Brüssel, den 31.1.2023

COM(2023) 43 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT

über die Umsetzung der Empfehlung des Rates zum Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige


INHALTSVERZEICHNIS

INHALTSVERZEICHNIS    

WICHTIGSTE ERGEBNISSE    

1.    Einführung    

1.1.    Beschreibung des Kontexts    

1.2.    Ziele der Empfehlung    

1.3.    Unterstützung der Umsetzung    

1.4.    Überprüfung der Umsetzung    

2.    Überprüfung der Fortschritte bei der Umsetzung der Empfehlung des Rates    

2.1.    Momentaufnahme der nationalen Umsetzungspläne: ein gemischtes Bild in Bezug auf Schwerpunkt und Ehrgeiz bei der Umsetzung    

2.2.    Formelle Absicherung    

2.2.1.    Lücken    

2.2.2.    Politische Maßnahmen    

2.3.    Tatsächliche Absicherung    

2.3.1.    Lücken    

2.3.2.    Politische Maßnahmen    

2.4.    Angemessenheit    

2.4.1.    Lücken    

2.4.2.    Politische Maßnahmen    

2.5.    Transparenz    

2.5.1.    Zugang zu Informationen    

2.5.2.    Vereinfachung    

3.    Zusammenfassung der Fortschritte    

3.1.    Positive Entwicklungen beim Zugang zum Sozialschutz für alle    

3.2.    Herausforderungen bleiben bestehen    

4.    Schlussfolgerungen    

ANHANG: Hauptmerkmale der nationalen Umsetzungspläne bezüglich des Zugangs zum Sozialschutz (und Aktualisierung)    


WICHTIGSTE ERGEBNISSE

Die Umsetzungsbemühungen in den drei Jahren nach der Annahme der Empfehlung des Rates zum Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige zeigen in ganz Europa ein gemischtes Bild, was auch vor dem Hintergrund der Maßnahmen zur Bewältigung der sozialen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zu sehen ist. Der allgemeine Ehrgeiz bei der Umsetzung der Empfehlung variiert erheblich, und die meisten Mitgliedstaaten sind bis auf wenige Ausnahmen nicht bestrebt, alle bestehenden Lücken beim Zugang zum Sozialschutz zu schließen. Es sind weitere Umsetzungsbemühungen erforderlich, um bestehende Lücken zu schließen, und durch die sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine und der sich daraus ergebenden verschärften Energiekrise wird dieser Handlungsbedarf weiter verstärkt.

Auf den sich ständig wandelnden Arbeitsmärkten gibt es eine große Zahl von Menschen, die aufgrund der Art ihres Beschäftigungsverhältnisses oder ihrer Selbstständigkeit nicht mehr durch ausreichenden Zugang zum Sozialschutz abgesichert sind. Dies birgt Risiken für das Wohlergehen vieler dieser Personen und ihrer Familien, aber auch für die Wirtschaft und die Gesellschaft im Allgemeinen.

Im Jahr 2021 befanden sich fast 40 % der Erwerbsbevölkerung in der EU (77 Millionen Menschen) in atypischen Beschäftigungsverhältnissen, d. h. die Personen in dieser Gruppe hatten befristete Arbeitsverträge, arbeiteten in Teilzeit und/oder waren selbstständig tätig, und viele von ihnen sind mit erheblichen Versorgungslücken im Bereich Sozialschutz konfrontiert. Im Jahr 2022 gibt es in 17 Mitgliedstaaten mindestens eine Gruppe von Arbeitnehmern in atypischen Beschäftigungsverhältnissen, die nicht von allen Zweigen des Sozialschutzes abgedeckt ist. Selbstständige sind in 19 Mitgliedstaaten nicht von allen Zweigen des Sozialschutzes erfasst.

Formelle Absicherung

Seit 2019 haben 15 Mitgliedstaaten wichtige Reformen eingeleitet oder geplant, um die Teilhabe bestimmter Gruppen von Menschen auf dem Arbeitsmarkt an den Sozialschutzsystemen zu verbessern. Diese sind vor allem auf Selbstständige (insbesondere Solo- und abhängige Selbstständige), Personen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen oder Personen in bestimmten Sektoren (haushaltsnahe Dienstleistungen, Kultur) mit einer starken Prävalenz atypischer Beschäftigungsformen ausgerichtet. Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine beträchtliche Zahl von ihnen weiterhin keinen formellen Zugang haben wird, da die Maßnahmen nicht auf alle Lücken/Zweige abzielen und einige Mitgliedstaaten nicht beabsichtigen, verbleibende Lücken zu schließen.

In den zwölf Mitgliedstaaten, die Daten meldeten, wird geschätzt, dass mindestens 5,6 Millionen Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen und 15,3 Millionen Selbstständige keinen Zugang zu Leistungen bei Arbeitslosigkeit haben. Darüber hinaus ist in den Mitgliedstaaten, in denen die Teilhabe an Sozialschutzsystemen für Selbstständige freiwillig ist, die Quote der Inanspruchnahme der Systeme im Allgemeinen niedrig.

Zu den wichtigsten Herausforderungen, von denen die Mitgliedstaaten bei der Beseitigung dieser Lücken berichten, gehören die Notwendigkeit, die Flexibilität des Arbeitsmarktes zu wahren oder die Komplexität der Ausweitung des Versicherungsschutzes für Selbstständige (insbesondere der Arbeitslosen- und Invaliditätsversicherung) und für bestimmte Gruppen wie Plattformbeschäftigte, Hausangestellte und Landwirte.

Andererseits tragen Maßnahmen zur Verringerung des Rückgriffs auf atypische Vertragsformen dazu bei, die Lücken bei der formellen Absicherung zu verringern. Dazu gehören eine bessere Überwachung, die Verringerung sozialer und steuerlicher Anreize im Zusammenhang mit Arbeitsverträgen mit sehr kurzer Laufzeit oder Scheinselbstständigkeit, die Regulierung von Plattformarbeit oder die Reform des Arbeitsrechts zur Bekämpfung der Segmentierung, die alle den Zugang zum Sozialschutz verbessern, indem eine korrekte Einstufung sichergestellt wird bzw. klarere gesetzliche Rahmenbedingungen in Bezug auf die mit unterschiedlichen Beschäftigungsstatus verbundenen Sozialschutzrechte geschaffen werden.

Tatsächliche Absicherung

Bestehende Beitrags- und Anspruchsregelungen können dazu führen, dass den Sozialschutzsystemen angeschlossene Personen in der Praxis keine Leistungen erhalten („tatsächlicher Zugang“). Beispielsweise können sie die Mindestbeitragszeit oder die Mindesthöhe der Beiträge nicht einhalten. Seit 2019 wurde die Frage des tatsächlichen Zugangs nur im Rahmen einer begrenzten Anzahl nationaler Maßnahmen angegangen, z. B. durch Verkürzung der Beitragszeiten für Leistungen bei Arbeitslosigkeit oder Gesundheitsleistungen. Zwischen der Einkommensunterstützung für Menschen, die vor der Arbeitslosigkeit in einem „Normalarbeitsverhältnis“ beschäftigt waren und für Menschen in anderen Beschäftigungsverhältnissen bestehen in vielen EU-Mitgliedstaaten nach wie vor beträchtliche Unterschiede. Insgesamt erhalten Selbstständige nach wie vor seltener Leistungen als Arbeitnehmer, und in einer Reihe von Ländern erhalten Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen oder Teilzeitarbeitsverträgen immer noch weniger Leistungen als Arbeitnehmer mit unbefristeten oder Vollzeitarbeitsverträgen.

Angemessenheit

„Angemessene“ Sozialschutzsysteme bieten eine ausreichende und zeitnahe Einkommensersatzleistung für Personen mit Einkommensverlusten, die ihren Lebensstandard aufrechterhalten und sie vor Armut schützen. Etwa die Hälfte der Mitgliedstaaten hat im Rahmen ihrer nationalen Umsetzungspläne Maßnahmen zur Verbesserung der Angemessenheit – insbesondere in Bezug auf Renten – für Selbstständige, Menschen mit geringen Ansprüchen oder bestimmte Berufe ergriffen oder angekündigt. Außerdem wurden Maßnahmen ergriffen, um die Angemessenheit der Leistungen bei Arbeitslosigkeit zu verbessern, indem ihre Dauer verlängert und/oder die Leistungen selbst erhöht wurden. Allerdings bestehen nach wie vor Herausforderungen. Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen sind im Vergleich zu Arbeitnehmern mit unbefristeten Arbeitsverträgen von stärkerer materieller und sozialer Deprivation betroffen. Gleiches gilt für Arbeitnehmer mit Teilzeitarbeitsverträgen im Vergleich zu jenen mit Vollzeitarbeitsverträgen. Selbstständige, Arbeitnehmer mit Teilzeitarbeitsverträgen und Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen sind ebenfalls stärker von monetärer Armut bedroht als solche in „normalen“ Beschäftigungsverhältnissen.

Transparenz

Für eine Verbesserung des Zugangs zum Sozialschutz ist Transparenz von entscheidender Bedeutung. Die Sozialschutzregeln sind jedoch zum Teil zu komplex oder unklar, sodass einige Menschen ihre Rechte und Pflichten oder die Art und Weise, wie sie diese Rechte ausüben und ihren Pflichten nachkommen können, möglicherweise nicht ausreichend kennen. Viele Länder haben damit begonnen, die Verwaltung und Bereitstellung des Sozialschutzes über vereinfachte zentrale Portale, automatisierten Zugang zu einigen Leistungen, Rentensimulatoren oder vorausgefüllte Antragsformulare zu digitalisieren, wenngleich dies keinen Schwerpunkt der nationalen Umsetzungspläne darstellt. Dennoch sind in dieser Hinsicht weitere Anstrengungen erforderlich, einschließlich Maßnahmen zur Überwindung der digitalen Kluft für schutzbedürftige Personen, wie Menschen mit geringerem digitalem, verwaltungstechnischem und finanziellem Allgemeinwissen, Menschen mit Behinderungen und sonstige.


1.Einführung

1.1.Beschreibung des Kontexts

Gegenwärtig verzeichnen die Arbeitsmärkte der EU eine beträchtliche Zahl an (Solo-)Selbstständigen, Menschen mit atypischen Arbeitsverträgen sowie Menschen, die sich in Kombinationen von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Erwerbstätigkeit befinden oder zwischen diesen wechseln. Im Gegensatz zu unbefristeten Vollzeitarbeitsverträgen, war im Jahr 2021 fast 40 % der Erwerbsbevölkerung in der EU-27 (76,7 Millionen Menschen) in atypischen Beschäftigungsverhältnissen tätig 1 , d. h. die Personen hatten einen befristeten Arbeitsvertrag (23,7 Mio.), arbeiteten in Teilzeit (36,4 Mio.) und/oder waren selbstständig (26,9 Millionen davon 18,4 Millionen Solo-Selbstständige) 2 . Während der Gesamtanteil der Personen in atypischen Arbeitsformen in den letzten zehn Jahren stabil geblieben ist und die Bedingungen von Gruppe zu Gruppe und innerhalb von Gruppen sehr unterschiedlich sind, haben einige neue Beschäftigungsformen (z. B. Gelegenheitsarbeiter, sog. „Portfolio-Worker“ oder Plattformbeschäftigte), die im Allgemeinen weniger Sozialschutz genießen, in den EU-Mitgliedstaaten stärker zugenommen 3 .

Sozialschutzsysteme sind häufig immer noch für normal Beschäftigte (abhängige Arbeitnehmer mit unbefristeten Vollzeitarbeitsverträgen) konzipiert. Infolgedessen sind große Teile der Erwerbsbevölkerung aufgrund ihres Arbeitsmarktstatus oder der Art ihres Beschäftigungsverhältnisses nicht ausreichend vom Sozialschutz abgedeckt. Diese Lücken stellen ein Risiko für das Wohlergehen der betroffenen Personen und ihrer Familien dar, die mit größerer wirtschaftlicher Unsicherheit konfrontiert sind. Sie wirken sich auch auf Wirtschaft und Gesellschaft aus, was die Binnennachfrage, Investitionen in Humankapital und den sozialen Zusammenhalt betrifft. Die Lücken bei der Absicherung atypischer Beschäftigungsverhältnisse tragen zu einem Mangel an Gerechtigkeit in der Gesellschaft bei und vergrößern die Kluft zwischen Generationen, Geschlechtern oder sozialen Gruppen, da junge Menschen, im Ausland geborene Personen und Frauen seltener mit unbefristeten Vollarbeitszeitverträgen eingestellt werden. Die Verringerung der Unterschiede beim Zugang zum Sozialschutz für atypische Beschäftigungsformen könnte somit dazu beitragen, Ungleichheiten, einschließlich des geschlechtsspezifischen Einkommens- und Rentengefälles, zu verringern.

Gemäß Grundsatz 12 der europäischen Säule sozialer Rechte haben „Arbeitnehmer und unter vergleichbaren Bedingungen Selbstständige unabhängig von Art und Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses das Recht auf angemessenen Sozialschutz“. 4 Um dieses politische Ziel umzusetzen, nahm der Rat 2019 eine Empfehlung zum Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige an. 5

Im Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte 6 betonte die Kommission, dass die während der COVID-19-Pandemie ergriffenen außergewöhnlichen Maßnahmen zur Ausweitung des Sozialschutzes auf zuvor nicht erfasste Gruppen eine Inspirationsquelle für strukturelle Reformen sein kann, die den Schutz von Arbeitslosen, atypisch Beschäftigten und Selbstständigen verbessern.

Der digitale Wandel, der durch die COVID-19-Pandemie beschleunigt wurde, verändert die Wirtschaft und die Arbeitsmärkte der EU, nicht zuletzt durch die Ausweitung digitaler Arbeitsplattformen. 7 Während Plattformarbeit einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt bieten kann oder die Möglichkeit, durch eine Nebentätigkeit zusätzliches Einkommen zu generieren, bringt sie jedoch auch Herausforderungen mit sich, auch im Hinblick auf den Sozialschutz.

Neben der Notwendigkeit, den ökologischen Wandel auf faire Weise zu bewältigen, hat sich seit Anfang 2022 eine neue Herausforderung ergeben: das wirtschaftliche und geopolitische Umfeld, das durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ausgelöst wurde und zu höheren Energie- und Rohstoffpreisen, Inflationsdruck und zunehmender wirtschaftlicher Unsicherheit führt. Dies könnte bereits schutzbedürftige Haushalte in Armut treiben. Die Sozialschutzsysteme müssen eine Schlüsselrolle sowohl bei der Prävention als auch bei der Bewältigung dieser Auswirkungen spielen, indem sie die bestehenden Netze der sozialen Sicherheit stärken und die am stärksten gefährdeten Menschen unterstützen.

1.2.Ziele der Empfehlung

Mit der Empfehlung des Rates soll sichergestellt werden, dass alle Arbeitnehmer und Selbstständigen formellen Zugang zu einem wirksamen, angemessenen und transparenten Sozialschutz haben und zu diesem beitragen, und zwar in Bezug auf sechs Zweige des Sozialschutzes: Leistungen bei Arbeitslosigkeit; Leistungen bei Krankheit und Gesundheitsleistungen; Leistungen bei Mutterschaft und Vaterschaft; Leistungen bei Invalidität; Leistungen bei Alter und Hinterbliebenenleistungen; Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten.

