Brüssel, den 10.7.2023

COM(2023) 402 final

2023/0237(COD)

Vorschlag für eine

VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 über europäische Statistiken

(Text von Bedeutung für den EWR)

{SEC(2023) 269 final} - {SWD(2023) 240 final} - {SWD(2023) 241 final}


BEGRÜNDUNG

1.KONTEXT DES VORSCHLAGS

Gründe und Ziele des Vorschlags

Einhergehend mit der Entwicklung der Europäischen Union haben die europäischen Statistiken seit 1953 immer weiter an Bedeutung für die Tätigkeiten, politischen Maßnahmen und Rechtsakte der Union gewonnen – von deren Konzeption und Umsetzung bis hin zu ihrer Überwachung und Bewertung.

Den derzeit geltenden Rechtsrahmen für die europäischen Statistiken bildet die Verordnung (EG) Nr. 223/2009, die im Jahr 2009 vom Europäischen Parlament und vom Rat erlassen wurde. Im Jahr 2015 wurde sie überarbeitet, um die allgemeine Governance und insbesondere die fachliche Unabhängigkeit des Europäischen Statistischen Systems (ESS) zu stärken. Seitdem hat sich diese gestärkte Governance als wirksam erwiesen.

Mit den jüngsten Krisen – der Finanzkrise, der Migrationskrise und der COVID-19-Krise – sowie der anschließenden militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine stiegen jedoch nicht nur der Bedarf an aktuelleren und detaillierteren europäischen Statistiken, sondern auch die Erwartungen, die an sie gestellt werden: Sie werden für die Entscheidungsfindung und die bestmögliche Reaktion der Union auf Krisen benötigt. In letzter Zeit wurden in der Union im Rahmen mehrerer Gesetzgebungsinitiativen Vorschläge vorgelegt, um umfassende Krisenreaktionsmechanismen zu schaffen, wie beispielsweise das Katastrophenschutzverfahren der Union, die Europäische Behörde für die Krisenvorsorge und ‑reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA), der Marktkorrekturmechanismus oder das Notfallinstrument für den Binnenmarkt (Single Market Emergency Instrument, SMEI).

Zugleich ist das Umfeld, in dem das ESS funktioniert, von einem tiefgreifenden digitalen Wandel geprägt, der nicht nur zu einem neuen Informationsbedarf, sondern auch zur Entstehung zahlreicher digitaler Datenquellen geführt hat. Diese Quellen können erschlossen und herangezogen werden, um europäische Statistiken hervorzubringen, die diesem Bedarf wirksamer, umfassender und zügiger entsprechen können. Dies wiederum kann dazu beitragen, das Wirtschaftswachstum zu steigern, Innovationen voranzutreiben und die demokratische Rechenschaftspflicht sowie das allgemeine Wohlergehen der Gesellschaft zu fördern.

Infolgedessen haben sich die Erwartungen der Nutzer an die europäischen Statistiken geändert. Es herrscht zunehmend Bedarf an detaillierteren Informationen, die schneller und in kürzeren Abständen erstellt werden und tiefere Erkenntnisse ermöglichen, sodass sie für eine faktengestützte Unionspolitik herangezogen werden können. Die neuen Datenschutzvorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie die neuen Parameter für den Schutz der Privatsphäre sind mittlerweile ebenfalls zentrale Elemente dieses neuen Umfelds. Da die gegenwärtigen Methoden für die Erstellung europäischer Statistiken auf traditionelle Datenquellen (z. B. Erhebungen und Verwaltungsunterlagen) beschränkt sind, ist es schwer, wenn nicht gar unmöglich geworden, diesem zunehmenden Bedarf zu entsprechen, obwohl den statistischen Stellen zusätzliche Ressourcen zugewiesen wurden.

Daher besteht das übergeordnete Ziel dieses Vorschlags darin, den Rechtsrahmen für die europäischen Statistiken zukunftsfähig zu machen und dafür zu sorgen, dass das ESS deutlich besser in der Lage ist, den Datenbedarf zu decken. Das ESS wird in der Lage sein, Statistiken zu erstellen, die relevanter und zügiger verfügbar sind und eine größere Detailtiefe aufweisen. Dadurch wird zum einen die Wirksamkeit verbessert; zum anderen werden die Kosten und der Aufwand der Mitgliedstaaten und der Auskunftgebenden verringert. Des Weiteren sollen mit dieser Initiative ein Mechanismus und Instrumente bereitgestellt werden, die es dem ESS ermöglichen, dringenden Datenbedarf in Krisenzeiten zügig, gemeinsam und koordiniert zu decken.

Im Einzelnen zielt dieser Vorschlag darauf ab, es den statistischen Stellen zu ermöglichen, das Potenzial digitaler Datenquellen und Technologien voll auszuschöpfen, indem ihnen deren Weiterverwendung für die europäischen Statistiken gestattet wird. Der Vorschlag wird dazu beitragen, die Effizienz und Wirksamkeit des ESS zu verbessern, indem die gemeinsame Datennutzung gefördert und ihre Koordinierung intensiviert wird, und die strikte Wahrung der statistischen Geheimhaltung und des Datenschutzes gewährleisten; des Weiteren werden die Aufgaben der Partner des ESS aktualisiert, die möglichen Funktionen im Zusammenhang mit der Ausschöpfung der Möglichkeiten des digitalen Wandels für eine kosteneffizientere und weniger aufwendige Erstellung von Statistiken umrissen und neue Funktionen festgelegt, welche die statistischen Stellen im Rahmen der entstehenden europäischen und nationalen Datenökosysteme wahrnehmen könnten, wobei das Subsidiaritätsprinzip uneingeschränkt gewahrt bleibt.

Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Bereich

Der Vorschlag steht voll und ganz im Einklang mit den geltenden Bestimmungen der Rechtsvorschriften der Union über Statistiken.

Kohärenz mit der Politik der Union in anderen Bereichen

Dieser Vorschlag steht im Einklang mit den geltenden Bestimmungen über:

– die Verarbeitung personenbezogener Daten (einschließlich der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO));

– die Stärkung der Mechanismen zur Erhöhung der Datenverfügbarkeit (Daten-Governance-Rechtsakt);

– den in dem gegenwärtig erörterten Vorschlag für ein Datengesetz vorgesehenen allgemeinen Ansatz für die Bereitstellung von Daten für öffentliche Stellen im Fall außergewöhnlicher Notwendigkeit;

– den Schutz der Privatsphäre und der Vertraulichkeit der Kommunikation sowie von (personenbezogenen und nicht personenbezogenen) Daten, die auf Endgeräten gespeichert sind und auf die darüber zugegriffen wird (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation; diese soll durch die Datenschutzverordnung für elektronische Kommunikation ersetzt werden, über die das Europäische Parlament und der Rat gegenwärtig verhandeln).

2.RECHTSGRUNDLAGE, SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄẞIGKEIT

Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage dieses Vorschlags ist Artikel 338 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Das Europäische Parlament und der Rat beschließen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen für die Erstellung von Statistiken, wenn dies für die Durchführung der Tätigkeiten der EU erforderlich ist.

Des Weiteren sind in Artikel 338 Absatz 2 AEUV die Anforderungen an die Erstellung europäischer Statistiken festgelegt, wonach diese den Grundsätzen der Unparteilichkeit, Zuverlässigkeit, Objektivität, wissenschaftlichen Unabhängigkeit, Kostenwirksamkeit und statistischen Geheimhaltung entsprechen müssen und der Wirtschaft durch sie keine übermäßigen Belastungen entstehen dürfen.

Subsidiarität (bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit)

Das Subsidiaritätsprinzip findet Anwendung, da der Vorschlag nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fällt. Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union nur dann tätig, wenn dies wirksamer ist als ein Handeln auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene.

Damit das ESS relevantere, aktuellere und detailliertere europäische Statistiken erstellen kann, müssen auf Unionsebene Rechtsvorschriften erlassen werden, um den nationalen statistischen Ämtern (im Folgenden „NSÄ“) und der Kommission (Eurostat) neue Datenquellen zur Verfügung zu stellen, sodass sie nachhaltig europäische Statistiken erstellen können.

Gegenwärtig gelten in den Mitgliedstaaten, in denen eine Weiterverwendung von in privatem Besitz befindlichen Daten für amtliche Statistiken zulässig ist, unterschiedliche Bedingungen und Garantien. Mit einem harmonisierten Ansatz auf Unionsebene würde Rechtsklarheit geschaffen und die faire Behandlung privater Dateninhaber, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, sichergestellt.

Damit das ESS auf Krisen reagieren kann, sollten spezifische Verweise in den allgemeinen Rechtsrahmen für die europäischen Statistiken aufgenommen werden, durch die eine zügige Reaktion auf Unionsebene ermöglicht und eine kohärente statistische Reaktion in allen Mitgliedstaaten sichergestellt wird. Mit dem vorgeschlagenen Reaktionsmechanismus würde die Wirksamkeit im Wege einer verstärkten statistischen Koordinierung verbessert, wobei zugleich die Befugnisse und Zuständigkeiten der nationalen statistischen Stellen gewahrt blieben. Darüber hinaus könnte dieser Mechanismus zusätzlich zu den vorhandenen Krisenreaktionsinstrumenten der Union eingesetzt werden, um sicherzustellen, dass aktuelle und relevante Statistiken für eine faktengestützte Entscheidungsfindung im Rahmen dieser Instrumente bereitgestellt werden.

Um die Unternehmen sowie die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten und die Wirksamkeit und Qualität zu steigern, müssen die Prozesse innerhalb des ESS optimiert werden. Unter diese Prozesse fallen auch die Modalitäten der Datenerhebung und der gemeinsamen Datennutzung im Zusammenhang mit Phänomenen, die, wie beispielsweise die Tätigkeiten multinationaler Unternehmen, in mehreren Mitgliedstaaten auftreten.

Angesichts der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft und des veränderten Nutzerbedarfs werden sich die entstandenen Probleme fortsetzen und möglicherweise allmählich verschlimmern, wenn auf Unionsebene keine weiteren legislativen Maßnahmen ergriffen werden.

Daher kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden.

Verhältnismäßigkeit

Der Vorschlag entspricht, wie im Folgenden dargelegt, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Ziel der Initiative ist es, das ESS zukunftsfähig zu machen. Wie die Folgenabschätzung belegt, ist sie für diesen Zweck geeignet und bringt insgesamt für die Gesellschaft einen Nutzen mit sich, der die Gesamtkosten bei Weitem überwiegt. Durch Verfahrensgarantien ist sichergestellt, dass die Verhältnismäßigkeit in allen Phasen der Durchführung der überarbeiteten Verordnung (EG) Nr. 223/2009 gewahrt bleibt.

