EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 17.5.2023
COM(2023) 259 final
2023/0157(NLE)
Vorschlag für eine
VERORDNUNG DES RATES
zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 hinsichtlich der Einführung einer vereinfachten zolltariflichen Behandlung von Fernverkäufen von Waren und der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 hinsichtlich der Abschaffung des Schwellenwerts für die Zollbefreiung
BEGRÜNDUNG
1.KONTEXT DES VORSCHLAGS
•Gründe und Ziele des Vorschlags
Die vorliegende Initiative ist zusammen mit dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union, zur Einrichtung der Zolldatenplattform der Europäischen Union und der Zollbehörde der Europäischen Union und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 (im Folgenden „Überarbeitung des UZK“) und dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (im Folgenden „MwSt-Vorschlag“) Teil einer breit angelegten und umfassenden Reform der Zollunion, die die Kommission heute angenommen hat.
Die Zollunion war eine der ersten Errungenschaften der Union und ist für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts von wesentlicher Bedeutung. Sie beruht auf einem Gemeinsamen Zolltarif, mit dem die bei der Einfuhr von Waren von außerhalb der Union anzuwenden Zollsätze festgelegt werden, sowie gemeinsamen Verfahren für Waren, die in das Zollgebiet der Union eingeführt oder aus diesem ausgeführt werden. Zölle erwachsen aus handelspolitischen Maßnahmen. Zusammen mit anderen Abgaben im Rahmen des Handels mit Drittländern werden sie als traditionelle Eigenmittel (TEM) bezeichnet, die 11 % des Unionshaushalts für 2022 ausmachen. Gemäß den Bestimmungen der Verordnung des Rates zur Durchführung des Eigenmittelbeschlusses sind die Mitgliedstaaten für die Erhebung der Zölle zuständig.
Die Veränderungen im Handelsgefüge und die Zunahme des elektronischen Handels sind in den letzten Jahren zu einer großen Herausforderung für die Zollbehörden geworden. Im elektronischen Handel sind mehr als doppelt so viele Transaktionen wie im traditionellen Handel zu verzeichnen, aber ihr Wert entspricht einem Anteil von nur 0,5 %. Diese hohe Zahl von Transaktionen mit geringem Wert erschwert es sowohl den Zollbehörden, die Online-Handelsströme ordnungsgemäß zu überwachen, als auch den Wirtschaftsbeteiligten, mehrere Meldepflichten pro Paket zu erfüllen.
Pakete mit einem Sachwert von bis zu 150 EUR, die unmittelbar aus einem Drittland an einen Empfänger in der EU versandt werden, sind von Zöllen befreit. Die Zollbefreiung für Waren mit geringem Wert wurde 1983 erlassen und 1991 und 2008 erhöht. Bis zum 1. Juli 2021 galt auch eine Mehrwertsteuerbefreiung für eingeführte Waren mit geringem Wert (unter 22 EUR). Beide Befreiungen waren aufgrund des unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwands gerechtfertigt, der bei der Bearbeitung von Zollanmeldungen zur Erhebung niedriger Zölle und von Mehrwertsteuer auf Waren mit geringem Wert entsteht.
Mit der Annahme des Mehrwertsteuerpakets für den elektronischen Handel im Jahr 2017 einigten sich die Mitgliedstaaten jedoch darauf, die Mehrwertsteuerbefreiung für eingeführte Waren mit geringem Wert abzuschaffen, um die Steuereinnahmen der Mitgliedstaaten zu schützen, gleiche Wettbewerbsbedingungen für die betreffenden Unternehmen zu schaffen und deren Verwaltungsaufwand zu verringern. Die Richtlinie sieht auch eine einzige Anlaufstelle (Import One-Stop-Shop, IOSS) für Vermittler im elektronischen Handel vor, die Waren aus Drittländern an europäische Verbraucher verkaufen, sodass diese die Mehrwertsteuer bei der Einfuhr zum Zeitpunkt des Verkaufs erheben können, anstatt sie zu erheben, wenn die Waren auf den Unionsmarkt gelangen. Um überprüfen zu können, ob die Mehrwertsteuer beim Verkauf erhoben wurde oder an der Grenze zu entrichten ist, müssen alle Pakete bei ihrer Ankunft in der EU beim Zoll angemeldet werden. Dementsprechend muss seit Juli 2021 für alle eingeführten Waren die Mehrwertsteuer abgeführt und eine digitale Zollanmeldung abgegeben werden; dies schließt Waren im Wert von bis zu 150 EUR ein, für die keine Zölle zu entrichten sind. Nach der Bewertung der MwSt-Vorschriften durch die Kommission war die Abschaffung der Mehrwertsteuerbefreiung für Einfuhren mit geringem Wert ein Erfolg. In den ersten sechs Monaten erhoben die Mitgliedstaaten 1,9 Mrd. EUR an Mehrwertsteuer, und sowohl die Steuer- als auch die Zollbehörden verfügen nun über Daten über Transaktionen im elektronischen Handel.
Gleichwohl macht der Unterschied zwischen der mehrwertsteuerlichen und der zollrechtlichen Behandlung von elektronisch gehandelten Waren das System für die Beteiligten sehr komplex. Derzeit besteht folgendes Szenario: Die Mehrwertsteuer wird auf alle Waren erhoben, während Zölle nur auf Waren mit einem Wert von mehr als 150 EUR erhoben werden; die Mehrwertsteuer wird zum Zeitpunkt des Verkaufs durch Online-Plattformen erhoben und erklärt, wird aber bei der Ankunft der Waren kontrolliert, wenn Betreiber von Post- oder Kurierdiensten die Waren beim Zoll anmelden.