8 In Nummer 19 der Empfehlung des Rates wird den Mitgliedstaaten empfohlen, die in der Empfehlung enthaltenen Grundsätze so bald wie möglich umzusetzen und bis zum 15. Mai 2021 einen Plan mit Informationen über die entsprechenden auf nationaler Ebene zu ergreifenden Maßnahmen vorzulegen. Bis Dezember 2022 hatten alle Mitgliedstaaten außer Luxemburg einen solchen nationalen Umsetzungsplan vorgelegt. Die nationalen Umsetzungspläne wurden von den Ministerinnen und Ministern des Rates „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ im Dezember 2021 im Rahmen des Europäischen Semesters und im Mai 2022 im Ausschuss für Sozialschutz (SPC) erörtert. Auch die europäischen Organisationen der Sozialpartner wurden im Mai 2022 eigens konsultiert.

1.3.Unterstützung der Umsetzung

Seit der Annahme der Empfehlung des Rates hat die Kommission spezifische Maßnahmen ergriffen, um die Umsetzung der Empfehlung zu unterstützen.

Die Kommission hat mit der Untergruppe „Indikatoren“ des Ausschusses für Sozialschutz zusammen daran gearbeitet, einen Überwachungsrahmen für die Bewertung der Fortschritte bei der Verwirklichung der Hauptziele der Empfehlung zu erstellen. Eine erste Fassung des Rahmens wurde vom Ausschuss für Sozialschutz im Oktober 2020 9 gebilligt, und seitdem unterstützt die Kommission methodische Verbesserungen und jährliche Aktualisierungen des Überwachungsrahmens 10 . Der Überwachungsrahmen umfasst Indikatoren zur Überwachung der formellen Absicherung, der tatsächlichen Absicherung und der Angemessenheit der Leistungen für alle Arten von Erwerbstätigen in den einschlägigen Zweigen des Sozialschutzes. Er umfasst auch Arbeitsmarktindikatoren zur Messung der Vielfalt der Arbeitsmarktstatus und Indikatoren zu den Anspruchs- und Beitragsregelungen.

Dennoch bedarf es in allen EU-Mitgliedstaaten weiterer Verbesserungen bei der Überwachung des Zugangs zum Sozialschutz. So ermöglichen die derzeit auf EU-Ebene verfügbaren Daten beispielsweise keine direkte Messung des Verhältnisses zwischen dem Eintritt eines Risikos und dem Bezug einer Leistung, mit Ausnahme von Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Leistungen bei Alter. Darüber hinaus wurden zwar Fortschritte bei der Quantifizierung der Lücken im Bereich der formellen Absicherung erzielt, doch sind diese Daten nicht für alle Länder verfügbar, und die verfügbaren Daten sind nicht vollständig vergleichbar. Schließlich müssen in mehreren Bereichen schrittweise Fortschritte erzielt werden. So ist beispielsweise ein besseres Verständnis der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Selbstständigen (insbesondere ihres Einkommens) erforderlich, wobei die unterschiedliche Höhe der Sozialabgaben berücksichtigt werden muss.

Auf politischer Ebene hat die Kommission einen intensiven Austausch über die Umsetzung der verschiedenen Dimensionen der Empfehlung gefördert und Vertreter der Mitgliedstaaten, Sozialpartner und Interessenträger zusammengebracht. 11 Die Europäische Kommission überwacht auch Sozialschutzfragen im Rahmen des Europäischen Semesters. Um die sozialen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie abzumildern, empfahl die Kommission im Jahr 2020 neun Mitgliedstaaten (EE, ES, IT, CY, LT, NL, PL, PT und SI), den Sozialschutz für Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen und Selbstständige zu verbessern und im Jahr 2022 erhielten vier Mitgliedstaaten eine länderspezifische Empfehlung für Bereiche, die unter die Empfehlung des Rates von 2019 fallen (EE, HU, NL und PL). Darüber hinaus identifiziert der Ausschuss für Sozialschutz in seinem Anzeiger 12  jedes Jahr Mitgliedstaaten mit einer sozialen Schlüsselaufgabe beim Zugang zum Sozialschutz 13 .

Darüber hinaus umfassen der Analyse der Kommission zufolge zwei Drittel der Aufbau- und Resilienzpläne Reformen oder Investitionen, die darauf abzielen, den Zugang zum Sozialschutz zu verbessern (der Schwerpunkt liegt hauptsächlich auf der Vereinfachung des Zugangs durch digitale Investitionen und der Verbesserung der Angemessenheit der Leistungen bei Arbeitslosigkeit und bei Alter). 14

Darüber hinaus hat die Kommission seit 2019 mehrere damit zusammenhängende Initiativen eingeleitet, beispielsweise zur Verbesserung der Absicherung und Angemessenheit von Mindestlöhnen 15 und Mindesteinkommen 16 , zur Verbesserung der Situation von Plattformbeschäftigten 17 und zur Bewältigung der sozialen Auswirkungen des ökologischen Wandels, insbesondere für Arbeitnehmer, die Unterstützung beim Arbeitsplatzwechsel und Einkommensunterstützung benötigen 18 . Die Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der EU stellt auch sicher, dass Arbeitnehmer in der EU frühzeitig wesentliche Informationen über ihre Verträge erhalten, insbesondere über den Sozialversicherungsschutz. 19 Diese Initiativen gehen Hand in Hand, um sicherzustellen, dass alle Menschen unabhängig von ihrer Arbeitsform Zugang zu einem angemessenen sozialen Schutz vor wirtschaftlichen Risiken haben und dass alle Menschen auch zu seiner Finanzierung beitragen, wie auch auf globaler Ebene befürwortet wird. 20    

1.4.Überprüfung der Umsetzung

In der Empfehlung des Rates wird die Kommission aufgefordert, die Fortschritte bei der Umsetzung zu überprüfen und dem Rat darüber Bericht zu erstatten. Der vorliegende Bericht stützt sich in seiner Analyse auf den mit dem Ausschuss für Sozialschutz erarbeiteten Überwachungsrahmen, um die Fortschritte bei der Umsetzung der wichtigsten Ziele der Empfehlung und die jüngsten von den Mitgliedstaaten ergriffenen oder angekündigten Maßnahmen und Reformen zu bewerten, wie sie in ihren nationalen Umsetzungsplänen, dem Europäischen Semester oder den Aufbau- und Resilienzplänen zum Ausdruck kommen. Er basiert ferner auf dem thematischen Bericht des Europäischen Netzwerks für Sozialpolitik (ESPN) über die Dimension der Transparenz 21 sowie auf thematischen Diskussionen im Ausschuss für Sozialschutz, dem Austausch mit Sozialpartnern und den Schlussfolgerungen der von der Kommission organisierten Veranstaltungen für gegenseitiges Lernen.

In dem vorliegenden Bericht werden die Fortschritte in Bezug auf die vier Dimensionen der Empfehlung (formelle Absicherung, tatsächliche Absicherung, Angemessenheit und Transparenz) und in Bezug auf Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsformen und Selbstständige untersucht. Der Schwerpunkt liegt auf Maßnahmen und Reformen, die seit der Annahme der Empfehlung des Rates umgesetzt wurden oder geplant sind. Da Arbeitnehmer in regulären Beschäftigungsverhältnissen in den meisten EU-Mitgliedstaaten Zugang zu den meisten Zweigen des Sozialschutzes haben, liegt der Schwerpunkt des Berichts hauptsächlich auf der Schließung von Lücken bei Selbstständigen und Arbeitnehmern mit atypischen Arbeitsverträgen. Wo möglich werden in dem Bericht Daten verwendet, um die Fortschritte seit der Annahme der Empfehlung im Herbst 2019 zu messen, wenngleich die jüngsten verfügbaren Statistiken für einige Indikatoren aus dem Zeitraum 2020–2021 stammen 22 .

2.Überprüfung der Fortschritte bei der Umsetzung der Empfehlung des Rates

2.1.Momentaufnahme der nationalen Umsetzungspläne: ein gemischtes Bild in Bezug auf Schwerpunkt und Ehrgeiz bei der Umsetzung

Der Überblick 23 über die 26 nationalen Umsetzungspläne zeigt, dass fast alle nationalen Umsetzungspläne implizit oder explizit auf bestehende bzw. verbleibende Lücken beim Zugang zum Sozialschutz auf nationaler Ebene Bezug nehmen. Allerdings werden nur in der Hälfte der Mitgliedstaaten alle Gruppen und Arten von Lücken berücksichtigt. Darüber hinaus konzentrierten sich die nationalen Umsetzungspläne sehr stark auf die Situation in Bezug auf die formelle Absicherung, während andere Dimensionen des Zugangs zum Sozialschutz trotz bestehender auf EU-Ebene vereinbarter Indikatoren zur Überwachung des tatsächlichen Zugangs oder der Angemessenheit weniger gut abgedeckt sind. Es ist wichtig anzumerken, dass einige Mitgliedstaaten alle (BG und SE) oder fast alle (CZ, FR, HU, AT und PL) Bestimmungen der Empfehlung umgesetzt haben (siehe auch Tabelle im Anhang).

Die meisten nationalen Umsetzungspläne (22 der 26 eingereichten) 24 beziehen sich auf spezifische umgesetzte Maßnahmen oder neue eingegangen Verpflichtungen auf nationaler Ebene zur Umsetzung der Empfehlung. Das Spektrum und der Umfang der Maßnahmen sowie ihr zeitlicher Aspekt (wurden bereits ergriffen oder sind geplant) unterscheiden sich jedoch von Land zu Land erheblich: 25 Zehn nationale Umsetzungspläne konzentrieren sich auf eine zentrale politische und/oder gesetzgeberische Maßnahme, elf umfassen eine Reihe von drei bis acht Maßnahmen, und Belgien entwickelte in seinem Plan mehr als 30 Maßnahmen.

Die Maßnahmen im Rahmen der nationalen Umsetzungspläne decken ein breites Spektrum von Zweigen des Sozialschutzes ab, wobei zu den drei am häufigsten abgedeckten Bereichen Leistungen bei Alter, bei Arbeitslosigkeit und bei Krankheit zählen, während andere Zweige (Leistungen bei Mutterschaft und Vaterschaft, bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, bei Krankheit und Gesundheitsleistungen und Leistungen bei Invalidität) weniger häufig behandelt werden.

Kasten 1: COVID-19-Pandemie und Auswirkungen auf die Sozialschutzsysteme

Die COVID-19-Pandemie hat die entscheidende Rolle des Sozialschutzes deutlich gemacht, wenn es darum geht, in Krisenzeiten ein Sicherheitsnetz zu spannen, gleichzeitig aber auch Lücken beim Zugang zu diesem aufgedeckt und viele Mitgliedstaaten dazu veranlasst, den Sozialschutz vorübergehend auf zuvor ungedeckte Gruppen auszuweiten. Angesichts der Überschneidung der Pandemie mit dem Umsetzungszeitraum für die Empfehlung, ist es nicht verwunderlich, dass sich 24 der 26 nationalen Pläne auf Maßnahmen beziehen, die als Antwort auf die Pandemie ergriffen wurden, drei dieser Pläne beziehen sich sogar ausschließlich auf solcherlei Maßnahmen. Allerdings beinhalten lediglich acht nationale Pläne Maßnahmen, die dauerhaft gemacht wurden und vor allem darauf abzielen, den Versicherungsschutz für Selbstständige oder Arbeitnehmer in bestimmten Sektoren wie etwa dem Kultursektor zu verbessern.

Die COVID-19-Pandemie hat auch in einigen Fällen die Digitalisierung von Sozialleistungen beschleunigt, einschließlich eines breiteren und vereinfachten Einsatzes elektronischer Formulare, telefonischer Beratungsangebote und einer besseren Interoperabilität von Daten zwischen verschiedenen Behörden.

Was die zeitliche Planung betrifft, so beziehen sich 13 Mitgliedstaaten auf Maßnahmen, die seit 2019 ergriffen wurden, und 18 Mitgliedstaaten führen Maßnahmen an, die sich in Vorbereitung befinden oder „für die Zukunft geplant“ sind. Einige Mitgliedstaaten führen auch Maßnahmen an, die vor der Annahme der Empfehlung ergriffen wurden.

Was die Zielgruppen betrifft, so richten sich einige Maßnahmen zwar an alle Erwerbstätigen, doch die meisten beziehen sich auch auf die spezifische Situation bestimmter Gruppen: Maßnahmen, die speziell auf Selbstständige ausgerichtet sind werden von 17 Mitgliedstaaten genannt, während 11 Mitgliedstaaten Maßnahmen für Arbeitnehmer mit atypischen Arbeitsverträgen anführen.

Die nationalen Umsetzungspläne einiger Mitgliedstaaten (z. B. Belgien, Estland und Zypern) enthalten detaillierte Informationen über jede von ihnen geplante Maßnahme in Bezug auf Zweig, Zielgruppe, erwartete Auswirkungen, Zeitplan, Haushalt, Durchführungsstelle und Überwachungs-/Evaluierungsplan. Die nationalen Umsetzungspläne einiger anderer Mitgliedstaaten enthalten hingegen keine detaillierten Angaben zu den für die Zukunft angekündigten Maßnahmen.

In nur wenigen nationalen Umsetzungsplänen wird die Einbeziehung der Sozialpartner in die Ausarbeitung des nationalen Umsetzungsplans oder bestimmter Maßnahmen genannt. Andere Interessenträger wie etwa Organisationen der Zivilgesellschaft finden kaum Erwähnung. Die Organisationen der Sozialpartner auf EU-Ebene berichteten 26 , dass sie sehr wenig oder sehr spät in den Prozess eingebunden worden seien, und forderten eine stärkere Einbeziehung bei der Gestaltung und Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs zum Sozialschutz für Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen und Selbstständige.

Neben der Verbesserung des Zugangs zum Sozialschutz wiesen einige Mitgliedstaaten auch auf Maßnahmen hin, die darauf abzielen, den übermäßigen Rückgriff auf atypische Beschäftigungsformen zu verringern. So ergreifen beispielsweise die Niederlande Maßnahmen, um die sozialen und steuerlichen Anreize für die Aufnahme einer (solo-)selbstständigen Tätigkeit oder die Einstellung von Arbeitnehmern mit befristeten Arbeitsverträgen (durch Unternehmen) zu verringern. Deutschland und Polen haben Maßnahmen ergriffen, um den Erfassungsstatus von Personen mit atypischen Arbeitsverträgen besser zu überwachen.

