Absätze entweder unmittelbar auf Kartellbeschlüssen beruht oder Ausfluß der Marktmacht des Kartells ist. Schreibt ein gesetzlicher Befehl die Anwendung der Kartellpreise auf kartellfremden Absatz vor — um solchen handelt es sich bei den Abgaben der einzelnen Mitglieder, auf welche die Gesamtheit der Beteiligten keinen Einfluß hat —, dehnt also das Gesetz die Preisbestimmung des Kartells mittelbar, als Reflex aus, dann ist entscheidender Rechtsgrund, wie die Klägerinnen richtig annehmen, nicht der Kartellbeschluß, sondern der Gesetzesbefehl.

Demnach erscheint die Berücksichtigung der Verbundlieferungen im Zusammenhang mit der Preisbestimmung rechtsirrig.

Es bleibt schließlich noch der vierte Einwand der Klägerinnen zu prüfen, dem zufolge es allein auf den Absatz im Markte ankommt.

Nach dem Wortlaut von Artikel 65 § 2 c) ist zu ermitteln, ob die Preisbestimmung gilt für einen wesentlichen Teil der Erzeugnisse auf dem gemeinsamen Markt. Der Begriff „Gemeinsamer Markt“ taucht im Vertrag in zahlreichen Bestimmungen auf. Es kann angenommen werden, daß er in einigen von ihnen verwendet wird in seiner geographischen Bedeutung zur Umschreibung des Gebietes, für das die Vertragsregeln gelten. Artikel 65 behandelt Wettbewerbsbeschränkungen, also Vorgänge, die den Markt im wirtschaftlichen Sinne angehen. Es liegt daher nahe, hier den Marktbegriff in seiner wirtschaftlichen Bedeutung zu verstehen als den Ort, die Ebene, auf der freies Angebot und freie Nachfrage sich begegnen und nach den Spielregeln des Wettbewerbs wirtschaftliche Austauschhandlungen vorgenommen werden. „Das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage“, so heißt es im Kommentar zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen von Müller-Henneberg-Schwartz (zu § 22, Seite 491), „nennen die Wirtschaftswissenschaften den Markt. Die Personen, die sich mit Angeboten oder Nachfragen an der Bildung des Marktes beteiligen, nennen sie die beiden Marktseiten … Die Verkäuferseite ist die Zusammenfassung konkurrierender Angebote.“ Ähnliche Wendungen waren in der mündlichen Verhandlung von Seiten der Hohen Behörde zu hören, als ihr Vertreter ausführte, „der Markt soll jenen Bereich kennzeichnen, in dem ein Unternehmen oder eine Gruppe von Unternehmen tätig ist und mit wirksamem Wettbewerb zu rechnen hat“.

Mit Recht weisen die Klägerinnen darauf hin, daß Lieferungen innerhalb eines Verbundes, d. h. von einem beherrschenden an ein beherrschtes Unternehmen oder umgekehrt, den Warenbewegungen innerhalb eines einheitlichen Unternehmens gleichzuachten sind. Hier besteht keine Wahlmöglichkeit wie auf dem Markt, vielmehr wird eine bestimmte Lieferung angeordnet. Die Abgaben spielen sich also außerhalb des Marktes ab. Dies gilt sowohl vor wie nach Abschluß der Kartellvereinbarung, d. h. die Kartellvereinbarung bewirkt keine unmittelbare Veränderung der Wettbewerbsverhältnisse für die Verbundlieferungen. Sie müssen daher außer Betracht bleiben, wenn der Marktanteil des Kartells ermittelt wird.

Es kann in diesem Zusammenhang verwiesen werden auf die konzernrechtliche Literatur, zu welcher der Vertreter der Hohen Behörde selbst vielbeachtete und anerkannte Beiträge geleistet hat. Es heißt da etwa ( 3 ):

„Das Unternehmen der beherrschten Gesellschaft wird durch die ‚einheitliche Leitung‛ des Konzerns, verbunden mit der Eingliederung der Tochtergesellschaft in das Unternehmen der herrschenden Gesellschaft, vernichtet. Die Konzernierung beseitigt die Fähigkeit der beherrschten Gesellschaft, nach einem eigenen Wirtschaftsplan zu handeln. ‚Datum‛ ist für die eingegliederte Gesellschaft nicht der Markt, sondern die Weisung des Konzerns. (Seite 303.)