Darüber hinaus bleibt die Überprüfung der Einhaltung der finanziellen Anforderungen eine Herausforderung für die Zollbehörden, auch wenn seit Juli 2021 jedes Paket beim Zoll angemeldet wird. Insbesondere die Beibehaltung der Zollbefreiung für Waren mit einem Wert von bis zu 150 EUR ermöglicht einen systematischen Missbrauch dieses Schwellenwerts, indem Sendungen unterbewertet und aufgeteilt werden. So gibt es Belege für einen solchen Missbrauch des Schwellenwerts von 150 EUR, der durch Unterbewertung und die Aufteilung von Sendungen erfolgt. In einer 2016 von Copenhagen Economics durchgeführten Studie wurde geschätzt, dass etwa 65 % der Sendungen im elektronischen Handel in Bezug auf Zölle unterbewertet sind. Darüber hinaus hat der Europäische Rechnungshof (EuRH) in seinem Sonderbericht über Einfuhrverfahren festgestellt, dass mithilfe der derzeitigen elektronischen Zollabfertigungssysteme nicht verhindert werden kann, dass Waren eingeführt werden, die für eine Zollbefreiung nicht in Betracht kommen, und dass dies nicht durch Ex-Post-Kontrollen und Ermittlungspläne ausgeglichen wird.
Der Wettbewerb wird daher verzerrt. Die Zollbefreiung begünstigt Online-Händler aus Drittländern gegenüber traditionellen Händlern und Einzelhändlern in der EU, die bei Masseneinfuhren Zölle entrichten müssen, und fördert die Einrichtung von Vertriebszentren für den elektronischen Handel außerhalb der EU.
Der vorliegende Vorschlag baut auf dem Bericht der Gruppe der Weisen zu Herausforderungen der Zollunion auf. Die Gruppe der Weisen empfahl unter anderem die Abschaffung des Zollschwellenwerts von 150 EUR für den elektronischen Handel, da dieser Schwellenwert falsche Anreize sowohl für den Handel (unlauterer Wettbewerb) als auch für die ökologische Nachhaltigkeit (höherer CO2-Fußabdruck) setzt, indem sie Ausführer, die in die Union liefern, dazu bringt, Sendungen in kleinere Pakete aufzuteilen.
Um der besonderen Herausforderung im Zusammenhang mit elektronisch gehandelten Waren zu begegnen, wird der Vorschlag zur Überarbeitung des UZK, den die Kommission heute angenommen hat, durch den vorliegenden Vorschlag ergänzt, indem 1) die Zollbefreiung für die Einfuhr von Waren, deren Sachwert 150 EUR nicht übersteigt, abgeschafft und 2) eine vereinfachte zolltarifliche Behandlung von Waren vorgesehen wird, die im Rahmen eines Geschäfts zwischen Unternehmen und Verbrauchern (B2C) eingeführt werden, das für Mehrwertsteuerzwecke als Fernverkauf zu betrachten ist. Der Vorschlag zur Überarbeitung des UZK sieht weitere Vereinfachungen in Bezug auf die zolltarifliche Einreihung, den Zollwert und den Ursprung zur Bestimmung der Zollabgaben für im Rahmen von Fernverkäufen eingeführte Waren vor. Die vereinfachte zolltarifliche Behandlung ist vom (fiktiven) Einführer freiwillig anzuwenden. Möchte der (fiktive) Einführer daher Präferenzzollsätze durch einen Nachweis der Ursprungseigenschaft der Waren oder die vertragsmäßigen oder geltenden niedrigeren autonomen Zollsätze in Anspruch nehmen, so kann er hierfür die Standardverfahren nutzen.
Die vorgeschlagenen Vereinfachungen bei der Berechnung der Zollabgaben dürften die Auswirkungen der Abschaffung des Schwellenwerts für die Zollbefreiung auf den Verwaltungsaufwand von Zollbehörden und Unternehmen ausgleichen und die Prozesse und Verfahren für die Wirtschaftsbeteiligten vereinfachen.
•Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Bereich
Diese Initiative steht im Einklang mit dem Aktionsplan für den Ausbau der Zollunion 2022, in dem die Kommission eine Reihe von Maßnahmen ermittelt hat, um die Zollunion auszubauen, und knüpft an diesen Plan an. Die Maßnahmen konzentrierten sich auf vier Tätigkeitsbereiche: Risikomanagement, elektronischer Handel, Compliance und die Zollunion als geschlossen handelnde Einheit. Im Rahmen der Maßnahme 9 forderte die Kommission insbesondere, die Auswirkungen des elektronischen Handels auf die Erhebung von Zöllen und auf die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaftsbeteiligten in der EU zu untersuchen; dies umfasst auch die Prüfung der Modalitäten für die Erhebung von Zöllen nach dem neuen MwSt-Erhebungskonzept im Rahmen der einzigen Anlaufstelle für die Einfuhr.