In der Empfehlung werden die Mitgliedstaaten auch aufgefordert, die Verfügbarkeit nationaler Statistiken über den Zugang zum Sozialschutz zu verbessern, doch planen nur wenige Mitgliedstaaten (5 von 26, siehe Anhang) spezifische Maßnahmen diesbezüglich, obwohl in diesem Bereich nur relativ begrenzt quantitative Daten vorliegen. Während in den meisten Mitgliedstaaten Daten (vor allem aus administrativen Quellen) zur Verfügung stehen, sind diese nicht immer nach Art des Beschäftigungsverhältnisses, Geschlecht oder Alter aufgeschlüsselt und es wird selten versucht, die Quote der sozialen Absicherung in den verschiedenen Zweigen des Sozialschutzes zu quantifizieren. 27 Zudem werden die verfügbaren Daten nicht systematisch in die Politikgestaltung einbezogen. Weder in den nationalen Umsetzungsplänen noch in den im Laufe der Konsultation der Sozialpartner vorgebrachten Argumenten wurden spezifische Fragen zu den Auswirkungen der Umsetzungsmaßnahmen auf kleine und mittlere Unternehmen aufgeworfen. Arbeitgeberverbände haben jedoch darauf hingewiesen, dass der Zugang von Selbstständigen zu den wichtigsten Zweigen des sozialen Basisschutzes zu vertretbaren Kosten das Leitprinzip sein sollte, während der Zugang zu einem umfassenderen Schutz fakultativ bleiben sollte.

Die in den nationalen Umsetzungsplänen genannten Maßnahmen könnten von einer besseren Verknüpfung mit den politischen Maßnahmen im Rahmen der Aufbau- und Resilienzpläne und den Folgemaßnahmen im Rahmen des Europäischen Semesters begünstigt werden. Dies würde ihre Wirkung maximieren. So werden beispielsweise in den meisten nationalen Umsetzungsplänen keine Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz der Sozialschutzsysteme erwähnt, während sich zahlreiche Aufbau- und Resilienzpläne auf die Digitalisierung des Sozialschutzes konzentrieren, um einen besseren Zugang zu Sozialversicherungsdiensten zu ermöglichen, Verfahren zu vereinfachen und einfache und wirksame digitale Lösungen für Menschen und Unternehmen anzubieten. Darüber hinaus könnten die Mitgliedstaaten auch das Instrument für technische Unterstützung (TSI) mobilisieren, um die Umsetzung von Strukturreformen auf nationaler Ebene zu unterstützen.

2.2.Formelle Absicherung

Arbeitnehmer und Selbstständige gelten „als unter einem bestimmten Sozialschutzzweig formell abgesichert ..., wenn in den bestehenden Rechtsvorschriften oder dem bestehenden Tarifvertrag festgelegt ist, dass sie Anspruch auf Sozialschutz unter dem betreffenden Zweig des Systems haben. Die formelle Absicherung kann durch ein Pflichtsystem oder ein freiwilliges System erfolgen“ (Empfehlung des Rates, Erwägungsgrund 15).

Die Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, die formelle Absicherung (für alle in der Empfehlung genannten Zweige) zu verbessern und sie wie folgt zu erweitern und a) für alle Arbeitnehmer verpflichtend zu machen, und zwar unabhängig von der Art des Beschäftigungsverhältnisses; b) für Selbstständige zumindest auf freiwilliger Basis möglich und gegebenenfalls verpflichtend zu machen.

2.2.1.Lücken

Die Bestandsaufnahme der formellen Absicherung 28 im Rahmen des Überwachungsrahmens zeigt, dass trotz einiger Fortschritte seit 2019 29 in den EU-Mitgliedstaaten weiterhin beachtliche Lücken sowohl in Bezug auf Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen als auch auf Selbstständige fortbestehen.

Im Jahr 2022 war in 17 Mitgliedstaaten 30 mindestens eine Gruppe von Arbeitnehmern in atypischen Beschäftigungsverhältnissen von formellen Lücken in mindestens einem der einschlägigen Zweige des Sozialschutzes betroffen. Die größten Lücken bestehen in Bezug auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit (in 13 Mitgliedstaaten), bei Krankheit (in elf Mitgliedstaaten) und bei Mutterschaft (in neun Mitgliedstaaten). Zu den betroffenen Kategorien von Beschäftigten gehören Gelegenheitsarbeiter oder Arbeitnehmer mit vereinfachten, befristeten Arbeitsverträgen mit kurzer Laufzeit, Saisonarbeiter und Arbeitnehmer mit sonstigen länderspezifischen Arbeitsverträgen. 31 In fünf Mitgliedstaaten 32 beziehen sich die Lücken nur auf die spezifische Gruppe der „Auszubildenden und Praktikanten“ (und oft auf eine Untergruppe in dieser Kategorie) 33 . Darüber hinaus ist der Zugang von Arbeitnehmern in atypischen Beschäftigungsverhältnissen zu mindestens einem Zweig des Sozialschutzes in etwa der Hälfte der Mitgliedstaaten nur freiwillig und häufig über „Opt-in“-Systeme geregelt, insbesondere für Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Alter, Invalidität, Krankheit und Mutterschaft.

Auf der Grundlage der in einer begrenzten Zahl von Mitgliedstaaten verfügbaren Daten wird geschätzt 34 , dass etwa 5,6 Millionen Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen keinen Zugang zu Leistungen bei Arbeitslosigkeit haben (in elf Mitgliedstaaten), während 366 000 keinen Zugang zu Leistungen bei Krankheit (in sechs Mitgliedstaaten) und 413 000 keinen Zugang zu Leistungen bei Mutterschaft (in fünf Mitgliedstaaten) haben. Diese Zahlen sollten eindeutig als Untergrenzenschätzungen betrachtet werden, da nicht alle Mitgliedstaaten solche bestehenden Lücken melden.

Insbesondere in Bezug auf die Selbstständigen so bestehen im Jahr 2022 in mindestens einem der Zweige des Sozialschutzes in 19 Mitgliedstaaten formelle Lücken. Am stärksten betroffen sind Leistungen bei Arbeitslosigkeit (in 13 Mitgliedstaaten), gefolgt von Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten (in neun Mitgliedstaaten), Leistungen bei Vaterschaft (in fünf Mitgliedstaaten) und Leistungen bei Krankheit (in drei Mitgliedstaaten). Die Tatsache, dass der Zugang für Selbstständige in mindestens einem Zweig in 19 Mitgliedstaaten 35 freiwillig ist (hauptsächlich über Opt-in-Systeme), steht zwar mit der Empfehlung im Einklang, führt jedoch im Allgemeinen zu einer geringen Inanspruchnahme dieser Systeme 36 . In einigen Mitgliedstaaten lässt sich dies dadurch erklären, dass den Menschen nur wenig Zeit gewährt wird, um zu entscheiden, ob sie sich freiwilligen Systeme anschließen möchten oder nicht, verbunden mit langen Bindungsfristen.

2.2.2.Politische Maßnahmen

Die meisten nationalen Umsetzungspläne bestätigen die oben beschriebenen Lücken in der formellen Absicherung, und die meisten Mitgliedstaaten haben Maßnahmen angeführt, die sie ergriffen haben bzw. ergreifen werden, um diese anzugehen. Viele dieser Maßnahmen wurden jedoch als Reaktion auf die COVID‑19-Krise ergriffen, um den Zugang vorübergehend und ausnahmsweise auf bestimmte Kategorien von Erwerbstätigen auszuweiten, die zuvor nicht (oder nur teilweise) abgesichert waren (Arbeitnehmer mit prekären Arbeitsverträgen, Hausangestellte und Selbstständige) oder in bestimmten Sektoren/Berufen (Kultursektor, Gesundheitswesen usw.) tätig waren. 37

In etwas mehr als der Hälfte der Mitgliedstaaten (15) handelt es sich bei den seit 2019 ergriffenen oder angekündigten Maßnahmen zur formellen Absicherung um Strukturreformen, mit denen die Lücken in den unter die Empfehlung fallenden Zweigen dauerhaft geschlossen werden sollen. 38  Diese betreffen in den meisten Fällen die Schließung von Lücken bei der formellen Absicherung von Selbstständigen, was darauf zurückzuführen ist, dass diese in vielen Mitgliedstaaten nach wie vor keinen Zugang zu einer Reihe von Zweigen des Sozialschutzes haben. Den anderen atypischen Beschäftigungsformen (z. B. Zeit-/Teilzeitarbeitsverträgen) wird weniger Aufmerksamkeit geschenkt. 

Tabelle 1: Strukturreformen im Bereich der formellen Absicherung seit 2019

Strukturreformen in 15 Mitgliedstaaten:

Keine Strukturreformen (in 12 Mitgliedstaaten)

Zielgruppen

Für Selbstständige

Für Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen

Für beide Gruppen

Mitgliedstaaten

EL, FR, IT, LT, MT, NL

ES, PL, PT

BE, EE, IE, CY, LU, RO

AT, BG, CZ, DK, DE, HR, LV, HU, SI, SK, FI und SE

Quelle: Nationale Umsetzungspläne und Aktualisierung durch den Ausschuss für Sozialschutz. Hinweis: Länder in Kursivschrift: vorgeschlagene oder angekündigte Reformen, noch nicht angenommen.

Von den Reformen für Selbstständige wurden einige bereits umgesetzt, viele sind in Vorbereitung, andere sind für die Zukunft geplant (siehe Kasten 2).

Kasten 2: Sozialschutz für Selbstständige

Während der Gesamtanteil der Selbstständigen an der Erwerbsbevölkerung in den letzten 25 Jahren stabil geblieben ist (rund 14 % der Erwerbsbevölkerung), ist der Anteil der Selbstständigen ohne Angestellte gestiegen (rund 68,3 % der 27 Millionen Selbstständigen in der EU). 39 Die verfügbaren Daten für sieben Mitgliedstaaten (BE, DE, IT, LU, NL, PL und SE) deuten auf eine hohe Armut trotz Erwerbstätigkeit bei Solo-Selbstständigen hin. 40 Dieser Trend erhöht die Notwendigkeit, den Zugang zum Sozialschutz für Selbstständige sicherzustellen.

In den zwölf Mitgliedstaaten, die Daten zur Verfügung stellten 41 , haben 15,3 Millionen Selbstständige keinen Zugang zu Leistungen bei Arbeitslosigkeit, 3,9 Millionen haben keinen Zugang zu Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten (in neun Mitgliedstaaten) und 5,3 Millionen haben keinen Zugang zu Leistungen bei Krankheit (in drei Mitgliedstaaten).

Wie im Folgenden dargestellt, zeigt eine Reihe von Strukturreformen, dass sich diese Lücken schließen lassen und dass sie anderen Ländern, die noch mit solchen Lücken konfrontiert sind, als Inspiration dienen könnten.

Im November 2019 führte Irland ein neues Arbeitslosengeld für ehemalige Selbstständige ein, die nach Arbeit suchen (Jobseeker’s Benefit (self-employed)). Seit 2019 gewährt Frankreich Selbstständigen unter bestimmten Bedingungen (gerichtliche Beendigung oder Insolvenzverfahren) Zugang zu Einkommensbeihilfen und lockerte im Jahr 2022 die Bedingungen für die Beantragung der Leistung. Ende 2020 weitete Frankreich die Leistungen bei Krankheit auch auf die freien Berufe (professions libérales) aus. In Malta haben Selbstständige seit Anfang 2019 unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Im Rahmen des Dekrets zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (Juni 2022) führte Italien das Anrecht auf Tagegeld für selbstständig erwerbstätige Frauen vor der Geburt (bei Komplikationen) und das Recht auf Elternurlaub für selbstständig erwerbstätige Väter ein.

Zypern reformiert derzeit sein Sozialversicherungssystem, um den Versicherungsschutz auf Selbstständige und atypische Beschäftigungsformen auszuweiten (Inkrafttreten voraussichtlich 2023). Die Regierung Luxemburgs schlug die Einführung von Vaterschaftsleistungen für selbstständig erwerbstätige Väter vor. Estland weitet die Arbeitslosenversicherung auf Selbstständige, Inhaber von Geschäftskonten und Mitglieder von Leitungs- und Kontrollorganen aus. Ferner wird derzeit daran gearbeitet, den Krankenversicherungsschutz auf Personen auszuweiten, die nicht oder nur periodisch versichert sind. Die Niederlande bereiten die Einführung einer obligatorischen Berufsunfähigkeitsversicherung für Selbstständige vor (Umsetzung bis 2026).

Die nationalen Umsetzungspläne enthalten auch Verpflichtungen für die Zukunft. Rumänien plant beispielsweise, den Vaterschaftsurlaub auf Selbstständige auszuweiten; Belgien prüft derzeit, wie der Schutz vor Einkommensverlusten für Selbstständige („Überbrückungsanspruch“) dauerhaft gewährleistet werden kann; Griechenland plant, den Zugang zu Leistungen bei Krankheit auf Selbstständige auszuweiten; Litauen erwägt, alle Selbstständigen in das Arbeitslosenversicherungssystem einzubeziehen; in den Niederlanden wird die Möglichkeit geprüft, Selbstständigen den Zugang zur kollektiven Rentenversicherung zu ermöglichen.

Für Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen umfassen die bisherigen Reformen: den Zugang zu beitragsbezogenen Leistungen bei Arbeitslosigkeit für Hausangestellte in Spanien (seit Oktober 2022) und einen neuen Status sowie eine besondere Sozialversicherung für Kulturschaffende in Portugal (seit Oktober 2022 – Arbeitnehmer mit sehr kurzfristigen Verträgen sind für die meisten Risiken versichert und haben Anspruch auf eine neue Beihilfe für die Aussetzung der künstlerischen Tätigkeit). Darüber hinaus ergreifen einige Mitgliedstaaten parallel zu unterstützenden Maßnahmen auf EU-Ebene 42 Maßnahmen zur Verbesserung des Status und der Arbeitsbedingungen von Künstlern und Kultur- und Kreativschaffenden, einem Sektor, der durch eine hohe Prävalenz atypischer Beschäftigungsformen gekennzeichnet ist. 43

Weitere Reformen befinden sich in Vorbereitung. Mit Unterstützung der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) hat Polen Ende 2021 eine Reform eingeleitet, um die Pflichtversicherung auszuweiten und den Versicherungsschutz zu verbessern. Sie betrifft insbesondere zivilrechtliche Verträge mit Bestimmungen, die sicherstellen sollen, dass diese durch die Alters-/Renten- und Unfallversicherung abgedeckt sind. Zu den weiteren Reformen zählen: ein Gesetzesentwurf der irischen Regierung, der ein Mindestmaß an Schutz (Leistungen bei Krankheit) für gering entlohnte Arbeitnehmer vorsieht, die möglicherweise keinen Anspruch auf Leistungen aus einem betriebliches Versorgungssystem haben; ein Vorschlag für eine universelle Gesundheitsversorgung (vorgelegt im Oktober 2021) in Luxemburg zur Aufnahme nicht versicherter, schutzbedürftiger Personen in die Krankenversicherung.

Schließlich plant Rumänien, den formellen Zugang zu allen Zweigen des Sozialschutzes für Saisonarbeiter und Tagesarbeiter sowie für Plattformbeschäftigte zu gewährleisten, während Belgien derzeit Möglichkeiten prüft, wie die formelle Absicherung von Plattformbeschäftigten (Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfällen) und für bestimmte Kategorien von Arbeitnehmern (z. B. Tagesmütter) verbessert werden kann. Tschechien beabsichtigt nicht, seine sog. „Vereinbarungen über die Ausübung einer Arbeit“ in ein Beschäftigungsverhältnis umzuwandeln, sondern plant, die Kriterien für den Versicherungszugang zu ändern sowie den Zugang zu Leistungen bei Krankheit und damit zusammenhängenden Risiken (einschließlich Mutterschaft) für Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen zu verbessern.