Die beherrschte Gesellschaft aber wird einem fremden Unternehmen dienstbar gemacht; sie gibt ihre unternehmerischen Funktionen an die Konzernspitze ab. Man kann sich die Auswirkungen dieser Umwandlung nicht tiefgreifend und umfassend genug vorstellen. Die Konzernleitung entscheidet, was die Gesellschaft investiert, produziert und vertreibt; wie sie mit den notwendigen Vorprodukten, mit Rohstoffen, Halbzeug oder Fertigwaren versorgt wird. Der Konzern bestimmt, von wem, in welchen Mengen, in welcher Qualität und zu welchen Preisen die Gesellschaft einkauft, ob sie ihre eigene Rohstoffbasis erwirbt, langfristige Lieferverträge abschließt, ob sie ihren Bedarf von Fall zu Fall am freien Markt deckt oder ob der Konzern selbst die Belieferung übernimmt. … Die Marktbeziehungen des Unternehmens werden auf die Bedürfnisse des Konzerns ausgerichtet. Das bedeutet häufig Verzicht auf die eigene Stellung im Markt, insbesondere auf die Beziehungen zur Kundschaft, ohne die kein Unternehmen lebensfähig ist. (Seite 304) …

Auch Verrechnungspreise, die ziffernmäßig den Marktpreisen angeglichen sind, bleiben Verrechnungspreise und werden nicht zu Marktpreisen. Schwankungen der Preise bewirken im Konzern keine Änderung des wirtschaftlichen Verhaltens, sondern allein eine Veränderung der Verrechnungseinheit. Damit ist den Preisen ihre wichtigste Funktion, Wegweiser für wirtschaftliches Verhalten zu sein, entzogen. … Bei sinkenden Preisen wird die Konzerngesellschaft nicht ihre Lieferungen einschränken, sondern sie deckt den Konzernbedarf im gleichen Umfang wie zuvor. (Seite 306.)

Technisch sind Marktpreise als Verrechnungspreise im Konzern deshalb wenig geeignet, weil sie an den konjunkturellen Schwankungen des Marktes teilnehmen. Dadurch wird eine stetige Kostenrechnung und Kalkulation erschwert. Zwar lassen sich externe Effekte rechnerisch ausgleichen, aber dieses Verfahren fordert so hohen zusätzlichen Aufwand, daß es nicht überrascht, wenn die Konzernverwaltungen als Verrechnungspreise überwiegend Kostenpreise zugrunde legen.“ (Seite 309.)

Aus Rasch, „Deutsches Konzernrecht“, können folgende Bemerkungen erwähnt werden:

„Die Interessen des Betriebs sind nun aber keinerswegs immer identisch mit den Interessen jener höheren Einheit, in die der Betrieb eingeordnet ist, mit den Interessen des Konzerns und seiner sonstigen Glieder, deren Berücksichtigung von dem Vorstand einer Konzerngesellschaft ebenfalls erwartet wird. Man denke an die alltäglichen Fälle, daß der Vorstand veranlaßt wird, an andere Konzerngesellschaften Waren unter Marktpreisen zu liefern. (Seite 89.)

Jede, einheitliche Leitung' eines Konzerns (§ 15 AG) wäre unmöglich, wollte man den Vorständen der Konzernunternehmungen gestatten, etwa die von der Konzernspitze verfügte Einstellung der Produktion gewisser Erzeugnisse oder die Lieferung gewisser Waren zu Vorzugspreisen an andere Konzerngesellschaften abzulehnen, weil sie die Interessenlage anders beurteilten als der Konzernleiter. (Seite 101.)