•Kohärenz mit der Politik der Union in anderen Bereichen
Diese Initiative steht im Einklang mit dem Vorschlag zur Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter („VAT in the Digital Age“, ViDA-Vorschlag), der von der Kommission am 8. Dezember 2022 angenommen wurde und derzeit im Rat erörtert wird. Mit dem ViDA-Vorschlag soll das EU-Mehrwertsteuersystem modernisiert und auf das digitale Zeitalter zugeschnitten werden. Es handelt sich um ein umfassendes und vielschichtiges Reformpaket mit drei Hauptzielen, von denen eines darin besteht, das Konzept einer einzigen Mehrwertsteuerregistrierung in der EU zu verbessern. Mit dem Konzept einer einzigen Mehrwertsteuerregistrierung in der EU sollen Maßnahmen eingeführt werden, um die Zahl der Fälle, in denen sich ein Steuerpflichtiger in mehr als einem Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke registrieren muss, weiter zu verringern.
Neben dem ViDA-Vorschlag besteht das dritte Element des Reformpakets für die Zollunion in einem Vorschlag zur Änderung der MwSt-Richtlinie, um den Schwellenwert von 150 EUR für die Zwecke der Haftung von Steuerpflichtigen, die Fernverkäufe von Waren ermöglichen, und die Anwendung der Sonderregelung für Fernverkäufe von aus Drittgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen sowie die Sonderregelungen für die Erklärung und Entrichtung der Mehrwertsteuer bei der Einfuhr abzuschaffen. Die Abschaffung des Schwellenwerts von 150 EUR für die Zollbefreiung in Verbindung mit der Abschaffung des Schwellenwerts von 150 EUR für die Nutzung der einzigen Anlaufstelle für die Einfuhr dürfte dazu beitragen, Fälle von Unterbewertung einzudämmen und somit die Einnahmen der Mitgliedstaaten zu schützen.
Mit der Initiative wird die EU-Strategie für nachhaltiges Wachstum unterstützt, in der auch auf eine Verbesserung der Steuererhebung, die Verringerung von Steuerbetrug, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung sowie eine Senkung der Befolgungskosten für Unternehmen, Einzelpersonen und Steuerverwaltungen verwiesen wird. Die Verbesserung der Steuersysteme zugunsten einer nachhaltigeren und gerechteren Wirtschaftstätigkeit ist auch Teil der EU-Agenda für wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit.
2.RECHTSGRUNDLAGE, SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄẞIGKEIT
•Rechtsgrundlage
Mit dieser Verordnung werden die Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates vom 16. November 2009 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen und die Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif geändert.
Rechtsgrundlage beider Änderungen ist Artikel 31 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Nach diesem Artikel legt der Rat die Sätze des Gemeinsamen Zolltarifs auf Vorschlag der Kommission fest.
•Verhältnismäßigkeit
Der Vorschlag ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, da er nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die Ziele der Verträge zu erreichen, insbesondere das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes.
Die Verhältnismäßigkeit wird dadurch gewährleistet, dass mit dieser Initiative der Schwellenwert für die Zollbefreiung für die Einfuhr von Sendungen mit geringem Wert in die EU abgeschafft und ein wirksamerer und einfacherer Ansatz für die Erhebung von Zöllen auf im Rahmen von Fernverkäufen eingeführte Waren gefördert wird.
•Wahl des Instruments
Der Vorschlag erfordert die Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates vom 16. November 2009 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (Zollbefreiungsverordnung) und der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (Gemeinsamer Zolltarif).
3.ERGEBNISSE DER EX-POST-BEWERTUNG, DER KONSULTATION DER INTERESSENTRÄGER UND DER FOLGENABSCHÄTZUNG
•Ex-post-Bewertung/Eignungsprüfungen bestehender Rechtsvorschriften
Die Kommission hat keine Ex-post-Bewertung der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates und der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates durchgeführt.
Die Ergebnisse der Ex-post-Bewertung des Mehrwertsteuerpakets für den elektronischen Handel sind jedoch für diesen Vorschlag relevant, da sie einen Überblick über das Volumen und den Wert der Einfuhren von Sendungen mit geringem Wert in die EU geben. Diese Daten waren auf EU-Ebene vor dem Inkrafttreten des Mehrwertsteuerpakets für den elektronischen Handel am 1. Juli 2021 völlig unsichtbar, da die meisten Pakete ohne Zollformalitäten in der Union in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wurden. Da jedoch mit dem Mehrwertsteuerpaket für den elektronischen Handel die Befreiung von der Mehrwertsteuer bei der Einfuhr von Waren mit einem Wert von unter 22 EUR abgeschafft wurde, musste ab diesem Zeitpunkt für alle eingeführten Waren eine förmliche Zollanmeldung vorgeschrieben werden, um die Einhaltung der Pflicht zur Entrichtung der Mehrwertsteuer zu gewährleisten.
Die Kommission hat eine Ex-post-Bewertung der ersten sechs Monate der Anwendung des Mehrwertsteuerpakets für den elektronischen Handel durchgeführt. Die ersten Ergebnisse sind sehr ermutigend und zeugen vom Erfolg der neuen Maßnahmen. Auf der Einfuhrseite zeigt sich zunächst, dass im Zusammenhang mit der Einfuhr von Sendungen mit geringem Wert, deren Sachwert 150 EUR nicht übersteigt, in den ersten sechs Monaten Mehrwertsteuereinnahmen in Höhe von rund 2 Mrd. EUR generiert wurden. Von den 2 Mrd. EUR an Mehrwertsteuereinnahmen, die in den ersten sechs Monaten im Zusammenhang mit der Einfuhr von Waren mit geringem Wert erzielt wurden, wurden fast 1,1 Mrd. EUR über die einzige Anlaufstelle für die Einfuhr erhoben.