Andere Mitgliedstaaten gaben an, dass sie nicht beabsichtigen, bestimmten derzeit nicht erfassten Gruppen, insbesondere Selbstständigen, (vollständigen) Zugang zu gewähren. Zu den Gründen für diesen Ansatz zählen: die damit verbundenen Kosten, Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf die Flexibilität des Arbeitsmarktes oder die Komplexität einer vollständigen Absicherung für Selbstständige (insbesondere für die Arbeitslosen-, Kranken- oder Invaliditätsversicherung). In einigen Fällen ist der Grund für das Nichtergreifen von Maßnahmen, um eine formelle Lücke zu schließen, die geringe Größe der nicht abgedeckten Gruppen oder die Tatsache, dass einige Risiken durch andere Zweige oder durch die mit der Haupttätigkeit einer Person verbundene Versicherung abgedeckt werden können (wenn die Lücke bestimmte zusätzliche geringfügige Arbeitsverhältnisse betrifft).

Die Sozialpartner haben unterschiedliche Ansichten zur Frage nach der formellen Absicherung, insbesondere für Selbstständige, geäußert. Arbeitgeberverbände gaben an, dass eine obligatorische und vollständige Absicherung und Beitragsleistung in allen sechs Zweigen des Sozialschutzes den Begriff der Selbstständigkeit an sich infrage stellen würden und dass eine bestimmte Wahl zwischen den verschiedenen Zweigen des Sozialschutzes sowie bezüglich der Höhe der entsprechenden Beiträge möglich sein müsste. 44 Andererseits haben Arbeitnehmerorganisationen die Regierungen aufgefordert, sicherzustellen, dass Selbstständige in allen Zweigen pflichtversichert sind und das Problem der Scheinselbstständigkeit anzugehen. 45

In den vergangenen Jahren standen die Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten im Mittelpunkt der sozialpolitischen Debatte, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf ihrem Beschäftigungsstatus (selbstständig oder abhängig beschäftigt) und dessen Auswirkungen auf den Sozialschutz lag.

Der Zugang zum Sozialschutz von Plattformbeschäftigten wird in elf nationalen Umsetzungsplänen (BE, DE, EE, FR, HR, IT, CY, LT, PT, RO und SI) erörtert, wobei die meisten von ihnen dies als Herausforderung betrachten. Fünf Mitgliedstaaten (BE, IT, CY, RO und SI) haben konkrete Maßnahmen in ihre nationalen Umsetzungspläne aufgenommen, während vier Mitgliedstaaten im Allgemeinen auf die Notwendigkeit hinweisen, in Zukunft in diesem Bereich tätig zu werden (DE, EE, LT und PT). Zypern zählt beispielsweise Plattformbeschäftigte zu den Personen mit atypischen Arbeitsverträgen, auf die der Zugang zu Leistungen (bei Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfällen) durch eine Sozialversicherungsreform ausgeweitet werden sollte. Belgien und Rumänien kündigen Gesetzesänderungen an, um einen angemessenen Sozialschutz für Plattformbeschäftigte, einschließlich jener, die dort selbstständig tätig sind, zu gewährleisten (siehe auch oben).

Darüber hinaus haben einige Mitgliedstaaten (Griechenland, Spanien und Frankreich) seit der Vorlage ihrer nationalen Umsetzungspläne weitere Maßnahmen für Plattformbeschäftigte ergriffen, auch im Rahmen ihrer Aufbau- und Resilienzpläne. Portugal hat weitere Maßnahmen angekündigt, und andere Mitgliedstaaten (Deutschland, Kroatien, Luxemburg und die Niederlande) erörtern derzeit mögliche Änderungen der einschlägigen Rechtsvorschriften.

2.3.Tatsächliche Absicherung

Die formelle Absicherung ist zwar eine notwendige Voraussetzung für den Zugang zu Sozialschutzsystemen, doch reicht sie möglicherweise nicht aus, wenn nicht für alle Arbeitnehmer (unabhängig von der Art des Beschäftigungsverhältnisses) und Selbstständige eine tatsächliche Absicherung gewährleistet wird. Gemäß der Empfehlung des Rates bezeichnet der Begriff „tatsächliche Absicherung“ einer Gruppe in einem bestimmten Zweig des Sozialschutzes „einen Sachverhalt, bei dem die Einzelpersonen einer Gruppe die Möglichkeit haben, Leistungsansprüche aufzubauen, und bei Eintreten des entsprechenden Risikos Leistungen in einer bestimmten Höhe in Anspruch nehmen können“; Dies kann durch eine Anpassung der Beitrags- und Anspruchsregelungen erreicht werden, damit Einzelpersonen unabhängig von der Art ihres Beschäftigungsverhältnisses oder ihres Arbeitsmarktstatus Leistungsansprüche aufbauen und Leistungen in Anspruch nehmen können. Schließlich bedeutet die tatsächliche Absicherung auch, dass Ansprüche ungeachtet der Art des Beschäftigungsstatus bzw. des Selbstständigenstatus und über sämtliche Wirtschaftssektoren hinweg gewahrt, angehäuft und/oder übertragen werden können, und zwar während eines bestimmten Bezugszeitraums und zwischen verschiedenen Systemen innerhalb eines bestimmten Zweiges des Sozialschutzes.

2.3.1.Lücken

Im Überwachungsrahmen wird die tatsächliche Absicherung anhand der (individuellen) Empfangsquote von Sozialleistungen durch von Armut bedrohten Personen (vor Sozialtransfers) im erwerbsfähigen Alter mit unterschiedlichem Erwerbsstatus geschätzt. 46 Im Jahr 2021 ist die Absicherung durch Sozialleistungen in der EU-27 je nach Erwerbsstatus sehr unterschiedlich. 47

·In der EU erhielten Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen im Durchschnitt häufiger Leistungen als Arbeitnehmer mit unbefristeten Arbeitsverträgen 48 (47,9 % bzw. 39,1 %) und Arbeitnehmer mit Teilzeitarbeitsverträgen häufiger als Arbeitnehmer mit Vollzeitarbeitsverträgen (43,3 % bzw. 37,9 %), da ihre ungünstige soziale Lage mehr Unterstützung durch soziale Transferleistungen erfordert. Dies ist jedoch nicht in allen Mitgliedstaaten der Fall. Darüber hinaus haben Selbstständige nach wie vor die geringste Wahrscheinlichkeit, Leistungen zu erhalten, wenn sie von Armut bedroht sind 49 (31,2 % gegenüber 41,8 % für alle Arten von Arbeitnehmern in der EU-27). Dies war in den meisten Mitgliedstaaten trotz der außergewöhnlichen Einkommensunterstützungsmaßnahmen während des COVID-19-Zeitraums der Fall, in dem sich die Leistungsquote der Selbstständigen fast verdreifacht hat.

·Insgesamt erhielten in 14 Mitgliedstaaten Personen in Standardarbeitsformen (Arbeitnehmer mit unbefristeten Vollzeitarbeitsverträgen) eher Leistungen als alle anderen Erwerbstätigen (Arbeitnehmer in Teilzeitbeschäftigung oder mit befristeten Arbeitsverträgen und Selbstständige), und in vier Mitgliedstaaten lag das Gefälle bei über 10 Prozentpunkten. 50 In sechs Mitgliedstaaten 51 erhielten rund 10 % oder weniger der Arbeitnehmer mit befristeten Vollzeitarbeitsverträgen Sozialleistungen.

·Unter den Arbeitslosen erhielten 2021 etwas mehr als die Hälfte (52,7 %) Sozialleistungen. In Bulgarien, Griechenland, Kroatien, Polen, Rumänien und der Slowakei lag die Quote jedoch unter 25 %. In der EU bezogen im Jahr 2021 57,3 % aller registrierten Kurzzeitarbeitslosen (ohne Beschäftigung seit weniger als einem Jahr) Leistungen/Unterstützung bei Arbeitslosigkeit 52 . In sechs Mitgliedstaaten waren es hingegen weniger als 50 % 53 und in Kroatien, Polen und der Slowakei nur ein Drittel oder weniger.

In Bezug auf Einkommenstransfers nach Einkommensverlusten (in der Regel Leistungen bei Arbeitslosigkeit) zeigen aktuelle OECD-Untersuchungen 54 , dass in den EU-Mitgliedstaaten das Gefälle bei der Einkommensunterstützung zwischen Personen, die sich vor der Arbeitslosigkeit in einem herkömmlichen Beschäftigungsverhältnis befanden und anderen Personen oft beträchtlich ist. Dies ist in erster Linie auf die begrenzte Verfügbarkeit von Einkommensunterstützung für Personen zurückzuführen, die in der Vergangenheit selbstständig erwerbstätig waren und häufig von einkommensbezogenen Leistungen bei Arbeitslosigkeit ausgeschlossen sind. In Italien und Portugal beispielsweise war die Wahrscheinlichkeit, dass „normal Beschäftigte“ infolge eines Arbeitsplatzverlusts Einkommensbeihilfen erhielten um 50 % höher als bei anderen Beschäftigten, während auch in Estland, Lettland, Litauen und Polen große Lücken zu verzeichnen waren (20–30 % höher).

Personen in atypischen Arbeitsformen werden im Bedarfsfall eher keinen tatsächlichen Zugang haben. Die bestehenden Beitrags- und Anspruchsregelungen können den tatsächlichen Zugang zu Leistungen für Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen und Selbstständige erschweren. Beispielsweise betrug die Wartezeit für Leistungen bei Arbeitslosigkeit im Jahr 2022 in 12 Mitgliedstaaten ein Jahr und in zwei Mitgliedstaaten zwei Jahre 55 . Diese Kriterien, die oft dazu dienen, die finanzielle Tragfähigkeit des Systems sicherzustellen, schließen eine Reihe von Personen mit befristeten Arbeitsverträgen und/oder in prekären Beschäftigungsverhältnissen vom Leistungsbezug aus, selbst wenn sie einen Beitrag geleistet haben und von Armut bedroht sind. Dies gilt auch für Leistungen bei Krankheit, bei denen die Beitragszeiten für Arbeitnehmer in zehn Mitgliedstaaten mindestens sechs Monate oder länger sind und in fünf Mitgliedstaaten für Selbstständige länger sind als für Arbeitnehmer. Schließlich stehen in einem Drittel der Mitgliedstaaten Frauen, die seit mindestens acht Monaten nicht erwerbstätig waren, keine beitragsbezogenen Leistungen bei Mutterschaft zu.

2.3.2.Politische Maßnahmen

Die Herausforderung bei der Sicherstellung eines tatsächlichen Zugangs für Arbeitnehmer mit atypischen Arbeitsverträgen, insbesondere mit sehr kurzer Laufzeit, und für Selbstständige wird in vielen nationalen Umsetzungsplänen anerkannt. Die Anzahl der umgesetzten oder vorgeschlagenen Strukturreformen ist jedoch begrenzt. Darüber hinaus wurde in den nationalen Umsetzungsplänen nur sehr wenig darauf eingegangen, wie die Übertragbarkeit von Ansprüchen von einem System oder einem Beschäftigungsstatus zu einem anderen verbessert werden kann.

Europäische Arbeitnehmerorganisationen haben Bedenken geäußert, dass die meisten nationalen Umsetzungspläne Probleme im Zusammenhang mit dem tatsächlichen Zugang nicht ausreichend angehen (insbesondere strenge Leistungsbezugsvoraussetzungen, die dazu führen, dass Bedürftige keinen Zugang zu Leistungen haben). Die europäischen Arbeitgeberverbände vertreten die Auffassung, dass der Sozialschutz mit den Beschäftigungsbeiträgen verknüpft und dass die Arbeitsanreize verstärkt werden müssen. 56

Mehrere Mitgliedstaaten argumentieren in ihren nationalen Umsetzungsplänen, dass die derzeitigen Bestimmungen zur Regelung der Ansprüche angemessen seien und die Beitragszeiten lang genug sein müssten, um Arbeitsanreize zu schaffen, die Nachhaltigkeit des Systems zu erhalten und Schutzvorkehrungen zur Vermeidung von Missbrauch zu treffen. Dies zeigt, dass die Änderung der Beitrags- und Anspruchsregelungen nach wie vor ein schwieriges politisches Thema darstellt, das Folgenabschätzungen, politischen Konsens und die Einbeziehung aller Interessenträger erfordert.

Die meisten der gemeldeten Maßnahmen wurden ausnahmsweise und vorübergehend als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie ergriffen. Was die Leistungen bei Arbeitslosigkeit betrifft, so wurden die Anspruchsvoraussetzungen in einer Reihe von Ländern gelockert. Beispielsweise haben Italien und Litauen die Kategorien potenzieller Leistungsempfänger erweitert, und Finnland gestattete Personen, die vorübergehend entlassen wurden Zugang zu Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Lettland führte eine befristete Arbeitslosenunterstützung für Personen ein, deren Ansprüche abgelaufen sind, sowie für arbeitslose junge Absolventen. Deutschland hat ein Sozialschutzpaket verabschiedet, das Arbeitssuchenden den Zugang zu grundlegenden Sozialleistungen erleichterte.

Während der COVID-19-Pandemie wurde eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um Selbstständigen den Zugang zu Leistungen bei Arbeitslosigkeit oder Einkommensbeihilfen zu erleichtern. So haben die Niederlande beispielsweise mehrere befristete Einkommensunterstützungspakete verabschiedet; Belgien hat das „Überbrückungsrecht“ (Überbrückung bei Insolvenz) auf Selbstständige ausgeweitet; Spanien unterstützte Selbstständige durch Sonderleistungen und Beitragsbefreiungen. Eine Reihe von Mitgliedstaaten 57 konzentrierte sich auf die Erleichterung des Zugangs zu Leistungen bei Arbeitslosigkeit oder anderen Einkommensbeihilfen für Künstlerinnen und Künstler, da die meisten von ihnen anderenfalls die Standardvoraussetzungen nicht erfüllt hätten. Deutschland hat Maßnahmen ergriffen, um den Versicherungsschutz selbstständiger Künstlerinnen und Künstler durch eine Subventionierung ihrer Beiträge aufrechtzuerhalten. In einer Reihe von Mitgliedstaaten 58 wurden auch befristete Maßnahmen ergriffen, um den tatsächlichen Zugang zu anderen Zweigen des Sozialschutzes (wie Gesundheitsleistungen und Leistungen bei Krankheit) zu erleichtern.

Außerdem wurde eine begrenzte Anzahl von Strukturreformen durchgeführt, insbesondere in Bezug auf den Zugang zu Leistungen bei Arbeitslosigkeit und anderen Einkommensbeihilfen (siehe Kasten 3).

Kasten 3: (Ausgewählte) Reformen in Bezug auf die tatsächliche Absicherung

Spanien reformiert derzeit das System zur Unterstützung bei Arbeitslosigkeit, um einige der Lücken bei der Absicherung zu schließen, die Höchstdauer von Leistungen zu verlängern und das System zu vereinfachen. Seit März 2022 erhalten auch Arbeitnehmer über 52 Jahren mit unregelmäßigen befristeten Arbeitsverträgen Zugang zu beitragsunabhängigen Arbeitslosenbeihilfen.

