Zusammenfassung
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Folgenabschätzung zum Thema „Neues EU-System zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und Verhinderung von Steuermissbrauch im Bereich der Quellensteuerverfahren“
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A. Handlungsbedarf
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Worin besteht das Problem und warum muss ihm auf EU-Ebene begegnet werden?
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Bei grenzüberschreitenden Investitionen erheben viele EU-Länder Quellensteuern, wenn Dividenden und Zinsen auf Wertpapiere an gebietsfremde Anleger gezahlt werden. Diese Steuer wird jedoch in der Regel zu einem Satz erhoben, der höher ist als der ermäßigte Steuersatz, auf den der gebietsfremde Anleger nach dem einschlägigen Steuerabkommen oder den innerstaatlichen Rechtsvorschriften Anspruch hat.
Um Doppelbesteuerung zu vermeiden, müssten gebietsfremde Anleger einen Erstattungsantrag für überschüssige Steuern in dem EU-Land stellen, aus dem die Zahlung erfolgt („Quellenstaat“).
Die derzeitigen Verfahren zur Erstattung von Quellensteuern auf Dividenden und Zinszahlungen an gebietsfremde Anleger sind
·ineffizient (was zu kostspieligen und langwierigen Erstattungsverfahren führt),
·mit einem hohen Risiko von Steuermissbrauch verbunden (was zu Einnahmeverlusten für die Mitgliedstaaten führt).
Diese Probleme treten im Zusammenhang mit einem uneinheitlichen Digitalisierungsstand in den EU-Ländern und einem fragmentierten Flickenteppich nationaler Quellensteuerverfahren auf.
Eine weitere Ursache für die festgestellten Probleme ist der Mangel an genauen Informationen bei den Steuerverwaltungen. Diese sind erforderlich, um ermäßigte Quellensteuersätze ordnungsgemäß zu bewerten und anzuwenden und missbräuchliche Praktiken wirksam zu erkennen.
Der Status quo erschwert den grenzüberschreitenden Investitionsfluss innerhalb der EU und in die EU und führt folglich zu einem weniger wettbewerbsfähigen EU-Markt, was das Funktionieren der Kapitalmarktunion behindert.
Die Gefahr des Missbrauchs von Verfahren verringert letztlich auch die Steuereinnahmen und die Steuergerechtigkeit.
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Was soll erreicht werden?
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Die allgemeinen Ziele der Initiative betreffen die Gewährleistung einer fairen Besteuerung und die Stärkung der Kapitalmarktunion durch
·Erleichterung grenzüberschreitender Investitionen und
·Verhinderung von Steuermissbrauch.
Die spezifischen Ziele der Initiative lauten wie folgt:
·effizientere Quellensteuerverfahren und
·Bereitstellung geeigneter Instrumente zur Bekämpfung von Steuermissbrauch für die Mitgliedstaaten.
Diese Ziele sind gleichrangig.
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Worin besteht der Mehrwert des Tätigwerdens auf EU-Ebene (Subsidiarität)?
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Angesichts der bestehenden Fragmentierung innerhalb der EU sind einheitliche Verfahrensregeln für Quellensteuern erforderlich, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten. Um die Vorteile der Kapitalmarktunion in vollem Umfang nutzen zu können, benötigen Portfolioanleger Quellensteuervorschriften, die in der EU einheitlicher zur Anwendung kommen, anstatt unterschiedliche Vorschriften in jedem EU-Land einhalten zu müssen.
Da sich das Problem nur in einem grenzüberschreitenden Kontext stellt, erscheint ein Tätigwerden der EU als wirksamster Weg, um schnellere Quellensteuerverfahren zu erreichen und gegen Fälle von Steuermissbrauch anzugehen.
Da die von der Kommission ergriffenen Soft-Law-Initiativen (wie die Empfehlung von 2009 betreffend Verfahren der Quellensteuerentlastung und der Verhaltenskodex zur Quellensteuer von 2017) nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt haben, ist nun ein Vorschlag auf EU-Ebene mit verbindlichen Auswirkungen erforderlich, um die Ziele zu erreichen.
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B. Lösungen
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Worin bestehen die Optionen zur Verwirklichung der Ziele? Wird eine dieser Optionen bevorzugt? Falls nicht, warum nicht?
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Die Ziele könnten durch drei politische Optionen erreicht werden:
-Option 1 – eine gemeinsame digitale Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit (eTRC) sowie eine standardisierte Meldung. Dies umfasst:
odie Einrichtung einer standardisierten EU-weiten eTRC – dieses digitale Zertifikat (mit gemeinsamem Inhalt und Format) würde von allen EU-Ländern online und nahezu in Echtzeit ausgestellt/verifiziert;
odie Einführung eines gemeinsamen Meldestandards – ein EU-weiter gemeinsamer Meldestandard zur Erhöhung der Transparenz, da jeder Finanzintermediär in der gesamten Finanzkette dem Quellenmitgliedstaat eine Reihe genau festgelegter Informationen übermitteln würde. Dies würde mit standardisierten Verfahren zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht, Haftungsregeln und Erstattungsformularen einhergehen, die im Auftrag von Kunden/Steuerzahlern automatisiert einzureichen wären.