Die Umsetzung des Pakets hat auch zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs beigetragen. Eine Analyse anhand von Zolldaten zeigt, dass rund 91 % aller Transaktionen zur Einfuhr in die Union, die über die einzige Anlaufstelle für die Einfuhr angemeldet wurden, auf die acht größten Händler entfielen, die bei der einzigen Anlaufstelle für die Einfuhr registriert sind. Diese äußerst ermutigenden Zahlen verdeutlichen, welch eine Schlagkraft die neue für Marktplätze geltende Bestimmung des fiktiven Lieferers auf die Einhaltung der Vorschriften hatte, da die Weiterverfolgung und Prüfung dieser sehr begrenzten Zahl von Steuerpflichtigen ausreicht, um die Erhebung der Mehrwertsteuer auf diese Art von Umsätzen sicherzustellen.
Angesichts des Erfolgs des Mehrwertsteuerpakets für den elektronischen Handel werden mit dem Vorschlag zur Reform der Zollunion klare Verpflichtungen für Vermittler im elektronischen Handel als „fiktive Einführer“ eingeführt, was aus Drittländern eingeführte Waren betrifft, die sie an Verbraucher in der EU verkaufen. Diese fiktiven Einführer haften nach den Grundsätzen der einzigen Anlaufstelle für die Einfuhr für die Erhebung und Entrichtung der Einfuhrabgaben auf diese Waren. Infolgedessen werden sich die Bemühungen um die Einhaltung der Vorschriften noch stärker auf eine weitaus geringere Zahl großer Marktteilnehmer konzentrieren, auf die der Großteil der Fernverkäufe von in die EU eingeführten Waren entfallen wird.
•Konsultation der Interessenträger
Im Zusammenhang mit der von einem externen Auftragnehmer erstellten Studie „An integrated and innovative overhaul of EU rules governing e-commerce transactions from third countries from a customs and taxation perspective“ (Eine integrierte und innovative Überarbeitung der EU-Vorschriften für aus Drittländern stammende Transaktionen im elektronischen Handel aus Zoll- und Steuersicht) wurden Beiträge von Interessenträgern zum Inhalt der vorliegenden Initiative eingeholt. Die Konsultation lief vom 16. Dezember 2021 bis zum 10. März 2021 und mündete in insgesamt 69 Antworten. Die meisten Beiträge stammten mit 33 Antworten von Wirtschaftsbeteiligten (Unternehmen und Unternehmensverbänden zusammen) sowie von Verbrauchern (insgesamt 26 Antworten und ein weiterer Beitrag eines Verbraucherschutzverbands). Darüber hinaus beantworteten 19 Mitgliedstaaten den gezielten Fragebogen.
Die Ergebnisse zeigten, dass etwa 65 % der befragten Unternehmen (einschließlich Plattformen für den elektronischen Handel) die Abschaffung der Geringfügigkeitsschwelle im Zoll zumindest in begrenztem Umfang befürworten würden, während die Zollbehörden der Mitgliedstaaten in ihren Antworten auf den Fragebogen keine klare Präferenz für die Abschaffung oder Anhebung des Schwellenwerts von 150 EUR äußerten (44 % der Befragten befürworten die Aufhebung des Schwellenwerts zumindest in begrenztem Umfang, und 43 % ziehen die Anhebung des Schwellenwerts zumindest in begrenztem Umfang vor). Gleichwohl betrachteten sie die Herabsetzung des Schwellenwerts nicht als gangbare Option (aus 57 % der Antworten ging hervor, dass dies überhaupt nicht als Option betrachtet werden sollte).
Zusätzlich zu den oben genannten Rückmeldungen zur öffentlichen Konsultation wurde während der Arbeit an der Folgenabschätzung zur Reform der Zollunion eine Reihe gezielter Konsultationstätigkeiten organisiert, um die Meinungen sachkundiger Interessenträger einzuholen. Dazu gehörten Diskussionen im Rahmen der Reflexionsgruppe, die sich aus den Generaldirektoren der Zollverwaltungen der Mitgliedstaaten zusammensetzt und von der Kommission geleitet wird, sowie im Rahmen der Wirtschaftskontaktgruppe, die das wichtigste Forum für die Konsultation von Unternehmen auf Unionsebene zur Entwicklung und Umsetzung von Zollfragen und Entwicklungen der Zollpolitik darstellt.
·Einholung und Nutzung von Expertenwissen
Bei der Ausarbeitung der vorliegenden Initiative berücksichtigte die Kommission die in der oben genannten Studie enthaltene Analyse, die von einem externen Auftragnehmer durchgeführt wurde. Dies steht in Zusammenhang mit Maßnahme 9 des Zollaktionsplans, in dessen Rahmen die Kommission bestrebt war, die Auswirkungen des elektronischen Handels auf die Erhebung von Zöllen und auf die Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaftsbeteiligten in der EU zu untersuchen; dies umfasst auch die Prüfung der Modalitäten für die Erhebung von Zöllen nach dem neuen MwSt-Erhebungskonzept im Rahmen der einzigen Anlaufstelle für die Einfuhr. In der Studie wurden die möglichen Auswirkungen einer Änderung des Schwellenwerts für die Zollbefreiung von 150 EUR bewertet, indem drei verschiedene Optionen untersucht und verglichen wurden: 1) Abschaffung des Schwellenwerts für die Zollbefreiung; 2) Erhöhung auf 1000 EUR; 3) Herabsetzung auf 22 EUR. In der Studie wurde der Schluss gezogen, dass die Abschaffung des Schwellenwerts von 150 EUR den größten Anstieg bei den Einnahmen bewirken und die Wettbewerbsbedingungen zwischen ausländischen Verkäufern und dem Inlandsmarkt am stärksten annähern würde. Auch Fälle von Betrug oder einer Hinterziehung von Zöllen im Wege der Aufteilung von Sendungen würden hierdurch beseitigt, und der Anreiz für die Angabe eines zu niedrigen Zollwerts würde verringert. Daher lautete die Schlussfolgerung, dass die Abschaffung der Geringfügigkeitsschwelle die meisten Vorteile mit sich bringen würde.
