18.8.2023   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 293/112


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnungen (EU) 2019/943 und (EU) 2019/942 sowie der Richtlinien (EU) 2018/2001 und (EU) 2019/944 zur Verbesserung der Gestaltung der Elektrizitätsmärkte in der EU“

(COM(2023) 148 final — 2023/0077 (COD))

(2023/C 293/17)

Berichterstatter:

Jan DIRX

Ko-Berichterstatter:

Christophe QUAREZ

Befassung

Rat der Europäischen Union, 31.3.2023

Europäisches Parlament, 29.3.2023

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

16.5.2023

Verabschiedung im Plenum

14.6.2023

Plenartagung Nr.

579

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

209/11/9

1.   Politische Empfehlungen

1.1.

Energie darf ebenso wie die Infrastruktur für ihren Transport und ihre Verteilung nicht wie eine gewöhnliche Ware behandelt werden, ist sie doch ein wesentlicher Baustein des Wirtschafts- und Sozialsystems und spielt deshalb eine zentrale Rolle bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen. Die Energieversorgung wird deshalb als Dienstleistung von allgemeinem Interesse eingestuft. Für die Energie der Zukunft müssen deshalb rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die sowohl eine umweltfreundliche, erschwingliche und zuverlässige Energieversorgung als auch das Recht auf Energie gewährleisten. Dies bedeutet auch, dass bei der Gestaltung des Energiemarkts die Anforderungen im Zusammenhang mit der Dekarbonisierung berücksichtigt werden müssen. Um eine erschwingliche Grundversorgung mit Energie sicherzustellen, muss mit der neuen Marktgestaltung nach Ansicht des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) eine Grundversorgung zu regulierten Preisen garantiert werden.

1.2.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Kommission in ihrem Vorschlag zur Reform des Strommarkts mehr Maßnahmen hätte vorsehen müssen, um die Marktgestaltung an die neue Wirklichkeit anzupassen, in der drei Ziele — Nachhaltigkeit, Erschwinglichkeit und Versorgungssicherheit — gleichzeitig sichergestellt werden müssen. Eine Grundlage werden in dieser Hinsicht auch erneuerbare Energien bilden, dabei werden neben großen Erzeugern auch Prosumenten und andere kleine Marktteilnehmer eine immer wichtigere Rolle spielen.

1.3.

Ein System, das diesen Änderungen Rechnung trägt, kann nur funktionieren, wenn das Merit-Order-System abgeschafft und durch ein Modell ersetzt wird, bei dem die Strompreise auf den jeweiligen Produktionskosten beruhen. In einem solchen System müssen die Durchschnittskosten bei der Preisgestaltung berücksichtigt werden.

1.4.

Vor dem Hintergrund einer Reform des Strommarkts muss die Liberalisierung im Hinblick auf die Aspekte Nachhaltigkeit, Erschwinglichkeit und Versorgungssicherheit kritisch überprüft werden. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass sich in der derzeitigen Krise zeigt, dass liberalisierte Energiemärkte nicht in der Lage sind, diesen Bedarf zu decken, und nicht genügend Anreize und Investitionssicherheit für erneuerbare Energien schaffen. Des Weiteren werden für die Verwirklichung der drei Ziele (Nachhaltigkeit, Erschwinglichkeit und Versorgungssicherheit) über einen langen Zeitraum hinweg die Regierungen verantwortlich sein, da der Markt sie nicht von sich aus miteinander verknüpfen und umsetzen wird.

1.5.

Der EWSA spricht sich deshalb für ein hybrides Modell aus, bei dem die Marktkräfte und ein zielorientiertes Management gemeinsam ein reibungsloses Funktionieren des Marktes im Rahmen der festgelegten Ziele ermöglichen. Kern dieses Modells ist eine von den Regierungen einzurichtende „E-Agentur“, die Strom von den Erzeugern kauft und an diejenigen verkauft, die Haushalte, KMU, Bürgerenergiegemeinschaften und Großverbraucher beliefern, sowie gegebenenfalls an andere Länder, wobei die drei Ziele als Richtschnur bei der Entscheidungsfindung dienen. Diese Agentur würde langfristige Verträge mit Stromerzeugern auf der Basis von Ausschreibungen abschließen. Dabei würden unterschiedliche Arten von Verträgen genutzt, beispielsweise Strombezugsverträge, Differenzverträge und Kosten-Plus-Verträge.

1.6.

Der Ausschuss unterstützt nachdrücklich den Vorschlag der Kommission, die Position der Verbraucher zu stärken, indem die Möglichkeit geschaffen wird, Energie aus erneuerbaren Quellen direkt gemeinsam zu nutzen. Dazu müssen u. a. alle relevanten Informationen klar und für die Verbraucher zugänglich sein, damit sie als Nutzer und Erzeuger unabhängig auf dem Strommarkt agieren können. Nach Ansicht des EWSA muss der Markt so organisiert werden, dass Verbraucher, die auch selbst Strom erzeugen (Prosumenten), oder andere kleine Marktteilnehmer ihren selbst erzeugten Strom so weit wie möglich selbst nutzen können, auch wenn sie ihn in das Netz einspeisen. Durch eine „Strombank“ beispielsweise könnte dies in einer anderen und für Kleinerzeuger ehrlicheren Weise erreicht werden.

1.7.

Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission auf, die Entwicklung grüner Gase zu beschleunigen und das Paket für Wasserstoff und CO2-arme Gase um eine Verordnung zur Gestaltung des Erdgasmarkts zu ergänzen. Auf diese Weise würde ein einheitlicher, integrierter und sicherer Erdgasmarkt auf EU-Ebene die Elektrifizierung des Energiesystems beschleunigen, indem für mehr Preisgleichheit und Sicherheit für die Verbraucher gesorgt wird.

1.8.