Die Initiative ist verhältnismäßig, weil sie lediglich auf die Beseitigung der bestehenden Hindernisse für die Erstellung aktuellerer und detaillierterer europäischer Statistiken abzielt. Im Rahmen der Initiative werden die einzelstaatlichen Stellen einbezogen; sie stützt sich auf die Arbeit dieser Stellen und stärkt die intensive Beteiligung der einschlägigen Interessenträger am ESS. Die bevorzugte Option geht nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinaus.

Wahl des Instruments

Da der Gegenstand des Vorschlags bereits von einer Verordnung abgedeckt ist, die mit diesem Vorschlag geändert wird, ist eine Verordnung das am besten geeignete Instrument.

3.ERGEBNISSE DER EX-POST-BEWERTUNG, DER KONSULTATION DER INTERESSENTRÄGER UND DER FOLGENABSCHÄTZUNG

Konsultation der Interessenträger

Im Zuge der Ausarbeitung dieses Vorschlags wurden die Interessenträger auf unterschiedlichen Wegen konsultiert. Im Rahmen der öffentlichen Konsultation wurden die Meinungen der Interessenträger zu den Optionen für die Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit der europäischen Statistiken eingeholt. Es gingen Rückmeldungen verschiedener Interessengruppen ein. Ihre Standpunkte werden im Anhang der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen zur Folgenabschätzung ausführlich dargelegt.

Vom 19. Juli bis zum 25. Oktober 2022 wurde eine öffentliche Konsultation durchgeführt. 1 Insgesamt gingen 204 gültige Antworten ein. Die Interessenträger befürworteten ein Tätigwerden auf Unionsebene, um digitale Daten, die sich im Besitz des Privatsektors befinden, für die Erstellung amtlicher europäischer Statistiken zur Verfügung zu stellen: 83 % der Teilnehmer maßen dem sehr hohe oder hohe Bedeutung bei. Nach Auffassung von 11 % der Konsultationsteilnehmer ist die Reaktionsfähigkeit der amtlichen europäischen Statistiken auf neuen Nutzerbedarf ausreichend, darunter auch in öffentlichen Notlagen und Krisen; 72 % der Teilnehmer waren der Auffassung, dass eine gewisse, jedoch keine hinreichende Reaktionsfähigkeit gegeben ist. Was die Zwecke betrifft, für die eine einfachere und systematischere gemeinsame Datennutzung der statistischen Stellen innerhalb des Europäischen Statistischen Systems hilfreich wäre, erachteten es 72 % der Teilnehmer als hilfreich, den Beantwortungsaufwand zu senken und die Weiterverwendung bereits erhobener Daten zuzulassen. Schließlich stimmten 85 % der Teilnehmer der Aussage zu oder voll und ganz zu, dass die statistischen Stellen den Organisationen in ihrem Ökosystem fachliche Empfehlungen zu Themen im Zusammenhang mit Daten und Datenverarbeitung erteilen sollten, wie beispielsweise zu den Bereichen Qualität, Weiterverwendung von Daten, geistiges Eigentum, Geheimhaltung, Sicherheit und Metadaten.

Darüber hinaus wurden im Rahmen einer Studie zur Unterstützung der Folgenabschätzung zur Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 über europäische Statistiken („Study to support an Impact Assessment for the revision of Regulation (EC) No. 223/2009 on European Statistics“) Interessenträger befragt; die Studie basierte unter anderem auf im Oktober und November 2022 durchgeführten Befragungen von Interessenträgern, einer Online-Erhebung (5. Oktober bis 7. November 2022) und einem Online-Workshop für Interessenträger, der am 8. November 2022 stattfand.

Die Studie ergab, dass die Nutzer und Ersteller europäischer Statistiken die Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 im Sinne dieses Vorschlags befürworteten, wobei allerdings die Ersteller der Statistiken (d. h. die Partner des ESS) auf die Auswirkungen auf den Haushalt hinwiesen. Die Öffentlichkeit äußerte sich angesichts des erheblichen Nutzens für die Gesellschaft ebenfalls positiv; da es sich jedoch bei den Daten des privaten Sektors, die für die europäischen Statistiken weiterverwendet werden sollen, in einem gewissen Maße um personenbezogene Daten handeln könnte, forderte sie strenge Geheimhaltungsgarantien, wenn sie auch einräumte, dass das ESS in Bezug auf die Vertraulichkeit bereits sehr solide Garantien vorsieht.

In ihrer Funktion als Dateninhaber können Unternehmen Kosten entstehen; daher erachteten sie es für wesentlich, dass ihre Interessen gewahrt bleiben. Sie zeigten sich jedoch offen für die bevorzugte Option, sofern eine faire Lösung für die Frage eine Kompensation für die entstandenen Kosten gefunden werden könnte. Alle Befragten begrüßten die mögliche Entlastung der Unternehmen und Haushalte, die sich daraus ergibt, dass anstelle von Erhebungen neue Datenquellen herangezogen werden sollen.

Schließlich hat das ESS seit Jahren wiederholt gefordert, den Zugang zu in privatem Besitz befindlichen Daten zu statistischen Zwecken auf europäischer Ebene zu regeln. Diese Forderung äußerte das ESS erstmals in seinem Positionspapier zum Zugang zu in privatem Besitz befindlichen Daten von öffentlichem Interesse („Position paper on access to privately held data which are of public interest“) vom November 2017 2 , und in jüngerer Zeit erneut in seinem Positionspapier zum Vorschlag für ein künftiges Datengesetz („European Statistical System (ESS) position paper on the future Data Act proposal“) 3 .

Einholung und Nutzung von Expertenwissen

Der Vorschlag stützt sich auf mehrere Dokumente, Studien, Empfehlungen, Konferenzen und andere Beiträge von Experten; hierzu zählen unter anderem:

– der Bericht der Expertengruppe zur Erleichterung der Nutzung neuer Datenquellen für amtliche Statistiken mit dem Titel „Empowering society by reusing privately-held data for official statistics – A European approach“ 4 (Befähigung der Gesellschaft durch die Weiterverwendung im privaten Besitz befindlicher Daten für amtliche Statistiken – ein europäischer Ansatz);

– die Studie mit dem Titel „Study to support an Impact Assessment for the revision of Regulation (EC) No. 223/2009 on European Statistics“ (Studie zur Unterstützung der Folgenabschätzung zur Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 über europäische Statistiken);

– die vom französischen Ratsvorsitz organisierte Tagung auf hoher Ebene zum Thema „Making the European Statistical System fit for the future“ (Für die Zukunftsfähigkeit des Europäischen Statistischen Systems), die am 7. und 8. April 2022 in Lyon stattfand;

– die Tagung der Präsidenten und Generaldirektoren der NSÄ des ESS am 18. Mai 2022 in Luxemburg, bei der zwei spezifische Themen erörtert wurden: der nachhaltige Zugang zu in privatem Besitz befindlichen Daten und die gemeinsame Datennutzung im ESS für die Erstellung europäischer Statistiken.

Folgenabschätzung

Diesem Vorschlag ist eine Folgenabschätzung beigefügt, die dem Ausschuss für Regulierungskontrolle der Europäischen Kommission am 14. Dezember 2022 und am 6. März 2023 vorgelegt wurde. Am 27. März 2023 gab der Ausschuss eine befürwortende Stellungnahme mit Vorbehalten ab. Neben einem dynamischen Basisszenario (Option 0), in dem die weiter gefasste Europäische Datenstrategie berücksichtigt wird und keine Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 vorgesehen ist, wurden zwei weitere legislative Optionen bewertet: Option 1, bei der weniger tiefgreifende legislative Maßnahmen ergriffen werden, und Option 2 mit tiefgreifenderen legislativen Maßnahmen, mit denen den Dateninhabern sowie den nationalen statistischen Stellen der Mitgliedstaaten Verpflichtungen auferlegt werden. Für jede dieser Optionen wurden mehrere spezifische politische Maßnahmen festgelegt.

Die vergleichende Bewertung der drei Optionen ergab, dass das Basisszenario (Option 0) im Hinblick auf die Wirksamkeit, Effizienz und Kohärenz das am wenigsten wünschenswerte Ergebnis und Option 1 das wünschenswerteste Ergebnis zeitigen würde, während das Ergebnis von Option 2 zwischen diesen beiden zu verorten wäre. Dies gilt für jedes der spezifischen Ziele. Die Option 1 ist weniger wirksam, aber effizienter und kohärenter als die Option 2. Darüber hinaus ist sie leichter durchführbar und wird von mehr Interessenträgern befürwortet. Dies spricht eindeutig dafür, die Option 1 als bevorzugte Option auszuwählen.

Die bevorzugte Option beinhaltet Maßnahmen, mit denen

(i) eine nachhaltige und faire Nutzung digitaler Datenquellen für europäische Statistiken gewährleistet wird, indem ein Mechanismus eingeführt wird, in dessen Rahmen von privaten Dateninhabern verpflichtend verlangt werden kann, die Weiterverwendung der in ihrem Besitz befindlichen Daten für den Zweck der Entwicklung und Erstellung dieser Statistiken zu gestatten;

(ii) die Einleitung statistischer Maßnahmen, die als Reaktion auf Krisen und außergewöhnliche Umstände unmittelbar auf Unionsebene durchgeführt werden, ermöglicht wird;

(iii) ein Mandat für die gemeinsame Datennutzung durch die Partner des ESS zu statistischen Zwecken erteilt wird, sofern dies relevant und gerechtfertigt ist;

(iv) der Kommission (Eurostat) die gemeinsame Datennutzung mit den NSÄ über eine sichere Infrastruktur gestattet wird;

(v) die NSÄ in die Lage versetzt werden, in ihren jeweiligen Datenökosystemen Aufgaben der Daten-Governance zu übernehmen, um die Dateninteroperabilität und ‑normung zu verbessern.

Grundrechte

Im Zuge der Folgenabschätzung wurden keine potenziellen unmittelbaren Auswirkungen auf die Grundrechte festgestellt. Das einzige Grundrecht, das mittelbar betroffen sein könnte, ist das Recht auf Datenschutz im Zusammenhang mit der Förderung der gemeinsamen Datennutzung und der Stärkung der Koordinierung innerhalb des ESS. Diese vermehrte gemeinsame Datennutzung wird jedoch unter strikter Wahrung der statistischen Geheimhaltung und des Datenschutzes organisiert. Die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß der vorliegenden Verordnung wird allen in den Datenschutzvorschriften, wie etwa der Verordnung (EU) 2016/679 5 und der Verordnung (EU) 2018/1725 6 , vorgesehenen Bedingungen und Bestimmungen entsprechen.