Eine Forderung gegen eine Konzerngesellschaft trägt einen anderen wirtschaftlichen Charakter als ein Anspruch gegen ein unabhängiges Unternehmen. Auf ihre Entstehung und ihre Höhe hat die herrschende Gesellschaft weitgehend Einfluß. Sie kann das abhängige Unternehmen zum Abschluß von Kaufgeschäften mit der Muttergesellschaft veranlassen, dabei auch die Preise bestimmen.“ (Seite 147.)

Der von der Hohen Behörde aus der amerikanischen Rechtsprechung zitierte sog. Aluminium-Fall (siehe Duplik, Seite 73) scheint mir nicht gegen die eben vorgetragene Auffassung zu sprechen. Hier handelt es sich um ein Einzelunternehmen, das Rohaluminium in eigenen Betriebsabteilungen weiterverarbeitet, das also auch rechtlich die Möglichkeit hat, die zur Verarbeitung bestimmten Mengen unmittelbar auf den Markt zu bringen. Eine Parallele zum vorliegenden Fall wäre nur dann gegeben, wenn das Kartell, d. h. die beteiligten Unternehmen in ihrer Gesamtheit, Einfluß auf die Gestaltung der Verbundlieferungen nehmen könnten, d. h. wenn sie aus eigenem Entschluß diese Lieferungen zum Kartellabsatz hinzuziehen könnten, was jedoch für den überwiegenden Teil nicht zutrifft.

Zusammenfassend ist demnach zur Frage der Preisbestimmungsfähigkeit für Verbundlieferungen und Lieferungen im Werkselbstverbrauch festzuhalten:

Die Entscheidung der Hohen Behörde ist rechtsfehlerhaft, weil sie für die Einbeziehung des Werkselbstverbrauchs keine Begründung gibt, weil sie keine Begründung gibt für die Anwendung des Diskriminierungsverbots auf Verbundlieferungen und weil auch bei Anwendung des Diskriminierungsverbots eine Preisbestimmungsfähigkeit des Kartells für einen nicht bekannten, vielleicht überwiegenden Teil der Verbundlieferungen nicht anzunehmen ist.

ii) Absatzkontrolle

Da jedes der Kriterien des Buchstaben c die Entscheidung allein tragen kann, will ich die Untersuchung fortsetzen und auf die Frage erstrecken, ob eine Absatzkontrolle für einen wesentlichen Teil des gemeinsamen Marktes gegeben ist, wenngleich zu betonen ist, daß mit Rücksicht auf die eingangs geäußerten Bedenken zur Definition der Absatzkontrolle, wie sie die Hohe Behörde vorgenommen und angewandt hat, die folgende Untersuchung zur Bestimmung des maßgeblichen Marktanteils nur subsidiären Charakter haben kann.

Nach Ansicht der Hohen Behörde (Ziffer 13 der Entscheidungsbegründung) ist ausreichend, daß die Kartellvereinbarung „Regeln und Voraussetzungen für die Vorbehaltsmengen“ festsetzt und im übrigen (auch durch Verpflichtung der Nach-erwerber) sicherstellt, daß eine anderweitige Abgabe dieser Mengen unterbleibt.

Versteht man unter Absatzkontrolle, wie im ersten Teil der Schlußanträge abgehandelt, eine wesentliche Beeinflussung der Absatzgestaltung, der Absatzpolitik, und zwar derart, daß Auswirkungen auf die Wettbewerbslage am gemeinsamen Markt zu verzeichnen sind, so ergibt sich folgende Beurteilung:

Landabsatz:

Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Lieferungen im Landabsatz auf dem gemeinsamen Markt im wirtschaftlichen Sinne erscheinen. Das in § 6 des Kartellvertrages erwähnte „eigene Ermessen“ der Gesellschafter für den Absatz dieser Mengen muß sich nach dem Kartellvertrag (§ 21) bestimmte Einschränkungen gefallen lassen (Definition der Verbraucher-gruppen, geographische Begrenzung des Marktes, Absatz nur von bestimmten Landabsatzstellen). Frei sind die Gesellschafter innerhalb dieses Rahmens etwa für die Bestimmung der Mengen, Arten, Sorten und Absatzgebiete im einzelnen sowie hinsichtlich der Frage, ob überhaupt abgesetzt wird (letzteres ist in Zeiten der Überproduktion allerdings nur eine theoretische Denkmöglichkeit).