Im Jahr 2019 kürzte Italien die Mindestbeiträge für Leistungen bei Arbeitslosigkeit für Personen mit auf kurze Zeit befristeten Arbeitsverträgen und Plattformbeschäftigte. Darüber hinaus hat Italien im Jahr 2022 den Zugang zu Leistungen bei Arbeitslosigkeit für Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen verbessert. So wurde beispielsweise die maximale Bezugszeit für Leistungen bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit von Arbeitnehmern in atypischen Beschäftigungsverhältnissen (DIS-COLL-Zuschüsse) auf zwölf Monate verlängert und großzügigere Lohngarantiesysteme (die die Aussetzung oder Einschränkung der Erwerbstätigkeit umfassen) eingeführt und den zuvor nicht erfassten Personen, einschließlich Auszubildenden und Hausangestellten, zugänglich gemacht.

Im Jahr 2020 hat Zypern die Beitragszeit von drei Jahren für den Zugang zu Gesundheitsleistungen abgeschafft.

Im Zeitraum 2021–2022 hat Litauen eine (noch zu verabschiedende) Reform der Arbeitslosenversicherung vorbereitet, um die Mindestbeitragsdauer (von zwölf auf neun Monate) zu verkürzen, Selbstständigen Zugang zur Versicherung zu gewähren und die Beitragssätze anzupassen.

In einigen Ländern wurden Maßnahmen ergriffen, die die Bedingungen für den Zugang zum Sozialschutz potenziell verschärfen 59 : in Rumänien wurde die Beitragszeit für Leistungen bei Krankheit im Jahr 2020 von einem auf sechs Monate (sowohl für Arbeitnehmer als auch für Selbstständige) verlängert. Im Jahr 2021 änderte Frankreich die Anspruchskriterien und die Berechnung der Leistungen für Leistungen bei Arbeitslosigkeit und erhöhte die Mindestbeitragsvoraussetzungen. Slowenien verlängerte 2020 die Beitragszeit für Leistungen bei Arbeitslosigkeit (von neun auf zehn Monate) und führte eine Wartezeit von einem Monat für die Zahlung von Leistungen bei Krankheit ein.

2.4.Angemessenheit

In der Empfehlung des Rates werden angemessene Sozialschutzsysteme definiert als Systeme, die „die Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Lebensstandards ermöglichen ... und einen angemessenen Einkommensersatz bieten und stets dafür Sorge tragen, dass die betroffenen Mitglieder [der Systeme] nicht in die Armut abgleiten“. Um dies zu erreichen, wird den Mitgliedstaaten empfohlen, „sicherzustellen, dass die Beiträge zum Sozialschutz im Verhältnis zur Beitragsfähigkeit von Arbeitnehmern und Selbstständigen stehen“ und dass „die Ermittlung der Sozialschutzbeiträge und -ansprüche von Selbstständigen auf einer objektiven und transparenten Bewertung ihrer Einkommensbasis beruht“. Um die Angemessenheit der Leistungen zu bewerten, umfasst der Überwachungsrahmen Indikatoren zur Messung der Prävalenz von Armut und materieller und sozialer Deprivation sowie der Auswirkungen von Sozialtransfers auf die Verringerung der Armut.

2.4.1.Lücken

Die Quote der materiellen und sozialen Deprivation ist bei Arbeitnehmern mit befristeten Arbeitsverträgen höher als bei Arbeitnehmern mit unbefristeten Arbeitsverträgen und bei Arbeitnehmern mit Teilzeitarbeitsverträgen höher als bei Arbeitnehmern mit Vollzeitarbeitsverträgen. Selbstständige und Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen sind ebenfalls stärker von Armut bedroht als solche in regulären Beschäftigungsverhältnissen.

Die nachstehende Abbildung zeigt, dass unter Arbeitslosen die höchsten durchschnittlichen Quoten der materiellen und sozialen Deprivation zu verzeichnen sind (36,2 % in der EU im Jahr 2021), gefolgt von Arbeitnehmern mit befristeten Arbeitsverträgen (13,1 % gegenüber 6,4 % der Arbeitnehmer mit unbefristeten Arbeitsverträgen) 60 . Gleichermaßen sehen sich Arbeitnehmer mit Teilzeitarbeitsverträgen mit höheren Deprivationsraten (10,6 %) konfrontiert als Arbeitnehmer mit Vollzeitarbeitsverträgen (6,7 %). Bei Selbstständigen 21,4 %), Arbeitnehmern mit befristeten Arbeitsverträgen (17,2 %) und Arbeitnehmern mit Teilzeitarbeitsverträgen (15,5 %) sind hohe Armutsgefährdungsquoten zu verzeichnen.

In vielen Mitgliedstaaten spielen Sozialtransfers eine Schlüsselrolle bei der Eindämmung von Armut und wirken sich erwartungsgemäß bei Arbeitnehmern in atypischen Beschäftigungsformen und Selbstständigen stärker aus als bei Personen in einem herkömmlichen Beschäftigungsverhältnis. So war im Jahr 2021 die Armutsgefährdungsquote von Personen mit befristeten Arbeitsverträgen um 30 % niedriger als vor Sozialtransfers. Die Auswirkungen sind auch bei Arbeitnehmern mit Teilzeitarbeitsverträgen (27,4 %) und Selbstständigen (29,2 %) hoch.

Die jüngsten Angemessenheitsindikatoren deuten darauf hin, dass sich die Quote der sozialen und materiellen Deprivation in allen Kategorien, nach einem stetigen Rückgang zwischen 2014 und 2020, insbesondere bei Arbeitslosen und Selbstständigen stabilisiert. Darüber hinaus ist die Armutsgefährdungsquote (nach Sozialtransfers) bei Selbstständigen noch immer mehr als viermal höher als bei normal Beschäftigten und bei Arbeitnehmern mit befristeten Arbeitsverträgen mehr als 3,5-mal höher als bei normal Beschäftigten.

Die jüngsten Zahlen stammen aus dem Jahr 2021, und beziehen sich überwiegend auf die Einkommenssituation im Jahr 2020. Es wird anerkannt, dass die Sozialschutzsysteme den Menschen geholfen haben, die COVID-19-Krise zu überstehen, ohne dass sich die Armutsrisiken oder Einkommensungleichheiten erhöhten. Dies ist den sehr entschlossenen politischen Maßnahmen (einschließlich erhöhter Absicherung, außergewöhnlicher Unterstützungsmaßnahmen und Ausgaben) zu verdanken. Allerdings hat eine weitere Krise, die durch die Lage in der Ukraine ausgelöst wurde, erhebliche wirtschaftliche und soziale Auswirkungen, insbesondere durch Inflation und zunehmende Energiearmut. Angesichts der Verzögerungen bei der Datenverfügbarkeit ist es noch zu früh, um das Ausmaß der Auswirkungen dieser Krisen zu bestimmen.

2.4.2.Politische Maßnahmen

Der Bereich der Angemessenheit wird in den nationalen Umsetzungsplänen bis zu einem gewissen Grad behandelt (16 Mitgliedstaaten legen Maßnahmen zur Verbesserung der Angemessenheit vor). Nur wenige Mitgliedstaaten konzentrieren sich auf die Angemessenheit des Sozialschutzes für Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Viele haben jedoch Maßnahmen zur Verbesserung der Angemessenheit beschlossen oder geplant, wobei der Schwerpunkt auf Renten für Selbstständige oder besondere Kategorien von Arbeitnehmern liegt. Außerdem werden einige Maßnahmen zur Verbesserung der Angemessenheit von Leistungen bei Arbeitslosigkeit umgesetzt.

Der Umfang, in dem verschiedene Kategorien von Selbstständigen und Arbeitnehmern in atypischen Beschäftigungsverhältnissen zur Rente beitragen, ist für ihre künftigen Leistungen ausschlaggebend. Für Selbstständige stellen Schwankungen in puncto Arbeitsaufkommen und Einkommen eine Herausforderung für regelmäßige Beitragsleistungen dar. Spanien und Lettland haben die Anpassung der Berechnung der Beiträge für Selbstständige, insbesondere im Hinblick auf die Angemessenheit künftiger Renten, beschlossen, während Belgien plant, die Rentensysteme für Selbstständige und Arbeitnehmer anzugleichen und die Beiträge der Selbstständigen stärker an ihre Beitragsfähigkeit anzupassen. Aus demselben Grund und um Anreize für die Teilhabe am System zu schaffen hat Portugal ebenfalls die Beitragssätze gesenkt und berechnet nun quartalsweise die Beitragsbemessungsgrundlage basierend auf den im vorangehenden Quartal erzielten Einkünften. Österreich und Estland haben Maßnahmen ergriffen, um die Angemessenheit der Renten zu verbessern, insbesondere für Personen, bei denen der Anspruch auf Leistungen gering ausfällt, ebenso wie Deutschland, wo Frauen die Hauptbegünstigten sein werden. Tschechien hat eine Rentenreform vorgelegt, um die Gerechtigkeit des Rentensystems zu verbessern (z. B. durch die Beseitigung geschlechtsspezifischer Unterschiede). Im Jahr 2021 verabschiedete Frankreich gesetzgeberische Maßnahmen zur Anhebung des Rentenniveaus für landwirtschaftliche Hilfskräfte, und im Jahr 2022 änderte Finnland die Rentenversicherung für Selbstständige. 61

Die Erhöhung der Quote der sozialen Absicherung oder der Dauer der Leistungen bei Arbeitslosigkeit trägt dazu bei, ihre Angemessenheit zu verbessern. Estland und Litauen haben entsprechende Maßnahmen ergriffen. Belgien hob ebenfalls das Mindestniveau der Leistungen bei Arbeitslosigkeit sowie anderer Sozial- und Unterstützungsleistungen an. Insbesondere in diesem Bereich wurden viele Maßnahmen als politische Reaktion auf COVID-19 ergriffen. So wurde beispielsweise die Dauer der Leistungen bei Arbeitslosigkeit in Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Spanien, Portugal, Rumänien, der Slowakei und Schweden im Zeitraum 2020–2021 (und in einigen Fällen auch bis 2022) vorübergehend verlängert. Belgien, Frankreich und Italien setzten die schrittweise Kürzung der Leistungen im Laufe der Zeit aus (Degressivität), während die Leistungen in Irland, Luxemburg (für Personen in Teilarbeitslosigkeit), Malta (mit einer Aufstockung) vorübergehend und in einigen Ländern (Belgien, Bulgarien, Estland und teilweise in Portugal) dauerhaft angehoben wurden Obwohl die meisten dieser Maßnahmen inzwischen eingestellt wurden oder werden, haben sich einige Mitgliedstaaten dafür entschieden, sie zu einem festen Bestandteil ihrer Systeme zu machen. Insbesondere für den Kultursektor wurden in mehreren Mitgliedstaaten neue Maßnahmen ergriffen. Eine begrenzte Anzahl von Maßnahmen konzentrierte sich auf die Angemessenheit in anderen Zweigen als Leistungen bei Alter oder Arbeitslosigkeit. Einige Beispiele finden sich im nationalen Umsetzungsplan Belgiens (Krankheit, Invalidität) und im nationalen Umsetzungsplan Maltas (im Gesundheitswesen werden die Behandlungen für neue chronische Erkrankungen ab 2023 kostenlos sein).

Kasten 4: Lücken beim Sozialschutz, die junge Menschen betreffen 62

Die Lücken beim Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige sind bei bestimmten Gruppen, z. B. bei jungen Menschen, besonders ausgeprägt. Im Jahr 2021 erhielten in der EU junge Menschen (16–29 Jahre), die arbeitslos und (vor Sozialtransfers) von Armut bedroht waren wesentlich weniger häufig Sozialleistungen (38 %) als die 30- bis 64-Jährigen (57 %).

In einem kürzlich veröffentlichten Bericht wird bestätigt, dass junge Arbeitnehmer oft keinen formellen Zugang zu Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Mutterschaft haben. 63 In den meisten Fällen resultieren diese Unterschiede nicht unmittelbar aus altersspezifischen Regelungen. Sie lassen sich eher auf folgende Gründe zurückführen: Mangel an formeller Absicherung für bestimmte Kategorien (Praktikanten, Auszubildende, Gelegenheitsarbeiter, Plattformbeschäftigte, abhängige Selbstständige), zu denen viele junge Menschen zählen; oder Fragen der tatsächlichen Absicherung (insbesondere wenn die Regelungen – Mindestbeitragsdauer oder Einschränkungen im Zusammenhang mit den geleisteten Mindestbeiträgen oder den geleisteten Arbeitsstunden – junge Menschen mit kurzer Beschäftigungsdauer und prekären Arbeitsverträgen tatsächlich von Sozialschutzleistungen ausschließen). Beispielsweise ist es für junge Arbeitnehmer schwieriger, die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen bei Arbeitslosigkeit zu erfüllen, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren. Gleiches gilt für Leistungen bei Krankheit. Interessanterweise wenden Österreich, Belgien und Slowenien kürzere Mindestbeitragszeiten für junge Menschen an. Dies ist auch in Spanien bei Leistungen bei Mutterschaft der Fall.

Während nur wenige nationale Umsetzungspläne Reformen umfassen, die speziell auf junge Menschen ausgerichtet sind, gibt es einige Ausnahmen: die Änderung des Sozialversicherungsgesetzes für Studierende und Praktikanten in Griechenland und die Reform des Mutterschaftsurlaubs für Studierende in Kroatien. Darüber hinaus konzentrierten sich einige Maßnahmen zur Reaktion auf die COVID-19-Krise auf junge Menschen, z. B. Studierende. Österreich führte zusätzlich zu den Leistungen bei Arbeitslosigkeit einen Bildungsbonus ein und weitete den Härtefallfonds auf Studierende aus. Belgien führte Arbeitslosenzahlungen für Studierende ein, die ihren Arbeitsplatz aufgrund der Pandemie verloren haben; Lettland hatte ein befristetes Arbeitslosengeld für arbeitslos gemeldete junge Hochschulabsolventen eingeführt.

Darüber hinaus sind angesichts der oftmals besonderen Situation junger Menschen (z. B. befristeter Arbeitsvertrag oder Tätigkeit als Plattformbeschäftigte) einige allgemeine (nicht jugendspezifische) Maßnahmen dennoch besonders relevant für sie. Als Beispiele genannt seien: die oben genannten Reformen zur formellen Absicherung (oder zur Gewährung eines tatsächlichen Zugangs) von Arbeitnehmern in atypischen Beschäftigungsverhältnissen; Estlands Ausweitung der Krankenversicherung auf alle Einwohner, einschließlich Studierende; und vorübergehende Unterstützung (während der COVID-19-Pandemie) zur Erleichterung des Zugangs zu beitragsbezogenen Leistungen bei Arbeitslosigkeit für Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen in Spanien.