Darüber hinaus stützte sich die Kommission auf die Analyse eines anderen externen Auftragnehmers für die Studie „VAT in the Digital Age“ (Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter). Diese Studie lieferte auch einen Beitrag zu dem Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG, um die Regel des „fiktiven Lieferers“, die einzige Anlaufstelle für die Einfuhr und die Sonderregelungen auf Einfuhren von Gegenständen im Wert von über 150 EUR auszuweiten, der Teil des vorliegenden Pakets zur Reform der Zollunion ist.
Ziel der Studie war es, zunächst den Status quo in Bezug auf die digitalen Meldepflichten, die mehrwertsteuerliche Behandlung der Plattformwirtschaft, die einheitliche Mehrwertsteuerregistrierung sowie die einzige Anlaufstelle für die Einfuhr auszuwerten. Außerdem ging es darum, die Auswirkungen einer Reihe möglicher politischer Initiativen in diesen Bereichen zu eruieren. In der Studie wurde speziell die Möglichkeit geprüft, den für die einzige Anlaufstelle für die Einfuhr geltenden Schwellenwert von 150 EUR abzuschaffen. Dabei wurde festgestellt, dass Fernverkäufe eingeführter Waren im Wert von über 150 EUR und Fernverkäufe verbrauchsteuerpflichtiger Waren etwa 10–20 % des Gesamtwerts der Einfuhren für Fernverkäufe im elektronischen Handel in die Union ausmachen.
•Folgenabschätzung
Die Reform der Zollvorschriften für den elektronischen Handel wurde im Rahmen der Folgenabschätzung zur Reform der Zollunion geprüft, zu der dieser Vorschlag gehört. Nach einer ablehnenden Stellungnahme vom 28. Oktober 2022 gab der Ausschuss für Regulierungskontrolle am 27. Januar 2023 eine befürwortende Stellungnahme zur Folgenabschätzung zur Unterstützung des Reformpakets der Zollunion ab. Der Ausschuss empfahl, nähere Angaben unter anderem dazu zu machen, wie die Optionen für den elektronischen Handel ermittelt wurden, insbesondere warum die Befreiung von 150 EUR abgeschafft werden soll und warum elektronische Plattformen zu „fiktiven Einführern“ werden sollen; außerdem wurden weitere Erläuterungen zur Einführung eines auf Kategorien beruhenden Systems für die Berechnung von Zöllen verlangt, insbesondere im Hinblick auf die Bandbreite der politischen Entscheidungen, die der Kommission zur Verfügung stehen. Die Folgenabschätzung wurde entsprechend geändert.
In der Folgenabschätzung wurden fünf Hauptproblembereiche ermittelt, die zu Mängeln und Schwachstellen in der Funktionsweise der Zollunion führen, und es wurden mehrere politische Optionen zur Lösung dieser Probleme analysiert.
Ein Bereich betrifft die Zunahme des elektronischen Handels und die damit verbundenen Veränderungen im Handelsgefüge (von Waren, die traditionell in großen Mengen per Fracht in die EU verbracht wurden, hin zu Millionen von Kleinsendungen, die direkt an einzelne Verbraucher versandt werden), was den Zoll vor neue Herausforderungen gestellt hat. Der Zoll ist auf den Anstieg des Warenvolumens und der Anmeldungen nicht vorbereitet. Trotz der durch das Mehrwertsteuerpaket für den elektronischen Handel eingeführten und seit dem 1. Juli 2021 geltenden Änderungen, mit denen Mehrwertsteuerbetrug im Zusammenhang mit dem Missbrauch der Mehrwertsteuerbefreiung bei der Einfuhr bekämpft werden sollte, bestehen nach wie vor einige Probleme; dies gilt auch im Hinblick auf die Unterbewertung, insbesondere durch die Aufteilung von Sendungen, um die Entrichtung von Einfuhrabgaben zu vermeiden.
Bei der Prüfung, inwieweit die Prozesse für den elektronischen Handel geändert werden müssen, wurden daher die Optionen zur Herabsetzung oder Erhöhung der Zollbefreiung von 150 EUR verworfen. Grund hierfür war, dass keines der festgestellten Probleme (Wettbewerbsverzerrung, Komplexität, Unsicherheit, Schwierigkeiten bei der Kontrolle und Betrug) mit dem befreiten Betrag, sondern mit der Befreiung an sich in Zusammenhang steht. Auch die Möglichkeit, dass die Verbraucher online erworbene Waren beim Zoll anmelden, wurde verworfen, da dies als zu aufwendig für die Verbraucher angesehen wurde, denn die Waren werden von den Vermittlern im elektronischen Handel und nicht von den Verbrauchern auf dem Unionsmarkt in Verkehr gebracht.
