Brüssel, den 19.6.2024

COM(2024) 606 final

Empfehlung für eine

EMPFEHLUNG DES RATES

zur Wirtschafts-, Sozial-, Beschäftigungs-, Struktur- und Haushaltspolitik Estlands

{SWD(2024) 600 final} - {SWD(2024) 606 final}


Empfehlung für eine

EMPFEHLUNG DES RATES

zur Wirtschafts-, Sozial-, Beschäftigungs-, Struktur- und Haushaltspolitik Estlands

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EU) 2024/1263 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2024 über die wirksame Koordinierung der Wirtschaftspolitik und über die multilaterale haushaltspolitische Überwachung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates 1 , insbesondere auf Artikel 3 Absatz 3,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)Die Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates 2 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität trat am 19. Februar 2021 in Kraft. Im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität wird den Mitgliedstaaten finanzielle Unterstützung für Reformen und Investitionen bereitgestellt und so für einen EU-finanzierten Konjunkturimpuls gesorgt. Den Prioritäten des Europäischen Semesters entsprechend trägt die Fazilität zur wirtschaftlichen und sozialen Erholung bei und erleichtert die Umsetzung nachhaltiger Reformen und Investitionen, insbesondere mit dem Ziel, den grünen und den digitalen Wandel zu fördern und die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten widerstandsfähiger zu machen. Sie hilft auch, die öffentlichen Finanzen zu stärken und das mittel- und langfristige Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum anzukurbeln, den territorialen Zusammenhalt in der EU zu verbessern und die weitere Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte zu unterstützen.

(2)Die am 27. Februar 2023 angenommene REPowerEU-Verordnung 3 zielt darauf ab, die Abhängigkeit der EU von Einfuhren fossiler Brennstoffe aus Russland stufenweise zu beenden. Dies würde zur Energieversorgungssicherheit und zur Diversifizierung der Energieversorgung der EU beitragen und zugleich den Einsatz erneuerbarer Energien, die Energiespeicherkapazitäten und die Energieeffizienz erhöhen. Estland hat seinem nationalen Aufbau- und Resilienzplan ein neues REPowerEU-Kapitel hinzugefügt, um wichtige Reformen und Investitionen zu finanzieren, die zur Verwirklichung der REPowerEU-Ziele beitragen werden.

(3)Am 16. März 2023 legte die Kommission die Mitteilung „Langfristige Wettbewerbsfähigkeit der EU: Blick über 2030 hinaus“ 4 vor, um zur politischen Entscheidungsfindung beizutragen und die Rahmenbedingungen für steigendes Wachstum zu schaffen. In dieser Mitteilung wird die Wettbewerbsfähigkeit im Rahmen von neun sich gegenseitig verstärkenden Faktoren betrachtet. Von diesen Faktoren werden der Zugang zu Kapital aus der Privatwirtschaft, Forschung und Innovation, Bildung und Kompetenzen sowie der Binnenmarkt als oberste politische Prioritäten für Reformen und Investitionen angesehen, mit denen die aktuellen Herausforderungen im Bereich der Produktivität angegangen und die EU und ihre Mitgliedstaaten auf lange Sicht wettbewerbsfähiger werden sollen. Am 14. Februar 2024 legte die Kommission im Anschluss an diese Mitteilung den Jahresbericht über den Binnenmarkt und die Wettbewerbsfähigkeit 5 vor. Darin wird ausführlich darauf eingegangen, welche Stärken der europäische Binnenmarkt im Wettbewerb aufweist und wo die Herausforderungen liegen, wobei die jährlichen Entwicklungen anhand der neun ermittelten Wettbewerbsfähigkeitsfaktoren nachgezeichnet werden.

(4)Am 21. November 2023 nahm die Kommission den Jahresbericht zum nachhaltigen Wachstum 2024 6 an und leitete damit den Zyklus des Europäischen Semesters für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2024 ein. Am 22. März 2024 billigte der Europäische Rat die auf die vier Komponenten der wettbewerbsfähigen Nachhaltigkeit abstellenden Prioritäten des Berichts. Am 21. November 2023 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 auch den Warnmechanismus-Bericht 2024 an, worin Estland nicht als einer der Mitgliedstaaten genannt wurde, bei denen wegen bestehender oder drohender Ungleichgewichte eine eingehende Überprüfung angezeigt war. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Stellungnahme zur Übersicht über die Haushaltsplanung Estlands 2024 an. Die Kommission legte außerdem eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets vor, die am 12. April 2024 vom Rat angenommen wurde, sowie den Vorschlag für den Gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2024 mit einer Analyse der Umsetzung der Beschäftigungspolitischen Leitlinien und der Grundsätze der Europäischen Säule sozialer Rechte, der am 11. März 2024 vom Rat angenommen wurde.

