Brüssel, den 8.7.2024

COM(2024) 513 final

2024/0172(NLE)

Vorschlag für einen

BESCHLUSS DES RATES

über das Bestehen eines übermäßigen Defizits in Italien


2024/0172 (NLE)

Vorschlag für einen

BESCHLUSS DES RATES

über das Bestehen eines übermäßigen Defizits in Italien

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 126 Absatz 6,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Bemerkungen Italiens,

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.Nach Artikel 126 AEUV haben die Mitgliedstaaten übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden.

2.Der Stabilitäts- und Wachstumspakt beruht auf dem Ziel gesunder öffentlicher Finanzen als Mittel zur Verbesserung der Voraussetzungen für Preisstabilität und ein starkes, nachhaltiges und inklusives Wachstum, das auf einem stabilen Finanzsystem fußt, und trägt so zur Verwirklichung der Ziele der Union für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung bei.

3.Das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit nach Artikel 126 AEUV, das durch die zum Stabilitäts- und Wachstumspakt gehörende Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit 1 näher geregelt wird, sieht einen Beschluss über das Bestehen eines übermäßigen Defizits vor. Das Protokoll Nr. 12 über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit, das dem Vertrag über die Europäische Union und dem AEUV beigefügt ist, enthält weitere Bestimmungen zur Durchführung des genannten Verfahrens. Für die Anwendung dieser Bestimmungen sind in der Verordnung (EG) Nr. 479/2009 des Rates 2 detaillierte Vorschriften und Begriffsbestimmungen festgelegt. Der am 30. April 2024 in Kraft getretene reformierte EU-Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung umfasst die Verordnung (EU) 2024/1264 des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates. Bei der Reform sind die Vorschriften des wegen Nichteinhaltung des Defizitkriteriums greifenden Defizitverfahrens im Großen und Ganzen unverändert geblieben, während der Fokus bei Defizitverfahren wegen Nichteinhaltung des Schuldenstandskriteriums im Falle von Mitgliedstaaten mit einer Schuldenquote von über 60 % des BIP nunmehr auf den Abweichungen vom Nettoausgabenpfad liegt, der nach der Verordnung (EU) 2024/1263 auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten zu übermittelnden mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Pläne vom Rat festgelegt wird. Da der Rat noch keinen Nettoausgabenpfad für Italien festgelegt hat, kann die Kommission die Einhaltung des Schuldenstandskriteriums nicht nach den neuen Vorschriften bewerten. Deshalb geht es im vorliegenden Ratsbeschluss nur darum, ob das Verhältnis des öffentlichen Defizits zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) den Referenzwert von 3 % des BIP überschreitet.

4.Nach Artikel 126 Absatz 5 AEUV muss die Kommission dem betreffenden Mitgliedstaat eine Stellungnahme vorlegen und den Rat unterrichten, wenn sie der Auffassung ist, dass in einem Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht oder sich ergeben könnte. Unter Berücksichtigung ihres Berichts nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV und der Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses nach Artikel 126 Absatz 4 AEUV gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass in Italien ein übermäßiges Defizit besteht. Am 8. Juli 2024 legte die Kommission Italien daher eine entsprechende Stellungnahme vor und unterrichtete den Rat. 3  

5.Nach Artikel 126 Absatz 6 AEUV hat der Rat die Bemerkungen, die der betreffende Mitgliedstaat gegebenenfalls abzugeben wünscht, zu berücksichtigen, bevor er nach Prüfung der Gesamtlage beschließt, ob ein übermäßiges Defizit besteht. Im Falle Italiens führt die Prüfung der Gesamtlage zu den nachstehenden Schlussfolgerungen.

6.Nach den am 22. April 2024 von Eurostat validierten Daten 4 belief sich das gesamtstaatliche Defizit Italiens 2023 auf 7,4 % des BIP und der gesamtstaatliche Schuldenstand auf 137,3 % des BIP. In ihrem Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV vertrat die Kommission die Auffassung, dass der im Vertrag festgelegte Referenzwert von 3 % des BIP im Jahr 2023 nicht nur ausnahmsweise überschritten wurde, da dies im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspakts weder auf außergewöhnliche Umstände noch auf einen schweren Konjunkturabschwung zurückzuführen war. Das reale BIP Italiens wuchs 2023 um 0,9 % des BIP, nach einem BIP-Wachstum von 4,0 % im Jahr 2022. Ausgehend von der Frühjahrsprognose 2024 der Kommission, wonach das gesamtstaatliche Defizit in den Jahren 2024 und 2025 weiterhin bei über 3 % des BIP liegen dürfte, wird der im Vertrag festgelegte Referenzwert auch nicht nur vorübergehend überschritten. Im Ergebnis lag das Defizit 2023 über dem im Vertrag vorgesehenen Referenzwert von 3 % des BIP und nicht in dessen Nähe. Der Referenzwert kann im Sinne des Vertrags und des Stabilitäts- und Wachstumspakts weder als ausnahmsweise noch als vorübergehend überschritten angesehen werden. Folglich ist das Defizitkriterium im Sinne des Vertrags und der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 allem Anschein nach nicht erfüllt.

