15.2.2023   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 56/19


Veröffentlichung eines Antrags auf Eintragung eines Namens nach Artikel 50 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel

(2023/C 56/09)

Diese Veröffentlichung eröffnet die Möglichkeit, gemäß Artikel 51 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (1) innerhalb von drei Monaten ab dieser Veröffentlichung Einspruch gegen den Antrag zu erheben.

EINZIGES DOKUMENT

„Nordhessische Ahle Wurscht / Nordhessische Ahle Worscht“

EU-Nr.: PGI-DE-02173 — 18.5.2016

G. U. ( ) G. G. A. (X)

1.   Name(n)

„Nordhessische Ahle Wurscht / Nordhessische Ahle Worscht“

2.   Mitgliedstaat oder Drittland

Deutschland

3.   Beschreibung des Agrarerzeugnisses oder Lebensmittels

3.1.    Art des Erzeugnisses

Klasse 1.2. Fleischerzeugnisse (gekocht, gepökelt, geräuchert usw.)

3.2.    Beschreibung des Erzeugnisses, das den unter Ziffer 1 angegebenen Namen führt

Bei der Nordhessischen Ahlen Wurscht handelt es sich um eine luftgetrocknete oder luftgetrocknete geräucherte Dauerwurst aus Schweinefleisch, die in der Region Nordhessen hergestellt wird. Die Konsistenz und das Mundgefühl sind etwas krümelig und mürber als bei Standarddauerwürsten. Dieses mürbe Mundgefühl bleibt in jedem Trockenzustand und Alter erhalten. Sie wird in den Reifegraden weich, schnittfest oder hartgereift angeboten. Die Nordhessische Ahle Wurscht kommt in folgenden Ausformungen vor: „Feldkieker“, „Dürre Runde“ und „Stracke“.

Für die chemischen Anforderungen gilt entsprechend der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse:

Für „Stracke“ und „Dürre Runde“: Analysenwerte: bindegewebseiweißfreies Fleischeiweiß nicht unter 12 %; bindegewebseiweißfreies Fleischeiweiß im Fleischeiweiß histometrisch nicht unter 65 Vol.-%, chemisch nicht unter 75 %.

Für „Feldkieker“: Analysenwerte: bindegewebseiweißfreies Fleischeiweiß nicht unter 12,5 %; bindegewebseiweißfreies Fleischeiweiß im Fleischeiweiß histometrisch nicht unter 70 Vol.-%, chemisch nicht unter 80 %.

Je nach Ausprägung kann die Nordhessische Ahle Wurscht verschiedene Größen und Gewichte haben. Eine frische „Stracke“ hat nach der Abfüllung zwischen 500 und 3 000 Gramm, eine „Dürre Runde“ hat zwischen 350 und 1 000 Gramm und ein „Feldkieker“ zwischen 800 und 3 000 Gramm. Im Laufe der Reifung verliert die Wurst mindestens 30 % ihres Gewichts durch Trocknung. Die Farbe der Wurst ist zu Beginn kräftig rot mit sichtbaren weißen Fettstückchen. Mit zunehmender Reifung wird das rot intensiver.

Der Geschmack zeichnet sich durch eine milde Säure und ein ausgeprägtes Reifearoma aus.

3.3.    Futter (nur für Erzeugnisse tierischen Ursprungs) und Rohstoffe (nur für Verarbeitungserzeugnisse)

Für die Produktion von Nordhessischer Ahler Wurscht werden spezielle Anforderungen an die Fleischqualität gestellt. Sie wird überwiegend aus trockenem und festerem Schweinefleisch von älteren Tieren hergestellt. Die Schweine werden extra für die Verwendung in der Nordhessischen Ahlen Wurscht länger gemästet als gewöhnlich. Die Schweine müssen bei der Schlachtung ein Lebendgewicht von durchschnittlich mindestens 125 kg oder ein durchschnittliches Schlachtgewicht von mindestens 100 kg aufweisen (Das Schlachtgewicht in Deutschland lag 2016 durchschnittlich bei rund 94 kg).