Um ein hohes Maß an Integration der Systeme für die Gewinnung von Energie aus erneuerbaren Quellen zu erreichen und den Übergang zu einem dekarbonisierten System zu beschleunigen, werden die Speicherung und die Erzeugung eigenen Stroms nicht ausreichen. Gebraucht werden Flexibilitätsmärkte, die im besten Fall auch Aufschluss über die Lage im Netz geben. Bei der Schaffung dieser Flexibilitätsmärkte ist es sinnvoll, zwischen den einzelnen Spannungsebenen zu unterscheiden.

1.9.

Da die vollständige Umsetzung der Reform eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird, empfiehlt der EWSA, die Erlösobergrenze für inframarginale Stromerzeugung so lange beizubehalten, bis die Reform vollständig greift. Die Einnahmen sollten den schutzbedürftigsten Verbrauchern zugutekommen, und dabei sollte es angesichts der jüngsten Entwicklung der Großhandelspreise möglich sein, die Preise zu senken.

1.10.

Der EWSA fordert die Kommission auf, die Auswirkungen der vorgeschlagenen Reform des Strommarkts zu überwachen. Dies ist wichtig, da sich auf dem Strommarkt gerade ein Paradigmenwechsel vollzieht, der noch lange nicht abgeschlossen ist und in den kommenden Jahren sicherlich weitere Anpassungen erfordern wird. Es ist auch deshalb wichtig, weil für den vorliegenden Vorschlag der Kommission keine Folgenabschätzung erstellt wurde, was die Unsicherheit über die Auswirkungen dieser Reform erhöht.

2.   Begründung der politischen Empfehlungen

Allgemeine Aspekte

2.1.

Der EWSA fordert seit geraumer Zeit eine Reform des EU-Strommarkts (1). Dies wird damit begründet, dass Risiken, denen der EU-Strommarkt ausgesetzt ist, in erster Linie auf die Verbraucher abgewälzt werden; zu dieser Schlussfolgerung kommt auch der Europäische Rechnungshof in seinem Sonderbericht „Integration des Elektrizitätsbinnenmarkts“ (2).

2.2.

Der Anstieg der Energiepreise in den Jahren 2021 und 2022 hat sich nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine beschleunigt; der Krieg wirkte sich auf die Preise für fossile Brennstoffe, insbesondere für Gas, aus, und die sich aus dem Merit-Order-Prinzip (3) ergebenden Erhöhungen wurden auf die Endverbraucher abgewälzt. Dadurch wurde deutlich, dass die Strompreise für Verbraucher und Unternehmen mit der bestehenden Struktur des Strommarkts nicht auf einem erschwinglichen Niveau gehalten werden können.

2.3.

Für die Umgestaltung des Strommarkts gibt es darüber hinaus einen entscheidenden wirtschaftlichen Grund — die Grenzkosten von Systemen für erneuerbare Energien liegen bei Null. Es ist offensichtlich, dass ein Marktsystem, bei dessen Preismechanismus die Grenzkosten des letzten Kraftwerks den Clearingpreis bestimmen, im künftigen, überwiegend von Systemen für erneuerbare Energie (oder anderen Systemen mit hohen Investitionsausgaben) geprägten Stromsektor nicht funktioniert. Als Vergütungssystem für alle Erzeuger von Energie aus erneuerbaren Quellen sollten deshalb Differenzverträge genutzt werden, bei denen der Referenzpreis auf der Grundlage der Stromgestehungskosten (oder Durchschnittskosten) festgelegt wird.

2.4.

Das Hauptargument für Differenzverträge sind die Grenzkosten erneuerbarer Energien. Anders als die Kommission nahelegt, wird Preisstabilität durch Differenzverträge, wenn überhaupt, nur teilweise erreicht werden. Dies gilt so lange, wie Differenzverträge nur die reine Stromerzeugung und nicht auch komplexere Produkte abdecken, wie z. B. eine Kombination aus Erzeugung aus erneuerbaren Quellen, Speicherung und Nachfragesteuerung. Der Grund dafür ist, dass in Zeiten, in denen die Erzeugung aus erneuerbaren Quellen gering ist, Restenergie zugekauft werden muss und die entstehenden Kosten somit erheblich steigen können. Die Kommission lässt diesen Effekt außer Acht und macht den Endverbrauchern Zusagen, die letztendlich nicht vollständig eingehalten werden können.

2.5.

Der EWSA weist darauf hin, dass Energie ebenso wie die Infrastruktur für ihren Transport und ihre Verteilung keine gewöhnliche Ware ist, sondern ein wesentlicher Baustein des Wirtschafts- und Sozialsystems, weshalb sie eine zentrale Rolle bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen spielt. Die Energieversorgung wird deshalb als Dienstleistung von allgemeinem Interesse eingestuft. Für die Energie der Zukunft müssen deshalb rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die sowohl eine umweltfreundliche, erschwingliche und zuverlässige Energieversorgung als auch das Recht auf Energie gewährleisten. Dies bedeutet auch, dass bei der Gestaltung des Energiemarkts die Anforderungen im Zusammenhang mit der Dekarbonisierung berücksichtigt werden müssen. Um eine erschwingliche Grundversorgung mit Energie sicherzustellen, muss mit der neuen Marktgestaltung nach Ansicht des EWSA eine Grundversorgung zu regulierten Preisen garantiert werden. Die Erstattung von Kosten an Energieversorger sollte auf der Grundlage von Kostenbelegen erfolgen. Im Gegenzug müssen die Energieversorger dauerhaft verpflichtet sein, einen bestimmten Anteil an Energie für die Grundversorgung bereitzustellen.

2.6.

