Brüssel, den 17.10.2023

COM(2023) 648 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

über die Anwendung der Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten


1.Einleitung

Die Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten 1 (im Folgenden „AS-Richtlinie“) bietet einen Rechtsrahmen, der den Zugang der Verbraucher zu hochwertigen AS-Verfahren zur Beilegung ihrer Streitigkeiten mit Unternehmern gewährleistet. Artikel 26 sieht vor, dass „die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie“ alle vier Jahre übermittelt. „In diesem Bericht wird auf die Entwicklung und Nutzung von AS-Stellen sowie auf die Auswirkungen dieser Richtlinie auf Verbraucher und Unternehmer, insbesondere auf die Kenntnis der Verbraucher und die Akzeptanz durch die Unternehmer, eingegangen. Diesem Bericht sind gegebenenfalls Vorschläge zur Änderung dieser Richtlinie beizufügen.“

Die Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten 2 (im Folgenden „OS-Verordnung“) gilt für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Online-Käufen; mit ihr wird eine digitale Infrastruktur (die europäische Plattform zur Online-Streitbeilegung – OS-Plattform) eingerichtet, die es Verbrauchern ermöglicht, mit Online-Unternehmern in Kontakt zu treten und die Beilegung ihrer Streitigkeiten über eine hochwertige AS-Stelle gemäß der AS-Richtlinie vorzuschlagen. Artikel 21 Absatz 2 der OS-Verordnung besagt Folgendes: „… alle drei Jahre … legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung vor, in dem sie insbesondere auch auf die Benutzerfreundlichkeit des Beschwerdeformulars und die eventuell erforderliche Anpassung der im Anhang aufgeführten Informationen eingeht. Diesem Bericht sind gegebenenfalls Vorschläge zur Anpassung der Verordnung beizufügen.“

Zusammen mit der Richtlinie über Verbandsklagen 3 bilden diese Rechtsakte einen umfassenden Rechtsrahmen, den die Mitgliedstaaten umsetzen müssen, um einen effizienten Zugang zu Rechtsbehelfen für Verbraucher in der EU zu gewährleisten.

Im Bericht über die Umsetzung des AS/OS-Rahmens 4 aus dem Jahr 2019 heißt es in der Schlussfolgerung: „Die Verbraucher in der EU haben jetzt Zugang zu hochwertigen AS-Verfahren in der gesamten Union und in praktisch allen Einzelhandelsbranchen, unabhängig davon, ob es sich um einen inländischen oder grenzüberschreitenden Streitfall handelt und ob der Kauf online oder offline getätigt wurde.“ In Bezug auf die Online-Streitbeilegung wurde in dem Bericht betont, dass die europäische OS-Plattform zu einer mehrsprachigen Anlaufstelle geworden ist, die 8,5 Millionen Besucher und 120 000 eingereichte Streitfälle verzeichnete.

In dem Bericht wurde jedoch auch festgestellt, dass die alternative Streitbeilegung für Verbraucher aufgrund mangelnder Kenntnis, Schwierigkeiten bei der Navigation durch die vielfältigen AS-Landschaften in einigen Mitgliedstaaten, aber auch aufgrund der generellen Zurückhaltung der Unternehmer, daran teilzunehmen, immer noch nicht ausreichend genutzt wird. In Bezug auf die OS-Plattform wurde in dem Bericht darauf hingewiesen, dass trotz einer hohen Zahl von Besuchen ein begrenztes Interesse der Verbraucher an der Beantragung eines AS-Verfahrens gegenüber den betreffenden Unternehmern besteht, die in den allermeisten Fällen entweder nicht reagierten oder den Verbrauchern angeboten haben, die Sache außerhalb der Plattform zu regeln. Infolgedessen wurden etwa 2 % der Anträge auf ein AS-Verfahren an eine AS-Stelle gesendet.

Der vorliegende Bericht wird gemäß Artikel 26 der AS-Richtlinie und Artikel 21 Absatz 2 der OS-Verordnung übermittelt. Er ist Teil eines umfassenderen Pakets, in dessen Rahmen die Änderung der AS-Richtlinie, eine an Online-Marktplätze und EU-Handelsverbände gerichtete Empfehlung der Kommission und die Aufhebung der OS-Verordnung vorgeschlagen werden. In diesem Bericht werden zwar die wichtigsten Ergebnisse der seit 2019 erfolgten Bewertungen zusammengefasst, doch ist er in Verbindung mit der umfassenden Folgenabschätzung zur Überarbeitung der AS-Richtlinie zu verstehen, die eine ausführliche Bewertung der AS-Richtlinie und in Anhang 6 eine detaillierte Bewertung der Funktionsweise der OS-Verordnung enthält.