4.AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT

Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den Haushalt.

5.WEITERE ANGABEN

Durchführungspläne sowie Überwachungs-, Bewertungs- und Berichterstattungsmodalitäten

Die vorgeschlagene Verordnung wird voraussichtlich im Jahr 2024 vom Europäischen Parlament und vom Rat angenommen, und die Durchführungsmaßnahmen der Kommission werden kurz danach verabschiedet. Die Verordnung wird in allen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar gelten, ohne dass ein Durchführungsplan erforderlich ist.

Im Einklang mit der Folgenabschätzung wird die Durchführung der angenommenen Verordnung überwacht und regelmäßig bewertet. Die Folgenabschätzung enthält zudem Überwachungsmodalitäten, einschließlich Vorschlägen für die heranzuziehenden Indikatoren.

Ausführliche Erläuterung einzelner Bestimmungen des Vorschlags

Einführung neuer zentraler Definitionen oder Anpassung geltender Definitionen (Vorschlag zur Änderung von Artikel 3)

Es wird vorgeschlagen, mit einer neuen Definition des Ausdrucks „Multisource-Statistiken“ der Tatsache Rechnung zu tragen, dass europäische Statistiken unter Verwendung einer Kombination aus unterschiedlichen Datenquellen erstellt werden können. Damit erhalten die statistischen Stellen die Möglichkeit, für die Entwicklung und Erstellung verschiedener amtlicher europäischer Statistiken jeweils die relevanteste und kostenwirksamste Kombination primärer Datenquellen zu ermitteln.

Um den Gegebenheiten des digitalen Zeitalters, in dem das ESS funktioniert, besser Rechnung zu tragen, wird ferner vorgeschlagen, neue Definitionen der Ausdrücke „Daten“, „Metadaten“, „Dateninhaber“, „gemeinsame Datennutzung“ und „Datenquelle“ einzuführen. Zudem muss die geltende Definition des Ausdrucks „statistische Zwecke“ angepasst werden, sodass Forschungstätigkeiten statistischer Stellen oder die Festlegung von Stichprobengrundlagen ausdrücklich Teil dieser statistischen Zwecke sind.

Verbesserung der Fähigkeit des ESS, dringenden Datenbedarf in Krisenzeiten zügig, gemeinsam und koordiniert zu decken (Vorschlag für einen neuen Artikel 16a)

Der Bedarf an detaillierteren und aktuelleren amtlichen Statistiken, die oftmals nahezu in Echtzeit benötigt werden, nimmt insgesamt zu; besonders wichtig ist die Fähigkeit zur Deckung dieses Bedarfs jedoch in Krisenzeiten – dies wurde in jüngster Zeit während der COVID-19-Pandemie und der durch die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine ausgelösten Energiekrise deutlich. Im Rahmen des üblichen Planungszyklus nimmt die Entwicklung einer neuen Statistik in der Regel mehrere Jahre in Anspruch; im Falle eines dringenden und wichtigen Bedarfs ist jedoch ein beschleunigtes Verfahren erforderlich, das für alle Partner sowie für die Qualität und Harmonisierung der gewonnenen statistischen Daten angemessene Garantien vorsieht. Das ESS muss in der Lage sein, schneller zu reagieren oder proaktiv Innovationen zu entwickeln, damit die europäischen Statistiken diesem außergewöhnlichen und ungeplanten politischen Bedarf entsprechen können, der im Zuge der Durchführung des Europäischen Statistischen Programms gemäß seinem siebenjährigen Zeitplan nicht gedeckt werden kann. Die in Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 vorgesehene Befugnis der Kommission, spezifische Maßnahmen zur Durchführung des Europäischen Statistischen Programms zu beschließen, reicht somit nicht aus.

Daher wird eine neue Bestimmung vorgeschlagen, nach der auf europäischer Ebene statistische Maßnahmen ergriffen werden können, um dringenden Informationsbedarf zu decken, der sich in Krisenzeiten und nach der Aktivierung von Notfallmechanismen gemäß den im Unionsrecht festgelegten Verfahren ergibt.

In diesen Fällen sollte die Kommission (Eurostat) in enger Zusammenarbeit mit dem ESS-Ausschuss zeitlich begrenzte statistische Maßnahmen prüfen, die auf europäischer Ebene einzuleiten und durchzuführen sind. Der Nutzen dieser verbesserten, unmittelbaren Reaktionsfähigkeit innerhalb des ESS für politische Interessen- und Entscheidungsträger bestünde darin, dass sie rechtzeitig statistische Produkte und Erkenntnisse erhalten würden, die Vergleiche zwischen den EU-Mitgliedstaaten zulassen.

Diese statistischen Maßnahmen können die Erstellung von Statistiken auf der Grundlage neuer, zeitlich begrenzter Datenerhebungen oder die Bereitstellung zusätzlicher Erkenntnisse aus bereits vorhandenen Daten einschließen. Des Weiteren könnten sie auch die Entwicklung neuer Methoden und andere koordinierte Maßnahmen zur Sicherstellung der Kontinuität, Kohärenz und Vergleichbarkeit der in Krisenzeiten bereitgestellten europäischen Statistiken umfassen.

Bei der Feststellung der Notwendigkeit einer statistischen Maßnahme muss die Kommission (Eurostat) den ESS-Ausschuss zeitnah in einem transparenten Verfahren unterrichten und anhören. Die NSÄ können beschließen, sich den statistischen Maßnahmen anzuschließen und sich daran zu beteiligen. Zudem sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, Durchführungsrechtsakte zu erlassen, in denen die für diese statistischen Maßnahmen jeweils geltenden Anforderungen bezüglich Zeitraum, Häufigkeit und Qualität festgelegt werden.

Darüber hinaus könnte dieser Mechanismus neben den bereits vorhandenen Krisenreaktionsinstrumenten der Union eingesetzt werden, um sicherzustellen, dass aktuelle und relevante Statistiken für eine faktengestützte Entscheidungsfindung im Rahmen dieser Instrumente bereitgestellt werden.

Verbesserung des zeitnahen Zugangs zu Verwaltungsdaten für europäische Statistiken (Vorschlag zur Änderung von Artikel 17a)

Es wird vorgeschlagen, der Anforderung Nachdruck zu verleihen, dass die nationalen öffentlichen Stellen, in deren Zuständigkeitsbereich die für die Entwicklung, Erstellung und Verbreitung europäischer Statistiken relevanten administrativen Datenquellen fallen, den NSÄ und anderen einzelstaatlichen Stellen 7 gestatten, rechtzeitig und hinreichend häufig kostenlos auf Verwaltungsdaten zuzugreifen, sie weiterzuverwenden und zu integrieren, um fristgemäß und im Einklang mit den in den statistischen Rechtsvorschriften festgelegten Qualitätsanforderungen Statistiken zu erstellen und der Kommission (Eurostat) zu übermitteln.

Des Weiteren wird präzisiert und klargestellt, dass der Kommission (Eurostat) auf Ersuchen gestattet wird, zeitnah auf relevante Daten und Metadaten in von Einrichtungen und Agenturen der Union geführten Datenbanken und Interoperabilitätssystemen zuzugreifen und sie weiterzuverwenden, wenn dies für die Entwicklung, Erstellung und Verbreitung europäischer Statistiken erforderlich ist. Zu diesem Zweck arbeitet die Kommission (Eurostat) mit den einschlägigen Einrichtungen und Agenturen der Union zusammen, um die erforderlichen maßgeschneiderten Daten und Metadaten, die operativen Modalitäten für die Weiterverwendung der Daten und die erforderlichen physischen und logischen Schutzvorkehrungen festzulegen.

Sicherstellung des nachhaltigen Zugangs zu in privatem Besitz befindlichen Daten, die als Nebenprodukt digitaler Dienste und des Internets der Dinge anfallen, für europäische Statistiken (Vorschlag für die neuen Artikel 17b, 17c, 17d und 17e)

In den neuen Artikeln 17b, 17c, 17d und 17e des Kapitels III über die „Erstellung europäischer Statistiken“ wird vorgeschlagen, private Dateninhaber zu verpflichten, den NSÄ oder der Kommission (Eurostat) auf Verlangen und unter bestimmten Bedingungen Daten zur Verfügung zu stellen. Der vorgeschlagene Mechanismus bietet einen verhältnismäßigen, begrenzten und vorhersehbaren Rahmen auf europäischer Ebene, mit dem die Bereitstellung dieser Daten für die Erstellung europäischer Statistiken wirksam ermöglicht und zugleich Rechtssicherheit sichergestellt und der Beantwortungsaufwand der Unternehmen möglichst gering gehalten wird. Dieser Mechanismus lässt jedoch die in den sektoralen Rechtsvorschriften festgelegten Meldepflichten der Auskunftgebenden in der Statistik sowie die Verpflichtung der Dateninhaber zur Bereitstellung von Daten im Falle außergewöhnlicher Notwendigkeit gemäß dem Datengesetz 8 unberührt.

Der Vorschlag sieht ein zweiphasiges Begründungsverfahren vor, wobei zunächst in einem jährlichen Arbeitsprogramm für europäische Statistiken festgestellt werden muss, dass es erforderlich ist, auf eine neue Datenquelle zuzugreifen. Die im jährlichen Arbeitsprogramm festgehaltene Begründung wäre eine Voraussetzung für die zweite Phase, in der die NSÄ oder die Kommission (Eurostat) an privaten Dateninhaber tatsächlich individuelle Ersuchen übermitteln, gewisse Daten für die Erstellung bestimmter Statistiken bereitzustellen (innerhalb des Umfangs der in der ersten Phase vorgenommenen Begründung). Diese Ersuchen müssen dem Bedarf an statistischen Daten entsprechen; des Weiteren muss darauf der Zweck des Ersuchens klar ersichtlich sein, und die Interessen des privaten Dateninhabers, von dem die Bereitstellung der Daten verlangt wird, müssen gewahrt bleiben.