Die jüngsten Entwicklungen auf dem Strommarkt haben gezeigt, dass ein neues und angemessenes Gleichgewicht zwischen dem auf dem Strommarkt vertretenen staatlichen und privaten Anbietern gefunden werden muss. Der Ausschuss hat sich in seiner Stellungnahme TEN/771 „Öffentliche Investitionen in Energieinfrastruktur als Teil der Lösung der Klimaproblematik“ eingehend mit diesem Thema befasst (siehe Fußnote 1). Gleichzeitig ist der EWSA der festen Überzeugung, dass der Strommarkt dringend reformiert werden muss, um die genannten Ziele der Nachhaltigkeit, Erschwinglichkeit und Versorgungssicherheit zu erreichen.

2.7.

Die Kommission hat am 14. März 2023 einen Legislativvorschlag veröffentlicht und darin „eine Reform des EU-Strommarktes angeregt, um den Ausbau erneuerbarer Energien ebenso wie den Ausstieg aus dem Gas zu beschleunigen und die Haushalte vor Preisschwankungen für fossile Brennstoffe, künftigen Preisspitzen und Marktmanipulation zu schützen, damit die EU-Industrie sauber und wettbewerbsfähiger wird“ (4).

2.8.

Der EWSA begrüßt diesen Vorschlag als einen ersten Schritt in die richtige Richtung; das Energiesystem von morgen sollte dekarbonisiert sein, auf erneuerbaren und CO2-freien Energiequellen beruhen und auf die Verbraucher ausgerichtet sein. Für die Verbraucher müssen alle relevanten Informationen klar und zugänglich sein, damit sie als Nutzer und Erzeuger unabhängig auf dem Strommarkt agieren können.

2.9.

Der EWSA fordert die Kommission auf, die Auswirkungen der vorgeschlagenen Reform des Strommarkts zu überwachen. Dies ist wichtig, da sich auf dem Strommarkt gerade ein Paradigmenwechsel vollzieht, der noch lange nicht abgeschlossen ist und in den kommenden Jahren sicherlich weitere Anpassungen erfordern wird. Es ist auch deshalb wichtig, weil für den vorliegenden Vorschlag der Kommission keine Folgenabschätzung erstellt wurde, was die Unsicherheit über die Auswirkungen dieser Reform erhöht.

2.10.

Der Vorschlag für eine Reform des Strommarkts sieht die Einführung von Diensten und Produkten zur Lastspitzenreduktion vor; dies bezieht sich auf die Möglichkeit von Marktteilnehmern, den Stromverbrauch in vom Übertragungsnetzbetreiber bestimmten Spitzenlaststunden zu senken. Gemäß Artikel 7a dürfen Verträge über Produkte zur Lastspitzenreduktion nicht mehr als zwei Tage vor deren Aktivierung geschlossen werden, und die Vertragslaufzeit darf höchstens einen Tag betragen. Ein derart kurzer Zeitraum ist sinnvoll, um Missbrauch, insbesondere durch Großverbraucher, zu verhindern, könnte aber viele Verbraucher (und unabhängige Aggregatoren) daran hindern, diese Produkte zu erwerben. Der EWSA fordert die Kommission deshalb auf, zu prüfen, unter welchen Bedingungen die Vertragslaufzeit verlängert werden könnte.

2.11.

Darüber hinaus ist der Ausschuss der Ansicht, dass die Kommission einige gute Vorschläge zur Anpassung des Strommarkts vorgelegt hat. Seines Erachtens hätte die Kommission jedoch mehr Maßnahmen vorsehen müssen, um die Marktgestaltung an die neue Wirklichkeit anzupassen, in der drei Ziele — Nachhaltigkeit, Erschwinglichkeit und Versorgungssicherheit — gleichzeitig sichergestellt werden müssen. Eine Grundlage werden hier auch erneuerbare Energien bilden, wobei neben großen Erzeugern — so das Versprechen der Kommission — auch kleine Marktteilnehmer eine immer wichtigere Rolle spielen werden (5). Der Kommissionsvorschlag spiegelt dies jedoch nicht ausreichend wider, weshalb der EWSA zusätzlich zwei weitere Vorschläge unterbreitet, die in den Legislativvorschlag aufgenommen werden könnten.

2.12.

Ein System, das diesen Änderungen Rechnung trägt, kann nur funktionieren, wenn das Merit-Order-System abgeschafft und durch ein Modell ersetzt wird, bei dem die Strompreise auf den jeweiligen Produktionskosten beruhen. In einem solchen System müssen die Durchschnittskosten bei der Preisgestaltung berücksichtigt werden.

Eine staatliche Agentur

2.13.

Seit 1996 setzt sich die EU für die Liberalisierung des Strommarktes ein. Vor dem Hintergrund einer Reform des Strommarktes muss die Liberalisierung jedoch im Hinblick auf die Aspekte Nachhaltigkeit, Erschwinglichkeit und Versorgungssicherheit kritisch überprüft werden. Die bisherigen und künftigen Entwicklungen auf dem Strommarkt müssen berücksichtigt werden, dazu gehören auch größere Veränderungen bei den Produktionsanlagen, deren Gestehungskosten sich stark unterscheiden. Des Weiteren werden für die Verwirklichung der vorgenannten drei Ziele über einen langen Zeitraum hinweg die Regierungen verantwortlich sein, da der Markt sie nicht von sich aus miteinander verknüpfen und umsetzen wird.

2.14.

Nach Ansicht des EWSA wäre eine wirksame Mischung aus Liberalisierung und Regulierung die beste Lösung, damit die Vorteile des liberalisierten Marktes mit der gewünschten Steuerung durch die Regierungen verbunden werden können; dies würde gewährleisten, dass die Ziele tatsächlich umgesetzt werden.

2.15.

Wie er bereits in seiner Stellungnahme TEN/771 betont hat, ist der EWSA überzeugt, dass besonderes Augenmerk auf die Definition des Ausbaus der Netze als überragendes öffentliches Interesse, die Aufnahme von Klimaschutz als Regulierungsziel und allgemein eine bessere Synchronizität bei der Planung von erneuerbaren Energien und dem Stromnetz gelegt werden sollte. Hier bedarf es unbedingt konkreter rechtlicher Vorgaben durch die EU.