7.Laut Stabilitätsprogramm 2024 soll sich das gesamtstaatliche Defizit Italiens 2024 auf 4,3 % des BIP belaufen. Die Frühjahrsprognose 2024 der Kommission 5 weist auf ein Defizit von 4,4 % des BIP hin, das damit über dem im Vertrag festgelegten Referenzwert von 3 % des BIP und nicht in dessen Nähe läge.

8.Den Anforderungen des Artikels 126 Absatz 3 AEUV entsprechend hat die Kommission in ihrem Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV auch alle einschlägigen Faktoren geprüft. Nach Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 werden, wenn das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum BIP den Referenzwert überschreitet, einschlägige Faktoren bei der Bewertung der Einhaltung des Defizitkriteriums in den auf den Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV folgenden Verfahrensschritten, die zur Feststellung eines übermäßigen Defizits führen, nur dann berücksichtigt, wenn – vor Berücksichtigung einschlägiger Faktoren – das gesamtstaatliche Defizit in der Nähe des Referenzwerts bleibt und der Referenzwert nur vorübergehend überschritten wird. Diese doppelte Bedingung ist bei Italien nicht erfüllt. Daher werden in den diesem Beschluss vorausgehenden Verfahrensschritten keine einschlägigen Faktoren berücksichtigt.

9.Da der nationale mittelfristige strukturelle finanzpolitische Plan nach Artikel 36 der Verordnung (EU) 2024/1263 bis zum 20. September 2024 zu übermitteln ist, stellt der Rat fest, dass der nächste Verfahrensschritt, namentlich die Empfehlung der Kommission für eine Empfehlung des Rates nach Artikel 126 Absatz 7 AEUV zur Korrektur des übermäßigen Defizits, zeitlich mit den Stellungnahmen der Kommission zu den Übersichten über die Haushaltsplanung der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets nach Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 473/2013 zusammenfallen wird. Dadurch kann die Übereinstimmung zwischen den haushaltspolitischen Vorgaben des Defizitverfahrens und dem in den mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Plänen festgelegten Anpassungspfad sichergestellt werden. Um diese Übereinstimmung zu ermöglichen, ohne dass bei der Überwachung im Rahmen des Defizitverfahrens eine Lücke entsteht, ist es erforderlich, dass die mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Pläne der Mitgliedstaaten rechtzeitig übermittelt werden. Dieser Zeitplan ist eine Ausnahme und hängt mit der Umstellung auf den neuen Rahmen zusammen; folglich wird damit kein Präzedenzfall geschaffen. Der Rat stellt außerdem fest, dass für die Empfehlung der Kommission für eine Empfehlung des Rates nach Artikel 126 Absatz 7 im Falle einer nicht rechtzeitigen Übermittlung des mittelfristigen Plans der Referenzpfad herangezogen wird, den die Kommission dem Mitgliedstaat nach der Verordnung (EU) 2024/1263 übermittelt hat —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Nach Prüfung der Gesamtlage ist festzustellen, dass in Italien wegen Nichteinhaltung des Defizitkriteriums ein übermäßiges Defizit besteht.

Artikel 2

Dieser Beschluss ist an die Italienische Republik gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am

   Im Namen des Rates

   Der Präsident

(1)    ABl. L 209 vom 2.8.1997, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/1997/1467/2024-04-30 .
(2)    ABl. L 145 vom 10.6.2009, S. 1.
(3)    Alle Dokumente zum Defizitverfahren gegen Italien sind abrufbar unter: https://economy-finance.ec.europa.eu/economic-and-fiscal-governance/stability-and-growth-pact/corrective-arm-excessive-deficit-procedure/closed-excessive-deficit-procedures/italy_de .
(4)    Eurostat-Euroindikatoren vom 22. April 2024. Siehe: https://ec.europa.eu/eurostat/en/web/products-euro-indicators/w/2-22042024-AP .
(5)    European Economic Forecast – Spring 2024, European Economy-Institutional Paper, No 286, 15. Mai 2024.