Zwar werden in erster Linie die NSÄ auf in privatem Besitz befindliche Daten zugreifen, um europäische Statistiken zu erstellen, jedoch könnte es in manchen Fällen sinnvoller sein, dass zunächst die Kommission (Eurostat) Zugang zu Daten von Unternehmen erhält. Dies gilt insbesondere für Bereiche, in denen eine Datenerhebung auf Ebene des ESS wirksamer sein könnte und sich die Daten beispielsweise im Besitz unionsweit tätiger Unternehmen befinden. Darüber hinaus soll mit dem Vorschlag eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung der NSÄ eingeführt werden, um zu vermeiden, dass unangemessene Ersuchen an private Dateninhaber gerichtet werden, und um die Wahrung des Grundsatzes der Datenminimierung sicherzustellen.

Der Kommission sollte die Befugnis übertragen werden, im Wege von Durchführungsrechtsakten die Modalitäten für die Bereitstellung der Daten festzulegen, wie etwa das Datenformat, die Anforderungen bezüglich der Metadaten, ein gemeinsames Muster für die Übermittlung von Verlangen oder der tatsächliche Weg des Datenzugriffs, wobei die Verpflichtung zur Bereitstellung von Daten eindeutig unterschiedliche Möglichkeiten einschließen muss, darunter die Übermittlung der Daten, die Nutzung des sicheren Berechnungsrahmens eines Dritten oder die Übermittlung eines Algorithmus an den privaten Dateninhaber.

In den Bestimmungen werden die Pflichten der NSÄ und der Kommission (Eurostat) bei der Weiterverwendung der für die Entwicklung und Erstellung europäischer Statistiken bereitgestellten Daten festgelegt. Insbesondere sollten die NSÄ und die Kommission (Eurostat) diese Daten ausschließlich für statistische Zwecke und im Einklang mit den Grundsätzen der statistischen Geheimhaltung und der Kostenwirksamkeit verwenden und sie nur dann an Dritte weitergeben, wenn der Dateninhaber dem zugestimmt hat. Darüber hinaus sollten die NSÄ und die Kommission (Eurostat) geeignete Maßnahmen ergreifen, um die statistische Geheimhaltung sowie Geschäftsgeheimnisse zu schützen und andere rechtmäßige Interessen privater Dateninhaber zu wahren, darunter auch im Hinblick auf die durch die Bereitstellung der Daten entstehenden Kosten und den damit verbundenen Aufwand. Die Kommission (Eurostat) veröffentlicht eine Beschreibung der wichtigsten Kostenkategorien im Zusammenhang mit der Datenverarbeitung, für die dem Dateninhaber eine Kompensation gewährt werden kann, sowie die Methodik für die Berechnung dieser Kosten.

Förderung der gemeinsamen Datennutzung innerhalb des ESS (Vorschlag für einen neuen Artikel 17f)

Es wird vorgeschlagen, in Kapitel III über die „Erstellung europäischer Statistiken“ neue Vorschriften über die gemeinsame Datennutzung der NSÄ sowie der NSÄ und der Kommission (Eurostat) aufzunehmen, nach denen eine gemeinsame Nutzung ausschließlich für den Zweck der Entwicklung und Erstellung europäischer Statistiken sowie zur Verbesserung ihrer Qualität und nur dann zulässig ist, wenn sie relevant und erforderlich ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn es um die Beobachtung grenzübergreifender Phänomene geht, die nicht als Summe einzelstaatlicher Schätzungen bemessen werden können.

Die gemeinsame Datennutzung gilt als eine Möglichkeit, den Zugang zu Datenquellen innerhalb des ESS sowohl für die Entwicklung und Erstellung von Statistiken als auch zur Unterstützung von Datenanalysen zu verbessern. Im Zuge der gemeinsamen Datennutzung innerhalb des ESS sorgen die beteiligten NSÄ und die Kommission (Eurostat) für alle erforderlichen physischen und logischen Schutzvorkehrungen zur Wahrung der Vertraulichkeit der Daten. Die gemeinsame Datennutzung sollte durch die Nutzung einer sicheren Infrastruktur erleichtert werden, welche die technische Integrität und Vertraulichkeit der Datenverarbeitung sicherstellt.

Handelt es sich bei den betreffenden Daten um vertrauliche Daten im Sinne des Artikels 3 dieser Verordnung oder um personenbezogene Daten im Sinne der Verordnungen (EU) 2016/679 und (EU) 2018/1725, ist die gemeinsame Nutzung dieser Daten zulässig und kann auf freiwilliger Basis und auf der Grundlage von Technologien zum Schutz der Privatsphäre erfolgen.

Entwicklung europäischer Statistiken (Vorschlag für ein neues Kapitel IIIa über die „Entwicklung europäischer Statistiken“ mit einem neuen Artikel 17g)

Der Vorschlag sieht die Einführung eines neuen Kapitels IIIa über die „Entwicklung europäischer Statistiken“ vor, das in Entwicklung befindliche Statistiken – mitunter auch als „experimentelle Statistiken“ bezeichnet – zum Gegenstand hat. Ziel ist die Schaffung eines Rahmens, in dem das ESS in bestimmten Bereichen gemeinsam europäische Statistiken entwickeln kann, sodass schrittweise neue Technologien und neue Erkenntnisse einbezogen werden. Die Kommission (Eurostat) kann in enger Zusammenarbeit mit dem ESS-Ausschuss die koordinierte Entwicklung neuer statistischer Produkte und Erkenntnisse innerhalb des ESS veranlassen.

Verbreitung europäischer Statistiken (Vorschlag für einen neuen Absatz 4 in Artikel 18)

Es wird vorgeschlagen, die Tatsache zu nutzen, dass die Mitgliedstaaten mitunter europäische Statistiken auf nationaler Ebene bereits vor Ablauf der in den einschlägigen sektoralen Rechtsvorschriften festgelegten Übermittlungsfristen veröffentlichen. Nach der Veröffentlichung dieser Daten sollte die Kommission (Eurostat) in der Lage sein, dieselben Daten unverzüglich zu verbreiten und mithin dazu beizutragen, dass auch auf europäischer Ebene aktuellere Daten verfügbar sind, sofern sie den einschlägigen Definitionen und Klassifizierungen entsprechen.

Weiterverwendung öffentlich zugänglicher Daten (Vorschlag für einen geänderten Artikel 25)

Um eine wirksamere Verwendung öffentlich zugänglicher Daten sicherzustellen, wird vorgeschlagen, den Wortlaut von Artikel 25 zu ändern.

Neue Aufgaben der NSÄ in den nationalen Rahmen für die Daten-Governance (Vorschlag für einen neuen Artikel 26a)

Darüber hinaus wird vorgeschlagen, dass die NSÄ im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip auf nationaler Ebene Funktionen innerhalb der nationalen Rahmen für die Daten-Governance übernehmen können, einschließlich der im Daten-Governance-Rechtsakt vorgesehenen Funktionen, um die Datenintegration und ‑interoperabilität, die Metadatenbeschreibung, die Qualitätssicherung und die Festlegung von Normen zu fördern und neue Datenquellen zu ermitteln, die für in Entwicklung befindliche Statistiken herangezogen werden können. Diese Funktionen müssen im Einklang mit den in der vorliegenden Verordnung festgelegten statistischen Grundsätzen wahrgenommen werden. 

Bewertungs- und Überprüfungsklausel (Vorschlag für einen neuen Artikel 27a)

Im Einklang mit der Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über bessere Rechtsetzung wird die Aufnahme einer Überprüfungsklausel vorgeschlagen.

2023/0237 (COD)

Vorschlag für eine

VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 über europäische Statistiken

(Text von Bedeutung für den EWR)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 338 Absatz 1,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)Mit der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates 9 wurde auf Unionsebene der Rechtsrahmen für die Entwicklung, Erstellung und Verbreitung europäischer Statistiken festgelegt.

(2)Die Verordnung (EG) Nr. 223/2009 wurde im Jahr 2015 geändert, um die Governance und insbesondere die fachliche Unabhängigkeit des Europäischen Statistischen Systems (ESS) weiter zu stärken; seitdem hat sich diese gestärkte Governance als wirksam erwiesen.

(3)Der digitale Wandel hat sich in drastisch veränderten Gegebenheiten niedergeschlagen und ein neues Umfeld mit einem neuen Bedarf an europäischen Statistiken geschaffen. Zudem stiegen infolge der jüngsten COVID-19-Krise und der durch die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine ausgelösten Energiekrise der Bedarf an aktuelleren, häufigeren und detaillierteren europäischen Statistiken, die für die Entscheidungsfindung und die bestmögliche Reaktion der Union auf Krisen benötigt werden, sowie die an diese Statistiken gestellten Erwartungen.

(4)Damit den steigenden Erwartungen im Hinblick auf aktuellere, häufigere und detailliertere europäische Statistiken sowie eine zügigere und besser koordinierte Reaktion des ESS auf dringenden statistischen Bedarf in Krisenzeiten entsprochen wird, muss die Verordnung (EG) Nr. 223/2009 geändert werden. Mit dieser Verordnung soll sichergestellt werden, dass europäische Statistiken weiterhin relevant bleiben und dafür diesem sich ändernden und anspruchsvolleren Nutzerbedarf Rechnung getragen wird, indem insbesondere das volle Potenzial digitaler Datenquellen und Technologien ausgeschöpft und ihre Weiterverwendung für europäische Statistiken ermöglicht, indem das ESS flexibler gestaltet und stärker befähigt wird, wirksam und zügig auf Krisen zu reagieren, und indem die gemeinsame Datennutzung gefördert und die Koordinierung zwischen den ESS-Partnern gestärkt wird.

(5)Damit den heutigen Gegebenheiten und dem digitalen Zeitalter, in dem das ESS funktioniert, Rechnung getragen wird, sollten neue Definitionen in die Verordnung (EG) Nr. 223/2009 aufgenommen sowie geltende Definitionen aktualisiert und mithin die Konzepte „Daten“, „Metadaten“, „Dateninhaber“, „Weiterverwendung von Daten“, „gemeinsame Datennutzung“, „Datenquelle“, „Multisource-Statistiken“, „Verwendung für statistische Zwecke“ und „Krise“ präzisiert werden.

(6)Durch die jüngste COVID-19-Pandemie wurde deutlich, dass aktuelle, zuverlässige und vergleichbare europäische Statistiken für die Wirksamkeit der Reaktion der Behörden auf Notsituationen von maßgeblicher Bedeutung sind. Daher sollte das ESS die Möglichkeit erhalten, koordinierte Maßnahmen zügig einzuleiten, wenn sich – insbesondere in Krisenzeiten – außerhalb des regulären Planungsrahmens ein dringender Bedarf an Daten und Statistiken ergibt. In einer solchen Situation sollte ein Dateninhaber den nationalen statistischen Ämtern (im Folgenden „NSÄ“) oder der Kommission (Eurostat) auf Verlangen Daten zur Verfügung stellen, wenn diese gemäß den im Datengesetz 10 festgelegten Vorschriften nachweisen, dass eine außergewöhnliche Notwendigkeit der Nutzung der angeforderten Daten besteht.