Auch wenn das Kartell nicht den Einzelabsatz an jeden Verbraucher mitbestimmen kann im Sinne einer Lenkung und Bemessung der Liefermengen, so muß doch festgestellt werden, daß durch die Kartellabmachung selbst die Möglichkeit für den Landabsatz Beschränkungen unterworfen sind, in denen sich ein erheblicher Einfluß des Kartells auf den Absatz manifestiert.

Die Landabsatzmengen können also — auch was die Absatzkontrolle angeht — bei der Bestimmung des maßgeblichen Marktanteils nicht außer Betracht bleiben.

Andere Vorbehaltsmengen: Verbundlieferungen und Lieferungen innerhalb einheitlicher Unternehmen

Es steht fest, daß für diese Lieferungen wie für den Landabsatz die Verwendungsmöglichkeiten durch den Kartellvertrag selbst erheblich eingeschränkt sind. Auch hier taucht aber die Frage auf, ob von einem Absatz auf dem Markt gesprochen werden kann, weil diese Mengen nicht nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage auf dem Markt, d. h. im Wettbewerb mit anderen Produkten, abgesetzt werden, sondern außerhalb des Marktes auf Anordnung des beherrschenden Unternehmens oder bei Einheitsunternehmen auf Anordnung der Unternehmensleitung. Diese Frage kann hier nicht anders zu beantworten sein als im Zusammenhang mit der Preisbestimmung: der Absatz innerhalb eines einheitlichen Unternehmens und innerhalb eines Verbundes von Unternehmen, dessen Verflechtungsintensität den Verbund wirtschaftlich einem Einzelunternehmen annähert, gehört funktionell nicht zum Gemeinsamen Markt. Der Umfang der Verbundlieferungen wird in den Grenzen des Kartellvertrages einseitig von einem der beteiligten Unternehmen festgelegt. Auch ohne Kartellvereinbarung würden diese Mengen am Wettbewerb zwischen den Unternehmen nicht teilnehmen, weil sie nicht oder nur in geringen Schwankungen auf den Markt kommen. Es darf zudem nicht übersehen werden, daß nach dem Kartellvertrag die Stimmengewichte sich nach den gemeldeten Mengen bemessen und daß Unternehmen mit großen Vorbehaltsmengen innerhalb des Kartells, also auch hinsichtlich des Kartellabsatzes, einen geringeren Einfluß haben. Vorbehaltsmengen dieser Art können somit nicht dem Kartell, d. h. den beteiligten Unternehmen in ihrer Gesamtheit, als Instrument zur Marktbeeinflussung dienen. Sie müssen außer Betracht bleiben, wenn der Marktanteil ermittelt wird, auf den sich die Absatzkontrolle erstreckt.

Was die These der Hohen Behörde angeht, die gesamte Förderung sei potentieller Absatz des Kartells und potentiell seiner Absatzkontrolle unterworfen, so ist diese Feststellung offensichtlich unrichtig (vgl. etwa den Zechenselbstverbrauch, bei dem von Absatz nicht gesprochen werden kann). Im übrigen gilt auch hier, was zur Frage der Preisbestimmung ausgeführt wurde. Es kommt darauf an, in welchem Umfang Schwankungen in den Verbundlieferungen und im Werkselbstverbrauch mit Rücksicht auf rechtliche, technische und wirtschaftliche Gründe tatsächlich erwartet werden können. Nur insoweit stellen diese Lieferungen eine potentielle Absatzmenge des gemeinsamen Verkaufs dar.