(5)Am 30. April 2024 trat der neue EU-Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung in Kraft. Dieser umfasst die neue Verordnung (EU) 2024/1263 des Europäischen Parlaments und des Rates über die wirksame Koordinierung der Wirtschaftspolitik und über die multilaterale haushaltspolitische Überwachung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates. Außerdem beinhaltet er die geänderte Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit und die geänderte Richtlinie 2011/85/EU über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten 7 . Die Ziele des neuen Rahmens sind Tragfähigkeit der öffentlichen Schulden sowie nachhaltiges und inklusives Wachstum durch graduelle Haushaltskonsolidierung sowie Reformen und Investitionen. Er fördert die nationale Eigenverantwortung und zeichnet sich durch eine stärkere mittelfristige Ausrichtung in Verbindung mit einer wirksameren und kohärenteren Durchsetzung aus. Jeder Mitgliedstaat sollte dem Rat und der Kommission einen nationalen mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Plan vorlegen. Die nationalen mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Pläne enthalten die haushaltspolitischen Zusagen sowie die Reform- und Investitionszusagen eines Mitgliedstaats und erstrecken sich je nach regulärer Dauer der nationalen Legislaturperiode auf einen Planungshorizont von vier oder fünf Jahren. Der Nettoausgabenpfad 8 der nationalen mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Pläne sollte den Anforderungen der Verordnung (EU) 2024/1263 entsprechen, einschließlich der Vorgaben, den öffentlichen Schuldenstand spätestens bis zum Ende des Anpassungszeitraums auf einen plausibel rückläufigen Pfad zu bringen oder darauf zu halten oder weiterhin auf einem dem Vorsichtsgebot entsprechenden Niveau unter 60 % des BIP zu halten und das öffentliche Defizit mittelfristig unter den Referenzwert von 3 % des BIP zu senken und/oder darunter zu halten. Wenn ein Mitgliedstaat ein einschlägiges Reform- und Investitionspaket zusagt, das die Vorgaben der Verordnung (EU) 2024/1263 erfüllt, kann der Anpassungszeitraum um bis zu drei Jahre verlängert werden. Um die Mitgliedstaaten bei der Ausarbeitung dieser Pläne zu unterstützen, wird die Kommission ihnen am [21. Juni] 2024 Leitlinien zum Inhalt der vorzulegenden Pläne und der anschließenden jährlichen Fortschrittsberichte an die Hand geben und ihnen gemäß Artikel 5 der Verordnung (EU) 2024/1263 technische Leitlinien zu Haushaltsanpassungen (Referenzpfade und gegebenenfalls technische Informationen) übermitteln. Die Mitgliedstaaten sollten ihre mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Pläne bis zum 20. September 2024 übermitteln, es sei denn, der Mitgliedstaat und die Kommission vereinbaren, diese Frist um einen angemessenen Zeitraum zu verlängern. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass ihre nationalen Parlamente einbezogen sowie erforderlichenfalls unabhängige finanzpolitische Institutionen, Sozialpartner und andere nationale Interessenträger konsultiert werden.

(6)Das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung verläuft 2024 weiterhin parallel zur Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität. Die vollständige Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne bleibt für die Verwirklichung der politischen Prioritäten im Rahmen des Europäischen Semesters unerlässlich, da mit diesen Plänen wirksam dazu beigetragen wird, dass alle oder wesentliche Teile der in den einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen der letzten Jahre genannten Herausforderungen angegangen werden. Ebenso relevant bleiben die länderspezifischen Empfehlungen von 2019, 2020, 2022 und 2023 auch für Aufbau- und Resilienzpläne, die nach den Artikeln 14, 18 und 21 der Verordnung (EU) 2021/241 überarbeitet, aktualisiert oder geändert wurden.

(7)Am 18. Juni 2021 legte Estland der Kommission gemäß Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2021/241 seinen nationalen Aufbau- und Resilienzplan vor. Gemäß Artikel 19 der Verordnung (EU) 2021/241 hat die Kommission die Relevanz, Wirksamkeit, Effizienz und Kohärenz des Aufbau- und Resilienzplans anhand der in Anhang V der Verordnung enthaltenen Leitlinien bewertet. Am 29. Oktober 2021 erließ der Rat einen Beschluss zur Billigung der Bewertung des Aufbau- und Resilienzplans Estlands 9 , der am 16. Juni 2023 nach Artikel 18 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2021/241 geändert wurde, um den maximalen finanziellen Beitrag zur nicht rückzahlbaren finanziellen Unterstützung zu aktualisieren und das REPowerEU-Kapitel aufzunehmen 10 . Die Freigabe von Tranchen ist erst möglich, nachdem die Kommission in einem Beschluss nach Artikel 24 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2021/241 festgestellt hat, dass Estland die im Durchführungsbeschluss des Rates festgelegten einschlägigen Etappenziele und Zielwerte in zufriedenstellender Weise erreicht hat. Eine zufriedenstellende Erreichung setzt voraus, dass es bei zuvor erreichten Etappenzielen und Zielwerten nicht wieder zu Rückschritten gekommen ist.

(8)Am 25. April 2024 legte Estland sein Nationales Reformprogramm 2024 und am 30. April 2024 gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 sein Stabilitätsprogramm 2024 vor. Nach Artikel 27 der Verordnung (EU) 2021/241 muss sich im Nationalen Reformprogramm 2024 auch die halbjährliche Berichterstattung Estlands über die Fortschritte bei der Durchführung seines Aufbau- und Resilienzplans niederschlagen.