Laut der Folgenabschätzung werden die zusätzlichen Zölle im elektronischen Handel über einen Zeitraum von 15 Jahren auf rund 13 Mrd. EUR geschätzt. Die verbesserten, von Wirtschaftsbeteiligten im Rahmen der neuen Verfahren übermittelten Informationen, die Zentralisierung der Daten über die EU-Zolldatenplattform und die operative Rolle der Zollbehörde der Europäischen Union würden es auch ermöglichen, Einnahmenverlusten wirksam vorzubeugen, die durch betrügerische Praktiken wie die Unterbewertung oder die falsche Einreihung von Waren entstehen („Schließung der Zolllücke“).
•Effizienz der Rechtsetzung und Vereinfachung
Dieser Vorschlag ist Teil der Reform der Zollunion, bei der es sich um eine REFIT-Initiative handelt, mit der die Zollverfahren durch eine bessere Interaktion zwischen Zollbehörden und Wirtschaftsbeteiligten vereinfacht werden sollen, indem der Schwerpunkt auf Wirtschaftsbeteiligte und Lieferketten statt auf einzelne Transaktionen gelegt wird, für die gegenwärtig verschiedene Formalitäten erfüllt werden müssen. Unternehmen (einschließlich von Plattformen für den elektronischen Handel), die in ihrer Lieferkette für Zolltransparenz sorgen, werden in den Genuss einfacherer und schnellerer Verfahren kommen, wenn sie dem Zoll Zugang zu ihren Geschäftsdaten gewähren. Die Vereinfachung und Zentralisierung der Funktionen auf mehreren Ebenen dürfte zu einer Verringerung des Verwaltungsaufwands und zur Vereinfachung der Prozesse und Verfahren für die Wirtschaftsbeteiligten führen.
Die potenzielle Zunahme des Verwaltungsaufwands im Zusammenhang mit der vorgeschlagenen Abschaffung des Schwellenwerts für die Zollbefreiung wird voraussichtlich durch die vereinfachte zolltarifliche Behandlung auf Grundlage des auf fünf Kategorien beruhenden Systems ausgeglichen. Diese Zunahme sollte zudem begrenzt sein, da seit dem 1. Juli 2021 bereits für alle in die EU eingeführten Waren eine elektronische Zollanmeldung erforderlich ist. Daher wird die vereinfachte zolltarifliche Behandlung, ergänzt durch weitere Erleichterungen bei der Zollwertermittlung und beim Ursprung, die im Rahmen der Überarbeitung des UZK vorgeschlagen werden, die Festsetzung der Zölle für elektronisch gehandelte Waren vereinfachen und den Verwaltungsaufwand sowohl für die Zollbehörden als auch für die Wirtschaftsbeteiligten verringern.
4.AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT
Durch diesen Vorschlag werden die Zolleinnahmen für den EU-Haushalt und die nationalen Haushalte der Mitgliedstaaten in 15 Jahren auf rund 13 Mrd. EUR steigen, da der Schwellenwert für die Zollbefreiung für die Einfuhr von Sendungen mit geringem Wert abgeschafft wird. Darüber hinaus wird erwartet, dass der Vorschlag den Anreiz für die Angabe eines zu niedrigen Zollwerts verringern und den Anreiz beseitigen wird, Sendungen künstlich aufzuteilen, damit sie unberechtigterweise in den Genuss der Zollbefreiung kommen. Die Einführung der vereinfachten Methode zur Erhebung von Zöllen wird den Verwaltungsaufwand für die Zollbehörden und die Wirtschaftsbeteiligten im elektronischen Handel verringern. Aufbauend auf den Grundsätzen und Mechanismen der einzigen Anlaufstelle für die Einfuhr werden Webshops und Plattformen für den elektronischen Handel in der Lage sein, zusätzlich zur Mehrwertsteuer Zölle zu erheben. Dies wird die Transparenz der Preise erhöhen, da der Endverkaufspreis zum Zeitpunkt der Zahlung alle zusätzlichen Kosten bis zum Bestimmungsort für die Verbraucher abdeckt.
Waren, die EU-weit harmonisierten Verbrauchsteuern unterliegen, sind von der vereinfachten zolltariflichen Behandlung ausgenommen. Auch Waren, für die handelspolitische Maßnahmen wie Antidumping- oder Ausgleichszöllen oder Schutzmaßnahmen gelten, sind auszuschließen.
5.WEITERE ANGABEN
•Durchführungspläne sowie Monitoring-, Bewertungs- und Berichterstattungsmodalitäten
Im Ausschuss für den Zollkodex und der Sachverständigengruppe für Zollfragen, die als Beratungsgremien in Zollfragen fungieren und die unter dem Vorsitz von Kommissionsbediensteten der Generaldirektion Steuern und Zollunion (GD TAXUD) Vertreter aller Mitgliedstaaten umfassen, werden mögliche Auslegungsfragen zwischen den Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit den neuen Rechtsvorschriften erörtert werden.
Überdies werden die neuen Zollvorschriften für den elektronischen Handel im Rahmen des umfassenderen Überwachungs- und Bewertungsrahmens, der im Vorschlag zur Überarbeitung des UZK durch die Kommission vorgesehen ist, überwacht und bewertet werden.
•Ausführliche Erläuterung einzelner Bestimmungen des Vorschlags
Dieser Vorschlag sieht zwei Hauptelemente vor, um die Probleme anzugehen, die im Zusammenhang mit elektronisch gehandelten Waren aus Drittländern festgestellt wurden. Das erste Element besteht in der Abschaffung der Zollbefreiung für Waren im Wert von bis zu 150 EUR. Dies würde durch die Streichung von Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates vom 16. November 2009 umgesetzt.