Als Ergebnis ist demnach festzuhalten: Bei der Berechnung des Marktanteils der am Kartell beteiligten Unternehmen begeht die Hohe Behörde insofern einen Fehler, als sie Lieferungen innerhalb einheitlicher Unternehmen teilweise und Verbundlieferungen in vollem Umfang berücksichtigt. Wie die von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung gelieferten Absatzzahlen zeigen, wird die Anteilsberechnung der Hohen Behörde in Ziffer 9 der Entscheidungsbegründung dadurch in wesentlicher Weise berührt.

iii) Würdigung des Marktanteils

Da die Hohe Behörde in der Entscheidung nicht erklärt hat, auch ein derart reduzierter Marktanteil sei als wesentlich im Sinne des Artikels 65 § 2 c) anzusehen, erhebt sich die Frage, ob der Gerichtshof diese Feststellung treffen kann.

Dagegen sind zwei Gründe ins Feld zu führen:

Es ist Sache der Hohen Behörde, die tatsächlichen Elemente einer Kartellvereinbarung zu beurteilen. Wie richtig bemerkt wird, handelt es sich hier um eine wirtschaftliche Gesamtwürdigung, bei der Marktdaten, Markteinflüsse, Marktentwicklungen berücksichtigt werden müssen. Diese Gesamtwürdigung kann vom Gerichtshof nur in beschränktem Umfang nachgeprüft werden, um so weniger ist es zulässig, daß er sie selbst an Stelle der Hohen Behörde vornimmt.

Es verhält sich außerdem im vorliegenden Falle nicht so, daß nur einfache und genau feststehende Abstriche innerhalb eines Zahlenwerkes notwendig sind. — Wie sich gezeigt hat, müssen gewisse Schwankungsgrade innerhalb der Verbundlieferungen berücksichtigt werden. Überdies bedarf es nicht nur einer Berichtigung der Marktanteile der Klägerinnen, sondern auch einer Korrektur an den Vergleichszahlen über den Absatz am Gemeinsamen Markt, in denen, wie die Hohe Behörde versichert, ebenfalls Verbundlieferungen und Werkselbstverbrauch enthalten sind, ohne daß ihre genaue Größe feststeht.

Die Hohe Behörde selbst muß demnach, sollte ihre Entscheidung aus den erwähnten Gründen aufgehoben werden, anhand der gegebenen Auslegungsrichtlinien eine neue mathematische Berechnung vornehmen und auf der Basis dieser Werte eine erneute Gesamtwürdigung durchführen.

d) Was ist bei der Beurteilung des Marktanteils außerdem zu berücksichtigen?

Innerhalb des Buchstaben c und immer noch in Ansehung des Merkmals „wesentlicher Teil“ muß schließlich noch eine Rüge untersucht werden, die vom Streithelfer erhoben wurde. Der Vertreter des Landes Nordrhein-Westfalen wies darauf hin, daß nach dem Vertragswortlaut unter „partie des produits en cause“ im vorliegenden Falle zwar nur der Anteil am Kohlemarkt zu verstehen sei; es müsse aber in der Bestimmung dessen, was wesentlicher Anteil ist, in Betracht gezogen werden, welche Einflüsse auf den Kohlenmarkt einwirken .

Es ist sicher richtig, das Kriterium „wesentlicher Teil“ als unbestimmten Rechtsbegriff zu qualifizieren, der nach Sinn und Zweck der ihn enthaltenden Vorschrift auszufüllen ist. Wenn in Artikel 65 die äußerste Grenze für genehmigungsfähige Kartelle festzulegen ist unter Berücksichtigung des Marktanteils der beteiligten Unternehmen, dann liegt der Grund dafür in dem Bestreben, Wettbewerbsbeschränkungen auszuschließen, die ein wesentliches Ausmaß erreichen und als solche die Wettbewerbsordnung des Vertrages gefährden.

Was unter „wesentliche Einschränkung des Wettbewerbs“ zu verstehen ist, muß ermittelt werden im Hinblick auf die Normallage, d. h. im Hinblick auf die normalen Wettbewerbsbedingungen, wie sie nach Artikel 5 und Artikel 65 § 1 des Vertrages für die Gemeinschaft verwirklicht werden sollen. Diese Normalsituation ist der Beurteilungsstandpunkt für jede Kartellvereinbarung.