2.5.Transparenz

Die vierte Dimension, die in der Empfehlung des Rates behandelt wird, ist Transparenz. 64  Bei der Gewährleistung des Zugangs von Arbeitnehmern und Selbstständigen zum Sozialschutz ist Transparenz von entscheidender Bedeutung. Die Menschen sind möglicherweise nicht ausreichend über ihre Rechte und Pflichten sowie über ihre verschiedenen Möglichkeiten zu deren Ausübung bzw. Einhaltung informiert. Die Vorschriften sind möglicherweise zu komplex oder nicht klar genug. Dies kann von der Teilhabe an Sozialschutzsystemen abschrecken und zu einer geringen Inanspruchnahme bestimmter Sozialleistungen beitragen. Selbstständige und Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen können stärker betroffen sein, da sie, wie oben dargelegt, häufig besonderen Vorschriften und komplexeren Verfahren unterliegen. Hinzu kommt, dass es diesen Kategorien oft an Organisationen fehlt, die ihre Interessen vertreten, wie es in anderen Kategorien durch die Sozialpartner der Fall ist.

Das sehr unterschiedliche Bild der Sozialschutzsysteme in den Mitgliedstaaten erklärt auch unterschiedliche Ansätze hinsichtlich der Transparenz der Sozialschutzsysteme und -leistungen. So gibt es in einigen Ländern sehr allgemeine Einheitsregelungen, die für (fast) alle gelten, während andere gerade damit begonnen haben, von einer Reihe sehr spezifischer Schutzsysteme zu allgemeineren Regelungen überzugehen. Ein weiterer deutlicher Unterschied besteht darin, dass einige bereits vor langer Zeit mit dem digitalen Wandel begonnen haben, während dieser in anderen Mitgliedstaaten durch die COVID-19-Pandemie angestoßen wurde. Einige Mitgliedstaaten geben in ihren nationalen Umsetzungsplänen an, dass die Vorschriften für den Zugang zum Sozialschutz bereits klar und transparent sind und dass Informationen zugänglich sind (z. B. BE, EE, FR, HR, MT und SE), wobei einige auch betonen, wie wichtig es ist, dies beizubehalten bzw. zu verbessern (BE, MT, NL und SE). In einigen Ländern ist der Zugang zu Informationen (einschließlich Informationen über die sechs Zweige des Sozialschutzes) gesetzlich verankert (z. B. BE, CZ, EE, LV, RO, SI und SK). Einige haben Transparenz und Vereinfachung als Ziele in ihren Aufbau- und Resilienzplan aufgenommen, wie im Falle der geplanten Reform des Sozialversicherungssystems und der Umstrukturierung und Digitalisierung der Sozialversicherungsdienste in Zypern. 65  Im Allgemeinen findet Transparenz in den nationalen Umsetzungsplänen jedoch eher spärlich Erwähnung, aber in der gesamten EU wurden bzw. werden eine Reihe von Reformen und Maßnahmen durchgeführt, um den Zugang zu klaren und aktuellen Informationen und das Bewusstsein für soziale Rechte zu fördern und die Verfahren zu vereinfachen, in vielen Fällen auch durch die Aufbau- und Resilienzpläne.

2.5.1.Zugang zu Informationen

Der Zugang zu Informationen über den Sozialschutz ist erforderlich, damit sich die Menschen über ihre bestehenden Rechte und Pflichten bewusst werden können. Die Bereitstellung von Informationen kann „passiv“ sein, z. B. in Form von Informationsbroschüren oder über Webportale, oder „aktiver“, vor allem durch allgemeine oder gezielte Sensibilisierungskampagnen.

In Erwägungsgrund 22 der Empfehlung des Rates heißt es: „Digitalisierung kann insbesondere dazu beitragen, die Transparenz für Einzelpersonen zu verbessern“, und die digitale Bereitstellung von Informationen ist in der Tat ein zentraler Teil der Bemühungen der Mitgliedstaaten, den Zugang zu verbessern. Wenngleich die Vorgehensweise nach wie vor sehr unterschiedlich ist, gibt es inzwischen in allen Mitgliedstaaten sogenannte Portale, sei es in Form von zentralen allgemeinen/staatlichen oder integrierten Sozialversicherungsportalen oder Portalen für bestimmte Zweige des Sozialschutzes. 66

Wenn Informationen für die unterschiedlichen Beschäftigungsstatus bereitgestellt werden, wird in der Regel (in unterschiedlichem Maße) der Situation der Selbstständigen besondere Aufmerksamkeit gewidmet (teilweise in Abhängigkeit davon, ob Selbstständige formellen Zugang zu den verschiedenen Zweigen des Sozialschutzes haben und ob sich die Bedingungen für diesen Zugang von anderen Kategorien unterscheiden oder identisch sind). In mehreren Mitgliedstaaten gibt es jedoch Informationslücken und -defizite, die insbesondere (Untergruppen von) Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen und Selbstständige betreffen und für die detaillierte Informationen bereitgestellt werden oder nicht (insbesondere auf den staatlichen Websites): Informationen, die speziell auf Selbstständige und Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen zugeschnitten sind, sind im Allgemeinen nach wie vor begrenzt (Rumänien), oder die verschiedenen Kategorien sind nicht ausreichend differenziert (Zypern), oder es fehlen Informationen über bestimmte Systeme, z. B. über freiwillige Systeme (Österreich). 67 Generell wurden in 17 Mitgliedstaaten (BE, CZ, DE, EE, IE, EL, FR, HR, CY, LT, NL, AT, RO, SI, SK, FI und SE) die Lücken und Unzulänglichkeiten in den Informationen, die von den in den verschiedenen Zweigen des Sozialschutzes tätigen öffentlichen Verwaltungen und/oder (öffentlichen oder privaten) Anbietern zur Verfügung gestellt werden, ausdrücklich als Problem identifiziert. 68 Ein weiterer möglicher Mangel betrifft veraltete Websites für spezifische, durch bestimmte Ereignisse (z. B. die COVID-19-Krise) ausgelöste und vorübergehend finanzierte Programme/Projekte, die jedoch anschließend nicht gepflegt und aktualisiert wurden.

Am weitesten entwickelt ist die Bereitstellung personalisierter Informationen betreffend Leistungen bei Alter, häufig über Online-Rechner. In der Tat berichten 21 Mitgliedstaaten, dass sie Rentenrechner (oder Simulatoren) zur Verfügung stellen, die den Bürgern direkt zugänglich sind und die sie nutzen können, um Schätzungen künftiger Rentenansprüche auf der Grundlage der tatsächlichen Beiträge und Zeiträume zu erhalten (BE, CZ, DK, DE, EE, ES, FR, IT, CY, LV, LT, HU, MT, AT, NL, PL, PT, SI, SK, FI und SE). 69 Die Informationen in Bezug auf betriebliche Altersversorgungssysteme und freiwillige Systeme scheinen jedoch von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich zu sein, und selbst im fortgeschritteneren Bereich der Leistungen bei Alter ist nicht klar, ob genügend Informationen für Personen zur Verfügung stehen, die sich in einem atypischen Beschäftigungsverhältnis befinden.

Die zunehmende Digitalisierung und der Übergang von physischen Diensten zu Online- und digitalen Diensten können Schwierigkeiten beim Zugang zu Informationen schaffen, insbesondere für schutzbedürftige Gruppen (z. B. Menschen mit geringen digitalen Kompetenzen, Menschen mit Seh-/Hörbehinderungen, ältere Menschen oder Obdachlose). 70 Gleichzeitig sind viele Websites mit Informationen zum Sozialschutz für Menschen mit Sehbehinderungen (z. B. BE, DK, EE, IE, EL, LT, LU und SI) oder Hörbehinderungen (z. B. CZ, DK, EE, IE, EL, HR, LT, LU, RO und SI) zugänglich. 71 In einigen Fällen laufen derzeit Reformen zur Gewährleistung des Zugangs zu Informationen über Sozialschutzleistungen, während beispielsweise in Schweden Informationen auf Websites bereits in einer für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen geeigneten Form, in einfacher Sprache oder Gebärdensprache, verfügbar sind. Die schwedischen Behörden müssen auch kostenlos Dolmetscher zur Verfügung stellen. In Finnland stellt die Sozialversicherungsanstalt seit 2019 ihre Online-Dienste auch in Gebärdensprache zur Verfügung und bietet einen Dolmetscherdienst für Menschen mit Behinderungen an.

Anlaufstellen vor Ort können eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen und geringer digitaler Kompetenz spielen. In vielen Ländern ist jedoch ein erheblicher Rückgang der Möglichkeiten für den physischen Zugang zu Informationen zu verzeichnen, der durch die COVID-19-Krise oft beschleunigt wurde. In einigen Mitgliedstaaten (z. B. BE, EE und IT) wurden Programme zur Verbesserung der digitalen Kompetenz und zur Überwindung der digitalen Kluft gemeldet. Erwähnenswert ist auch, dass einige der auf digitaler Ebene bereits am weitesten fortgeschrittenen Länder den physischen Zugang bereits (neu) entwickeln oder zentrale Anlaufstellen einrichten (EE und LV). Im Jahr 2020 wurde in Estland ein Zustelldienst (nach Hause) für Rentenleistungen eingeführt, der seit Anfang 2022 zu einem reduzierten Preis angeboten wird.

Angesichts der Komplexität der Systeme und Verfahren für den Zugang zu Sozialleistungen ist Öffentlichkeitsarbeit ein weiterer wesentlicher Aspekt des Zugangs zu Informationen, um das Bewusstsein der Menschen für ihre Rechte und Pflichten und für die Bedeutung der Zugehörigkeit zu den Sozialschutzsystemen zu schärfen. Für den Zeitraum 2017–2021 nannten 14 Mitgliedstaaten die Durchführung von Sensibilisierungskampagnen zu den Systemen der sozialen Sicherheit/Leistungen im Allgemeinen oder zu verschiedenen spezifischen Leistungen im Besonderen, um diese Herausforderungen zu bewältigen. In mehreren Ländern wurden Kampagnen durchgeführt, um die Öffentlichkeit für die Bedingungen für den Zugang zu Sozialleistungen zu sensibilisieren, und zwar in Bezug auf die Sozialbeiträge und die Bedeutung einer regulären Beschäftigung, die für Selbstständige und Menschen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen besonders wichtig ist. In Finnland beispielsweise führen Arbeitslosenkassen und Gewerkschaften regelmäßig Informationskampagnen durch, um Arbeitnehmer davon zu überzeugen, in die Arbeitslosenkassen einzuzahlen, damit sie besser vor Einkommensverlusten im Falle von Arbeitslosigkeit geschützt sind. In den meisten Mitgliedstaaten wurden auch Kampagnen zu bestimmten Zweigen des Sozialschutzes durchgeführt. Von besonderem Interesse sind Kampagnen zu Leistungen bei Alter, die sich an Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen und Selbstständige richten (CZ, DE, HR und HU) sowie Kampagnen über den künftigen Zugang zu Leistungen und deren Angemessenheit (CZ, EL, LT, HU, MT, NL, PL und FI).

2.5.2.Vereinfachung

Die Transparenz lässt sich durch Vereinfachungen unterschiedlicher Art verbessern: Vereinfachung der formellen Vorschriften eines Sozialschutzsystems (siehe oben), der Struktur der Verwaltung bzw. Einrichtungen selbst oder des Verfahrens für die Beantragung/den Bezug von Leistungen. Mehrere Mitgliedstaaten haben Reformen durchgeführt oder geplant, um die allgemeinen oder spezifischen Systeme zu vereinfachen und so den Zugang von Kategorien von Arbeitnehmern in atypischen Beschäftigungsformen oder Selbstständigen zu mehr Arten von Leistungen auszuweiten oder zu verbessern. Österreich und Portugal haben klarere Vorschriften für den Zugang von (Kategorien von) Selbstständigen eingeführt. Weitere derzeit getroffene Vereinfachungsmaßnahmen umfassen den Grundsatz der einmaligen Erfassung von Daten 72 (BE, IE, EL, ES, LV, LU und PL), die Einrichtung oder Verbesserung von zentralen Sozialversicherungsportalen (IE, LV, HU, MT, NL, SI, SK und SE) und (teilweise) Automatisierung des Datenaustauschs (DE und EL) 73 .

Eine weitere Art von Reformen betrifft die Vereinfachung der Antragsverfahren. Dazu zählen Maßnahmen wie die Einrichtung von Webportalen mit integrierten Funktionen für Nutzer und der Austausch von Daten zwischen den verschiedenen Einrichtungen (BG, CZ, IT, LV, LT, MT, NL und FI), aber auch Online- und vorausgefüllte Formulare für die Antragsverfahren (DE, IT und SK) oder die automatische Gewährung von Leistungen für anspruchsberechtigte Personen in bestimmten Zweigen.

Kasten 5: (Ausgewählte) Reformen/Maßnahmen zur Transparenz

Belgien: Die Vereinbarung der Bundesregierung für den Zeitraum 2020–2024 enthält eine Verpflichtung zur Weiterentwicklung der bestehenden Website mypension.be, die Online-Konten, Berechnungsinstrumente und die automatische Gewährung von Leistungen umfassen soll. Darüber hinaus wird im nationalen Umsetzungsplan Belgiens die Einrichtung neuer Websites mit den gleichen Funktionen wie mypension.be für Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Leistungen bei Arbeitsunfällen aufgeführt. Seit März 2020 werden Personen, die möglicherweise Anspruch auf eine höhere Erstattung von Gesundheitskosten haben könnten, automatisch identifiziert.

Tschechien: Im Jahr 2022 startete die tschechische Sozialversicherungsanstalt eine Sensibilisierungskampagne zum digitalen Zugang zu Altersrenten. Weitere Sensibilisierungskampagnen umfassen gezielte Maßnahmen, mit denen künftige Leistungsempfänger über die Angemessenheit ihrer Leistungen bei Alter informiert werden. Seit 2016 versendet das tschechische Ministerium für Arbeit und Soziales Schreiben an Selbstständige, in denen diese über die möglichen Auswirkungen der Zahlung von Mindestbeiträgen auf die Angemessenheit der Leistungen und Möglichkeiten zur Vermeidung von Altersarmut informiert werden.

Deutschland: Das Gesetz zur Digitalen Rentenübersicht (11. Februar 2021) sieht ein digitales Rentenportal vor, auf dem Informationen über Rentenansprüche bereitgestellt werden. Das Portal wird schrittweise eingeführt und soll im Herbst 2023 vollständig umgesetzt sein.

Griechenland:    Es wurden Informationsmaßnahmen durchgeführt, um das Bewusstsein für das geschlechtsspezifische Rentengefälle zu schärfen und Frauen für den Zusammenhang zwischen Rentenhöhe und Beitragszahlungen zu sensibilisieren. Darüber hinaus wurde im Dezember 2020 eine Online-Plattform eingerichtet, über die während der COVID-19-Krise Fernberatungsdienste für Arbeitslose angeboten wurden. Aufgrund ihres Erfolges wurde sie auch nach der Pandemie aufrechterhalten.

Italien: Der Dienst für die Bereitstellung vorausgefüllter Antragsformulare für Hinterbliebenenrenten ist seit Oktober 2021 voll funktionsfähig. Wird eine Altersrente nach dem Tod eines Rentners ausgesetzt, wird dieser Dienst automatisch aktiviert, und der/die Ehepartner/in wird über das Verfahren per Textnachricht informiert.