2.16.

Das hier vom EWSA skizzierte Modell für den reformierten Strommarkt basiert deshalb auf dem Grundsatz, zu liberalisieren, wo es möglich, und zu regulieren, wo es erforderlich ist. Bei diesem hybriden Modell würden die Marktkräfte und eine zielorientierte Verwaltung gemeinsam ein reibungsloses Funktionieren des Marktes im Rahmen der festgelegten Ziele ermöglichen.

2.17.

Bei dem Modell, das auch mit den geltenden Bestimmungen umgesetzt werden könnte, sollte von den Regierungen eine „E-Agentur“ eingerichtet werden, die Strom von den Erzeugern kauft und an diejenigen verkauft, die Haushalte, KMU, Bürgerenergiegemeinschaften und Großverbraucher beliefern, sowie gegebenenfalls an andere Länder, wobei die drei Ziele als Richtschnur bei der Entscheidungsfindung dienen. Diese Agentur würde langfristige Verträge mit Stromerzeugern auf der Basis von Ausschreibungen abschließen. Dabei würden unterschiedliche Arten von Verträgen genutzt, beispielsweise Strombezugsverträge, Differenzverträge und Kosten-Plus-Verträge. Da Differenzverträge zur Förderung neuer Investitionen in die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern dienen sollen, dürfen sie die Erzeuger nicht daran hindern, die Optimierung ihrer Stromerzeugung anzustreben. Für eine Auktion der Differenzverträge sollten mittels einer dynamischen Benchmark auf der Grundlage der Stromgestehungskosten der jeweiligen Technologie (Sonne, Wind usw.) ein Mindest- und ein Höchstpreis festgelegt werden. Die Mitgliedstaaten müssen deshalb verpflichtet werden, Mindest- und Höchstvergütungen festzulegen, um für die Stromerzeuger Anreize zur Optimierung ihrer Erzeugung zu schaffen. Für die marginale Stromversorgung (z. B. aus erneuerbaren Gasen oder Batterien) sollten besondere Bestimmungen gelten.

2.18.

Angesichts der bestehenden Möglichkeiten der Erzeugung und im Einklang mit den drei Zielen kann die Agentur Verträge mit verschiedenen Arten von Stromerzeugungsunternehmen schließen. Die von der Agentur geschlossenen langfristigen Verträge gewährleisten sowohl einen staatlich garantierten, akzeptablen Preis für die Endverbraucher als auch Investitionssicherheit für die Erzeuger.

2.19.

Die Agentur verkauft den gekauften Strom anschließend an Versorgungsunternehmen, Großverbraucher und weitere Marktteilnehmer. Auch hierfür können verschiedene Arten von Verträgen geschlossen werden, die sich zum Teil nach den Wünschen der Teilnehmer richten. Um Übergewinne zu verhindern, werden Preisobergrenzen für den Weiterverkauf festgelegt.

Strombank

2.20.

Der EWSA unterstützt nachdrücklich den im Kommissionskonzept für die Europäische Energieunion beschriebenen Ansatz, die Verbraucher zu stärken und sie in den Mittelpunkt der Politik zu stellen, u. a. indem das Recht eingeräumt wird, Energie aus erneuerbaren Quellen direkt gemeinsam zu nutzen. Der EWSA begrüßt deshalb, dass die Kommission in ihrem Vorschlag vorsieht, dass Verbraucher überschüssigen Solarstrom von ihren Dächern an Nachbarn verkaufen können. Nach Ansicht des EWSA muss der Markt so organisiert werden, dass Verbraucher, die auch selbst Strom erzeugen (Prosumenten und erneuerbare Energiegemeinschaften), oder andere kleine Marktteilnehmer oder Erzeuger ihren selbst erzeugten Strom so weit wie möglich selbst nutzen können, auch wenn sie ihn in das Netz einspeisen. Durch eine „Strombank“ beispielsweise könnte dies auf eine andere und für Kleinerzeuger ehrlichere Weise erreicht werden, weshalb diese Lösung weiter geprüft und ausgearbeitet werden sollte.

2.21.

Eine Strombank könnte wie folgt funktionieren: Ein Kleinerzeuger hat Solarpaneele auf seinem Dach installiert, die an sonnigen Tagen mehr erzeugen, als er an diesen Tagen verbrauchen kann. Er liefert diesen überschüssigen Strom über das Netz an das Versorgungsunternehmen, mit dem er einen Vertrag geschlossen hat. Das Unternehmen kann über den intelligenten Zähler des Erzeugers ablesen, wie viel Strom er geliefert hat, und diese Menge wird auf seinem kWh-Konto teilweise gutgeschrieben (möglicherweise zwischen 70 % und 90 %, abhängig davon, wie viel in das Netz eingespeist wird; kleineren Lieferanten wird ein größerer Anteil gutgeschrieben). Die Strommenge wird aus drei Gründen lediglich teilweise gutgeschrieben: erstens, um die Dienstleistungen des Unternehmens zu finanzieren, zweitens, weil das Unternehmen mögliche Preisunterschiede zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Kleinerzeuger Strom einspeisen und jenem, zu dem er Strom zukaufen will, berücksichtigen muss, und, drittens, weil im System Anreize zur Erhöhung der Speicherkapazität vorgesehen werden sollten (auch wenn es sich lediglich um Kleinerzeuger handelt), damit das gesamte Stromnetz widerstandsfähiger wird. Ein Beispiel: Ein Erzeuger hat 100 kWh geliefert und die Bank hat danach 80 kWh auf seinem Konto gutgeschrieben. Er muss nun Strom von seinem Anbieter beziehen, z. B. für seinen Haushalt oder um seine Autobatterie an einer Ladestation mit einer Ladekarte seines Stromanbieters aufzuladen. Angenommen, er benötigt 200 kWh, so werden die ersten 80 kWh von seinem Konto abgebucht und nicht in Rechnung gestellt. Für die 120 kWh, die er kauft, bezahlt er den in seinem Vertrag mit dem Stromunternehmen festgelegten Preis.