Es ist unschwer zu erkennen und wohl auch nicht streitig, welches tatsächliche wirtschaftliche Bild den Vertragsautoren vor Augen stand, als sie in den Text des Montanvertrages die Wendung „normale Wettbewerbsbedingungen“ aufnahmen. Die Situation war damals gekennzeichnet durch einen Uberhang der Nachfrage, d. h. durch eine starke Stellung der Kohle auf dem Energiemarkt. Es war also im grundsätzlichen eine strenge Anwendung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften angezeigt, wollte man der Verwirklichung normaler Wettbewerbsbedingungen am nächsten kommen.

In diesem Prozeß, vor allem aber auch in maßgeblichen Veröffentlichungen der Hohen Behörde, in der Fachliteratur und in wissenschaftlichen Gutachten ist dargelegt worden, daß die im Jahre 1952 bestehende Ausgangslage sich grundlegend gewandelt hat. Der Gerichtshof selbst hat das tiefgehende Ausmaß dieser Veränderung ausdrücklich anerkannt in den Erklärungen, die er abgegeben hat in den Verfahren zur Änderung der Artikel 56 und 65.

Der Marktanteil der Kohle ist im Schwinden, andere Primärenergieträger, wie Importkohle, Öl und Erdgas, nehmen fortschreitend ihren Platz ein. Es ist unbestreitbar, daß eine Vereinigung des Marktes von Kohle, Öl und Erdgas stattgefunden hat.

Die Wettbewerbsregeln des EGKS-Vertrages (z. B. Veröffentlichung von Preislisten, Gleichbehandlung der Abnehmer) sind aber nicht die Regeln des Wettbewerbs, die den Anbietern von Öl und Gas zur Verfügung stehen.

Diese Veränderung verlangt notwendigerweise, daß der Begriff „normaler Wettbewerb auf dem gemeinsamen Markt“ anders verstanden wird als zur Zeit der Gründung der Gemeinschaft. Schon in den vorbereitenden Vertragsverhandlungen wurde betont, das Ausmaß des Wettbewerbs könne nur nach den jeweiligen Umständen bestimmt werden. Für die Prüfung der einzelnen Elemente des Artikels 65 kann demnach an der geänderten Situation des Marktes nicht vorbeigesehen werden.

Die Kennzeichnung der gegenwärtigen Lage ist damit aber noch nicht abgeschlossen. Zu Recht weisen die Klägerinnen darauf hin, daß der gemeinsame Markt nicht nur durch die Substitutionskonkurrenz von außen beeinflußt wird. Auch in seinem Innern bietet sich ein Bild dar, das in wesentlichen Punkten von den ursprünglichen Vorstellungen über „normale Wettbewerbsbedingungen“ abweicht.

Nach dem Vertrag hat jede Erzeugung von Kohle im Gebiet der Gemeinschaft einen Rechtsanspruch auf Zugang zu allen Verbrauchern im gemeinsamen Markt. Die Beschränkung des Zugangs auf Teile des gemeinsamen Marktes, auch durch legale Maßnahmen oder Tatsachen, die nicht im Wettbewerb begründet sind, hat die rechtliche Folge, daß der Begriff des gemeinsamen Marktes im Sinne des Vertrages nicht angewandt werden kann. Es ist nicht zu leugnen, daß wir heute an Stelle eines einheitlichen Marktes getrennte Märkte vor uns sehen, in denen Produktion und Verteilung sich nicht unter den gleichen Wettbewerbsbedingungen vollziehen. Teilweise ist der Kohlenbergbau in der Gemeinschaft verstaatlicht, der Kohlenabsatz zentralisiert, ebenso wie die Kohleneinfuhr und die Transportorganisation, teilweise werden die Energieträger insgesamt gelenkt in straffer staatlicher Regie. In diesen Fällen scheidet ein interner Wettbewerb der Erzeuger- und Absatzbetriebe aus. Er wird aufgehoben durch die zentrale Gesamtleitung, die für einen vereinheitlichten Ausgleich der wirtschaftlichen Betriebsergebnisse sorgt.