(7)Der Zugang zu neuen Datenquellen, die als Nebenprodukte digitaler Dienste und des Internets der Dinge anfallen, und ihre Weiterverwendung entwickeln sich zu einer maßgeblichen Voraussetzung für die wirksamere und kostengünstigere Erstellung aktueller sowie angemessen häufiger und hinreichend detaillierter europäischer Statistiken. Daher sollte der nachhaltige Zugang zu neuen Datenquellen im Allgemeinen und zu in privatem Besitz befindlichen Daten im Besonderen für die Entwicklung und Erstellung amtlicher europäischer Statistiken nach fairen, eindeutigen und vorhersehbaren Regeln sichergestellt werden.

(8)Der Zugang zu neuen Datenquellen, darunter insbesondere auch zu in privatem Besitz befindlichen Daten, wird vom ESS seit Langem gefordert, wie beispielsweise in seinem Positionspapier zum Zugang zu in privatem Besitz befindlichen Daten von öffentlichem Interesse („Position paper on access to privately held data which are of public interest“) vom November 2017 und seinem Positionspapier zum Vorschlag für ein künftiges Datengesetz („European Statistical System (ESS) position paper on the future Data Act proposal“) vom Juni 2021.

(9)Für die Weiterverwendung von in privatem Besitz befindlichen Daten und anderen neuen Datenquellen sollten strenge rechtliche, technische und verfahrenstechnische Schutzvorkehrungen und Garantien gelten, die – wie bereits in der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 verankert – unter anderem ein hohes Niveau in Bezug auf Sicherheit und Geheimhaltung sowie einen umfassenden Schutz der Privatsphäre gewährleisten. Die Möglichkeit, Zugang zu in privatem Besitz befindlichen Daten zu verlangen, sollte den in eigenem Namen oder im Namen einer anderen einzelstaatlichen Stelle des ESS handelnden NSÄ sowie der Kommission (Eurostat) vorbehalten sein; zudem sollte die Voraussetzung gelten, dass dieser Zugang in einem jährlichen Arbeitsprogramm festgelegt und auf Fälle beschränkt sein muss, in denen die angeforderten Daten zum einen für die Entwicklung und Erstellung europäischer Statistiken erforderlich sind und zum anderen nicht ohne Weiteres anderweitig beschafft werden können, oder dass durch ihre Weiterverwendung der Beantwortungsaufwand der Dateninhaber und anderer Unternehmen erheblich verringert würde.

(10)Die Ersuchen um Daten der NSÄ oder der Kommission (Eurostat) sollten im Hinblick auf ihren Umfang und ihre Detailtiefe transparent und verhältnismäßig sein. In diesem Zusammenhang müssen der Zweck des Ersuchens, die beabsichtigte Verwendung der angeforderten Daten, die für die Bereitstellung der Daten geltenden Intervalle und Fristen sowie die operativen Modalitäten für ihre Bereitstellung angegeben und erläutert werden.

(11)Mit den Ersuchen um Daten sollte die NSA oder die Kommission (Eurostat) den Dateninhaber zu einem Dialog einladen, in dem die konkreten Parameter der Ersuchen um Daten, die Modalitäten, die Maßnahmen zur Kompensation etwaiger für die Datenbereitstellung anfallender Kosten sowie die organisatorischen und technischen Maßnahmen für den Schutz der Vertraulichkeit der Daten sowie von Geschäftsgeheimnissen festgelegt werden, um eine Vereinbarung über diese Aspekte zu schließen. Wird innerhalb von drei Monaten keine Vereinbarung geschlossen, sollte das NSA oder die Kommission die Möglichkeit haben, einen Beschluss zu erlassen, in dem sie den Dateninhaber zur Bereitstellung von Daten auffordert. Wenn es der Dateninhaber vorsätzlich oder fahrlässig versäumt, die angeforderten Daten innerhalb der festgelegten Frist zu übermitteln, oder falsche, unvollständige oder irreführende Daten übermittelt, sollten die NSÄ oder die Kommission die Möglichkeit haben, Strafen zu verhängen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein sollten und unter Berücksichtigung des verfolgten öffentlichen Interesses der Art, Schwere, Häufigkeit und Dauer der Zuwiderhandlung Rechnung tragen sollten. Die von den NSÄ verhängten Straften sollten den bei Zuwiderhandlungen gegen ähnliche nationale Vorschriften üblichen Strafen gleichwertig sein. Gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen alle auf der Grundlage dieser Verordnung gefassten Beschlüsse der Kommission der Prüfung durch den Gerichtshof der Europäischen Union. Der Gerichtshof der Europäischen Union sollte gemäß Artikel 261 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union die Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung der von der Kommission verhängten Geldbußen haben.

(12)Die weitere Integration von Statistiken und Geoinformationen sollte ebenfalls gefördert werden, um eine wirksamere Ressourcennutzung sowie eine verbesserte Datenintegration durch unterschiedliche öffentliche Einrichtungen, die Erstellung neuer statistischer Produkte, wie beispielsweise Raumanalysen, sowie die Visualisierung und Verbreitung von Daten zu ermöglichen. Dies wird die Entscheidungsfindung und Überwachung politischer Zielsetzungen sowohl auf Unionsebene als auch auf nationaler Ebene erleichtern.

(13)Es muss sichergestellt werden, dass die nationalen öffentlichen Stellen, in deren Zuständigkeitsbereich die für die Entwicklung, Erstellung und Verbreitung europäischer Statistiken relevanten administrativen Datenquellen fallen, den nationalen statistischen Ämtern gestatten, rechtzeitig und hinreichend häufig kostenlos auf diese Daten zuzugreifen, sie weiterzuverwenden und zu integrieren, um fristgemäß und im Einklang mit den in den statistischen Rechtsvorschriften der Union festgelegten Qualitätsanforderungen Statistiken zu erstellen und der Kommission (Eurostat) zu übermitteln.

(14)Umfassen die gemäß dieser Verordnung durchzuführenden Tätigkeiten die Verarbeitung personenbezogener Daten, so sollte diese Verarbeitung im Einklang mit den einschlägigen Rechtsvorschriften der Union zum Schutz personenbezogener Daten – d. h. der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates 11 sowie der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates 12  – erfolgen. Im Einklang mit dem in den genannten Verordnungen festgelegten Grundsatz der Datenminimierung sollten die nach der vorliegenden Verordnung bereitgestellten Daten in der Regel so weit aggregiert werden, dass keine Einzelpersonen identifiziert werden können.

(15)Für die im öffentlichen Interesse liegende Verarbeitung personenbezogener Daten durch die nationalen statistischen Stellen für die Zwecke amtlicher Statistiken sollten gemäß der Verordnung (EU) 2016/679 Ausnahmen und geeignete Garantien gelten. So sollte beispielsweise die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten für statistische Zwecke nicht als mit den ursprünglichen Zwecken, für die die Daten erhoben wurden, unvereinbar angesehen werden. Zu den besonderen Garantien, die in diesem Zusammenhang gelten sollten, wenn die gemeinsame Datennutzung gemäß der vorliegenden Verordnung die Verarbeitung personenbezogener Daten erforderlich macht, zählen die Grundsätze der Zweckbindung, Datenminimierung, Speicherbegrenzung, Integrität und Vertraulichkeit im Sinne der Verordnung (EU) 2016/679. Diesbezüglich sollte die gemeinsame Datennutzung auf der Grundlage von Technologien zum Schutz der Privatsphäre erfolgen, die speziell auf die Wahrung dieser Grundsätze ausgerichtet sind.

(16)Damit bei der schrittweisen Einbeziehung neuer Technologien und Erkenntnisse eine Vorreiterrolle eingenommen werden kann und auf diese Weise sichergestellt ist, dass die europäischen Statistiken dauerhaft relevant bleiben, sollten Vorschriften festgelegt werden, nach denen das ESS in bestimmten Bereichen gemeinsam Statistiken entwickeln kann, die letztlich in die regelmäßige Erstellung europäischer Statistiken aufgenommen werden sollen. Diese Statistiken sollten als europäische Statistiken gelten, auch wenn sie nicht zwangsläufig alle in Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 festgelegten Qualitätskriterien erfüllen.

(17)Im Rahmen ihrer Bemühungen um die kontinuierliche Entwicklung von Innovationen und neuen statistischen Produkten sollten die nationalen statistischen Stellen dem Bedarf der Nutzer, wie er insbesondere von den nationalen Beiräten der Statistiknutzer zum Ausdruck gebracht wird, umfassend Rechnung tragen. Auf Unionsebene sollte der Europäische Beratende Ausschuss für Statistik, der mit dem Beschluss Nr. 234/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates 13 eingesetzt wurde und die wichtigste Einrichtung der Union für die Vertretung der Nutzer und Produzenten europäischer Statistiken sowie der Auskunftgebenden darstellt, von der Kommission darüber unterrichtet werden, inwiefern seine Stellungnahmen insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung neuer europäischer Statistiken berücksichtigt wurden.

(18)Des Weiteren sollten die statistischen Stellen sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene eine intensive, strukturierte und dauerhafte interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Hochschul- und Forschungseinrichtungen fördern, insbesondere im Zusammenhang mit der Entwicklung neuer Statistiken, der Erprobung neuer Methoden und Technologien und der Förderung von Innovation und Experimentieren.

(19)Angesichts des den NSÄ entgegengebrachten Vertrauens und ihrer umfassenden technischen Fachkompetenz in den Bereichen Datenverwaltung, Datenqualität und Datenschutz sollten die Mitgliedstaaten angehalten werden, den NSÄ im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip bestimmte Funktionen innerhalb der nationalen Rahmen für die Daten-Governance zu übertragen, einschließlich der im Daten-Governance-Rechtsakt vorgesehenen Funktionen, um die Datenintegration und interoperabilität, die Metadatenbeschreibung, die Qualitätssicherung und die Festlegung von Normen zu fördern. Diesbezüglich sollte die Einbeziehung der NSÄ in die Planung, die Weiterentwicklung und den Wegfall von Verwaltungsunterlagen bekräftigt und gegebenenfalls gestärkt werden, um unter anderem die Kohärenz und Qualität der Daten zu gewährleisten und den Meldeaufwand möglichst gering zu halten.