(9)Am 19. Juni 2024 veröffentlichte die Kommission den Länderbericht 2024 für Estland 11 . Bewertet werden darin die Fortschritte Estlands bei der Umsetzung der einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen des Rates aus dem Zeitraum 2019 bis 2023 und der Stand der Durchführung des Aufbau- und Resilienzplans durch Estland. Ausgehend von dieser Bewertung wird im Länderbericht aufgezeigt, bei welchen Herausforderungen noch Handlungsbedarf besteht, weil sie mit dem Aufbau- und Resilienzplan nicht oder nur teilweise angegangen werden, und welche Herausforderungen neu hinzugekommen sind oder sich abzeichnen. Ferner werden in dem Bericht die Fortschritte Estlands bei der Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte, bei der Verwirklichung der Kernziele der EU in den Bereichen Beschäftigung, Kompetenzen und Armutsbekämpfung sowie bei den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung bewertet.

(10)Nach den von Eurostat validierten Daten erhöhte sich das gesamtstaatliche Defizit Estlands von 1,0 % des BIP im Jahr 2022 auf 3,4 % des BIP im Jahr 2023, während der gesamtstaatliche Schuldenstand von 18,5 % des BIP Ende 2022 auf 19,6 % des BIP Ende 2023 anstieg. Entsprechend ihrer Ankündigung in den Haushaltspolitischen Leitlinien für 2024 12  leitet die Kommission auf Basis der Ist-Daten für 2023 und gemäß den geltenden Rechtsvorschriften den ersten Schritt zur Eröffnung defizitbedingter Verfahren ein. Am 19. Juni 2024 nahm die Kommission einen Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV 13 an. In diesem Bericht wird die Haushaltslage Estlands bewertet, da das gesamtstaatliche Defizit im Jahr 2023 den Referenzwert von 3 % des BIP überstieg. In dem Bericht kommt die Kommission auf der Grundlage dieser Bewertung und unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses nach Artikel 126 Absatz 4 AEUV zu dem Schluss, dass sie im Juli nicht vorschlagen wird, ein Defizitverfahren gegen Estland einzuleiten.

(11)Am 12. Juli 2022 empfahl der Rat Estland, dafür zu sorgen, dass der Anstieg der national finanzierten laufenden Primärausgaben 2023 unter Berücksichtigung der fortgesetzten befristeten und gezielten Unterstützung für die vom Energiepreisanstieg besonders betroffenen Haushalte und Unternehmen sowie die aus der Ukraine flüchtenden Menschen mit einem weitgehend neutralen politischen Kurs im Einklang steht. Estland erhielt die Empfehlung, sich bereit zu halten, die laufenden Ausgaben an die sich wandelnde Situation anzupassen. Außerdem wurde Estland empfohlen, die öffentlichen Investitionen für den grünen und den digitalen Wandel sowie die Energieversorgungssicherheit unter Berücksichtigung der REPowerEU-Initiative auszuweiten, unter anderem durch Inanspruchnahme der Aufbau- und Resilienzfazilität und anderer Unionsfonds. Ausgehend von den Schätzungen der Kommission war der finanzpolitische Kurs im Jahr 2023 vor dem Hintergrund hoher Inflation mit 1,6 % des BIP expansiv. Das Wachstum der national finanzierten laufenden Primärausgaben (ohne diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen) leistete 2023 einen expansiven Beitrag von 1,0 % des BIP zum finanzpolitischen Kurs. Darin eingerechnet ist der Rückgang der Kosten der gezielten Sofort-Entlastungsmaßnahmen für die vom Energiepreisanstieg besonders betroffenen Haushalte und Unternehmen um 0,1 % des BIP. Auch der Anstieg der Kosten des vorübergehenden Schutzes von aus der Ukraine vertriebenen Menschen (um 0,2 % des BIP) ist darin enthalten. Der expansive Beitrag der national finanzierten laufenden Nettoprimärausgaben im Jahr 2023 war daher nur teilweise auf die Unterstützung von aus der Ukraine flüchtenden Menschen zurückzuführen. Das expansive Wachstum der national finanzierten laufenden Primärausgaben (ohne diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen) ging auf höhere öffentliche Lohn- und Rentenausgaben sowie weitere neue dauerhafte Ausgabenprogramme für Verteidigung, Bildung und Kinderzulagen zurück; diese Mehrausgaben wurden nicht durch entsprechende Zuwächse auf der Einnahmenseite ausgeglichen. Insgesamt stand das Wachstum der national finanzierten laufenden Primärausgaben 2023 nicht mit der Empfehlung des Rates im Einklang. Die mit Zuschüssen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität und anderen EU-Fonds finanzierten Ausgaben beliefen sich 2023 auf 1,4 % des BIP. Die national finanzierten Investitionen erreichten 2023 einen Umfang von 5,8 % des BIP und erhöhten sich damit gegenüber 2022 um 1,4 Prozentpunkte. Estland hat zusätzliche Investitionen über die Aufbau- und Resilienzfazilität und andere EU-Fonds finanziert. Außerdem hat Estland über die Aufbau- und Resilienzfazilität öffentliche Investitionen zur Förderung des grünen und des digitalen Wandels sowie für die Energieversorgungssicherheit finanziert, etwa für die Entwicklung von Veranstaltungsdiensten und eines digitalen Zugangstors für Unternehmer, die Kapitalisierung des Grünen Fonds (mit dem Investitionen in Risikokapitalfonds und Unternehmensbeteiligungen getätigt werden) und die Stärkung des Stromnetzes, damit zur Eindämmung des Klimawandels mehr erneuerbare Energie erzeugt werden kann.