Auch wenn man nicht aus der Feststellung der gegenwärtig vorhandenen Mängel des gemeinsamen Marktes auf die Unzulässigkeit der Anwendung der Wettbewerbsregeln schlechthin schließen will (wie es etwa Kronstein in seinem Frankfurter Referat ( 4 ) getan hat, während die Klägerinnen selbst nicht so weit gehen), so ist es doch m. E. unabweislich, die gegebene wirtschaftliche und rechtliche Konstellation mit allen ihren Elementen bei der Deutung unbestimmter Rechtsbegriffe zu berücksichtigen, also auf eine Anwendung zu drängen, welche der Abweichung von der Normallage des Wettbewerbs gebührend Rechnung trägt. In diesem Zusammenhang ist mit anderen Worten die Möglichkeit gegeben, die von den Klägerinnen so nachdrücklich betonte Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse in die Betrachtung einzubeziehen, ohne daß dem Vertrag Gewalt angetan wird. Diese Rücksicht ist aber auch notwendig, will man sich nicht dem Vorwurf aussetzen, einen unbestimmten Begriff unvollständig und einseitig ausgefüllt zu haben.

Danach erscheint es klar, daß die mit einem bestimmten Anteil am Kohlenmarkt verbundene Wettbewerbsbeeinträchtigung verschieden zu beurteilen ist, je nachdem, ob ein isolierter Kohlenmarkt existiert oder ob andere Energieträger auf den Kohlenmarkt einwirken. Ist ein starker Konkurrenzdruck von außen festzustellen, so kann eine wesentliche Beeinflussung durch ein Kohlenkartell nur dort vorhanden sein, wo der Markteinfluß dem der Substitutionsgüter vergleichbar ist. Mit anderen Worten: der Druck der Außenkonkurrenz auf den gemeinsamen Kohlenmarkt verlangt eine Verschiebung der zulässigen Kartelldimensionen.

Es fragt sich, ob die Hohe Behörde in ihrer Entscheidung den geschilderten Anforderungen entspricht. Sie stellt unter Ziffer 11 der Begründung fest:

„Die Hohe Behörde verkennt nicht den Wettbewerbseinfluß von Angeboten aus dritten Ländern und anderer Energieträger auf bestimmte Kohlenarten. Sie hat daher diese Einflüsse geprüft …“

Es kann ihr aber entgegengehalten werden, daß sie diese Prüfung nur durchführte, um sich von der Möglichkeit der Preisbestimmung durch die Kartellbeteiligten zu überzeugen. Bei der Ermittlung des maßgeblichen Marktanteils beschränkt sie sich auf einen Vergleich mit dem Kohlenabsatz in der Gemeinschaft (Ziffer 9). In keinem Fall hat sich dié Hohe Behörde ausgelassen über den Einfluß der besonderen Struktur gewisser Teile des gemeinsamen Marktes, die ich gekennzeichnet habe, obwohl eine — wie die Klägerinnen zu Recht betonen — straffe staatliche Regie für den Energieabsatz auch bei kleinerem Marktanteil in ihrem Einfluß auf den Markt einem privaten Kartell mit größeren Absatzziffern überlegen sein kann.

Hier scheint mir ein wesentlicher Fehler in der Methode der Hohen Behörde zutage zu treten, vielleicht der schwerste unter allen bisher erwähnten. Und hier scheint mir am ehesten der Appell der Klägerinnen zur Befolgung einer dynamischen Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung angebracht, die parallel geht zur wirtschaftlichen Entwicklung.

Vor allem auch im Hinblick auf diese Überlegungen muß die Entscheidung der Hohen Behörde als mangelhaft angesehen werden, weil nicht auszuschließen ist, daß ihre Beurteilung bei Beachtung aller erforderlichen Elemente im Ergebnis anders ausgefallen sein könnte.

II — ARTIKEL 65 § 2 BUCHSTABE b

Eine vollständige Prüfung des Sachverhalts verlangt noch einige Bemerkungen zu Artikel 65 § 2 Buchstabe b, denn wenn sich auch gezeigt hat, daß die ablehnende Entscheidung der Hohen Behörde, soweit sie auf Buchstabe c beruht, in ihrem rechtlichen Bestand wesentlich erschüttert ist, so könnte sie doch in dem selbständigen Kriterium des Buchstaben b eine ausreichende und allein tragfähige Stütze finden.