Das zweite Element besteht in der Einführung einer vereinfachten Methode zur Berechnung der Zölle auf der Grundlage von fünf Kategorien (jeweils mit unterschiedlichem Zollsatz), was den Verwaltungsaufwand verringern soll, der sich sowohl für den Zoll als auch für die Unternehmen aus der Berechnung der anwendbaren Zollsätze für elektronisch gehandelte Waren ergibt.
Das Konzept des vereinfachten Zollsatzsystems, das sogenannte „duty bucketing system“ (Zollkategoriesystem), beruht auf einem kanadischen Modell, das seit 2012 auf für den privaten Gebrauch bestimmte Waren (Waren, die zwischen Unternehmen und Verbrauchern oder zwischen Verbrauchern verkauft werden) mit einem Wert von bis zu 500 CAD (rund 340 EUR) anwendbar ist. Der Ansatz sieht eine begrenzte Anzahl von „Zollkategorien“ vor, die klar definierte Warenkategorien mit einem festen Zollsatz umfassen. Im Rahmen des Kategoriesystems können die anwendbaren Zollsätze für einzelne Waren etwas höher sein als der auf dem vollständigen Warencode basierende anwendbare Zollsatz.
Der Vorschlag sieht fünf Kategorien mit entsprechenden Wertzollsätzen von 0 % (z. B. für Bücher, Drucke, Kunstgegenstände), 5 % (z. B. für Spielzeug, Musikinstrumente, Metallbesteck), 8 % (z. B. für Waren aus Seide und Baumwolle, keramische Waren, Erzeugnisse zu fotografischen Zwecken), 12 % (z. B. für Lederwaren, Reisetaschen) und 17 % (z. B. Schuhe, Glaswaren) vor und bezieht sich auf Waren, die auf der Grundlage der Kapitel des Harmonisierten Systems bestimmt wurden. Dennoch müssen die Wirtschaftsbeteiligten weiterhin die sechsstellige Codenummer des Harmonisierten Systems angeben, die gemäß dem Legislativvorschlag zur Überarbeitung des UZK im Rahmen der Vorabinformationen über Frachtgut weiterhin erforderlich ist. Waren, für die derzeit ein Erga-omnes-Zollsatz von 0 % gilt, unterliegen weiterhin Nullsätzen.
Waren, die harmonisierten Verbrauchsteuern unterliegen, sowie Waren, die Gegenstand von Antidumping-, Ausgleichszöllen oder Schutzmaßnahmen sind, sind von der vereinfachten Zollerhebung ausgenommen.
Im Rahmen des Kategoriesystems werden die bestehenden vertragsmäßigen Zollsätze zugrunde gelegt; die Ursprungseigenschaft der Waren wird nicht berücksichtigt. Gleichwohl kann ein Wirtschaftsbeteiligter, der durch den Nachweis der Ursprungseigenschaft der Waren Präferenzzollsätze in Anspruch nehmen möchte, dies durch die Nutzung der Standardverfahren tun. Ebenso kann ein Einführer die Standardverfahren nutzen, wenn er vertragsmäßige oder geltende niedrigere autonome Zollsätze in Anspruch nehmen möchte. Die Zollbefreiung für die Einfuhr von Waren mit einem Gesamtwert von bis zu 150 EUR je Sendung wird ab dem 1. März 2028 abgeschafft. Ab diesem Zeitpunkt können sich Einführer für die Anwendung der vereinfachten zolltariflichen Behandlung zur Berechnung der Zollabgaben entscheiden, die für die Einfuhr von elektronisch gehandelten Waren zu entrichten ist, während fiktive Einführer der EU-Zolldatenplattform Informationen über Transaktionen im Zusammenhang mit Waren zur Verfügung stellen werden, die an Verbraucher in der EU verkauft und aus einem Drittgebiet oder einem Drittland versandt werden.
2023/0157 (NLE)
Vorschlag für eine
VERORDNUNG DES RATES
zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 hinsichtlich der Einführung einer vereinfachten zolltariflichen Behandlung von Fernverkäufen von Waren und der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 hinsichtlich der Abschaffung des Schwellenwerts für die Zollbefreiung
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 31,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission, in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates sieht die Befreiung von den Einfuhrabgaben für Waren vor, die in Sendungen mit einem Gesamtwert von höchstens 150 EUR direkt aus einem Drittland an einen Empfänger in der Union versandt werden. Bis zum 1. Juli 2021 war die Einfuhr von Waren, deren Sachwert 22 EUR nicht überstieg, zudem von der Mehrwertsteuer bei der Einfuhr ausgenommen. Der Anstieg der Einfuhren mit geringem Wert infolge der explosionsartigen Zunahme des elektronischen Handels und die damit verbundenen Erleichterungen erschwerten es den Zollbehörden, die Einhaltung steuerlicher und nichtsteuerlicher Anforderungen durchzusetzen. Daher wurde mit der Richtlinie (EU) 2017/2455 des Rates die Befreiung von der Mehrwertsteuer bei der Einfuhr für diese Waren mit geringem Wert abgeschafft, um die Steuereinnahmen der Mitgliedstaaten zu schützen, gleiche Ausgangsbedingungen für die betreffenden Unternehmen zu schaffen und deren Verwaltungsaufwand zu minimieren.