(12)Die zentralen Projektionen des Stabilitätsprogramms 2024 lassen sich wie folgt zusammenfassen: Nach dem makroökonomischen Szenario, das den Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, wird sich das reale BIP-Wachstum 2024 auf 0,0 % und 2025 auf 2,0 % belaufen, während die Inflation 2024 mit 3,6 % und 2025 mit 2,7 % veranschlagt wird. Das gesamtstaatliche Defizit soll sich 2024 auf 3,5 % des BIP erhöhen 14 und 2025 bei 3,0 % des BIP liegen, während die gesamtstaatliche Schuldenquote bis Ende 2024 auf 22,6 % des BIP und bis Ende 2025 auf 24,9 % ansteigen soll. Nach 2025 soll das gesamtstaatliche Defizit den Projektionen zufolge allmählich auf 2,2 % des BIP im Jahr 2026, 1,4 % des BIP im Jahr 2027 und 0,8 % des BIP im Jahr 2028 zurückgehen. Der gesamtstaatliche Haushaltssaldo soll somit ab 2025 den Defizit-Referenzwert von 3,0 % des BIP nicht übersteigen. Die gesamtstaatliche Schuldenquote wiederum soll im Zeitraum nach 2025 zunächst auf 26,2 % im Jahr 2026 ansteigen und dann allmählich auf 26,0 % im Jahr 2027 und 25,0 % im Jahr 2028 zurückgehen.

(13)Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2024 von einem Rückgang des realen BIP um 0,5 % im Jahr 2024 und einem BIP-Wachstum von 3,1 % im Jahr 2025 sowie einer HVPI-Inflation von 3,4 % im Jahr 2024 und 2,1 % im Jahr 2025 aus.

(14)Das öffentliche Defizit dürfte sich der Frühjahrsprognose 2024 der Kommission zufolge im Jahr 2024 auf 3,4 % des BIP belaufen, während die gesamtstaatliche Schuldenquote bis Ende 2024 voraussichtlich auf 21,4 % ansteigen wird. Der Anstieg der Schuldenquote im Jahr 2024 ist in erster Linie auf das öffentliche Defizit zurückzuführen. Ausgehend von den Schätzungen der Kommission wird für 2024 ein finanzpolitisch weitgehend neutraler Kurs von 0,1 % des BIP erwartet.

(15)Nach der Frühjahrsprognose 2024 der Kommission werden im Jahr 2024 Ausgaben in Höhe von 0,9 % des BIP mit nicht rückzahlbarer Unterstützung („Zuschüssen“) aus der Aufbau- und Resilienzfazilität finanziert, gegenüber 0,3 % des BIP im Jahr 2023. Die mit Zuschüssen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität finanzierten Ausgaben werden Investitionen von hoher Qualität und produktivitätssteigernde Reformen ermöglichen, ohne dass sich dies unmittelbar auf den gesamtstaatlichen Haushaltssaldo und den gesamtstaatlichen Schuldenstand Estlands auswirkt.

(16)Am 14. Juli 2023 empfahl der Rat Estland, eine vorsichtige Haushaltspolitik zu gewährleisten und zu diesem Zweck insbesondere den nominalen Anstieg der national finanzierten Nettoprimärausgaben im Jahr 2024 auf höchstens 4,9 % zu begrenzen. Die Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, bei der Ausführung ihres Haushaltsplans 2023 und bei der Ausarbeitung ihrer Übersicht über die Haushaltsplanung 2024 zu berücksichtigen, dass die Kommission dem Rat auf Basis der Ist-Daten für 2023 die Eröffnung defizitbedingter Verfahren vorschlagen wird. Der Frühjahrsprognose 2024 der Kommission zufolge wird der strukturelle Saldo Estlands 2024 auf -0,7 % des BIP (nach -1,3 % im Jahr 2023) geschätzt, sodass das mittelfristige Haushaltsziel eines strukturellen Saldos von -0,75 % des BIP erreicht wird. Somit erfüllt Estland diese Empfehlung des Rates.

(17)Der Rat empfahl Estland ferner, die geltenden Sofort-Entlastungsmaßnahmen im Energiebereich zurückzufahren und die dadurch erzielten Einsparungen in den Jahren 2023 und 2024 so bald wie möglich zum Abbau des gesamtstaatlichen Defizits zu nutzen. Der Rat empfahl Estland darüber hinaus für den Fall, dass neuerliche Energiepreisanstiege neue oder fortgesetzte Entlastungsmaßnahmen erforderlich machen sollten, sicherzustellen, dass diese Entlastungsmaßnahmen gezielt auf den Schutz schwächerer Haushalte und Unternehmen ausgerichtet werden, für die öffentlichen Haushalte tragbar sind und die Anreize zum Energiesparen erhalten. In ihrer Frühjahrsprognose 2024 schätzt die Kommission die Netto-Haushaltskosten der Sofort-Entlastungsmaßnahmen im Energiebereich 2023 auf 0,2 % und 2024 und 2025 auf 0,0 % des BIP. Die Sofort-Entlastungsmaßnahmen im Energiebereich sollen den Projektionen zufolge in den Jahren 2023 und 2024 so früh wie möglich zurückgefahren werden. Dies steht mit der Empfehlung des Rates im Einklang.