Die Klägerinnen greifen die Feststellungen der Hohen Behörde zu § 2 b) vor allem an mit dem Vorwurf der unzureichenden Begründung.

In der Entscheidung wird ausgeführt: Für Buchstabe b sei zu untersuchen, ob die Art der Vereinbarung, der Umfang der verwendeten Mittel und die Modalitäten ihrer Anwendung im Hinblick auf die damit verbundene Einschränkung des Wettbewerbs wesentlich seien, um die erstrebten Verbesserungen des Vertriebs zu erreichen, oder ob andere Vereinbarungen mit weniger starken Wettbewerbseinschränkungen gleiche Auswirkungen hätten. Die Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten lasse nicht die Feststellung zu, daß zur Lösung der von den Klägerinnen aufgeführten Probleme unbedingt die beträchtlichen Mittel erforderlich seien, welche die Verkaufsorganisation mit sich bringt, und daß es technisch nicht möglich sei, diese Probleme durch andere Vereinbarungen zu lösen. Unter Berücksichtigung der charakteristischen Merkmale der Unternehmen, ihrer Abbaubedingungen und der Absatzbedingungen für die einzelnen Arten und Sorten sei es technisch möglich, andere Regelungen für die Organisation des Ruhrkohlenverkaufs einzuführen.

Die Hohe Behörde könne daher nicht feststellen, daß die vorgelegte Vereinbarung den in Artikel 65 § 2 b) genannten Voraussetzungen für eine Genehmigung entspricht.

Es stellt sich die Frage, ob diese wenigen Bemerkungen den Anforderungen genügen, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes an eine Entscheidungsbegründung zu stellen sind.

Im Grunde gibt die Hohe Behörde nicht mehr als eine außerordentlich summarische Darstellung des Prüfungsverfahrens und des Prüfungsgegenstands, an die sie Bedenken anschließt im Hinblick auf den Umfang des geplanten Kartells, ohne daß im einzelnen die Ergebnisse ihrer Prüfungen unter Erwähnung der erforderlichen rechtlichen Maßstäbe angeführt werden. Insbesondere läßt die Hohe Behörde nicht erkennen, wo ihrer Ansicht nach die geplante Kartellstruktur aufhört, wesentlich zu sein für die Erreichung der verfolgten Ziele.

Die vorhandenen Hinweise erlauben es dem Gerichtshof nicht, auch nur in groben Zügen die rechtlichen Gedankengänge nachzuvollziehen, die für die Entscheidung der Hohen Behörde auf Grund der tatsächlichen Daten wesentlich waren.

Somit dürfte die Begründung nach den Maßstäben des Vertrages nicht ausreichen.

Aus den angeführten Gründen und weil die Hohe Behörde selbst einräumt, daß sie Buchstabe b nicht abschließend, d. h. unter allen notwendigen Aspekten, geprüft hat (Klagebeantwortung, Seite 6), erübrigt es sich, auf zusätzliche Einzelargumente der Klägerinnen einzugehen.

Auch die Erwägungen zu Buchstabe b vermögen die Entscheidung der Hohen Behörde nicht zu tragen, was letzten Endes ihre Aufhebung rechtfertigt.

III — ERGEBNIS

Mit Rücksicht auf die Fehler, die der Ablehnungsentscheidung der Hohen Behörde anhaften, schlage ich daher vor,

die Entscheidung für nichtig zu erklären und die Sache an die Hohe Behörde zur weiteren Behandlung zurückzuverweisen;

der Hohen Behörde die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.


( 1 ) Entscheidung Nr. 17/60, Amtsblatt 1960, Seite 1028.

( 2 ) NJW 51, Seite 382.

( 3 ) Vgl. Mestmäcker: Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958.

( 4 ) „Die Bedeutung der Wettbewerbsregeln im Gesamtrahmen des Montanvertrages und des Vertrages über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft“, Internationale Kartellrechtskonferenz, Juni 1960.