Die Informationsquellen, die die Grundlage für den vorliegenden Bericht bilden, sind im Anhang aufgeführt.

2.Richtlinie 2013/11/EU

2.1 Geltungsbereich und Ziele

Nach der Richtlinie erleichtern die Mitgliedstaaten den Zugang der europäischen Verbraucher zur alternativen Streitbeilegung und stellen sicher, dass sie sich an qualitätszertifizierte AS-Stellen wenden können, um ihre Streitigkeiten mit europäischen Unternehmern in Bezug auf den Erwerb einer Ware oder Dienstleistung beizulegen. Verbraucher sollten in allen Wirtschaftssektoren 5 Zugang zur alternativen Streitbeilegung haben, und zwar sowohl bei Online- als auch bei Offline-Käufen sowie sowohl bei inländischen als auch grenzübergreifenden Streitigkeiten.

Mit der Richtlinie wird ein Ansatz der Mindestharmonisierung verfolgt: Während ihr Zweck 6 darin besteht, sicherzustellen, dass Verbraucher Beschwerden gegen Unternehmer bei Stellen einreichen können, die unabhängige, unparteiische, transparente, effektive, schnelle und faire AS-Verfahren anbieten, wird den Mitgliedstaaten jedoch ein großer Ermessensspielraum bei der Gestaltung dieser Systeme eingeräumt:

·Die Mitgliedstaaten müssen eine vollständige AS-Abdeckung durch die Stellen gewährleisten, die bezüglich ihrer Zusammensetzung, ihrer Tätigkeiten und der erzielten Ergebnisse die verbindlichen Qualitätsanforderungen im Hinblick auf Zugänglichkeit, Fachwissen, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Transparenz, Effektivität, Fairness, Handlungsfreiheit und Rechtmäßigkeit erfüllen.

·Mit der Richtlinie wird ein spezifischer Mechanismus zur Gewährleistung der Qualität des AS-Verfahrens eingeführt: Die Mitgliedstaaten benennen die zuständigen nationalen Behörden, die nationale Listen der AS-Stellen, deren Konformität mit den Qualitätsanforderungen 7 der Richtlinie von diesen Behörden zertifiziert wurde, erstellen und pflegen. Die Liste der qualitätszertifizierten AS-Stellen wird der Europäischen Kommission übermittelt und auf der OS-Plattform öffentlich zugänglich gemacht. Die zuständigen Behörden können auch AS-Stellen aus der Liste streichen, wenn diese Stellen die Qualitätsanforderungen nicht mehr erfüllen.

·Während die Unternehmer bestimmten Informationspflichten in Bezug auf die Nutzung der alternativen Streitbeilegung unterliegen, steht es den Mitgliedstaaten frei, zu entscheiden, ob die Teilnahme von Unternehmern verpflichtend oder freiwillig ist oder ob das Ergebnis verbindlich ist 8 .

·Dessen ungeachtet sieht die Richtlinie Garantien für Verbraucher vor, um sicherzustellen, dass die alternative Streitbeilegung zugänglich bleibt, beispielsweise eine Begrenzung der Gebühren (entweder kostenlos oder gegen eine Schutzgebühr) oder der Verfahrensfristen (15 Tage für die Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde und 90 Tage, um zu einem Ergebnis zu gelangen).

2.2 Entwicklung von AS-Stellen

Gemäß Artikel 25 Absatz 1 der AS-Richtlinie mussten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft setzen, um dieser Richtlinie bis zum 9. Juli 2015 nachzukommen. Trotz einiger Verzögerungen, die ordnungsgemäß behoben wurden, wurde im Bericht von 2019 der Schluss getroffen, dass die Umsetzung in den EU-Mitgliedstaaten abgeschlossen war. Die Mitgliedstaaten melden ihre AS-Stellen der Kommission regelmäßig; die Kommission veröffentlicht die Liste anschließend zusammen mit den wichtigsten Daten zu AS-Verfahren auf der OS-Plattform 9 . Am 1. Juli 2017 trat die AS-Richtlinie in den EWR-Staaten Island 10 , Liechtenstein und Norwegen in Kraft.