2.22.

Statt die Dienstleistungen der Strombank in Euro zu bezahlen, zahlt er sie in kWh. Im Preis für den Strom, den er über das Netz bezieht, sind natürlich die üblichen externen Kosten wie Netzgebühren, Zuschläge, Abgaben und Steuern inbegriffen.

Grünes Gas, Flexibilität und Versorgungssicherheit sind unverzichtbar

2.23.

Die EU hat beschlossen, russisches Gas durch LNG zu ersetzen. Dies kann jedoch angesichts der Auswirkungen auf die Umwelt (in den USA gewonnenes Schiefergas wird nach Europa transportiert), die Wirtschaft (der Preis pro Einheit ist höher als im Fall von russischem Gas) und die Geopolitik (die EU könnte von anderen Partnern abhängig werden, die undemokratisch sind und/oder gegen die Menschenrechte verstoßen) nur eine kurzfristige Lösung sein. Zwei Maßnahmen sind deshalb äußerst wichtig. Erstens sollte Gas nicht marginalisiert werden. Gaskraftwerke werden mittelfristig weiter als flexibles Reservesystem gebraucht, weshalb eine rasche Umstellung auf grünes Gas, wie z. B. bestimmte Formen von Biogas und grünen Wasserstoff, notwendig ist. Im Rahmen der Reform sollte auch untersucht werden, wie dies erreicht werden kann, dabei sollten verbindliche Ziele im Hinblick auf Spitzenlastzeiten festgelegt werden.

2.24.

Den verschiedenen, von der Kommission entwickelten Szenarien zufolge wird Erdgas in der näheren Zukunft weiter eine wichtige Rolle bei der Versorgung des europäischen Erzeugungssystems mit Wärmeenergie spielen. Die Produktionskapazität für Biogas muss rascher erhöht werden, und die Kosten für grünen Wasserstoff müssen sinken, damit Erdgas so schnell wie möglich ersetzt werden kann. Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission auf, die Entwicklung grüner Gase zu beschleunigen und das Paket für Wasserstoff und CO2-arme Gase um eine Verordnung zur Gestaltung des Erdgasmarktes zu ergänzen. Auf diese Weise würde ein einheitlicher, integrierter und sicherer Erdgasmarkt auf EU-Ebene die Elektrifizierung des Energiesystems beschleunigen, indem für mehr Preisgleichheit und -sicherheit für die Unionsbürgerinnen und -bürger gesorgt und die Koordinierung im Hinblick auf einen möglichst raschen Ausstieg aus der Erdgasnutzung verbessert würde.

2.25.

Dem Modellszenario der Europäischen Kommission zufolge dürften im Jahr 2030 etwa 70 % des Stroms in der EU aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt werden. Um eine derart hohe Integration der Systeme für erneuerbare Energien zu erreichen und die Umstellung auf Klimaneutralität voranzutreiben, ist es wichtig, den kurzfristigen Markt effizienter zu gestalten, die Speicherung durch einen erleichterten Zugang zu Finanzmitteln und Genehmigungen zu verbessern und die Verbraucher dabei zu unterstützen, den von ihnen selbst erzeugten Strom zu nutzen. Die Speicherung und Erzeugung von Strom durch die Verbraucher selbst wird jedoch nicht ausreichen, und der kurzfristige Markt wird wahrscheinlich keine wirksame Lösung bieten. Gebraucht werden Flexibilitätsmärkte, die im besten Fall auch Aufschluss über die Lage im Netz geben. Bei der Reform sollte auch die Gefahr einer Fragmentierung vermieden werden, indem die Umsetzung der neuen Maßnahmen sorgfältig überwacht wird.

2.26.

Bei der Schaffung dieser Flexibilitätsmärkte ist es sinnvoll, zwischen den einzelnen Spannungsebenen zu unterscheiden. Auf der Hoch- und der Mittelspannungsebene sind Flexibilitätsoptionen in großem Maßstab wie z. B. große Speicher erforderlich, wobei dies eine Möglichkeit sein könnte, die Netzbetreiber zu ermächtigen und zu verpflichten, diese als Eigenmittel in ihren Betrieb zu integrieren. Auf der Niederspannungsebene besteht die Aufgabe eher darin, die von Prosumenten, z. B. Haushalten mit einer eigenen Fotovoltaikanlage, einem kleinen Speicher und einer Wärmepumpe,– angebotenen kleinen Flexibilitätsoptionen zu bündeln. Von Netzbetreibern oder anderen Marktteilnehmern betriebene digitale Plattformen könnten zu einem wichtigen Instrument für die Vermarktung der Flexibilität als Systemdienstleistung und ihre Integration in das Stromnetz werden.

2.27.

Dynamische Tarife, einschließlich dynamischer Netzentgelte, können genutzt werden, um den Endverbrauchern einen starken Anreiz für systemfreundliches Handeln zu bieten. Dies erfordert jedoch eine digitale Infrastruktur, da sich der Netzstatus in den dynamischen Tarifen widerspiegeln sollte. Außerdem sollten bei den Netzentgelten Anreize für eine verbrauchsnahe Erzeugung geschaffen werden, kann dies doch ein Ansatz zur Begrenzung des Netzausbaus sein.

Energiearmut

2.28.