-Option 2 – System der Steuererleichterung an der Quelle. Diese Option beinhaltet Option 1 samt der Einführung eines Systems der Steuererleichterung an der Quelle, das es ermöglicht, ermäßigte Steuersätze im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen oder innerstaatlichen Vorschriften unmittelbar zum Zeitpunkt der Zahlung von Dividenden/Zinsen anzuwenden. Bei Option 2 müssten die Steuerverwaltungen die fälligen Steuern nach erfolgter Dividenden-/Zinszahlung überwachen.
-Option 3 – Einführung eines Schnellerstattungssystems innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens und/oder einer Steuererleichterung an der Quelle. Diese Option schließt Option 1 mit der zusätzlichen Anforderung ein, dass Mitgliedstaaten, die ein Erstattungssystem anwenden, sicherstellen sollten, dass die Rückforderung innerhalb eines vorab festgelegten Zeitrahmens über ein sogenanntes Schnellerstattungssystem abgewickelt wird. Die Mitgliedstaaten können ein System der Steuererleichterung an der Quelle einführen oder weiterhin anwenden.
Die bevorzugte politische Option ist Option 3, weil
·sie äußerst wirksam wäre, um die festgestellten Probleme in Bezug auf Schnelligkeit, einfachere Prozesse und stärker digitalisierte Verfahren anzugehen,
·sie sicherer wäre, da sie den EU-Ländern die Möglichkeit einräumt, die Vorabkontrolle von Erstattungsanträgen beizubehalten,
·sie einen Weg in die Zukunft bietet, der in allen EU-Ländern politisch machbar sein sollte.
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Welchen Standpunkt vertreten die verschiedenen Interessenträger? Wer unterstützt welche Option?
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Unter den Interessenträgern herrscht ein breiter Konsens über die Probleme, die sich aus den unterschiedlichen Quellensteuerverfahren in den EU-Ländern ergeben, und über die Notwendigkeit von EU-Maßnahmen, um einem derart fragmentierten und ineffizienten Status quo entgegenzuwirken.
Gleichwohl bestehen im Hinblick auf die möglichen Optionen Unterschiede zwischen den wichtigsten Interessengruppen:
Anleger und Finanzintermediäre vertraten eindeutig die Auffassung, dass eine Steuererleichterung an der Quelle die besten Ergebnisse liefern würde, wie eine frühzeitige Entlastung der Anleger und eine begrenzte Belastung der Intermediäre. Zudem räumten sie ein, dass ein System der Steuererleichterung an der Quelle wahrscheinlich durch Regelungen zur Erstattung der Quellensteuer ergänzt werden müsste, um ein Backup-System zu schaffen. Daher befürworteten sie eine Initiative, die auch darauf abzielen würde, die derzeitigen Verfahren und Formulare für die Erstattung der Quellensteuer zu vereinheitlichen.
Die Mitgliedstaaten brachten ihre Unterstützung für die Einführung einer gemeinsamen EU-weiten digitalen Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit zum Ausdruck. In Bezug auf die Meldepflicht und ein standardisiertes Verfahren:
a) Mitgliedstaaten, in denen der inländische Steuersatz für gebietsfremde Anleger niedriger als oder gleich ist wie der Satz gemäß dem bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen, wären von einer Standardisierung der Quellensteuerverfahren oder der Meldung nicht unmittelbar betroffen. Einige dieser Mitgliedstaaten brachten ihre Unterstützung für Maßnahmen auf EU-Ebene zum Ausdruck, da sie die Ausgangslage ihrer Anleger verbessern würden.
b) Die Mitgliedstaaten, in denen der interne Quellensteuersatz höher ist als der jeweilige Satz gemäß dem bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen, waren sich weitgehend darin einig, die Transparenz zu verbessern und die Quellensteuerverfahren zu vereinheitlichen, wobei sie betonten, wie wichtig es ist, ein Gleichgewicht zwischen der effizienten Gestaltung dieser Verfahren und der Beibehaltung der Kontrolle zu schaffen, um Steuermissbrauch zu verhindern.
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C. Auswirkungen der bevorzugten Option
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Welche Vorteile bietet die bevorzugte Option (Option 3 – Steuererleichterung an der Quelle oder Schnellerstattungssystem)?
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-Anleger würden von weniger entgangenen Quellensteuererstattungen, weniger Verwaltungskosten und geringeren Opportunitätskosten profitieren. Diese Kosteneinsparungen werden für Anleger auf 5,17 Mrd. EUR jährlich geschätzt, einschließlich 409 Mio. EUR, die jährlich aufgrund des geringeren Verwaltungsaufwands für EU-Anleger eingespart werden.