Lettland:    Im Rahmen des Projekts „Unified Web Platform for Government and Local Government Entities“ (2018) werden Informationswebsites in einer einzigen Plattform zusammengeführt, die bis 2025 fertiggestellt sein soll. Lettland entwickelt außerdem derzeit ein universelles Daten-Dashboard der staatlichen Sozialversicherungsanstalt (SSIA), in dem Informationen zusammengetragen und personalisierte Informationen bereitstellt werden.

Malta: Auch der Prozess der Gesundheitsversorgung älterer Menschen wurde teilweise automatisiert. Ab 2022 erhalten Personen ab 80 Jahren, die aufgrund eines niedrigen Einkommens eine Zusatzbeihilfe erhalten, automatisch (ohne Notwendigkeit einer Bedürftigkeitsprüfung) Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung.

Portugal: Über den Online-Dienst „Social Security Online“ sind neue IT-Funktionen verfügbar, z. B. Abfrage der Beitrags- und Leistungshistorie der Person; elektronische Einreichung von Rentenanträgen und Rentenprognosen über einen Online-Simulator; ein spezieller Zahlungsdienst über Geldautomaten für Beiträge von Selbstständigen. Im Mai 2021 wurde ein neues vereinfachtes und sichereres Sozialversicherungsportal eingerichtet, das im Einklang mit den Standards für die Barrierefreiheit steht.

Rumänien: Das Antragsverfahren für Leistungen bei Behinderung wurde durch eine einzige Anlaufstelle vereinfacht – einer Plattform, die Informationen über Leistungen und Orientierungshilfen für die Antragsstellung bietet. Versicherte können sie auch nutzen, um Leistungen zu beantragen. Die Möglichkeit, Dokumente elektronisch einzureichen, wurde während der COVID-19-Pandemie ausgeweitet.

Auf Selbstständige ausgerichtete Maßnahmen

Bulgarien: Die Interoperabilität der Datenbanken für die Nachverfolgung und Zahlung von Leistungen im Gesundheitswesen wurde verbessert; die Nutzer müssen keine Unterlagen mehr sammeln und aufbewahren, um Zahlung von Gesundheitsleistungen und Leistungen bei Alter zu belegen. Die relevanten Informationen werden durch integrierte Informationssysteme bereitgestellt, die die Sozialversicherungs-, Gesundheits- und Steuerverwaltungen miteinander verbinden.

Estland:    Die Verfahren für Selbstständige wurden mit der Einführung der Strategie für Geschäftskonten im Jahr 2019 weiter vereinfacht. Diese dienen dazu, die Einkommen und Steuern von Selbstständigen nachzuverfolgen. Die kontoführende Bank leitet die korrekten Beträge an die Krankenkasse und die Pensionskasse weiter.

Slowenien: Im Jahr 2023 wird das Informationssystem der Zentren für Sozialarbeit mit der automatischen Erhebung von Daten über die Zahlung von Sozialbeiträgen von Selbstständigen und Landwirten beginnen.

3.Zusammenfassung der Fortschritte

Der Umsetzungszeitraum der Empfehlung des Rates fiel zeitlich mit der Pandemie zusammen. Im Zeitraum 2020–2021 konzentrierte sich die Politik stark auf Sofortmaßnahmen zur Bewältigung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie; systemische Reformen zur Anpassung der Sozialschutzsysteme an neue und sich ständig verändernde Arbeitsmarktgegebenheiten standen weniger stark im Fokus. Die Notfallmaßnahmen trugen dazu bei, den Sozialschutz auf zuvor nicht oder nur teilweise erfasste Gruppen auszuweiten, allerdings meist nur vorübergehend. Gleichzeitig verdeutlichte die Krise auch einige tiefe strukturelle Lücken und die Notwendigkeit, diese zu schließen, aber nur einige Länder führten Strukturreformen durch.

3.1.Positive Entwicklungen beim Zugang zum Sozialschutz für alle

Zu den seit 2019 umgesetzten oder für die Zukunft angekündigten Maßnahmen gehören eine Reihe von Änderungen der Rechtsvorschriften (oder Verfahren), die zahlreichen Arbeitnehmern und Selbstständigen den konkreten Zugang zu den wichtigsten Zweigen des Sozialschutzes gemäß Empfehlung des Rates erleichtern. Es wird wichtig sein, ihre Umsetzung und ihre Auswirkungen genau zu überwachen und die noch nicht angenommenen Maßnahmen weiterzuverfolgen.

Viele Reformen konzentrieren sich auf den Bereich der formellen Absicherung, wobei der Schwerpunkt auf der Ausweitung und Verbesserung des Sozialschutzes für Selbstständige (insbesondere Solo- und abhängige Selbstständige) liegt – in den meisten Fällen mit einem Übergang von „keiner Absicherung“ zu einer „obligatorischen Absicherung“. Außerdem wurden Reformen durchgeführt oder sind geplant, um die formelle Absicherung von Arbeitnehmern mit bestimmten Vertragsformen oder in bestimmten Sektoren zu verbessern. In acht Mitgliedstaaten haben die Notfallmaßnahmen, die während der COVID-19-Pandemie ergriffen wurden, um ein Sicherheitsnetz für nicht formell abgesicherte Personen zu spannen, systemische Veränderungen beim formellen Zugang ausgelöst.

Es gab auch einige positive Entwicklungen in Bezug auf den tatsächlichen Zugang (z. B. Verkürzung der Mindestbeitragszeiten für Leistungen bei Arbeitslosigkeit) und die Angemessenheit, hauptsächlich im Zusammenhang mit Leistungen bei Alter für Selbstständige oder für Personen mit geringen Ansprüchen und in geringerem Maße mit Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Was die Transparenz betrifft, so zeigen die verfügbaren Informationen sowohl die zahlreichen bewährten Verfahren in den EU-Mitgliedstaaten als auch die Notwendigkeit weiterer Fortschritte.

3.2.Herausforderungen bleiben bestehen

Der allgemeine Ambitionsgrad variiert zwischen den nationalen Umsetzungsplänen erheblich, insbesondere in Bezug auf den Umfang, die Anzahl und zeitliche Planung der (angenommenen oder angekündigten) Maßnahmen. Mit wenigen Ausnahmen zielen die meisten von ihnen nicht darauf ab, alle im Überwachungsrahmen oder im Rahmen des Europäischen Semesters festgestellten Lücken bei der Absicherung zu schließen.

Es sollte auch berücksichtigt werden, dass der Ausgangspunkt in den 27 EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ist. Insbesondere enthalten die nationalen Umsetzungspläne einiger der fortgeschrittensten Wohlfahrtsstaaten mit universellen und großzügigen Systemen der sozialen Sicherheit relativ wenig Verpflichtungen für neue Strukturreformen. Umgekehrt wirft Bedenken auf, dass einige Mitgliedstaaten, in denen Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen und Selbstständige noch immer nicht (angemessen) abgesichert sind, keine ehrgeizigen Reformpläne vorgelegt haben. Darüber hinaus sind einige Mitgliedstaaten der Ansicht, dass sie die Bestimmungen der Empfehlung erfüllen, sobald alle Arbeitnehmer und Selbstständigen formell von den Sozialschutzsystemen abgedeckt sind, wobei Faktoren wie tatsächlicher Zugang, Angemessenheit und Transparenz nicht berücksichtigt werden.

Während eine Reihe von Maßnahmen darauf abzielt, die formelle Absicherung von Selbstständigen zu verbessern, konzentrieren sich weniger Maßnahmen auf Personen mit atypischen Vertragsformen. Bei beiden Gruppen bestehen nach wie vor erhebliche Lücken bei der formellen und tatsächlichen Absicherung, die ohne weitere Reformen weiter fortbestehen dürften.

Zu den Herausforderungen bei der Umsetzung, die auch von vielen Mitgliedstaaten anerkannt wurden, gehören: die Komplexität bei der Verbesserung der formellen Absicherung von Selbstständigen; Umgang mit der Situation bestimmter Gruppen von Arbeitnehmern in atypischen Beschäftigungsverhältnissen wie Plattformbeschäftigte, Hausangestellte und Landwirte; das schwierige Gleichgewicht zwischen der Gewährleistung eines tatsächlichen Zugangs zu Leistungen und der Finanzierung des Systems.

Die hochrangige Veranstaltung zum Sozialschutz für Selbstständige im Juni 2022 hat gezeigt, dass viele Mitgliedstaaten großes Interesse daran haben, dieses Problem anzugehen, und dass es eines weiteren wechselseitigen Lernens darüber bedarf, wie die Lücken geschlossen werden können, die sowohl den formellen als auch den tatsächlichen Zugang zu angemessenem Sozialschutz betreffen.

Schließlich erfordert ein angemessener und inklusiver Sozialschutz eine starke öffentliche Unterstützung und Einbeziehung aller Akteure. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass die Sozialpartner und noch weniger die Organisationen der Zivilgesellschaft eng in die Ausarbeitung der nationalen Umsetzungspläne einbezogen wurden. Die europäischen Sozialpartnerorganisationen brachten die mangelnde Beteiligung als zentrales Anliegen hervor.


4.Schlussfolgerungen

Die Empfehlung des Rates hat dazu beigetragen, Impulse für die Einführung von Änderungen an den seit langem bestehenden nationalen Sozialschutzsystemen zu schaffen, um bestehende (oder sich vertiefende) Lücken zu schließen. Sie hat in vielen Mitgliedstaaten die Themen Sozialschutz, Angemessenheit und Bereitstellung von Informationen über den Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige stärker in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Darüber hinaus sind eine Reihe von Umsetzungsmaßnahmen integraler Bestandteil der nationalen Reformprogramme im Rahmen des Europäischen Semesters und der Aufbau- und Resilienzpläne. Es bestehen jedoch nach wie vor viele Herausforderungen bei der Umsetzung.

Angesichts der weiteren Beschleunigung der Verbreitung von Beschäftigungsformen, die im Allgemeinen weniger durch Sozialschutzsysteme abgesichert sind und angesichts der Notwendigkeit, den digitalen und den ökologischen Wandel fair zu gestalten, ist die Empfehlung wichtiger denn je, um sicherzustellen, dass die Sozialschutzsysteme geeignet sind, um wirtschaftliche Erschütterungen für einen großen Teil der Erwerbsbevölkerung abzufedern. Die Verbesserung des Zugangs zum Sozialschutz führt auch zu höheren Beiträgen zu den öffentlichen Haushalten und trägt somit zur finanziellen und politischen Tragfähigkeit der Sozialschutzsysteme bei.

Die Umsetzung der Empfehlung des Rates muss in umfassenderen sozioökonomischen Maßnahmen sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene verankert werden. Es ist wichtig anzumerken, dass einige Mitgliedstaaten die Empfehlung und den damit verbundenen Prozess der nationalen Umsetzungspläne als Gelegenheit nutzten, allgemeine Reformen der Sozialschutzsysteme zu erörtern, durchzuführen oder vorzubereiten und diese (über die spezifischen Maßnahmen in den Bereichen der Empfehlung hinausgehend) an die sich wandelnden Arbeitsmarkt- und gesellschaftlichen Gegebenheiten, einschließlich des Aufkommens von Plattformarbeit, anzupassen.

Interessanterweise haben einige Mitgliedstaaten in den letzten Jahren auch Schritte unternommen, um den Rückgriff auf atypische Vertragsformen zu verringern, indem sie diese besser überwachen, die sozialen und steuerlichen Anreize für die Einstellung mit sehr kurzer Laufzeit oder Scheinselbstständigkeit verringern und das Arbeitsrecht reformieren, um der Segmentierung entgegenzuwirken. Diese Maßnahmen sind wichtig und sollten weiterverfolgt werden, da sie die in diesem Bericht beschriebenen Maßnahmen zur besseren Absicherung von in atypischen Beschäftigungsverhältnissen tätigen Personen ergänzen.

Die Entwicklungen beim Zugang zum Sozialschutz flossen in die Überlegungen der hochrangigen Expertengruppe zur Zukunft des Sozialschutzes und des Wohlfahrtsstaates in der EU ein. Die Beseitigung der in diesem Bericht festgestellten Umsetzungslücken wird auch dazu beitragen, den Forderungen der Konferenz zur Zukunft Europas nach „stärkerer Sozialpolitik“ und „vollständiger Umsetzung“ der europäischen Säule sozialer Rechte im Bereich Sozialschutz und soziale Eingliederung nachzukommen.

Die Anpassung der Systeme zur Gewährleistung eines besseren Zugangs zum Sozialschutz für alle ist ein langfristiger Prozess, in den Sozialpartner und andere einschlägige nationale Organisationen einbezogen werden sollten. Es ist eine positive Entwicklung, dass in einer Reihe von Mitgliedstaaten bereits einige Schritte in diese Richtung unternommen wurden, allerdings müssen die verbleibenden Lücken beim Zugang zum Sozialschutz ebenfalls geschlossen werden. Der Bericht der Kommission sollte Debatten darüber anstoßen, wie die verbleibenden Herausforderungen bewältigt werden können und wie die EU diese Bemühungen unterstützen könnte.

ANHANG: Hauptmerkmale der nationalen Umsetzungspläne bezüglich des Zugangs zum Sozialschutz (und Aktualisierung) 74

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1.Der nationale Umsetzungsplan enthält eine Diagnose der Lücken beim Zugang zum Sozialschutz.

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2.Im nationalen Umsetzungsplan gibt der Mitgliedstaat an, dass er die meisten/alle Bestimmungen der Empfehlung bereits erfüllt.

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3.Der nationale Umsetzungsplan umfasst Maßnahmen/Reformen zur Verbesserung der formellen Absicherung.

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4.Der nationale Umsetzungsplan umfasst Maßnahmen/Reformen zur Verbesserung der tatsächlichen Absicherung.

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5.Der nationale Umsetzungsplan umfasst Maßnahmen/Reformen zur Verbesserung der Angemessenheit.

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6.Der nationale Umsetzungsplan umfasst Maßnahmen/Reformen zur Verbesserung der Transparenz.

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7.Mit den Maßnahmen/Reformen werden alle oder die meisten Lücken beim Zugang zum Sozialschutz geschlossen*

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[J: Ja; N: Nein]

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Gesamt „Ja“

8.Im nationalen Umsetzungsplan sind Maßnahmen angeführt, die als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie ergriffen wurden.

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9.Der nationale Umsetzungsplan bezieht sich ausschließlich/größtenteils auf Maßnahmen, die als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie ergriffen wurden.

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10.Der nationale Umsetzungsplan bezieht sich auf Maßnahmen, die während der COVID-19-Pandemie ergriffen wurden und dauerhaft gemacht wurden.

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11.Der nationale Umsetzungsplan umfasst spezifische Maßnahmen für junge Menschen.

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12.Der nationale Umsetzungsplan umfasst spezifische Maßnahmen für Plattformbeschäftigte.

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13.Der nationale Umsetzungsplan umfasst Maßnahmen zur Verbesserung der Statistiken auf nationaler Ebene.