(20)Daten, die der Öffentlichkeit rechtmäßig zugänglich sind, sollten nicht als vertraulich gelten, wenn sie für statistische Zwecke verwendet werden.

(21)Damit auf Unionsebene aktuellere Daten verfügbar sind, sollte die Kommission (Eurostat) befugt sein, die europäischen Statistiken der Mitgliedstaaten zu verbreiten, sobald sie auf nationaler Ebene veröffentlicht wurden, selbst wenn diese Veröffentlichung vor Ablauf der in den einschlägigen sektoralen Rechtsvorschriften der Union festgelegten Fristen für die Bereitstellung der Statistiken erfolgt ist.

(22)Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich die Änderung des Rechtsrahmens für die Entwicklung, Erstellung und Verbreitung europäischer Statistiken, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr aus Gründen der Kohärenz und Vergleichbarkeit auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden, um dieses Ziel zu erreichen. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.

(23)Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse in Bezug auf die zu ergreifenden zeitlich begrenzten statistischen Maßnahmen, einschließlich der jeweils geltenden Anforderungen bezüglich Zeitraum, Häufigkeit und Qualität, auf die allgemeinen technischen Modalitäten für die Bereitstellung von in privatem Besitz befindlichen Daten für die NSÄ und die Kommission (Eurostat) sowie auf die technischen Aspekte der gemeinsamen Datennutzung durch die statistischen Stellen übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates 14 ausgeübt werden.

(24)Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates 15 angehört und hat am [xxx] eine Stellungnahme abgegeben.

(25)Der Ausschuss für das Europäische Statistische System (ESS) wurde gehört —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1 
Änderung der Verordnung (EG) Nr. 223/2009

Die Verordnung (EG) Nr. 223/2009 wird wie folgt geändert:

(1)Artikel 3 wird wie folgt geändert:

a)    Die folgenden Nummern 4a, 4b, 4c, 4d und 4e werden eingefügt:

„4a. ‚Daten‘ digitale oder nicht digitale Darstellungen von Handlungen, Tatsachen und Informationen;

4b. ‚Metadaten‘ Daten, die andere Daten und Prozesse definieren und beschreiben oder die hierzu verwendet werden;

4c. ‚Dateninhaber‘ eine juristische oder natürliche Person, die nach dem geltenden Unionsrecht oder nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung des Unionsrechts berechtigt oder in der Lage ist, bestimmte Daten bereitzustellen;

4d. ‚Weiterverwendung von Daten‘ die Verwendung von Daten, die sich im Besitz von Dateninhabern befinden und von diesen für die Entwicklung, Erstellung und Verbreitung europäischer Statistiken bereitgestellt werden, durch die nationalen statistischen Stellen und die Kommission (Eurostat);

4e. ‚gemeinsame Datennutzung‘ die Bereitstellung von Daten oder die Erteilung der Erlaubnis zur Weiterverwendung von Daten durch eine statistische Stelle für eine andere statistische Stelle für den Zweck der gemeinsamen oder alleinigen Verwendung dieser Daten für statistische Zwecke;“

b)    Die folgenden Nummern 5a, 5b und 5c werden eingefügt:

„5a. ‚Datenquelle‘ eine Quelle für Daten, die für sich genommen oder in Kombination mit Daten aus anderen Quellen relevant für die Entwicklung und Erstellung von Statistiken sind, einschließlich Erhebungen, Volkszählungen, Verwaltungsunterlagen oder Daten, die von Dateninhabern auf Verlangen bereitgestellt werden;

5b. ‚Datenzugang‘ die Verarbeitung der von einem privaten Dateninhaber bereitgestellten Daten durch ein nationales statistisches Amt oder die Kommission (Eurostat) gemäß spezifischen technischen, rechtlichen oder organisatorischen Anforderungen, ohne dass diese Daten hierzu zwingend übertragen oder heruntergeladen werden müssen;

5c. ‚Multisource-Statistiken‘ Statistiken, die auf der Grundlage einer Vielzahl von Datenquellen entwickelt oder erstellt wurden, auch mithilfe von Modellierungstechniken;“

c) Nummer 8 erhält folgende Fassung:

„8. ‚Verwendung für statistische Zwecke‘ die ausschließliche Verwendung für die Entwicklung und Erstellung statistischer Ergebnisse und Analysen, einschließlich der damit verbundenen Tätigkeiten im Bereich Forschung und Wissenschaft oder der Festlegung von Stichprobengrundlagen;“

d)    Die folgende Nummer 8a wird eingefügt:

„8a. ‚Krise‘ eine Situation mit weitreichenden Auswirkungen oder von großer politischer Bedeutung, durch die ein unmittelbarer und unvorhergesehener Bedarf an europäischen Statistiken entsteht;“

(2)Der folgende Artikel 16a wird eingefügt:

Artikel 16a 
Statistische Reaktion auf Krisen

(1)    Die Kommission (Eurostat) prüft zeitlich begrenzte statistische Maßnahmen und ergreift sie gegebenenfalls im Einklang mit den in diesem Artikel festgelegten Verfahren, wenn die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a) Es muss einem dringenden Informationsbedarf entsprochen werden, der sich aus einer Krise und nach der Aktivierung bestehender oder künftiger Notfallmechanismen gemäß Rechtsakten der Union ergibt; zu diesen Notfallmechanismen zählen:

i) der vorübergehende Schutz gemäß der Richtlinie 2001/55/EG des Rates 16 ;

ii) das Katastrophenschutzverfahren der Union gemäß dem Beschluss Nr. 1313/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates 17 ;

iii) die Soforthilfe gemäß der Verordnung (EU) 2016/369 des Rates 18 ;

iv) der Notfallrahmen gemäß der Verordnung (EU) 2022/2372 des Rates 19 ;

v) der Marktkorrekturmechanismus gemäß der Verordnung (EU) 2022/2578 des Rates 20 ;

vi) der Notfallmodus gemäß der Verordnung (EU) xx/xx des Europäischen Parlaments und des Rates (noch anzunehmen 21 );

b) Dieser dringende Informationsbedarf kann nicht im Rahmen des Europäischen Statistischen Programms gedeckt werden.

(2)    Die zeitlich begrenzten statistischen Maßnahmen nach Absatz 1 werden von der Kommission (Eurostat) auf Unionsebene durchgeführt und können Folgendes einschließen:

a) Erstellung europäischer Statistiken auf der Grundlage neuer Datenerhebungen;

b) Bereitstellung neuer statistischer Indikatoren und Erkenntnisse auf der Grundlage vorhandener Daten;

c) Entwicklung harmonisierter statistischer Methoden und diesbezüglicher methodischer Leitlinien, um die Vergleichbarkeit und Kohärenz der Statistiken der einzelnen Mitgliedstaaten sicherzustellen;

d) weitere koordinierte Maßnahmen auf Unionsebene, mit denen eine zeitnahe und relevante statistische Reaktion auf die spezifische Situation ermöglicht werden soll.

(3)    Wenn die Kommission (Eurostat) bewertet, ob zeitlich begrenzte statistische Maßnahmen notwendig sind, unterrichtet und konsultiert sie unverzüglich den ESS-Ausschuss und berücksichtigt dessen fachliche Anleitung.

(4)    Die NSÄ können einzeln und auf freiwilliger Basis beschließen, sich an diesen zeitlich begrenzten statistischen Maßnahmen zu beteiligen, stellen jedoch gemeinsam mit der Kommission (Eurostat) die Relevanz sowie eine ausreichende Abdeckung dieser Maßnahmen auf Unionebene sicher. Wenn sie sich an zeitlich begrenzten statistischen Maßnahmen beteiligen, erfüllen die NSÄ die gemeinsamen Anforderungen bezüglich Zeitraum, Häufigkeit und Qualität, die an die nationalen Daten gestellt werden, die von der Kommission (Eurostat) bereitzustellen sind.

(5)    Die Kommission kann im Wege von Durchführungsrechtsakten die zeitlich befristeten statistischen Maßnahmen und das Verfahren für ihre Durchführung festlegen, einschließlich der Anforderungen bezüglich Zeitraum, Häufigkeit und Qualität, die von den an der zeitlich befristeten statistischen Maßnahme teilnehmenden NSÄ umzusetzen sind. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem Prüfverfahren gemäß Artikel 27 Absatz 2 erlassen.

(6)    Die nach Absatz 5 erlassenen Maßnahmen bleiben für einen Zeitraum von höchstens 24 Monaten in Kraft.“

(3)Die Überschrift des Artikels 17a erhält folgende Fassung:

„Zugang zu Verwaltungsunterlagen sowie deren Weiterverwendung und Integration für die Entwicklung und Erstellung europäischer Statistiken“

(4)Artikel 17a Absatz 1 erhält folgende Fassung:

„(1)    Die nationalen öffentlichen Stellen, in deren Zuständigkeitsbereich die für die Entwicklung, Erstellung und Verbreitung europäischer Statistiken relevanten administrativen Datenquellen fallen, gestatten den NSÄ und anderen einzelstaatlichen Stellen im Sinne des Artikels 4, rechtzeitig und hinreichend häufig kostenlos auf diese Daten und die entsprechenden Metadaten zuzugreifen, sie weiterzuverwenden und zu integrieren, um fristgemäß und im Einklang mit den in den statistischen Rechtsvorschriften der Union festgelegten Qualitätsanforderungen Statistiken zu erstellen und der Kommission (Eurostat) zu übermitteln.“

(5)In Artikel 17a wird folgender Absatz 2a eingefügt:

„(2a)    Für die Zwecke dieser Verordnung wird der Kommission (Eurostat) auf Ersuchen gestattet, zeitnah auf relevante Daten und Metadaten in von Einrichtungen und Agenturen der Union geführten Datenbanken und Interoperabilitätssystemen zuzugreifen und sie weiterzuverwenden und zu integrieren; dies gilt unbeschadet der Rechtsakte der Union, mit denen diese Datenbanken und Interoperabilitätssysteme eingerichtet wurden. Zu diesem Zweck arbeitet die Kommission (Eurostat) mit den einschlägigen Einrichtungen und Agenturen der Union zusammen, um die erforderlichen bedarfsgerechten Daten und Metadaten, die operativen Modalitäten für die Weiterverwendung der Daten und die erforderlichen physischen und logischen Schutzvorkehrungen festzulegen.“

(6)Artikel 17a Absatz 5 erhält folgende Fassung:

„(5)    Die NSÄ und die Inhaber von Verwaltungsunterlagen richten die erforderlichen Kooperationsmechanismen ein. Diese Mechanismen bieten den NSÄ auch die Möglichkeit, Prüfungen der Datenqualität vorzunehmen und auf der Grundlage der relevanten Verwaltungsunterlangen statistische Rahmen zu erstellen.“

(7)Die folgenden Artikel 17b, 17c, 17d, 17e und 17f werden eingefügt:

Artikel 17b 
Verpflichtung privater Dateninhaber zur Bereitstellung von Daten für die Entwicklung und Erstellung europäischer Statistiken

(1)    Unbeschadet der in den sektoralen statistischen Rechtsvorschriften der Union festgelegten Meldepflichten sowie der Verpflichtung der Dateninhaber zur Bereitstellung von Daten im Falle außergewöhnlicher Notwendigkeit gemäß dem Datengesetz kann ein NSA oder die Kommission (Eurostat) von einem privaten Dateninhaber verlangen, Daten und die entsprechenden Metadaten für die Entwicklung und Erstellung europäischer Statistiken zur Verfügung zu stellen, wenn gemäß dem jährlichen Arbeitsprogramm die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a) die angeforderten Daten sind für die Entwicklung und Erstellung europäischer Statistiken erforderlich;

b) die Daten können nicht ohne Weiteres auf anderem Wege, wie beispielsweise durch Umfragen oder die Weiterverwendung von Verwaltungsunterlagen, beschafft werden oder ihre Weiterverwendung wird eine erhebliche Verringerung des Beantwortungsaufwands der Dateninhaber und anderer Unternehmen zur Folge haben.

(2)    Als Koordinator des nationalen statistischen Systems kann ein NSA im Namen einer anderen einzelstaatlichen Stelle ein Ersuchen um Daten an einen privaten Dateninhaber richten, wenn die angeforderten Daten für die von der betreffenden anderen einzelstaatlichen Stelle entwickelten und erstellten europäischen Statistiken erforderlich sind.

(3)    Die NSÄ und die Kommission (Eurostat) arbeiten zusammen und unterstützen sich gegenseitig, um zu vermeiden, dass unangemessene Ersuchen an private Dateninhaber gerichtet werden, und um festzulegen, von wem Ersuchen um Daten vorzulegen sind. Insbesondere wird das Ersuchen um Daten von der Kommission (Eurostat) im Einvernehmen mit den NSÄ an einen privaten Dateninhaber gerichtet, wenn ein solches Vorgehen, wie beispielsweise im Fall von unionsweit tätigen Dateninhabern, effizienter ist.

(4)    Die Kommission (Eurostat) kann im Einvernehmen mit den NSÄ eine sichere Infrastruktur einrichten, um Daten, auf die gemäß Absatz 2 zugegriffen wurde, weiterhin mit den NSÄ leichter gemeinsam nutzen zu können.

(5)    Dieser Artikel gilt nicht für kleine Unternehmen und Kleinstunternehmen im Sinne des Artikels 2 des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission 22 .

Artikel 17c 
Ersuchen um Daten und Modalitäten für die Bereitstellung von Daten für die Entwicklung und Erstellung europäischer Statistiken

(1)    Wenn die NSÄ oder die Kommission (Eurostat) Ersuchen um Daten gemäß Artikel 17b stellen, müssen sie

a) angeben, welche Daten benötigt werden;

b) den statistischen Bedarf nachweisen, für den die Daten gemäß Artikel 17b Absatz 1 angefordert werden;

c) angeben, mit welcher Häufigkeit und innerhalb welcher Fristen die Daten bereitzustellen sind;

d) die operativen Modalitäten für die Bereitstellung der Daten angeben;

e) den Dateninhaber zu dem Dialog gemäß Absatz 3 einladen.

(2)    Ersuchen um Daten im Sinne des Absatzes 1

a) entsprechen dem Grundsatz der Datenminimierung und stehen in Bezug auf die Detailtiefe und die Menge der Daten sowie die Häufigkeit ihrer Bereitstellung in einem angemessenen Verhältnis zum statistischen Bedarf;

b) betreffen so weit wie möglich nicht personenbezogene Daten.

(3)    Nach einem Ersuchen um Daten gemäß Absatz 1 sollte ein Dialog zwischen dem NSA oder der Kommission (Eurostat) und dem betreffenden Dateninhaber stattfinden, bei dem Aspekte wie die Aggregationsebene der Daten, die Frist für die Bereitstellung der Daten und die diesbezüglichen Modalitäten, die Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit und Geheimhaltung sowie etwaige Aspekte der Kostenkompensation im Hinblick auf den Abschluss einer Vereinbarung über diese Aspekte erörtert werden

(4)    Wird innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe des Ersuchens um Daten gemäß Absatz 1 keine Vereinbarung geschlossen, kann das NSA oder die Kommission vom privaten Dateninhaber die Daten durch einen Beschluss anfordern. Der Beschluss enthält die Angaben nach Absatz 1 Buchstaben a bis d und trägt den Fragen Rechnung, über die im Rahmen des Dialogs mit dem Dateninhaber möglicherweise Einvernehmen erzielt wurde. Dieser Beschluss kann auch eine Kompensation für den privaten Dateninhaber einschließen, deren Höhe die Grenzkosten der für die Bereitstellung der Daten erforderlichen Vorbereitungsarbeiten nicht überschreiten darf. Die Frist für die Bereitstellung der Daten darf nicht kürzer sein als 15 Tage. Vor dem Erlass des Beschlusses geben das NSA oder die Kommission dem Dateninhaber Gelegenheit, sich zu den Maßnahmen, die das NSA oder die Kommission zu ergreifen beabsichtigt, zu äußern. Im Beschluss werden die nach Absatz 6 vorgesehenen Geldbußen und die möglichen Rechtsbehelfe gegen diesen Beschluss angegeben.

(5)    Unbeschadet der in den sektoralen statistischen Rechtsvorschriften der Union festgelegten Meldepflichten stellt der Dateninhaber dem NSA oder der Kommission (Eurostat) die relevanten Daten innerhalb der im Beschluss nach Absatz 4 festgelegten Frist zu Verfügung.

(6)    Die Mitgliedstaaten und die Kommission ergreifen geeignete Maßnahmen, um die wirksame Durchsetzung der gemäß Absatz 4 erlassenen Beschlüsse sicherzustellen. Diese Maßnahmen können auch die Verhängung von Geldbußen einschließen, wenn es der private Dateninhaber vorsätzlich oder fahrlässig versäumt, die mit dem Beschluss angeforderten Daten innerhalb der festgelegten Frist vorzulegen, oder er falsche, unvollständige oder irreführende Daten vorlegt. Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen berücksichtigen der Mitgliedstaat und die Kommission Art, Schwere, Dauer und Häufigkeit der Zuwiderhandlung.

(7)    Um Absatz 6 nachzukommen, kann die Kommission Beschlüsse über die Verhängung von Geldbußen in Höhe von bis zu 25 000 EUR erlassen. Im Falle einer erneuten Zuwiderhandlung innerhalb von drei Jahren kann eine Geldbuße von bis zu 50 000 EUR verhängt werden. Die Kommission kann Leitlinien für die Berechnung der Geldbuße herausgeben.

(8)    Die Kommission kann einen Beschluss über die Verhängung einer Geldbuße binnen eines Jahres nach Ablauf der in ihrem Beschluss nach Artikel 4 festgelegten Frist für die Übermittlung der Daten in Fällen, in denen der Dateninhaber keine Daten übermittelt, beziehungsweise binnen eines Jahres nach der Übermittlung falscher, unvollständiger oder irreführender Daten erlassen.

Die Befugnis der Kommission zur Vollstreckung von Beschlüssen über die Verhängung einer Geldbuße verjährt nach Ablauf von fünf Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Tag, an dem der Beschluss rechtskräftig wird.

(9)    Vor dem Erlass eines Beschlusses gemäß Absatz 6 geben die Mitgliedstaaten und die Kommission dem Dateninhaber Gelegenheit, sich zu den vorläufigen Feststellungen sowie zu den Maßnahmen zu äußern, welche die Mitgliedstaaten oder die Kommission in Anbetracht der vorläufigen Feststellungen zu ergreifen beabsichtigen.

(10)    Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten die allgemeinen technischen Modalitäten für die Bereitstellung von Daten gemäß diesem Artikel fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem Prüfverfahren gemäß Artikel 27 Absatz 2 erlassen.

Artikel 17d 
Prüfung von Beschlüssen über die Verhängung von Geldbußen durch den Gerichtshof der Europäischen Union

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat gemäß Artikel 261 AEUV die Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung der Beschlüsse, mit denen die Kommission Geldbußen verhängt hat. Er kann die verhängte Geldbuße aufheben, herabsetzen oder erhöhen.

Artikel 17e 
Pflichten der NSÄ und der Kommission (Eurostat) bei der Weiterverwendung der für die Entwicklung und Erstellung europäischer Statistiken bereitgestellten Daten

(1)    Die NSÄ und die Kommission (Eurostat) verwenden die gemäß Artikel 17b für die Entwicklung und Erstellung europäischer Statistiken bereitgestellten Daten:

a) ausschließlich für statistische Zwecke;

b) im Einklang mit den Grundsätzen der statistischen Geheimhaltung und der Kostenwirksamkeit;

c) mit der Verpflichtung, sie nur an Dritte weiterzugeben, wenn der Dateninhaber dem zugestimmt hat.

(2)    Die NSÄ und die Kommission (Eurostat)

a) ergreifen geeignete Maßnahmen, um die statistische Geheimhaltung sowie Geschäftsgeheimnisse zu schützen und andere rechtmäßige Interessen privater Dateninhaber zu wahren, darunter auch im Hinblick auf die durch die Bereitstellung der Daten entstehenden Kosten und den damit verbundenen Aufwand;

b) treffen – soweit die Verarbeitung personenbezogener Daten erforderlich ist – technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen.

(3)    Die Absätze 1 und 2 dieses Artikels gelten für andere einzelstaatliche Stellen, die nach einem gemäß Artikel 17b Absatz 2 von einem NSA in ihrem Namen gestellten Ersuchen Daten erhalten haben.

(4)    Die Kommission (Eurostat) veröffentlicht eine Beschreibung der wichtigsten Kostenkategorien im Zusammenhang mit der Datenverarbeitung, für die dem Dateninhaber eine Kompensation gewährt werden kann, sowie die Methodik für die Berechnung dieser Kosten.