-Steuerverwaltungen – langfristig werden unter Umständen weniger Ressourcen für Verfahren zur Erstattung von Quellensteuern benötigt, sodass mehr Ressourcen in Fälle mit höherem Risiko umgeschichtet werden könnten. Der größte Vorteil für die Steuerverwaltungen besteht jedoch darin, dass geeignete Informationen zur Verfügung stehen, um Quellensteuerverfahren schneller abzuschließen und Steuermissbrauch zu bekämpfen.
-Finanzintermediäre – die Digitalisierung und Standardisierung auf EU-Ebene würden zu erheblichen Einsparungen führen (schätzungsweise etwa 13,5 Mio. EUR pro Jahr). Die Erhöhung der Investitionen dürfte den Finanzintermediären zugutekommen und das Potenzial für eine Umsatzsteigerung verbessern.
-Makroökonomische Auswirkungen – es wird ein Anstieg des BIP um 0,025 % erwartet. Diese Option wird sich auch positiv auf andere makroökonomische Indikatoren wie Kapital, Löhne und Beschäftigung auswirken.
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Welche Kosten sind mit der bevorzugten Option verbunden (Option 3 – Steuererleichterung an der Quelle oder Schnellerstattungssystem)?
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-Anleger – für Anleger sind keine zusätzlichen Kosten zu erwarten, da sie bereits Unterlagen für die Erstattung von Quellensteuern vorlegen müssen.
-Steuerverwaltungen – die wesentlichen Kosten hängen mit den für die Ausstellung/Überprüfung der eTRC erforderlichen Prozessen, die auf 4,9-54 Mio. EUR an Entwicklungskosten und 0,97-10,8 Mio. EUR an wiederkehrenden Kosten beziffert werden, und mit verbesserten Meldesystemen zusammen, die schätzungsweise 18,2 Mio. EUR an Durchführungskosten und 3,5 Mio. EUR an wiederkehrenden jährlichen Kosten verursachen.
-Finanzintermediäre – die Kosten für die Einrichtung des Mechanismus zur Erfüllung der Anforderungen von Option 3 belaufen sich auf 75,9 Mio. EUR an Durchführungskosten und 13 Mio. EUR an wiederkehrenden Kosten.
-Makroökonomische Auswirkungen – da es weniger Fälle von Doppelbesteuerung geben wird, werden die Mitgliedstaaten einen Rückgang der Steuereinnahmen verzeichnen, der auf 2,2 Mrd. EUR geschätzt wird (dies könnte durch die Bekämpfung betrügerischer Praktiken ausgeglichen werden).
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Welche Auswirkungen hat die Initiative auf KMU und Wettbewerbsfähigkeit?
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Die Auswirkungen auf KMU werden möglicherweise begrenzt sein, da die Initiative hauptsächlich auf Portfolioanleger abzielt, die in der Regel in börsennotierte Unternehmen investieren.
Dennoch sind auch KMU in Wertpapieren engagiert (als Portfolioanleger oder als Anlagevehikel). In diesen Fällen würde ihnen der Vorschlag zugutekommen, da sie einfacher in den Genuss der ermäßigten Quellensteuersätze, auf die sie Anspruch haben, kämen, wodurch eine Doppelbesteuerung vermieden wird. Zudem hätten sie so die Möglichkeit, sich durch schnellere Erstattungen mehr Liquidität zu bewahren, was einen Vorteil für KMU darstellt.
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Gibt es andere nennenswerte Auswirkungen?
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Andere nennenswerte Auswirkungen sind nicht zu erwarten. Es wird jedoch erwartet, dass die Initiative gewisse positive soziale Auswirkungen haben wird, da sie eine gerechtere Besteuerung gewährleisten würde; ebenso dürfte sie angesichts der erwarteten Verringerung papiergestützter Erstattungsverfahren gewisse positive Auswirkungen auf die Umwelt mit sich bringen. Daher steht die vorliegende Initiative im Einklang mit der Verwirklichung des Ziels der Klimaneutralität, wie im Europäischen Klimagesetz gefordert.
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Verhältnismäßigkeit
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Die bevorzugte Option erfüllt die Ziele der Initiative insofern in verhältnismäßiger Weise, als sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung der Ziele erforderlich ist, und den Umfang auf die Aspekte beschränkt, die die EU-Länder allein nicht angehen können (EU-weite eTRC, Standardmelderahmen, standardisierte Sorgfalts- und Haftungsregeln und standardisierte Verfahren in der gesamten EU).
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D. Folgemaßnahmen
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Wann wird die Maßnahme überprüft?
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Die Kommission wird das Funktionieren dieser Richtlinie nach ihrem Inkrafttreten alle fünf Jahre prüfen und bewerten. Dem Europäischen Parlament und dem Rat wird ein Bericht über die Bewertung der Richtlinie vorgelegt.
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