(18)Darüber hinaus empfahl der Rat Estland, die national finanzierten öffentlichen Investitionen aufrechtzuerhalten und die effektive Abrufung von Zuschüssen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität sowie anderen EU-Fonds zu gewährleisten, um insbesondere den grünen und den digitalen Wandel zu fördern. Laut Frühjahrsprognose 2024 der Kommission dürften die national finanzierten öffentlichen Investitionen von 5,8 % des BIP im Jahr 2023 auf 6,3 % des BIP im Jahr 2024 ansteigen. Dies steht mit der Empfehlung des Rates im Einklang.

(19)Auf der Grundlage der zum Prognosestichtag bekannten Politikmaßnahmen und unter der Annahme einer unveränderten Politik rechnet die Kommission in ihrer Frühjahrsprognose 2024 für 2025 mit einem öffentlichen Defizit von 4,3 % des BIP. Der Anstieg des Defizits im Jahr 2025 ist in erster Linie auf die Nettoauswirkungen einer Reform der Einkommensteuer zurückzuführen, die zu einem Rückgang der Einnahmen des Staates führen dürfte. Die gesamtstaatliche Schuldenquote dürfte sich bis Ende 2025 auf 24,6 % des BIP erhöhen. Der Anstieg der Schuldenquote im Jahr 2025 ist in erster Linie auf das öffentliche Defizit zurückzuführen.

(20)Der Anteil der Steuereinnahmen Estlands am BIP erhöhte sich 2023 zwar, liegt aber nach wie vor deutlich unter dem EU-Durchschnitt; daher sind die verfügbaren Mittel für öffentliche Ausgaben für Gesundheitsversorgung, Langzeitpflege und Sozialschutz begrenzt. Im Jahr 2022 beliefen sich die Einnahmen aus Immobiliensteuern, die zu den am wenigsten wachstumsschädlichen Steuern gehören, nur auf 0,3 % des BIP und betrugen damit nur etwa ein Siebentel des EU-Durchschnitts. In Estland lagen die vermögenswirksamen Steuern bei weniger als einem Drittel des EU-Durchschnitts (2,7 % des BIP), das Land wies mit die niedrigsten Verkehrssteuern in der EU auf und gehört zu den wenigen Mitgliedstaaten ohne jährliche Kraftfahrzeugsteuer. Ferner ist die Steuerlast ungleich verteilt, und die absehbaren Steuerreformen dürften die Ungleichheit weiter verstärken. Konkret dürften im Jahr 2025 die Anhebung des Einkommensteuersatzes von 20 % auf 22 %, die Erhöhung des Grundfreibetrags und die Ausweitung seiner Anwendung auf alle Einkommenssteuerpflichtigen regressiv sein. Außerdem ist die Einkommensteuer Estlands, wenngleich sie nahe am EU-Durchschnitt von 17,2 % des BIP liegt, regressiv, wobei höhere Einkommen mit einem niedrigeren effektiven Satz besteuert werden. Die öffentlichen Ausgaben für den Sozialschutz sind 2022 zurückgegangen und liegen nach wie vor deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Dies schlägt sich in einem relativ niedrigen Niveau und einer geringen Abdeckung der Sozialleistungen nieder, wobei die Altersrenten in Estland zu den niedrigsten in der EU gehören. Die Ausgaben für allgemeine öffentliche Dienstleistungen liegen mit 3,7 % des BIP fast zwei Drittel unter dem EU-Durchschnitt.

(21)Estland hat verschiedene Reformen durchgeführt, um die Zugänglichkeit und Erschwinglichkeit der Langzeitpflege und der Gesundheitsversorgung zu verbessern. Die Reformen gehen zwar in die richtige Richtung, doch eine nachhaltige Finanzierung von Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege ist noch nicht gewährleistet. Infolgedessen sind die Zuzahlungen nach wie vor hoch, und der ungedeckte Bedarf an medizinischer Versorgung ist gewachsen. Die Verfügbarkeit von Pflegeleistungen ist in Estland uneinheitlich, unter anderem aufgrund mangelnder Kapazitäten und Ressourcen der Gemeinden, um genügend Dienstleistungen zur Deckung des Bedarfs bereitzustellen. Obwohl der Bedarf nicht vollständig gedeckt wird, gehören die öffentlichen Ausgaben für Langzeitpflege und Gesundheitsversorgung nach wie vor zu den niedrigsten in der EU. Gleichzeitig herrscht in diesen Bereichen Arbeitskräftemangel. Aufgrund des demografischen Wandels dürfte der Bedarf an Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege steigen, sodass eine angemessene Finanzierung für diese beiden Bereiche erforderlich ist.