Die Mitgliedstaaten haben die in der Verordnung vorgesehene Flexibilität in vollem Umfang genutzt: Während einige Länder sektorspezifische AS-Stellen bevorzugen, priorisieren andere einen allgemeinen Ansatz (kombinierter Ansatz, bei dem es einige sektorale Stellen und eine für andere Streitigkeiten zuständige „ergänzende“ Stelle gibt). Einige Länder haben bereits bestehende AS-Stellen beibehalten, die einem bestimmten Unternehmer oder Unternehmerverband 11 angeschlossen sind, während andere Länder ein dezentrales System mit separaten AS-Stellen für verschiedene Regionen und Provinzen unterhalten.

Mitgliedstaat

Anzahl der AS-Stellen

Teilnahme der Unternehmer verpflichtend?

Österreich

8

Für bestimmte Sektoren

Belgien

13

Unter bestimmten Umständen

Bulgarien

17

Kroatien

7

Unter bestimmten Umständen

Zypern

4

Für bestimmte Sektoren

Tschechische Republik

8

Dänemark

26

Ja

Estland

4

Finnland

3

Frankreich

82

Deutschland

28

Für bestimmte Sektoren

Griechenland

4

Für bestimmte Sektoren

Ungarn

21

Ja

Island

6

Ja

Irland

4

Italien

53

Lettland

5

Ja

Liechtenstein

2

Litauen

4

Ja

Luxemburg

5

Malta

8

Niederlande

4

Norwegen

12

Polen

25

Portugal

12

Unter bestimmten Umständen

Rumänien

2

Slowakei

7

Ja

Slowenien

12

Spanien

37

Für bestimmte Sektoren

Schweden

7

Unter bestimmten Umständen

INSGESAMT

430

 Quelle: Studie zur Datenerhebung ; Anhänge + offizielle Daten der OS-Plattform

Wie von den zuständigen nationalen Behörden mitgeteilt, liefern 64 % aller gemeldeten AS-Stellen unverbindliche Ergebnisse, bei weiteren 20 % sind die Ergebnisse für beide Parteien verbindlich, während die Ergebnisse der restlichen AS-Stellen nur für Unternehmer verbindlich sind oder mehrere Arten von Ergebnissen möglich sind. 12 Wie aus der Bewertung 13 hervorgeht, gestatten insgesamt acht Mitgliedstaaten keine verbindlichen Ergebnisse, während in 17 Mitgliedstaaten die Ergebnisse nur unter bestimmten Umständen oder unter bestimmten Bedingungen verbindlich sind.

Nutzung der AS-Stellen von Unternehmern

Aus dem Barometer zur Lage der Verbraucher 2019 14 geht hervor, dass nur 30 % der Einzelhändler in der EU bereit und in der Lage waren, die alternative Streitbeilegung zu nutzen, während 43 % nichts von deren Existenz wussten. Die Bewertung 15 zeigt jedoch, dass in den meisten Mitgliedstaaten die Unternehmer im Allgemeinen zur Zusammenarbeit bereit sind, wenn sich ein Verbraucher mit einer Streitigkeit an eine AS-Stelle wendet: Durchschnittlich 10 % oder weniger der Unternehmer weigern sich, an den vorgeschlagenen AS-Verfahren teilzunehmen.

Nutzung der AS-Stellen von Verbrauchern

In dem Bericht von 2019 wurde der Schluss gezogen, dass die praktische Wirksamkeit der AS-Richtlinie aufgrund des relativ geringen Bekanntheitsgrads seitens der Verbraucher begrenzt war. Es sei darauf hingewiesen, dass fast alle Mitgliedstaaten bereits Maßnahmen ergreifen, um die Nutzung der alternativen Streitbeilegung seitens der Verbraucher zu fördern und Anreize dafür zu schaffen. 16 Dennoch hatten nur 6 % der Verbraucher, die ein Problem mit einem Unternehmer hatten, dies einer AS-Stelle gemeldet. 17  

In Bezug auf die tatsächliche Anzahl der von den AS-Stellen bearbeiteten Streitigkeiten sind die Daten unvollständig. Es scheint, dass bei AS-Stellen in den 23 Mitgliedstaaten, die Daten übermittelt haben, insgesamt rund 300 000 zulässige Streitigkeiten pro Jahr eingehen. Zwei Drittel dieser Fälle wurden in Italien, Deutschland und Frankreich bearbeitet, Kroatien weist dagegen die geringste Anzahl der Streitigkeiten auf. Bei dem um die Bevölkerungszahl bereinigten Ergebnis verzeichnen jedoch Norwegen, Estland und Litauen die meisten AS-Fälle pro Kopf, während Süd- und Osteuropa die wenigsten Fälle aufweisen.