Es ist nachweisbar, dass lange Transportwege Stress für die Tiere bedeuten, der bei der Schlachtung Auswirkungen auf die Fleischqualität hat. Die Ausschüttung des Hormons Adrenalin beim Schwein verändert den Verlauf des pH-Werts des Fleischs nach der Schlachtung sowie die Wasseraufnahmefähigkeit. Beide Faktoren haben entscheidende Auswirkung auf die Reifung der Wurst, auf deren Konsistenz und damit auf die Qualität des Produkts „Nordhessische Ahle Wurscht“. Daher wird die Regeltransportzeit für die Schweine vom Erzeuger bis zur Schlachtstätte auf maximal zwei Stunden begrenzt. Die Schlachtung erfolgt ausschließlich im geografischen Gebiet.

Die Differenzierung der Schweine erfolgt dabei nicht nach Rassen, sondern nach Schlachtgewicht, da in Nordhessen überwiegend Kreuzungen verschiedenster Rassen gemästet werden.

3.4.    Besondere Erzeugungsschritte, die in dem abgegrenzten geografischen Gebiet erfolgen müssen

Die Schlachtung erfolgt ausschließlich im geografischen Gebiet. Die Zerlegung und Verarbeitung findet im Herstellungsbetrieb im geografischen Gebiet statt. Der Reifungsprozess und die anschließende Trocknung finden in dafür geeigneten Räumen im geografischen Gebiet statt.

3.5.    Besondere Vorschriften für Vorgänge wie Schneiden, Reiben, Verpacken usw. des Erzeugnisses mit dem eingetragenen Namen

3.6.    Besondere Vorschriften für die Kennzeichnung des Erzeugnisses mit dem eingetragenen Namen

Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben. Zusätzlich werden auf dem Etikett auf der Wurst, auf einem direkt zugeordneten Thekenschild oder auf vergleichbaren Trägern Name und Adresse des Herstellers aufgeführt.

4.   Kurzbeschreibung der Abgrenzung des geografischen Gebiets

Das geografische Gebiet bildet Nordhessen mit den folgenden Landkreisen: Hersfeld-Rothenburg, Kassel mit der Stadt Kassel, Marburg-Biedenkopf, Schwalm-Eder, Waldeck-Frankenberg, Werra-Meißner.

5.   Zusammenhang mit dem geografischen Gebiet

Der Zusammenhang mit dem geografischen Gebiet beruht auf dem Ansehen sowie der besonderen Qualität der Nordhessischen Ahlen Wurscht. Die Basis ist die schlachtwarme Verarbeitung des Schweinefleischs. Die Herstellung des Wurstbräts muss spätestens zwölf Stunden nach Beendigung der Schlachtung abgeschlossen sein. Das Brät wird aus entbeintem, sehnenarmem Schweinefleisch vom ganzen Tier hergestellt. Dadurch ergeben sich auch hohe Ansprüche an die Qualität des Schweinefleischs. Dazu gehört z. B. ein höheres Alter der Schweine und damit verbunden ein höheres Schlachtgewicht. Dies unterscheidet die Nordhessische Ahle Wurscht von der Herstellung aller anderen Wurstarten, die in Hessen verbreitet sind.

Hinzu kommt der Reifeprozess, der in speziellen, dafür geeigneten Räumen stattfindet. Geeignete Räume sind auch heute noch traditionell aus Lehm gebaut. Dort unterstützt das besondere Klima die Qualität der Nordhessischen Ahlen Wurscht. Häufig sind auch sogenannte Wurschthimmel anzutreffen: Dort werden die Würste zum Reifen unter das Dach gehängt. Ebenso geeignet sind Klimaschränke sowie Klimaräume, in denen durch technische Einrichtungen Einfluss auf Temperatur und Feuchtigkeit genommen wird. Auch Mischformen sind häufig anzutreffen und gebräuchlich.

Der Geschmack zeichnet sich durch eine milde Säure und ein ausgeprägtes Reifearoma aus. Er entsteht durch das Absinken des pH-Werts bei der Reifung des Fleischs, durch die Verwendung von Kochsalz und Salpeter sowie die langsame Reifung im speziellen Klima der Reiferäume. Die Grundgewürzrichtung ist Pfeffer, Muskat und lokal (bezogen auf die beteiligten Landkreise) ergänzende Geschmacksnoten wie Kümmel, Senfkörner und Knoblauch. Die arttypischen Eigenschaften, das Aussehen und die Textur der Nordhessischen Ahlen Wurscht werden durch eine ergänzende Zugabe von lokalen Geschmacksnoten nicht beeinflusst.