(22)Nach dem in Artikel 19 Absatz 3 Buchstabe b und Anhang V Abschnitt 2.2 der Verordnung (EU) 2021/241 genannten Kriterium enthält der Aufbau- und Resilienzplan ein umfassendes Paket sich gegenseitig verstärkender Reformen und Investitionen, die bis 2026 umzusetzen sind. Diese dürften helfen, alle oder einen wesentlichen Teil der Herausforderungen, die in den entsprechenden länderspezifischen Empfehlungen ermittelt wurden, wirksam anzugehen. In diesem engen Zeitrahmen ist eine zügige wirksame Umsetzung des Plans, insbesondere auch des REPowerEU-Kapitels, unerlässlich, um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit Estlands durch den grünen und den digitalen Wandel zu stärken und zugleich soziale Gerechtigkeit sicherzustellen. Um die im Plan enthaltenen Zusagen bis August 2026 zu erfüllen, muss Estland mit der Umsetzung der Reformen und Investitionen fortfahren. Die systematische Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, der Sozialpartner, der Zivilgesellschaft und anderer relevanter Interessenträger bleibt unerlässlich, um sicherzustellen, dass die erfolgreiche Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans auf breiter Basis eigenverantwortlich mitgetragen wird.

(23)Im Rahmen der Halbzeitüberprüfung der kohäsionspolitischen Mittel nach Artikel 18 der Verordnung (EU) 2021/1060 muss Estland jedes Programm bis März 2025 überprüfen und dabei unter anderem die in den länderspezifischen Empfehlungen 2024 ermittelten Herausforderungen sowie seinen Nationalen Energie- und Klimaplan berücksichtigen. Diese Überprüfung bildet die Grundlage für die endgültige Zuweisung der EU-Mittel für jedes einzelne Programm. Bei der Kohäsionspolitik und der Europäischen Säule sozialer Rechte hat Estland zwar Umsetzungsfortschritte erzielt, doch bleiben noch Herausforderungen und Ungleichheiten zwischen der Hauptstadt und dem Rest des Landes. Das kohäsionspolitische Programm muss unbedingt schneller umgesetzt werden, und die darin vereinbarten Prioritäten haben weiter Bestand. Besonders wichtig ist es, die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, insbesondere außerhalb des Hauptstadtgebiets, zu steigern und ihre Innovationsfähigkeit zu stärken. Die Erhöhung der Energieeffizienz privater und öffentlicher Gebäude sowie der Unternehmen hat hohe Priorität. Die Verbesserung der Beschäftigungschancen durch aktive und präventive Arbeitsmarktmaßnahmen und die Förderung eines gesunden Arbeitsumfelds sind nach wie vor wichtig. Auch den folgenden Aspekten sollte Priorität eingeräumt werden: Verbesserung der Qualität, Wirksamkeit und Arbeitsmarktrelevanz der allgemeinen und beruflichen Bildung, Förderung von lebenslangem Lernen, insbesondere flexibler Weiterbildung und Umschulung sowie aktiver Inklusion, und Verbesserung der Zugänglichkeit, Wirksamkeit und Resilienz von Langzeitpflegediensten. Im Rahmen der Halbzeitüberprüfung der kohäsionspolitischen Programme sollten die Bedürfnisse hinsichtlich der Zugänglichkeit und Qualität der Langzeitpflege genau analysiert werden, wobei ein Hauptaugenmerk auf die eigenständige Lebensführung der Betroffenen gerichtet werden sollte. Ferner könnte Estland die Initiative „Plattform für strategische Technologien für Europa“ nutzen, insbesondere im Hinblick auf Investitionen in klimaneutrale Produktionstechnologien und die Unterstützung des Wandels der Industrie, beispielsweise in den Bereichen technologieintensive Innovation, grüne und digitale Technologien und Biomedizin. Außerdem könnte Estland seine Kapazitäten zur Verarbeitung von Seltenerdmetallen ausbauen und die dafür erforderliche Forschung und Entwicklung fördern.

(24)Zusätzlich zu den mit dem Aufbau- und Resilienzplan sowie anderen EU-Fonds angegangenen Herausforderungen steht Estland vor einigen weiteren Herausforderungen im Zusammenhang mit Sozialschutz, Ressourceneffizienz und Kompetenzen.

(25)Der Sozialschutz zur Unterstützung von älteren Menschen, Menschen mit Behinderungen sowie Menschen in atypischen Beschäftigungsformen und kurzen Beschäftigungsverhältnissen ist nach wie vor gering. Infolgedessen erhöhte sich der Anteil der Menschen mit Behinderungen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht waren, im Jahr 2022 und war der zweithöchste in der EU. Die Altersarmut ist weiter gestiegen und gehörte im Jahr 2022 zu den höchsten in der EU, nicht zuletzt weil die Renten im Verhältnis zu den Erwerbseinkommen immer noch niedrig sind. Obwohl das Netz der sozialen Sicherheit in den Vorjahren in bestimmten Aspekten verbessert wurde, ist es nach wie vor unzureichend, was zu einer hohen und zunehmenden Einkommensungleichheit führt. Da der Anteil der Menschen, die Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit haben, insbesondere bei Personen in atypischen Beschäftigungsformen und kurzen Beschäftigungsverhältnissen gering ist, nehmen Einkommensungleichheit und Armut zu. Die Leistungen bei Arbeitslosigkeit werden dank Maßnahmen im Rahmen des estnischen Aufbau- und Resilienzplans zwar für einen längeren Zeitraum gewährt, doch die Ausweitung des Kreises der Begünstigten muss noch umgesetzt werden. Die zunehmende Ungleichheit hängt mit dem erheblichen Anstieg der Preise und der Lebenshaltungskosten zusammen, der nicht mit einer entsprechenden Erhöhung der Sozialleistungen und Mindestlöhne einherging. Die Lage der einkommensschwachen Haushalte hat sich aufgrund der in der Vergangenheit anhaltend hohen Inflation verschlechtert und dürfte sich durch die Steuerreformen 2024-2025 weiter verschlechtern. Durch geeignete Gegenmaßnahmen, auch in Bezug auf die Renten, und ein angemesseneres Sozialschutzsystem könnten Armut und Ungleichheiten verringert werden. All diese Maßnahmen würden entsprechend der von den Kommissionsdienststellen anhand der Merkmale des Rahmens für soziale Konvergenz in der zweiten Phase vorgenommenen Länderanalyse 15 auch der sozialen Aufwärtskonvergenz zugutekommen.