Die Beilegungsquote (Anteil der Fälle, in denen eine AS-Stelle ein Ergebnis erzielt hat, verglichen mit der Anzahl der von AS-Stellen zugelassenen Fälle) variiert je nach Mitgliedstaat erheblich, auch wenn die meisten von ihnen eine Streitbeilegung von mindestens 50 % melden:

 

Quelle: Studie zur Datenerhebung: Die Daten für drei Mitgliedstaaten deckten nicht den gesamten Zeitraum ab: BE (auf Grundlage von Daten für 2018–2021), FR (auf Grundlage von Daten für 2019 und 2020) und RO (auf Grundlage von Daten für 2018–2020).

3.Verordnung (EU) Nr. 524/2013

3.1 Geltungsbereich und Ziele

Ziel der OS-Verordnung ist die Einrichtung der Europäischen Plattform zur Online-Streitbeilegung (im Folgenden „OS-Plattform“), um den Zugang zur alternativen Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit Online-Käufen zu erleichtern. In der Durchführungsverordnung 18 sind die technischen Modalitäten für die Funktionsweise der Plattform und des Netzes der OS-Kontaktstellen festgelegt.

Die Kommission ist für die Entwicklung und den Betrieb der OS-Plattform, einschließlich sämtlicher für die Zwecke dieser Verordnung erforderlichen Übersetzungsfunktionen, die Pflege, die Finanzierung und den Datenschutz dieser Plattform, zuständig. Darüber hinaus veröffentlicht die Kommission Berichte und statistische Informationen und organisiert die Sitzungen der nationalen OS-Kontaktstellen.

Die Mitgliedstaaten sind für die Einrichtung und Unterhaltung der nationalen OS-Kontaktstellen zuständig, in denen zwei nationale OS-Berater tätig sind. Die Entscheidung, wer mit dieser Funktion betraut wird, obliegt den Mitgliedstaaten. In den meisten Fällen wird diese Funktion an ein Europäisches Verbraucherzentrum (ECC) delegiert; eine Ausnahme bilden drei Mitgliedstaaten 19 , in denen diese Funktion von einer nationalen Behörde wahrgenommen wird. Die Aufgabe der Kontaktstellen besteht gemäß Artikel 7 Absatz 2 der OS-Verordnung darin, die Parteien (Verbraucher, Unternehmer, AS-Stellen) bei der Nutzung der Plattform zu unterstützen und ihnen allgemeine Informationen über geltende Verbraucherrechte und mögliche Rechtsbehelfe bereitzustellen.

Die AS-Stellen sind verpflichtet, Streitigkeiten, die über die europäische OS-Plattform eingehen, zu bearbeiten, sofern der Unternehmer und der Verbraucher damit einverstanden sind, die Streitigkeit an eine solche Stelle zu verweisen.

Ferner sieht die Verordnung vor, dass Online-Marktplätze und Unternehmer, die ihre Waren und Dienstleistungen online anbieten, verpflichtet sind, auf ihrer Website einen leicht zugänglichen Link zur OS-Plattform bereitzustellen. Unternehmer (jedoch keine Marktplätze) müssen auch eine E-Mail-Adresse angeben, die für das OS-Verfahren verwendet werden kann. Diese Verpflichtung betrifft nur in der EU niedergelassene Unternehmer. Es sei darauf hingewiesen, dass die genannten Verpflichtungen unabhängig davon gelten, ob der Unternehmer verpflichtet ist oder sich anderweitig verpflichtet hat, die alternative Streitbeilegung zu nutzen. Da es sich bei der europäischen OS-Plattform um ein freiwilliges Instrument handelt, bedeutet die Bereitstellung eines Links und der Kontaktdaten nicht, dass der Unternehmer am OS-Verfahren teilnimmt, und entsprechenden Daten zufolge nehmen die meisten kontaktierten Unternehmer nicht daran teil.