Da das Ziel der Reform darin bestand, die Verbraucher vor Schwankungen auf dem Großhandelsmarkt zu schützen, begrüßt der EWSA den Vorschlag, der den Schutz von Endverbrauchern vorsieht (Versorger letzter Instanz, Vermeidung von Stromsperren für schutzbedürftige Verbraucher usw.). Der EWSA stellt jedoch fest, dass die Erlösobergrenze für inframarginale Stromerzeugung nicht angehoben wurde. Da die vollständige Umsetzung der Reform eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird, empfiehlt der EWSA, den Mechanismus so lange beizubehalten, bis die Reform vollständig greift. Die Einnahmen sollten den schutzbedürftigsten Verbrauchern (wie von Energiearmut betroffenen Menschen und KMU) zugutekommen, dabei sollte es angesichts der jüngsten Entwicklung der Großhandelspreise möglich sein, die Preise zu senken.

2.29.

Um eine erschwingliche Grundversorgung mit Energie sicherzustellen, muss mit der neuen Marktgestaltung nach Ansicht des EWSA ein Grundenergieverbrauch zu regulierten Preisen gewährleistet werden. Kosten von Energieversorgern sollten anhand von Kostenbelegen erstattet werden. Im Gegenzug müssen die Energieversorger dauerhaft verpflichtet sein, einen bestimmten Anteil an Energie für die Grundversorgung bereitzustellen.

3.   Änderungen des Legislativvorschlags

3.1.   Verordnung (EU) 2019/943 des Europäischen Parlaments und des Rates (6)

Änderungsempfehlung 1

Neuen Erwägungsgrund 21a nach Erwägungsgrund 21 einfügen:

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung

 

(21a)

Die EU setzt sich seit 1996 für die Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes ein. Dieser Prozess wurde mit der Richtlinie 96/92/EG vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt eingeleitet. Vor dem Hintergrund einer Reform des Strommarktes muss diese Liberalisierung jedoch im Hinblick auf die Aspekte Nachhaltigkeit, Erschwinglichkeit und Versorgungssicherheit überprüft werden. Frühere und künftige Entwicklungen auf dem Strommarkt müssen berücksichtigt werden, darunter auch größere Veränderungen in den Produktionsanlagen mit stark schwankenden Gestehungspreisen. Um diese Ziele zu erreichen, müssen die Mitgliedstaaten einen geeigneten Rechtsrahmen schaffen. Dies schließt rechtliche Anforderungen an die Unternehmen im Energiesektor ein. Diese Anforderungen müssen nichtdiskriminierend sein. Dies kann u. a. durch die Einrichtung einer „E-Agentur“ durch die Mitgliedstaaten gewährleistet werden, die Strom von Erzeugern kauft und an Verteiler und Großverbraucher verkauft; die drei Ziele würden somit als Rahmen für die Entscheidungsfindung dienen. Die Agentur würde langfristige Verträge mit Stromerzeugern auf der Grundlage von Ausschreibungen abschließen, z. B. Strombezugsverträge und zweiseitige Differenzverträge. Ein solches Modell ist nach den geltenden Rechtsvorschriften bereits möglich.

Begründung

Siehe Nummer 2 Ziffern 2.18 bis 2.21.

Änderungsempfehlung 2

Neuen Erwägungsgrund 50a nach Erwägungsgrund 50 einfügen:

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung

 

(50a)

Das Recht, Strom gemeinsam zu nutzen, ist ein wichtiger Anreiz für Verbraucher und andere kleine Marktteilnehmer, in die Erzeugung eigenen Stroms zu investieren. Ein weiterer Anreiz besteht darin, den Markt so zu organisieren, dass Verbraucher, die ihren eigenen Strom erzeugen (Prosumenten), und andere kleine Marktteilnehmer so weit wie möglich von dem von ihnen selbst erzeugten Strom profitieren können, selbst wenn sie ihn zuerst in das Netz einspeisen. Die Elektrizitätsunternehmen in mehreren Mitgliedstaaten verfügen bereits über Systeme, die dies ermöglichen.

Begründung

Siehe Nummer 2 Ziffern 2.22 bis 2.24.

Änderungsempfehlung 3

Artikel 1 wie folgt ändern:

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung

 

a)

die Gewährleistung der Einstufung von Energie als wesentliche Grundlage unseres Wirtschafts- und Sozialsystems, und nicht als gewöhnliche Ware. Die Energieversorgung wird deshalb als Dienstleistung von allgemeinem Interesse eingestuft. Hauptaufgabe des Energiesektors ist eine sichere, erschwingliche und nachhaltige Energieversorgung.

Begründung

Siehe Nummer 2 Ziffern 2.5 ff.

Änderungsempfehlung 4

Artikel 1 wie folgt ändern:

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung

 

b)

die Schaffung eines Systems, bei dem die Verbraucherpreise für Strom die tatsächlichen Produktionskosten (zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlags) widerspiegeln. Das bedeutet, dass der Großhandelspreis den Durchschnittskosten aller Arten der Stromerzeugung und nicht dem Höchstpreis entsprechen muss, wie dies derzeit der Fall ist. Um eine angemessene Vergütung der Stromerzeuger sowie Investitionssicherheit und den Ausbau erneuerbarer Energien zu gewährleisten, sind technologieabhängige Preise erforderlich.

Begründung

Siehe Nummer 2 Ziffer 2.13.

Änderungsempfehlung 5

Artikel 19b wie folgt ändern:

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung

 

(3)    […]

c)

Bei „zweiseitigen Differenzverträgen“ sind in jedem Mitgliedstaat technologiespezifische Höchstpreise festzulegen. Die Höchstpreise basieren auf den Kosten für den Betrieb einer kosteneffizienten und dem Stand der Technik entsprechenden Anlage. Die Kosten umfassen Abschreibungen sowie eine angemessene Eigenkapital- und Fremdkapitalrendite für die Investition.

Begründung

Siehe Nummer 2 Ziffer 2.19.