(26)Der nach wie vor beträchtliche Anteil von Ölschiefer am Energiemix Estlands beeinträchtigt den grünen Wandel. Die Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen muss weiter ausgebaut werden, um eine schrittweise Abkehr von Ölschiefer zu ermöglichen und gleichzeitig ein hohes Maß an Energieunabhängigkeit zu wahren. Die Ölschieferindustrie verursacht nicht nur Umweltschäden, sondern erzeugt auch 90 % der gefährlichen Abfälle Estlands. Estland weist unter den EU-Mitgliedstaaten eine der niedrigsten Ressourcenproduktivitätsraten auf, was zum Teil auf die ressourcenintensive Ölschieferindustrie, aber auch auf das insgesamt ressourcenintensive Industriesystem des Landes zurückzuführen ist. Die Ressourcenproduktivität stieg kaum – von 1 Euro pro Kilogramm verwendeter Ressourcen auf 1,1 EUR/kg – und lag damit 2022 weiterhin bei weniger als der Hälfte des EU-Durchschnitts. Der Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft ist zu einem CO2-Emittenten geworden, anstatt als Absorptionsmöglichkeit zu fungieren. Im Forstsektor sind hohe Einschlagsmengen und eine geringe Valorisierung der Ressourcen zu verzeichnen. Estland würde von einer effizienteren nachhaltigen Forstwirtschaft, dem Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft und einer verbesserten Abfallbewirtschaftung profitieren. Darüber hinaus stellt die Ressourcenproduktivität eine der Schwächen Estlands in Bezug auf die Innovationsfähigkeit des Landes dar. Im Öko-Innovationsanzeiger 2022 belegte Estland den 13. Platz (115,5 gegenüber einem EU-Durchschnitt von 121,5, 2013 = 100). Die Förderung von Öko-Innovationen und biobasierten Innovationen für die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen wird dazu beitragen, die Ressourcenproduktivität und Wettbewerbsfähigkeit Estlands zu erhöhen.

(27)In vielen Sektoren herrschen Fachkräftemangel und ein Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage, was die Wettbewerbsfähigkeit Estlands beeinträchtigt. Unternehmen haben den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften als Hindernis für Investitionen und ihr Exportpotenzial erkannt. Der Fachkräftemangel und das große Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage gehen mit einem raschen Lohnwachstum und höheren Lohnstückkosten einher. Durch den grünen wie auch den digitalen Wandel ist die Nachfrage nach Arbeitskräften mit besonderen Kompetenzen gewachsen; gleichzeitig herrscht im Gesundheits- und im Bildungswesen weiterhin akuter Arbeitskräftemangel, der sich im Zuge der Alterung der Erwerbsbevölkerung weiter verschärft. Darüber hinaus führen die relativ hohen Quoten von vorzeitigen Schulabgängern und Hochschulabbrechern zu einer unzureichenden Zahl qualifizierter Absolventen. Dieses Problem ist in bestimmten Regionen besonders stark ausgeprägt, da es in ländlichen und abgelegenen Gebieten besonders schwierig ist, qualifizierte Fachkräfte anzuwerben. Dem Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage könnte durch eine weitere Verbesserung der Arbeitsmarktrelevanz des Systems der allgemeinen und beruflichen Bildung, Investitionen in Berufsberatung, die Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles, den Ausbau von Umschulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten und eine bessere Antizipation des Qualifikationsbedarfs begegnet werden. Da die Wirtschaft hin zu Tätigkeiten mit hohem Mehrwert diversifiziert werden muss, wären auch Maßnahmen zur Anwerbung und Bindung von Talenten hilfreich.

(28)Angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets und ihres kollektiven Beitrags zur Funktionsweise der Wirtschafts- und Währungsunion empfahl der Rat den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets 2024, unter anderem im Rahmen ihrer Aufbau- und Resilienzpläne Maßnahmen zu ergreifen, um die in der Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets enthaltenen Empfehlungen umzusetzen. Im Falle Estlands tragen die Empfehlungen 1, 2, 3 und 4 dazu bei, die erste, zweite, dritte und vierte Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet umzusetzen —

EMPFIEHLT, dass Estland 2024 und 2025 Maßnahmen ergreift, um

1.den mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Plan rechtzeitig zu übermitteln; das Wachstum der Nettoprimärausgaben 16 gemäß den Anforderungen des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakts im Jahr 2025 auf eine Rate zu beschränken, die damit vereinbar ist, das gesamtstaatliche Defizit unter den im Vertrag festgelegten Referenzwert von 3 % des BIP zu senken und den gesamtstaatlichen Schuldenstand mittelfristig auf einem dem Vorsichtsgebot entsprechenden Niveau zu halten; die Steuerbemessungsgrundlage auszuweiten und den Zugang zu und die Finanzierung der Gesundheitsversorgung und der Langzeitpflege zu verbessern;