Das hohe Ansehen resultiert aus der langen Tradition des Produkts, dem besonderen Geschmack sowie dem Trend zur Regionalität und der Rückbesinnung auf traditionelle Produkte. Es spiegelt sich darin wider, dass es zahlreiche Veröffentlichungen und Veranstaltungen rund um die Nordhessische Ahle Wurscht gibt.

Der Autor Heinrich Keim hat in „Nordhessisches Küchenbrevier“ bereits neben der Sammlung von Rezepten rund um die Nordhessische Ahle Wurscht auch eine „Nordhessische Wurstologie“ verfasst. In seinem Werk „Nordhessische Ahle Worscht: Eine Wurst mit Kultstatus“ hat er die Wurstspezialität zum Gegenstand einer eigenen Abhandlung gemacht.

Nicht nur in der Literatur spielt die Nordhessische Ahle Wurscht nach wie vor eine große Rolle. Zahlreiche Aktivitäten haben sich rund um die nordhessische Wurstspezialität entwickelt. Verschiedene Vereine wurden gegründet, um das Produkt in seiner ursprünglichen Herstellungsweise zu bewahren. Der erste war der Förderverein Nordhessische Ahle Wurscht e. V. im Jahr 2005. Die Vereinigung Slow Food Deutschland hat die Nordhessische Ahle Wurscht im Jahr 2004 in die Arche des Geschmacks aufgenommen, um die traditionelle Herstellungsweise zu fördern und als Kulturgut zu sichern.

Auf Initiative der Fleischerinnungen fand im Jahr 2011 erstmalig die Nordhessische-Ahle-Wurscht-Meisterschaft statt, bei der von 130 nordhessischen Innungsbetrieben über 300 Würste eingereicht wurden und um eine Prämierung rangen. Seitdem wird der Wettbewerb alle zwei Jahre ausgetragen. Die Ergebnisse finden eine breite Berichterstattung, z. B. in der Deutschen Handwerkszeitung oder der regionalen Tageszeitung Hessisch-Niedersächsische Allgemeine.

Der Förderverein Nordhessische Ahle Wurscht e. V. organisiert seit 2011 jährlich den „Nord-hessische Ahle Wurst-Tag“.

Das hohe Ansehen der Nordhessischen Ahlen Wurscht in der Region und darüber hinaus beruht darauf, dass es sich um ein bereits seit Jahrhunderten in dem geografischen Gebiet hergestelltes Traditionserzeugnis handelt, das mittlerweile Kultstatus erlangt hat.

Nordhessen ist in weiten Teilen historisch wie auch aktuell durch Wald und landwirtschaftliche Nutzung geprägt. Die Haltung von Schweinen war daher nahezu jedem möglich, da die Schweine zur Mast in den Wald getrieben wurden und somit eine zusätzliche Fütterung der Schweine oft nicht notwendig war. Die damit verbundenen Hausschlachtungen trugen wesentlich zur Versorgung der ländlichen Bevölkerung bei.

In der Publikation „Ahle Wurscht. Das europäische Schmeckewöhlerchen der Grimm Heimat Nordhessen“ werden die Ursprünge der Nordhessischen Ahlen Wurscht sogar bis auf die Römer bzw. auf den Volksstamm der Hermanduren zurückgeführt, die zerkleinertes Fleisch mit Salz aus einem salzhaltigen Fluss (vermutlich der Werra) haltbar machten und dieses Erzeugnis mit den Römern handelten.

Die Hausschlachtung und die nicht vorhandenen Kühlmöglichkeiten waren Gründe für die sofortige Verarbeitung des schlachtwarmen Fleischs. Dieses ist verantwortlich für die besondere Konsistenz der Nordhessischen Ahlen Wurscht.

Die Tradition der Herstellung von Nordhessischer Ahler Wurscht hat bis heute Bestand. Nachdem die Hausschlachtungen mehr und mehr zurückgingen, behielten die niedergelassenen Fleischer die Tradition der Dauerwurstherstellung bei. Das Wissen rund um die Herstellung nordhessischer Wurstspezialitäten ist ausgeprägt erhalten. Nach wie vor hat jeder Fleischer seine eigene Würzung für die Nordhessische Ahle Wurscht.

Hinweis auf die Veröffentlichung der Produktspezifikation

https://register.dpma.de/DPMAregister/geo/detail.pdfdownload/40957


(1)  ABl. L 343 vom 14.12.2012, S. 1.