Änderungsempfehlung 6

Artikel 7a Absatz 2 Buchstabe c wie folgt ändern:

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung

c)

die Beschaffung des Produkts zur Lastspitzenreduktion erfolgt im Rahmen eines wettbewerblichen Angebotsverfahrens, wobei die Auswahl anhand der niedrigsten Kosten für die Erfüllung vorab festgelegter technischer und ökologischer Kriterien vorgenommen wird;

c)

die Beschaffung des Produkts zur Lastspitzenreduktion erfolgt im Rahmen eines wettbewerblichen Angebotsverfahrens, wobei die Auswahl anhand der niedrigsten Kosten für die Erfüllung vorab festgelegter technischer und ökologischer Kriterien vorgenommen wird; die Angebote können sowohl auf fixen als auch variablen Preisen beruhen;

Begründung

Siehe Nummer 2 Ziffer 2.11.

Änderungsempfehlung 7

Artikel 19b Absatz 3 wie folgt ändern:

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung

 

c)

Die Mitgliedstaaten legen Mindest- und Höchstvergütungen für zweiseitige Differenzverträge fest, die die technologiespezifischen tatsächlichen Produktionskosten widerspiegeln, damit die Stromerzeuger ermutigt werden, ihre Produktion zu optimieren. Bei zweiseitigen Differenzverträgen wird der Ausübungspreis von den Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der Stromgestehungskosten für die jeweilige dem Stand der Technik entsprechende Anlage festgelegt, die Vertragsgegenstand ist. Die Kosten umfassen Abschreibungen sowie eine angemessene Eigenkapital- und Fremdkapitalrendite für die Investition.

Begründung

Siehe Nummer 2 Ziffer 2.19.

3.2.   Richtlinie (EU) 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates (7)

Änderungsempfehlung 8

Artikel 4 wie folgt ändern:

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Kunden Strom vom Anbieter ihrer Wahl beziehen können. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es allen Kunden freisteht, gleichzeitig über mehr als einen Elektrizitätsversorgungsvertrag zu verfügen, und dass die Kunden zu diesem Zweck Anspruch auf mehr als einen Mess- und Abrechnungspunkt für den zentralen Anschlusspunkt ihrer Räumlichkeiten haben.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Verbraucherpreise für Strom die tatsächlichen Produktionskosten (zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlags) widerspiegeln und alle Kunden Strom vom Anbieter ihrer Wahl beziehen können. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es allen Kunden freisteht, gleichzeitig über mehr als einen Elektrizitätsversorgungsvertrag zu verfügen, und dass die Kunden zu diesem Zweck Anspruch auf mehr als einen Mess- und Abrechnungspunkt für den zentralen Anschlusspunkt ihrer Räumlichkeiten haben.

Begründung

Siehe Nummer 2 Ziffer 2.9.

Änderungsempfehlung 9

Artikel 4b Absatz 1 wie folgt ändern:

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Versorger nach dem nationalen Regelungsrahmen Verträge mit fester Laufzeit, mit Festpreis und mit dynamischen Stromtarifen anbieten können. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Endkunden, die über einen intelligenten Zähler verfügen, den Abschluss eines Vertrags mit dynamischen Stromtarifen verlangen können und dass alle Endkunden den Abschluss eines Stromtarifvertrags, der eine feste Laufzeit und einen Festpreis aufweist, mit mindestens einem Versorger sowie mit jedem Versorger, der mehr als 200 000 Endkunden hat, für eine Laufzeit von mindestens einem Jahr verlangen können.“

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Versorger nach dem nationalen Regelungsrahmen Verträge mit fester Laufzeit, mit Festpreis und mit dynamischen Stromtarifen anbieten können. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Endkunden, die über einen intelligenten Zähler verfügen, den Abschluss eines Vertrags mit dynamischen Stromtarifen verlangen können und dass alle Endkunden den Abschluss eines Stromtarifvertrags, der einen erschwinglichen Festpreis und eine feste Laufzeit aufweist, mit mindestens einem Versorger sowie mit jedem Versorger, der mehr als 200 000 Endkunden hat, für eine Laufzeit von mindestens einem Jahr verlangen können.“

Begründung

Siehe Nummer 2 Ziffer 2.9.

Änderungsempfehlung 10

Artikel 27a Absatz 1 wie folgt ändern:

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung

Die Mitgliedstaaten benennen Versorger letzter Instanz zumindest für Haushaltskunden. Versorger letzter Instanz werden in einem fairen, offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren benannt.

Die Mitgliedstaaten benennen Versorger letzter Instanz zumindest für Haushaltskunden. Versorger letzter Instanz werden in einem fairen, offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren benannt. Alle Energieversorger müssen entsprechend ihrem Marktanteil als Versorger letzter Instanz zur Verfügung stehen.

Begründung

Es ist fair, dass alle Energieversorger als Versorger letzter Instanz benannt werden können.

Änderungsempfehlung 11

Artikel 27a Absatz 2 wie folgt ändern:

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung

Endkunden, die zu Versorgern letzter Instanz wechseln, verlieren nicht ihre Rechte als Kunden, insbesondere nicht die in den Artikeln 4, 10, 11, 12, 14, 18 und 26 festgelegten Rechte.

Endkunden, die zu Versorgern letzter Instanz wechseln, verlieren nicht ihre Rechte als Kunden, insbesondere nicht die in den Artikeln 4, 10, 11, 12, 14, 18 und 26 festgelegten Rechte.

Die Vertragsbedingungen eines Versorgers letzter Instanz dürfen nicht diskriminierend oder abschreckend sein. Die Vertragsbedingungen müssen die tatsächlichen Produktionskosten (zuzüglich eines angemessenen Aufschlags) widerspiegeln.

Begründung

Dies ist für eine faire Behandlung der Kunden erforderlich.