2.den Aufbau- und Resilienzplan, insbesondere auch das REPowerEU-Kapitel, weiterhin zügig und wirksam umzusetzen und die Reformen und Investitionen bis August 2026 zum Abschluss bringen zu können; das kohäsionspolitische Programm schneller umzusetzen; im Rahmen der Halbzeitüberprüfung die vereinbarten Prioritäten im Blick zu behalten, Maßnahmen zur wirksameren Erfüllung der Anforderungen im Bereich der Langzeitpflege zu ergreifen und zugleich die Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen, die die Initiative „Plattform für strategische Technologien für Europa“ zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit eröffnet;

3.unter anderem im Hinblick auf eine Verringerung der Altersarmut den Sozialschutz zu stärken, indem der Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit ausgeweitet wird, insbesondere für Menschen in kurzen Beschäftigungsverhältnissen und atypischen Beschäftigungsformen;

4.den Anteil von Ölschiefer am Energiemix zu verringern und die Ressourcenproduktivität durch biobasierte Innovationen zu erhöhen; die Arbeitsproduktivität zu erhöhen und das Qualifikationsangebot durch Umschulung und Weiterbildung sowie durch bessere Anwerbung und Bindung von Talenten zu verbessern.

Geschehen zu Brüssel am

   Im Namen des Rates

   Der Präsident

(1)    ABl. L, 2024/1263, 30.4.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2024/1263/oj
(2)    Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität (ABl. L 57 vom 18.2.2021, S. 17, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2021/241/oj ).
(3)    Verordnung (EU) 2023/435 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Februar 2023 zur Änderung der Verordnung (EU) 2021/241 in Bezug auf REPowerEU-Kapitel in den Aufbau- und Resilienzplänen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1303/2013, (EU) 2021/1060 und (EU) 2021/1755 sowie der Richtlinie 2003/87/EG (ABl. L 63 vom 28.2.2023, S. 1, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2023/435/oj ).
(4)    COM(2023) 168 final.
(5)    COM(2024) 77 final
(6)    COM(2023) 901 final.
(7)    Verordnung (EU) 2024/1264 des Rates vom 29. April 2024 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (ABl. L, 2024/1264, 30.4.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2024/1264/oj ) und Richtlinie (EU) 2024/1265 des Rates vom 29. April 2024 zur Änderung der Richtlinie 2011/85/EU über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten (ABl. L, 2024/1265, 30.4.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/dir/2024/1265/oj).
(8)    Nettoausgaben im Sinne von Artikel 2 der Verordnung (EU) 2024/1263 des Rates vom 29. April 2024 (ABl. L, 2024/1263, 30.4.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2024/1263/oj). d. h. Staatsausgaben ohne i) Zinsausgaben, ii) diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen, iii) Ausgaben für Programme der Union, die vollständig durch Einnahmen aus den Unionsfonds ausgeglichen werden, iv) nationale Ausgaben für die Kofinanzierung von Programmen, die von der Union finanziert werden, v) konjunkturelle Komponenten der Ausgaben für Leistungen bei Arbeitslosigkeit und vi) einmalige und sonstige befristete Maßnahmen.
(9)    Durchführungsbeschluss des Rates vom 29. Oktober 2021 zur Billigung der Bewertung des Aufbau- und Resilienzplans Estlands (0319/2021).
(10)    Durchführungsbeschluss des Rates vom 16. Juni 2023 zur Änderung des Durchführungsbeschlusses des Rates vom 29. Oktober 2021 zur Billigung der Bewertung des Aufbau- und Resilienzplans Estlands (9367/2023).
(11)    SWD(2024) 606 final.
(12)    Bericht der Kommission nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, 19.6.2024, COM(2024) 598 final.
(13)    Bericht der Kommission nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, 19.6.2024, COM(2024) 598 final.
(14)    Die estnischen Behörden haben der Kommission mitgeteilt, dass die Regierung einem Nachtragshaushalt für 2024 (Staatsgesetz über den Zusatzhaushalt 2024 456 SE) zugestimmt und diesen am 5. Juni 2024 dem Parlament übermittelt hat; dieser Nachtragshaushalt habe am 10. Juni die erste und am 14. Juni die zweite Lesung im Parlament durchlaufen und die dritte Lesung werde voraussichtlich am 19. Juni stattfinden. Durch den Nachtragshaushalt dürfte sich das nominale Defizit um 0,4 % des BIP verringern (größtenteils dank dauerhafter Ausgabenkürzungen, aber auch einnahmensteigernder Maßnahmen).
(15)    SWD(2024) 132 final.
(16)    Nach Artikel 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) 2024/1263 bezeichnet der Ausdruck „Nettoausgaben“ die Staatsausgaben ohne Zinsausgaben, diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen, Ausgaben für Programme der Union, die vollständig durch Einnahmen aus den Unionsfonds ausgeglichen werden, nationale Ausgaben für die Kofinanzierung von Programmen, die von der Union finanziert werden, konjunkturelle Komponenten der Ausgaben für Leistungen bei Arbeitslosigkeit und einmalige und sonstige befristete Maßnahmen.