3.2Hauptmerkmale der OS-Plattform und Liste der Informationen im Anhang der Verordnung

Die OS-Plattform ist eine mehrsprachige interaktive Website, auf der Verbraucher Unternehmer auffordern können, ein AS-Verfahren online zu eröffnen. Das Instrument ist für die Parteien freiwillig. Stimmt der Unternehmer nicht innerhalb von 30 Tagen zu, wird der Fall automatisch geschlossen. AS-Stellen haben die Möglichkeit, das Fallbearbeitungsinstrument der Plattform oder ihre eigenen Instrumente zu nutzen.

Im Anhang der Verordnung sind die Informationen aufgeführt, die für die Bearbeitung eines Falls erforderlich sind. Diese Informationen haben sich als ausreichend erwiesen, damit AS-Stellen die ihnen von der Plattform übermittelten Fälle bearbeiten können. Die Kommission hat bisher keine diesbezüglichen Beschwerden oder Änderungsersuchen erhalten.

Ab 2019 fügte die Kommission die nachstehend beschriebenen Funktionen hinzu – die nach der OS-Verordnung nicht erforderlich sind –, um das Nutzererlebnis und das Verständnis der Verbraucher dafür zu verbessern, ob ihr Fall für die Plattform geeignet ist oder nicht:

(1)Einen Selbsttest, um festzustellen, welche Möglichkeit des Rechtsbehelfs für das jeweilige Problem am besten geeignet wäre: Einreichung einer Beschwerde auf der OS-Plattform, bilaterale Kontaktaufnahme mit dem Unternehmer, Ersuchen um Hilfe bei einem Europäischen Verbraucherzentrum oder direkte Einreichung einer Beschwerde bei einer AS-Stelle. Diese Funktion wurde zur erfolgreichsten der OS-Plattform: Im Jahr 2022 haben mehr als 200 000 Besucher den Selbsttest durchgeführt, gegenüber 17 000 Besuchern, die eine Beschwerde eingereicht haben.

(2) Möglichkeit, vor der offiziellen Einreichung einer Beschwerde einen Beschwerdeentwurf an einen Unternehmer zu senden, um die Streitigkeit direkt beizulegen (das Modul der sogenannten „direkten Gespräche“). Diese Funktion wurde als Reaktion auf die Daten aus der Nutzerumfrage eingeführt, aus der hervorging, dass ein höherer Anteil von Verbrauchern und Unternehmern die Streitigkeit außerhalb der Plattform beilegt (je nach Jahr bis zu 40 % im Vergleich zu 2 % der Fälle, die erfolgreich in die Phase der alternativen Streitbeilegung eingetreten sind). Allerdings führen nur etwa 1 % der direkten Gespräche tatsächlich zu einer Einigung auf der OS-Plattform.

3.3. Akzeptanz und Leistung der Plattform

Die OS-Plattform ist seit Februar 2016 öffentlich zugänglich. Die öffentliche Website der Plattform ist eine der am häufigsten besuchten Websites der Europäischen Kommission (2,5 Millionen Besucher im Jahr 2022). Hingegen verwenden weniger als zwei Prozent der Besucher das Beschwerdeformular. Die nachstehende Grafik zeigt, dass der Selbsttest von 200 000 Verbrauchern (je nach Jahr) genutzt wird und seine Nutzung dazu geführt hat, dass weniger Verbraucher das Beschwerdeformular verwenden; daraus geht hervor, dass viele Verbraucher, die die Plattform besuchen, ihren Zweck nicht verstehen und Hilfestellung benötigen.

Quelle: Analyse der Website der OS-Plattform

Auf der Plattform wurden seit ihrer Einrichtung im Jahr 2016 180 000 Beschwerden eingereicht; das bedeutet, dass sich seit diesem Zeitpunkt 19 000 Unternehmen, von großen Plattformen bis hin zu KMU, auf der Plattform registriert haben. Dennoch bleiben 80 bis 85 % der Beschwerden auf der Plattform unbeantwortet, und nur etwa 1 % der Beschwerden (d. h. weniger als 200 Fälle) führen zu einem AS-Ergebnis.