Artikel 17f 
Gemeinsame Datennutzung innerhalb des ESS

(1)    Eine gemeinsame Datennutzung der NSÄ sowie der NSÄ und der Kommission (Eurostat) erfolgt ausschließlich für statistische Zwecke und zur Verbesserung der Qualität der europäischen Statistiken.

(2)    Eine gemeinsame Datennutzung erfolgt auf Ersuchen eines NSA oder der Kommission (Eurostat), wenn sie relevant und erforderlich ist. Darüber hinaus erfolgt eine gemeinsame Datennutzung, wenn das Ersuchen von einem NSA im Namen einer anderen einzelstaatlichen Stelle gestellt wird und die Daten ausschließlich für statistische Zwecke und zur Verbesserung der von der betreffenden anderen einzelstaatlichen Stelle entwickelten und erstellten europäischen Statistiken verwendet werden.

(3)    Im Zuge der gemeinsamen Datennutzung innerhalb des ESS sorgen die beteiligten NSÄ sowie gegebenenfalls die beteiligten anderen einzelstaatlichen Stellen für alle erforderlichen physischen und logischen Schutzvorkehrungen zur Wahrung der Vertraulichkeit der Daten. Die Kommission (Eurostat) richtet eine sichere Infrastruktur ein, um die gemeinsame Datennutzung zu erleichtern. Die NSÄ und gegebenenfalls die anderen einzelstaatlichen Stellen können diese sichere Infrastruktur für die gemeinsame Datennutzung für die in Absatz 1 genannten Zwecke nutzen.

(4)    Handelt es sich bei den betreffenden Daten um vertrauliche Daten im Sinne des Artikels 3 dieser Verordnung oder um personenbezogene Daten im Sinne der Verordnungen (EU) 2016/679 und (EU) 2018/1725, ist die gemeinsame Nutzung dieser Daten zulässig und kann auf freiwilliger Basis und auf der Grundlage von Technologien zum Schutz der Privatsphäre erfolgen, wenn sie die folgenden Bedingungen erfüllt:

(a)sie erfolgt auf der Grundlage eines Ersuchens, in dem die Notwendigkeit der gemeinsamen Datennutzung in jedem Einzelfall begründet wird, insbesondere mit Blick auf die konkret in Angriff zu nehmenden Qualitätsaspekte;

(b)sie erfolgt auf der Grundlage von Technologien zum Schutz der Privatsphäre, die speziell auf die Einhaltung der Verordnungen (EU) 2016/679 und (EU) 2018/1725 ausgerichtet sind, insbesondere in Bezug auf Zweckbindung, Datenminimierung, Speicherbegrenzung, Integrität und Vertraulichkeit;

(c)sie lässt Kapitel V dieser Verordnung unberührt.

(5)    Die gemäß diesem Artikel angeforderten Daten dürfen weder Fragen der nationalen Sicherheit noch militärische Angelegenheiten betreffen.

(6)    Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten die technischen Aspekte der gemeinsamen Datennutzung durch die in diesem Artikel genannten statistischen Stellen fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem Prüfverfahren gemäß Artikel 27 Absatz 2 erlassen.

(7)    Dieser Artikel gilt unbeschadet des Artikels 21 dieser Verordnung.“

(8)Folgendes Kapitel IIIa wird eingefügt:

KAPITEL IIIa

ENTWICKLUNG EUROPÄISCHER STATISTIKEN

Artikel 17g 
In Entwicklung befindliche Statistiken

(1)    Die NSÄ, die anderen einzelstaatlichen Stellen und die Kommission (Eurostat) bemühen sich um die kontinuierliche Entwicklung von Innovationen und neuen statistischen Produkten und Erkenntnissen auf der Grundlage aller verfügbaren Datenquellen sowie um die Nutzung modernster Technologien, um sie in die regelmäßige Erstellung europäischer Statistiken zu integrieren.

(2)    Die europäischen Statistiken werden unter uneingeschränkter Einhaltung der in Artikel 2 Absatz 1 dargelegten statistischen Grundsätze entwickelt. In Entwicklung befindliche Statistiken müssen nicht zwingend alle in Artikel 12 Absatz 1 dargelegten Qualitätskriterien erfüllen.

(3)    Die Kommission (Eurostat) verbreitet in Entwicklung befindliche europäische Statistiken mit Zustimmung der NSÄ und weist ausdrücklich darauf hin, dass sich diese Statistiken in Entwicklung befinden.

(4)    Die Kommission (Eurostat) kann in enger Zusammenarbeit mit dem ESS-Ausschuss die koordinierte Entwicklung neuer statistischer Produkte und Erkenntnisse innerhalb des ESS veranlassen. Diese statistischen Produkte und Erkenntnisse werden in das jährliche Arbeitsprogramm aufgenommen und im Rahmen individueller statistischer Maßnahmen im Sinne des Artikels 14 Absatz 1 umgesetzt.“

(9)In Artikel 18 wird der folgende Absatz 4 angefügt:

„(4)    Die Kommission (Eurostat) kann die von den Mitgliedstaaten vor Ablauf der in den einschlägigen sektoralen Rechtsvorschriften festgelegten Fristen auf nationaler Ebene veröffentlichten europäischen Statistiken verwenden und vor dem in diesen sektoralen Rechtsvorschriften vorgesehenen Zeitpunkt verbreiten, sofern sie den Definitionen und Klassifizierungen entsprechen.“

(10)Artikel 25 erhält folgende Fassung:

Artikel 25 
Öffentlich zugängliche Daten

Daten, die der Öffentlichkeit rechtmäßig zugänglich sind, gelten nicht als vertraulich, wenn sie für statistische Zwecke verwendet werden.“

(11)Der folgende Artikel 26a wird eingefügt:

Artikel 26a 
Beitrag zu neuen nationalen Rahmen für die Daten-Governance

(1)    Im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip können die NSÄ auf nationaler Ebene Aufgaben übernehmen, wie sie in den nationalen Rahmen für die Daten-Governance festgelegt sind, um die Datenintegration und -interoperabilität, die Metadatenbeschreibung, die Qualitätssicherung und die Festlegung von Normen zu fördern; des Weiteren können sie andere Aufgaben und Funktionen im Sinne der Verordnung (EU) 2022/868 des Europäischen Parlaments und des Rates 23 übernehmen und neue Datenquellen ermitteln, die für die Entwicklung und Erstellung von Statistiken herangezogen werden können.

(2)    Die Wahrnehmung dieser Funktionen durch das NSA muss mit den in Artikel 2 Absatz 1 dargelegten statistischen Grundsätzen vereinbar sein.“

(12)Der folgende Artikel 27a wird eingefügt:

Artikel 27a
Bewertung und Überarbeitung

Die Kommission nimmt bis zum [fünf Jahre nach Inkrafttreten dieser Änderungsverordnung] eine Bewertung dieser Verordnung vor und legt dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die wichtigsten Ergebnisse dieser Bewertung vor. Im Zuge dieser Bewertung wird insbesondere Folgendes geprüft:

a)die statistische Reaktion auf Krisen gemäß Artikel 16a;

b)die Verpflichtung der Dateninhaber, gemäß den Artikeln 17b, 17c, 17d und 17e die Weiterverwendung ihrer Daten für europäische Statistiken zu gestatten;

c)die gemeinsame Datennutzung innerhalb des ESS gemäß Artikel 17f;

d)die Entwicklung europäischer Statistiken gemäß Kapitel IIIa.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Brüssel am […]

Im Namen des Europäischen Parlaments    Im Namen des Rates

Die Präsidentin    Der Präsident/Die Präsidentin

(1)

   Ausführliche Informationen sind der Website Ihre Meinung zählt zu entnehmen.

(2)     European Statistical System position paper on access to privately held data which are of public interest , November 2017.
(3)     European Statistical System (ESS) position paper on the future Data Act , Juni 2021.
(4)     Final expert group report on Empowering society by reusing privately held data for official statistics – A European approach , Ausgabe 2022.
(5)    Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).
(6)    Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).
(7)    Gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 ist das ESS eine Partnerschaft zwischen den anderen einzelstaatlichen Stellen, den NSÄ und Eurostat.
(8)    Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über harmonisierte Vorschriften für einen fairen Datenzugang und eine faire Datennutzung (Datengesetz) (COM(2022) 68 final).
(9)    Verordnung (EG) Nr. 223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 über europäische Statistiken und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1101/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Übermittlung von unter die Geheimhaltungspflicht fallenden Informationen an das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften, der Verordnung (EG) Nr. 322/97 des Rates über die Gemeinschaftsstatistiken und des Beschlusses 89/382/EWG, Euratom des Rates zur Einsetzung eines Ausschusses für das Statistische Programm der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 87 vom 31.3.2009, S. 164).
(10)    Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über harmonisierte Vorschriften für einen fairen Datenzugang und eine faire Datennutzung (Datengesetz) (COM(2022) 68 final).
(11)    Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).
(12)    Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).
(13)    Beschluss Nr. 234/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2008 zur Einsetzung des Europäischen Beratenden Ausschusses für Statistik und zur Aufhebung des Beschlusses 91/116/EWG des Rates (ABl. L 73 vom 15.3.2008, S. 13).
(14)    Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).
(15)    Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).
(16)    Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl. L 212 vom 7.8.2001, S. 12).
(17)    Beschluss Nr. 1313/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über ein Katastrophenschutzverfahren der Union (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 924).
(18)    Verordnung (EU) 2016/369 des Rates vom 15. März 2016 über die Bereitstellung von Soforthilfe innerhalb der Union (ABl. L 70 vom 16.3.2016, S. 1).
(19)    Verordnung (EU) 2022/2372 des Rates vom 24. Oktober 2022 über einen Rahmen zur Gewährleistung der Bereitstellung von krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen im Falle einer gesundheitlichen Notlage auf Unionsebene (ABl. L 314 vom 6.12.2022, S. 64).
(20)    Verordnung (EU) 2022/2578 des Rates vom 22. Dezember 2022 zur Einführung eines Marktkorrekturmechanismus zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger der Union und der Wirtschaft vor überhöhten Preisen (ABl. L 335 vom 29.12.2022, S. 45).
(21)    Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Notfallinstruments für den Binnenmarkt und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2679/98 des Rates (COM(2022) 459 final).
(22)    Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (2003/361/EG) (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36).
(23)    Verordnung (EU) 2022/868 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2022 über europäische Daten-Governance und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1724 (Daten-Governance-Rechtsakt) (ABl. L 152 vom 3.6.2022, S. 1).