(2)Gleichzeitig wurde die Zollbefreiung für Waren im Wert von bis zu 150 EUR aufrechterhalten, was zum systematischen Missbrauch dieses Schwellenwerts durch die Unterbewertung und die künstliche Aufteilung von Sendungen führte.
(3)In einer digitalisierten Zollumgebung, in der elektronische Daten für alle eingeführten Waren unabhängig von ihrem Wert verfügbar sind, ist die Beibehaltung einer Zollbefreiung, die eingeführt wurde, um einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand für Zollbehörden, Unternehmen und Privatpersonen zu vermeiden, nicht mehr gerechtfertigt. Gleichzeitig ist es angesichts der umfangreichen Einfuhren von geringem Wert notwendig geworden, die finanziellen Interessen der Union und ihrer Mitgliedstaaten zu schützen.
(4)Daher ist es erforderlich, in Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 den Schwellenwert zu streichen, bis zu dem Waren mit geringem Wert, deren Wert 150 EUR je Sendung nicht übersteigt, bei der Einfuhr von Zöllen befreit sind.
(5)Jedoch ist die Berechnung des anwendbaren Zolls auf der Grundlage der zolltariflichen Einreihung, des Zollwerts und des Ursprungs der Waren eine komplexe Aufgabe. Die Anwendung dieser Methode im elektronischen Handel würde häufig zu einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand sowohl für den Zoll als auch für die Unternehmen führen. Um dies zu vermeiden, müssen Vermittler im elektronischen Handel die Möglichkeit haben, eine vereinfachte zolltarifliche Behandlung auf der Grundlage eines auf fünf Kategorien beruhenden Systems anzuwenden, bei dem jede Kategorie mit einem anderen Zollsatz für an den Endverbraucher verkaufte Waren verknüpft ist. Waren, für die derzeit ein Erga-omnes-Zollsatz von 0 % gilt, unterliegen weiterhin Nullsätzen.
(6)Im Rahmen des Kategoriesystems sollten die bestehenden vertragsmäßigen Zollsätze zugrunde gelegt und die Ursprungseigenschaft der Waren nicht berücksichtigt werden. Wollen die Einführer jedoch die vertragsmäßigen oder niedrigeren autonomen Zollsätze anwenden oder Präferenzzollsätze in Anspruch nehmen, indem sie die Ursprungseigenschaft der Waren nachweisen, können sie hierfür auf die Standardverfahren zurückgreifen, da die Nutzung der vereinfachten zolltariflichen Behandlung fakultativ ist.
(7)Waren, die harmonisierten Verbrauchsteuern unterliegen, und Waren, die Gegenstand von Antidumping- und Ausgleichszöllen und Schutzmaßnahmen sind, sollten von der vereinfachten zolltariflichen Behandlung von Fernverkäufen, die aus Drittländern eingeführte Waren betreffen, ausgenommen werden. Darüber hinaus sind auch Waren der Kapitel 73, 98 und 99 der Kombinierten Nomenklatur ausgeschlossen, da die Einfuhr solcher Waren (Waren aus Eisen oder Stahl, vollständige Fabrikationsanlagen und Waren, die unter besonderen Umständen ein- oder ausgeführt werden) aufgrund der Art dieser Waren nicht vereinfacht werden sollte.
(8)Im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemäß Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union geht diese Verordnung nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um die Ziele der Verträge zu erreichen, insbesondere das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes. Die Verhältnismäßigkeit wird dadurch gewährleistet, dass mit dieser Initiative der Schwellenwert für die Zollbefreiung für die Einfuhr von Sendungen mit geringem Wert in die EU abgeschafft und ein wirksamerer und einfacherer Ansatz für die Erhebung von Zöllen auf im Rahmen von Fernverkäufen eingeführte Waren gefördert wird.
(9)Die Verordnungen (EWG) Nr. 2658/87 und (EG) Nr. 1186/2009 sollten entsprechend geändert werden —
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Artikel 1
Die Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates wird wie folgt geändert:
1. In Artikel 1 werden die folgenden Absätze 4 und 5 angefügt:
„(4) Abweichend von Absatz 3 wird auf Antrag des Einführers auf die Einfuhr von Waren, deren Lieferung als Fernverkauf von aus Drittgebieten oder Drittländern eingeführten Waren im Sinne von Artikel 14 Absatz 4 Nummer 2 der Richtlinie 2006/112/EG gilt, ein Zoll gemäß der vereinfachten zolltariflichen Behandlung von Fernverkäufen nach der Tabelle in Anhang I Teil I Abschnitt II Buchstabe G erhoben.
(5) Die vereinfachte zolltarifliche Behandlung von Fernverkäufen gemäß Absatz 4 gilt nicht für
a) Waren im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2020/262 des Rates;
b) Waren, für die Maßnahmen nach der Verordnung (EU) 2016/1036, der Verordnung (EU) 2016/1037, der Verordnung (EU) 2015/478 oder der Verordnung (EU) 2015/755 eingeführt wurden, unabhängig von ihrem Ursprung, und
c) alle Waren der Kapitel 73, 98 und 99.
2. Anhang I wird gemäß dem Anhang der vorliegenden Verordnung geändert.
Artikel 2
Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates wird gestrichen.
Artikel 3
Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Sie gilt ab dem 1. März 2028.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Geschehen zu Brüssel am […]
Im Namen des Rates
Der Präsident/Die Präsidentin