Aus diesem Grund hat die Kommission in die Verbesserung der Gestaltung und der technischen Leistung der Plattform investiert. Zusätzlich zu den im vorherigen Abschnitt genannten neuen Funktionen wurde die Plattform 2017–2018 im Einklang mit den Leitlinien der Kommission vollständig neu gestaltet, das Beschwerdeverfahren wurde gestrafft, Mitteilungen wurden in einer klaren und spezifischen Sprache neu verfasst und es wurden Maßnahmen gegen die Einstufung der Mitteilungen als Spam ergriffen. Des Weiteren führte die Kommission eine technische Analyse der erforderlichen und erwünschten Plattformfunktionen sowie verschiedener technologischer Lösungen durch, die die Plattform leistungsfähiger machen könnten. Außerdem sollte ein Design Thinking ein besseres Verständnis des Unterstützungsbedarfs der Verbraucher liefern, und mithilfe eines Verhaltensexperiments wurde getestet, ob verschiedene Mitteilungen auf der Plattform das Verständnis der Verbraucher verbessern könnten.

Ungeachtet der technischen und gestalterischen Verbesserungen oder der von der Kommission durchgeführten Informationskampagnen ist die Beteiligungsquote der Verbraucher nach wie vor niedrig.

Jahr

Website-Besuche

Beschwerden

An die AS weitergeleitete Beschwerden

Abgeschlossene AS-Ergebnisse

2016*

1 715 794

20 176

406

112

2017*

2 743 509

32 559

597

249

2018*

5 246 777

44 979

860

396

2019*

2 765 583

31 694

598

294

2020*

3 315 599

17 461

429

163

2021

2 616 235

13 246

400

169

2022

2 455 677

17 012

318

107

Insgesamt 2016–2022

20 859 174

177 127

3 608

1 490

* Verbraucher, Unternehmer und AS-Stellen im Vereinigten Königreich nutzten die Plattform zwischen 2016 und 2020 weiterhin. Der Brexit wirkte sich zwar auf die Zahl der Einreichungen aus, doch hat sich der Anteil der Beschwerden, die an die alternative Streitbeilegung weitergeleitet wurden, nicht merklich verändert.

Die geringe Teilnahme der Unternehmer lässt sich durch verschiedene Faktoren erklären, die in Anhang 6 der Folgenabschätzung zur Überarbeitung der AS-Richtlinie aufgeführt sind. Der Hauptfaktor ist jedoch struktureller Art, da der elektronische Geschäftsverkehr meist über große Marktplätze erfolgte, die rasch wirksame Streitbeilegungssysteme eingeführt haben, damit die Verbraucher weiterhin darauf vertrauen, dass unkompliziert Lösungen angeboten werden, wenn etwas nicht nach Wunsch läuft. Die OS-Verordnung wurde 2011 mit dem Ziel vorgeschlagen, KMU bei der Digitalisierung und bei grenzübergreifenden Verkäufen im Binnenmarkt zu unterstützen, wobei die rasche Entwicklung von Marktplätzen damals nicht vorhergesehen wurde.

Aus den Nutzerumfragen 20 geht zwar hervor, dass die Website selbst und das Beschwerdeformular relativ benutzerfreundlich sind 21 , im Hinblick auf den Nutzen des Tools zeigten sich die Nutzer jedoch enttäuscht, was insbesondere für die Mehrheit derjenigen Verbraucher gilt, die keine Rückmeldung von den ersuchten Unternehmern erhalten haben und deren Fall automatisch geschlossen wurde. 56 % der Verbraucher gaben an, dass sie die Plattform nicht erneut nutzen würden.

Die Kommission führte umfangreiche Untersuchungen durch, um festzustellen, ob dieses Problem durch die Bereitstellung klarerer Informationen für Unternehmer und durch eine Verbesserung der Gestaltung oder Technologie der Plattform behoben werden könnte. 22 Diese Untersuchungen ergaben, dass eine gestalterische oder technische Änderung keine Garantie dafür wäre, die Antwortquote der Unternehmer zu erhöhen.

Daher wurde die Option, die OS-Plattform neu zu gestalten, bereits in einer frühen Phase der Überlegungen zur Modernisierung des AS/OS-Rahmens verworfen. 23 Da die im Verlauf von sieben Jahren nach Inbetriebnahme der Plattform vorgenommenen Aufrüstungen keine wesentlichen Verbesserungen bewirkt haben, ist es unwahrscheinlich, dass weitere Änderungen zu einem anderen Ergebnis führen werden. Inzwischen verursacht die Pflege der OS-Plattform erhebliche Kosten für die Europäische Kommission, für die Mitgliedstaaten, die das Netz der OS-Berater unterhalten müssen, und für die Unternehmer, die den Link zur Plattform pflegen und potenzielle Verbraucherbeschwerden, die die Unternehmer nicht auf der Plattform lösen möchten, überwachen müssen.