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14.Im nationalen Umsetzungsplan findet die Konsultation der Sozialpartner bei der Ausarbeitung des Plans oder einiger seiner Maßnahmen ausdrücklich Erwähnung.

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15.Der Aufbau- und Resilienzplan umfasst Reformen/Investitionen zur Verbesserung des Zugangs zum Sozialschutz.

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Quellen: Nationale Umsetzungspläne und Aufbau- und Resilienzpläne. Hinweis: Nur 26 Mitgliedstaaten wurden erfasst, da Luxemburg seinen nationalen Umsetzungsplan bis Dezember 2022 nicht vorgelegt hatte. Hinweis: *Lücken, gemessen an Indikatoren des Überwachungsrahmens der Europäischen Kommission/des Ausschusses für Sozialschutz für den Zugang zum Sozialschutz; (A)= angenommen; (P)= geplant; J~: in diesen Mitgliedstaaten sind nur begrenzte Lücken zu schließen (gemäß den Indikatoren des Überwachungsrahmens für den Zugang zum Sozialschutz); J+: für diese Mitgliedstaaten sind im nationalen Umsetzungsplan keine spezifischen Maßnahmen genannt, sondern im nationalen Aufbau- und Resilienzplan.

(1)

   Quelle: Eurostat, EU-Arbeitskräfteerhebung (AKE).

(2)

   Darüber hinaus waren 2017 rund 800 000 Personen „abhängige Selbstständige“, d. h. Selbstständige ohne Angestellte, die in den letzten 12 Monaten für nur einen Kunden oder für einen dominierenden Kunden gearbeitet haben, der ihre Arbeitszeiten bestimmte (Quelle: EU-AKE, Modul zur Selbstständigkeit).

(3)

    Atypische Beschäftigungsformen: Bisherige Trends und Zukunftsaussichten , Eurofound 2017, und ESDE-Bericht EK, 2018 „Access and sustainability of social protection in a changing world of work“ (Zugang zu und Nachhaltigkeit von sozialem Schutz in einer sich wandelnden Arbeitswelt) .

(4)

   Für die Zwecke der Empfehlung des Rates und des vorliegenden Berichts bezieht sich der Begriff „atypische Arbeitnehmer“ auf „Arbeitnehmer“ mit atypischen (befristeten, Teilzeit-)Verträgen, während der Begriff „Personen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen“ sowohl Arbeitnehmer mit atypischen Arbeitsverträgen als auch Selbstständige umfasst.

(5)

    2019/C 387/01 .

(6)

   COM(2021) 102 final.

(7)

   Den für den Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie von 2021 verwendeten Daten zufolge arbeiten 28 Millionen Menschen in der EU über digitale Arbeitsplattformen. Gemäß der vorgeschlagenen Richtlinie könnten zwischen 1,7 Millionen und 4,1 Millionen Personen neu als Arbeitnehmer eingestuft werden.

(8)

    https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1312&langId=de .

(9)

   Überwachungsrahmen „Access to social protection for workers and the self-employed“ .

(10)

    Aktualisierung des Überwachungsrahmens, 2021. Es sei darauf hingewiesen, dass die Gemeinsame Forschungsstelle ebenfalls an der Verbesserung des Überwachungsrahmens arbeitet, z. B. Antón, J. I. und Grande, R., „Monitoring the effective coverage and adequacy of social protection in the EU“, 2022.

(11)

   Dazu zählen eine Reihe von Veranstaltungen für das Voneinander-Lernen (siehe Bericht aus dem Jahr 2020) und eine hochrangige Veranstaltung zum Sozialschutz für Selbstständige im Juni 2022.

(12)

   Das Überwachungsinstrument, das gemeinsam mit dem Ausschuss für Sozialschutz entwickelt wurde, um die wichtigsten jährlichen sozialen Trends in der EU zu ermitteln.

(13)

   Im Jahresbericht 2022 des Ausschusses für Sozialschutz wurden die folgenden acht Mitgliedstaaten als Mitgliedstaaten mit einer zentralen gesellschaftlichen Herausforderung im Bereich des Zugangs zum Sozialschutz aufgeführt: EL, ES, IT, NL, PL, PT, RO und SK.

(14)

     Siehe auch die thematische Analyse des Aufbau- und Resilienzscoreboards zum Sozialschutz .

(15)

   Richtlinie (EU) 2022/2041.

(16)

   COM(2022) 490 final.

(17)

   COM(2021) 762 final.

(18)

   COM(2021) 801 final.

(19)

   Richtlinie (EU) 2019/1152. Siehe auch Richtlinie (EU) 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen.

(20)

   „Social Protection floors Recommendation “, ILO, 2012 und „ Globaler Handlungsappell für eine am Menschen orientierte Erholung“, ILO, 2021.

(21)

   Spasova, S., et al., „Making access to social protection for workers and the self-employed more transparent through information and simplification“, ESPN, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2023.

(22)

   Die Informationen in Bezug auf die formelle Absicherung, Beiträge und Ansprüche (MISSOC) liegen für Anfang 2022 vor, während sich die Daten für andere Indikatoren (z. B. EU-SILC) auf das Jahr 2021 (und damit auf das Einkommen von 2020) beziehen.

(23)

   Eine erste Übersicht über die 21 nationalen Umsetzungspläne, die bis September 2021 vorgelegt worden waren, wurde im Jahresbericht 2021 des Ausschusses für Sozialschutz und im Gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2022 veröffentlicht.

(24)

   In den nationalen Umsetzungsplänen von BG, HU, SE und SK wurde auf solche Maßnahmen nicht Bezug genommen.

(25)

   Nur Berücksichtigung struktureller Maßnahmen und daher Ausschluss befristeter Maßnahmen als Reaktion auf die COVID-19-Krise.

(26)

   Konsultation der EU-Sozialpartner (Mai 2022) zur Umsetzung der Empfehlung.

(27)

   Basierend auf Erörterungen in der Untergruppe „Indikatoren“ des Ausschusses für Sozialschutz, Oktober 2022.

(28)

   Datenerhebung zur formellen Absicherung (Ausschuss für Sozialschutz), letzte Aktualisierung: Frühjahr 2022.

(29)

   Angesichts der laufenden oder angekündigten Reformen in Bezug auf die formelle Absicherung (siehe Kasten 2) dürfte die Zahl der in diesem Abschnitt ermittelten Lücken in den nächsten Jahren leicht zurückgehen.

(30)

   CZ, DK, DE, EL, ES, FR, IT, LV, LU, HU, NL, AT, PL, PT, RO, SI und SK. Hinweis: Dies gibt den Sachstand im Frühjahr 2022 wieder. Seit Oktober 2022 ist die in Spanien verbliebene formelle Lücke geschlossen, sodass nun Hausangestellte Zugang zu Leistungen bei Arbeitslosigkeit haben.

(31)

   Dazu gehören die sog. Minijobs in Deutschland, (einige) zivilrechtliche Verträge in Polen (d. h. eine Kategorie von atypischen Arbeitsverträgen, die im Zuge von Leiharbeit zur Verwendung kommt), Vereinbarungen über die Ausübung einer Arbeit in Tschechien, Arbeitsvereinbarungen für Tätigkeiten mit unregelmäßigen Einkünften in der Slowakei usw.

(32)

   DK, EL, FR, IT und NL.

(33)

   Dies entspricht den vorläufigen Ergebnissen der Überprüfung der Umsetzung der Empfehlung des Rates zu einem Qualitätsrahmen für Praktika .

(34)

   Auf der Grundlage der Zusammenführung nationaler Schätzungen, die auf unterschiedlichen Quellen und Methoden basieren, wobei nicht alle Mitgliedstaaten mit einer Lücke erfasst sind.

(35)

   Insbesondere für Leistungen bei Krankheit, bei Alter und für Hinterbliebene sowie Leistungen bei Mutterschaft.

(36)

   Siehe Aktualisierung 2021 des Überwachungsrahmens und Schoukens „ Improving access to social protection for the self-employed in the EU “, 2022.

(37)

   Siehe Einzelheiten zu anderen Ländern im Gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2022 , Vorschlag für den Gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2023 und „Social protection and inclusion policy responses to the COVID-19 crisis“, ESPN, 2021.

(38)

   In einigen Ländern wurden die Rechte für alle Arbeitnehmer generell ausgeweitet, beispielsweise das Recht auf Vaterschaftsurlaub (in BG und HR), im Einklang mit der Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben aus dem Jahr 2019. Diese Maßnahmen werden in diesem Bericht nicht speziell behandelt.

(39)

   Eurostat, Arbeitskräfteerhebung.

(40)

     Eurostat, EU-SILC 2019, verwendet im EU-Projekt „Working Yet Poor“ .

(41)

   Datenerhebung zur formellen Absicherung (EK und Ausschuss für Sozialschutz), letzte Aktualisierung: Frühjahr 2022.

(42)

   EU-Arbeitsplan für Kultur 2023-2026;  Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Situation von Künstlern und die kulturelle Erholung in der EU; von der Kommission im Jahr 2020 veröffentlichte Studie über den Status und die Arbeitsbedingungen von Künstlern und Kultur- und Kreativschaffenden.

(43)

   In Belgien wird gegenwärtig eine Reform des Status von Künstlern erörtert, während Irland derzeit eine grundlegende Einkommensgarantie für Künstler erprobt. Tschechien, Spanien, Griechenland und Rumänien haben entsprechende Reformen in ihre Aufbau- und Resilienzpläne aufgenommen.

(44)

   Erklärung der branchenübergreifen europäischen Arbeitgeberverbände zum Überwachungsrahmen für den Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige Sozailschutz, März 2021.

(45)

   Erklärungen des EGB im Rahmen der Konsultation der EU-Sozialpartner (Mai 2022) und auf der Veranstaltung der Europäischen Kommission vom Juni 2022 zur Verbesserung des Zugangs zum Sozialschutz für Selbstständige.

(46)

   Sie spiegelt das Ausmaß wider, in dem die Sozialschutzsysteme die Gruppe der von Armut bedrohten Personen vor Sozialtransfers erreichen (das als Maßstab für die Risiken gelten könnte, die in den Anwendungsbereich der Empfehlung fallen). Obwohl der ideale Indikator für den Grad der Absicherung der Anteil der Personen wäre, die Leistungen für jede Risikoart bezogen auf den vorherigen Arbeitsmarktstatus erhalten, ist es in aktuellen EU-weiten Erhebungen schwierig, den Anteil der Bevölkerung zu erfassen, bei dem das Risiko eintritt.

(47)

   Sofern nichts anderes angegeben ist, basieren alle Indikatoren für die tatsächliche Absicherung und die Angemessenheit auf Eurostat, EU-SILC (2021).

(48)

   In acht Mitgliedstaaten (BE, BG, EE, ES, IT, CY, LV und MT) war das Gegenteil der Fall.

(49)

   Mithelfende Familienangehörige erhielten noch weniger häufig Sozialleistungen, wenngleich die Daten für diese Kategorie nur in wenigen Mitgliedstaaten statistisch zuverlässig sind.

(50)

   BG, LV, LT und SI.

(51)

   EL, HR, HU, PL, PT und RO.

(52)

     Eurostat, EU-AKE, lfsa_ugadra .

(53)

   BG, CZ, EL, ES, CY und SI.

(54)

    De-facto gaps in social protection for standard and non-standard workers: An approach for monitoring the accessibility and levels of income support .

(55)

   Quelle: MISSOC (1. Januar 2022).

(56)

   Erklärung von BusinessEurope während der Konsultation der Sozialpartner in der EU, Mai 2022; und „ European cross-industry employers statement “, März 2021.

(57)

   DE, EE, ES, FR, LU und AT.

(58)

   Siehe ESPN (2021).

(59)

   Quelle: MISSOC.

(60)

   Eurostat, EU-SILC, 2021 (Altersgruppe 16–64 Jahre).

(61)

   Maßnahmen, die nach der Vorlage des nationalen Umsetzungsplans angenommen wurden.

(62)

   Siehe auch Zusammenfassung der thematischen Diskussion des Ausschusses für Sozialschutz vom April 2022 über den Zugang junger Menschen im Jahresbericht 2022 des Ausschusses für Sozialschutz.

(63)

   Ghailani, D. et al., „Access to social protection for young people. An analysis of policies in 35 countries“, ESPN, 2021.

(64)

   Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, „sicherzustellen, dass die für die einzelnen Sozialschutzsysteme geltenden Bedingungen und Vorschriften transparent sind und dass die Einzelpersonen Zugang zu aktualisierten, umfassenden, leicht zugänglichen, nutzerfreundlichen, allgemein verständlichen Informationen über ihre jeweiligen Ansprüche und Pflichten kostenlos erhalten“ (Absatz 15) und dass sie „erforderlichenfalls die administrativen Anforderungen ... vereinfachen, die Sozialschutzsysteme an Arbeitnehmer, Selbstständige und Arbeitgeber ... stellen“ (Absatz 16).

(65)

   Reformen zur Erhöhung der Transparenz werden in zwölf Aufbau- und Resilienzplänen aufgeführt (BE, CZ, DE, EL, HR, CY, IT, LT, PT, RO, SI und SK), insbesondere in Abschnitten zur Digitalisierung.

(66)

   Weitere Einzelheiten zum derzeitigen Stand und zu den Maßnahmen in Bezug auf Transparenz in den einzelnen Mitgliedstaaten sind dem entsprechenden ESPN-Bericht zu entnehmen: Spasova et al. (in Vorbereitung).

(67)

   Ebenda.

(68)

   Ebenda.

(69)

   Rechner für Leistungen bei Krankheit wurden in lediglich drei Mitgliedstaaten angeführt und nur Belgien stellt einen Rechner für Leistungen bei Invalidität zur Verfügung.

(70)

   Im jüngsten ESPN-Bericht wird auf Probleme im Zusammenhang mit dem Zugang zu digitalen Informationen über Sozialschutzleistungen für bestimmte Gruppen (BE, DK, EE, EL, ES, FR, LV, LT und RO) hingewiesen, darunter Menschen mit geringer digitaler Kompetenz (DK, EL und LT), Obdachlose (DK), Menschen mit kognitiven oder körperlichen Behinderungen (insbesondere Sehbehinderungen) (DK, EE, LT und RO) und ältere Menschen (EE und LV).

(71)

   Spasova et al. (in Vorbereitung).

(72)

   Der Grundsatz der einmaligen Erfassung von Daten bedeutet, dass umfassende digitale zentrale Anlaufstellen geschaffen werden, in denen Daten von mehreren Behörden an einem einzigen Ort erhoben und ausgetauscht werden (digitale Register/Datenbanken, Sozialversicherungskarten usw.).

(73)

   Eine zunehmende/umfassende Digitalisierung kann zahlreiche Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre aufwerfen. Drei Länder haben vor kurzem durchgeführte oder geplante Reformen zur Lösung dieser Fragen gemeldet (DK, IE und NL).

(74)

   Die Mitgliedstaaten wurden über die Delegierten des Ausschusses für Sozialschutz aufgefordert, der Kommission (im Sommer 2022) eine aktualisierte Fassung ihrer Maßnahmen und Reformen in Bezug auf den Zugang zum Sozialschutz vorzulegen.