3.4 Die Rolle der nationalen Kontaktstellen

Alle Mitgliedstaaten sowie Norwegen und Liechtenstein haben eine OS-Kontaktstelle benannt. Während einige wenige Mitgliedstaaten die Rolle der Kontaktstellen auf grenzübergreifende Streitigkeiten beschränken, bearbeiten die meisten Kontaktstellen sowohl lokale als auch grenzübergreifende Fälle.

Die Kommission hat seit 2016 Netzwerktreffen mit den OS-Kontaktstellen veranstaltet und unterhält ein kollaboratives IT-Tool, über das die OS-Kontaktstellen Informationen und bewährte Verfahren austauschen können. Das Netz ist voll funktionsfähig und erhält bis zu 500 Anfragen pro Jahr. Im gesamten Berichtszeitraum betreffen die meisten Verbraucheranfragen den automatischen Abschluss des Falls.

Die Rolle der OS-Kontaktstellen besteht darin, Verbrauchern, Unternehmern und AS-Stellen bei der Nutzung der Plattform Hilfestellung zu leisten. Viele von ihnen sind jedoch zu De-facto-Kontaktstellen für den gesamten AS-Rahmen geworden, da sie Verbrauchern, deren Fall automatisch geschlossen wurde, dabei helfen, eine alternative Lösung für die Einlegung eines Rechtsbehelfs zu finden.

4 Schlussfolgerungen und weiteres Vorgehen

Mit der AS-Richtlinie wurde die Grundlage für einen zugänglichen und hochwertigen Rechtsbehelf für Verbraucher in der gesamten Union und in praktisch allen Einzelhandelssektoren geschaffen, unabhängig davon, ob es sich um einen inländischen oder grenzübergreifenden Streitfall handelt und ob der Kauf online oder offline getätigt wurde. Wie in den Schlussfolgerungen des Berichts von 2019 dargelegt, ist die praktische Akzeptanz jedoch nach wie vor begrenzt. Unterdessen hat die Entwicklung der Verbrauchermärkte neue Herausforderungen mit sich gebracht, durch die die derzeitige AS-Architektur unter Druck gerät. Diese Herausforderungen wurden in einer umfassenden Bewertung der AS-Richtlinie sowie in einer Folgenabschätzung näher untersucht, was die Kommission dazu veranlasst, gezielte Änderungen der AS-Richtlinie sowie eine Empfehlung vorzuschlagen, die sich an Online-Marktplätze und EU-Handelsverbände richtet, welche Streitbeilegungssysteme bereitstellen.

Die OS-Verordnung und die OS-Plattform wurden zu einer Zeit konzipiert, als sich die digitalen Märkte erst entwickelten, und es war unklar, ob angemessene private oder öffentliche Instrumente eingesetzt würden, um Online-Unternehmer und Verbraucher bei der Nutzung qualitätszertifizierter AS-Stellen zu unterstützen. Durch die rasche Entwicklung von Online-Beschwerdemanagementsystemen digitaler Marktplätze wurden diese Systeme jedoch zu einem der wichtigsten Streitbeilegungskanäle für KMU, die online verkaufen, wodurch die OS-Plattform überflüssig wurde. Die vorstehend dargelegte begrenzte Nutzung der Plattform rechtfertigt somit ihre Einstellung, und die Kommission schlägt daher vor, die OS-Verordnung aufzuheben.



Anhang: Informationsquellen für diesen Bericht

   Nationale Rechtsvorschriften zur Umsetzung der AS-Richtlinie

   Berichte der für die alternative Streitbeilegung für Verbraucher zuständigen nationalen Behörden der Mitgliedstaaten („zuständige nationale Behörden“) über die Entwicklung und die Arbeitsweise von AS-Stellen, die 2022 gemäß Artikel 20 Absatz 6 der AS-Richtlinie übermittelt wurden

   Spezielle Studien: Studie zur Erhebung von AS-Daten (einschließlich Sekundärforschung, Umfragen sowie Befragungen von Behörden, AS-Stellen und anderen Interessenträgern, Verhaltensstudie zur alternativen Streitbeilegung und Mini-Legal-Studie); hier abrufbar

   Treffen mit den zuständigen nationalen Behörden (2022)

   Ergebnisse der AS-Versammlung 2021 und anderer von der Kommission organisierter Veranstaltungen mit Interessenträgern

   Statistische Daten von der OS-Plattform und Berichte über die Funktionsweise der Europäischen OS-Plattform („OS-Berichte“), die gemäß Artikel 21 Absatz 1 der OS-Verordnung übermittelt wurden

   Tätigkeitsberichte der OS-Kontaktstellen der Mitgliedstaaten, die 2020 und 2022 gemäß Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b der OS-Verordnung übermittelt wurden

   Treffen mit den Mitgliedern des Netzes der OS-Kontaktstellen

   Bewertung der AS-Richtlinie und Folgenabschätzung

(1)

Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten).

(2)

Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten).

(3)

Richtlinie (EU) 2020/1828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG.

(4)

Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (COM(2019) 425 final).

(5)

Ausnahmen nach Artikel 2 Absatz 2: nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, Gesundheitsdienstleistungen und das öffentliche Bildungswesen.

(6)

Artikel 1. 

(7)

Kapitel II der AS-Richtlinie: Fachwissen, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, Transparenz, Effektivität, Fairness, Handlungsfreiheit und Rechtmäßigkeit.

(8)

In Artikel 9 Absätze 2 und 3 der AS-Richtlinie sind zusätzliche Garantien für Fairness in Bezug auf die Ergebnisse, die verbindlich werden können, festgelegt, d. h. Vorabinformationen und eine angemessene Überlegungsfrist, während nationale Rechtsvorschriften zulässig sind, nach denen die Ergebnisse für den Unternehmer verbindlich werden, sobald der Verbraucher die vorgeschlagene Lösung akzeptiert hat.

(9)

https://ec.europa.eu/consumers/odr/main/?event=main.adr.show2

(10)

Zwar verzögerte sich die Umsetzung in Island, die erforderlichen Rechtsvorschriften wurden jedoch erlassen und der Kommission im Jahr 2020 die AS-Stellen mitgeteilt.

(11)

Die AS-Richtlinie sieht für die von Unternehmern oder Unternehmerverbänden betriebenen Stellen zusätzliche Schutzmaßnahmen im Hinblick auf Unabhängigkeit vor, zum Beispiel einen getrennten Haushalt.

(12)

Quelle: auf der OS-Plattform gemeldete offizielle Verfahrensinformationen.

(13)

Siehe Abschnitt 4.1.2 des Bewertungsberichts.

(14)

„Barometer zur Lage der Verbraucher – Die Verbraucher im Binnenmarkt“, Ausgabe 2019 (auf Englisch), https://commission.europa.eu/system/files/2020-07/consumers-conditions-scoreboard-2019_pdf_en.pdf.

(15)

Siehe Abschnitt 3 des Bewertungsberichts.

(16)

EU-Justizbarometer 2023, Abbildung 26, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52023DC0309&qid=1697551852823ssion.europa.eu/system/files/2023-06/Justice%20Scoreboard%202023_0.pdf.

(17)

„Survey of Consumers’ Attitudes Towards Cross-border Trade and Consumer-related Issues 2023“, Europäische Kommission, https://commission.europa.eu/system/files/2023-03/ccs_2022_executive_summary.pdf . Diese Zahl weist im Vergleich zu den in der Folgenabschätzung genannten Daten für 2022 nur einen bescheidenen Anstieg um 0,7 % auf.

(18)

Durchführungsverordnung (EU) 2015/1051 der Kommission vom 1. Juli 2015 über die Modalitäten für die Ausübung der Funktionen der Plattform zur Online-Streitbeilegung, über die Modalitäten des elektronischen Beschwerdeformulars und die Modalitäten der Zusammenarbeit der Kontaktstellen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten.

(19)

Litauen, Slowenien, Polen.

(20)

Verbraucher und Unternehmer gelangen jeweils über einen anderen Link zur Umfrage, die geringfügig unterschiedliche Fragen enthält.

(21)

Auf die Frage, ob die Website einfach zu nutzen sei, lautete die Antwort von 36 % der Verbraucher „sehr einfach“ oder „einfach“, während weitere 34 % die Nutzung der Website weder einfach noch schwierig fanden. 51 % der Verbraucher hielten das Beschwerdeformular für sehr einfach oder einfach zu verwenden, während weitere 30 % der Meinung waren, dass dessen Verwendung weder einfach noch schwierig sei.

(22)

Ausführliche Informationen sind Anhang 6 der Folgenabschätzung zu entnehmen.

(23)

Siehe Abschnitt 5.3 der Folgenabschätzung.