Änderungsempfehlung 12

Artikel 66a

Absätze 1 bis 4 wie folgt ändern:

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung

(1)     Die Kommission kann mit einem Beschluss eine regionale oder unionsweite Strompreiskrise feststellen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)

sehr hohe Preise auf den Stromgroßhandelsmärkten, die mindestens zweieinhalbmal so hoch sind wie der Durchschnittspreis der letzten fünf Jahre und voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern werden;

b)

starker Anstieg der Endkundenpreise für Strom um mindestens 70 %, der voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern wird, und

c)

negative Auswirkungen des Anstiegs der Strompreise auf die Gesamtwirtschaft.

(1)     Wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

 

Sehr hohe Preise auf den Stromgroßhandelsmärkten: ein Durchschnittspreis von mindestens 100 Euro pro Megawattstunde in zwei aufeinanderfolgenden Monaten.

(2)     Die Kommission legt in ihrem Beschluss zur Feststellung einer regionalen oder unionsweiten Strompreiskrise die Geltungsdauer des Beschlusses fest, die bis zu einem Jahr betragen kann.

(2)     Die Mitgliedstaaten können so lange, wie die unter (1) genannte Bedingung erfüllt ist, ausnahmsweise und vorübergehend einen unter den Kosten liegenden Strompreis festsetzen, sofern die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)

der für Haushalte festgesetzte Preis gilt nur für höchstens 80 % des Medianverbrauchs privater Haushalte und bietet weiterhin einen Anreiz zur Nachfragereduzierung;

b)

der Preis beträgt maximal 10 Cent pro Kilowattstunde;

c)

es wird nicht zwischen Versorgern diskriminiert;

d)

wenn Versorger nachweisen können, dass sie unterhalb der Kosten liefern, erhalten sie dafür einen Ausgleich.

e)

alle Versorger können auf derselben Grundlage Angebote für den Preis für die Lieferung von Strom vorlegen, der unter den Kosten liegt.

(3)     Hat die Kommission einen Beschluss gemäß Absatz 1 erlassen, so können die Mitgliedstaaten während der Geltungsdauer dieses Beschlusses gezielte öffentliche Eingriffe in die Preisfestsetzung für die Stromversorgung kleiner und mittlerer Unternehmen vornehmen. Diese öffentlichen Eingriffe

a)

sind auf höchstens 70 % des Verbrauchs des Begünstigten im selben Zeitraum des Vorjahres begrenzt und müssen weiterhin einen Anreiz zur Nachfragereduzierung bieten;

b)

müssen die Bedingungen gemäß Artikel 5 Absätze 4 und 7 erfüllen;

c)

müssen gegebenenfalls die in Absatz 4 genannten Bedingungen erfüllen.

(4)     Hat die Kommission einen Beschluss gemäß Absatz 1 erlassen, so können die Mitgliedstaaten für die Geltungsdauer dieses Beschlusses abweichend von Artikel 5 Absatz 7 Buchstabe c bei gezielten öffentlichen Eingriffen in die Festsetzung der Stromversorgungspreise gemäß Artikel 5 Absatz 6 oder Absatz 3 des vorliegenden Artikels ausnahmsweise und vorübergehend einen unter den Kosten liegenden Strompreis festsetzen, sofern die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)

der für Haushalte festgesetzte Preis gilt nur für höchstens 80 % des Medianverbrauchs privater Haushalte und bietet weiterhin einen Anreiz zur Nachfragereduzierung;

b)

es wird nicht zwischen Versorgern diskriminiert;

c)

die Versorger erhalten einen Ausgleich für die Lieferung von Strom unterhalb der Kosten und

d)

alle Versorger können auf derselben Grundlage Angebote für den Preis für die Lieferung von Strom vorlegen, der unter den Kosten liegt.

(3)     Der Ausgleich nach Absatz 2 Buchstabe d muss aus den Erlösen aus der Deckelung der Markteinnahmen für die Stromerzeugung mit inframarginalen Technologien finanziert werden.

Begründung

Die aktuellen Energiepreise zeigen, dass bei entsprechenden Marktverzerrungen Maßnahmen erforderlich sind, um die Grundversorgung der privaten Haushalte, aber auch der Unternehmen sicherzustellen. Der von der Kommission gemäß Artikel 66a vorgeschlagene Mechanismus ist jedoch kompliziert und unwirksam. Gleichzeitig wird eine Kofinanzierung der Maßnahme vollständig ausgeschlossen.

Wir schlagen einen einfachen, aber wirksamen Mechanismus nach dem Vorbild des österreichischen Stromkostenzuschussgesetzes vor. Dieser könnte automatisch in Kraft treten und sollte durch das Abschöpfen von Zufallsgewinnen finanziert werden.

Der Strompreis für den Kauf einer Grundversorgungsmenge darf 10 Cent netto pro kWh nicht übersteigen.

Liegt der durchschnittliche Stromhandelspreis in zwei aufeinanderfolgenden Monaten über 100 Euro pro MWh, so haben Versorger, die unter ihren tatsächlichen Anschaffungskosten anbieten müssen, Anspruch auf Entschädigung für ihre Einzelkosten.

Die Energieversorger müssen diese Kosten nachweisen.

Diese „Preisbremse“ wird durch die Abschöpfung von Übergewinnen im Bereich der inframarginalen Stromerzeugung finanziert.

Brüssel, den 14. Juni 2023

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Oliver RÖPKE


(1)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Öffentliche Investitionen in Energieinfrastruktur als Teil der Lösung der Klimaproblematik“ (Initiativstellungnahme) (ABl. C 486 vom 21.12.2022, S. 67) und Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Kurzfristige Energiemarktinterventionen und langfristige Verbesserungen der Strommarktgestaltung — ein Lösungsansatz“ (COM(2022) 236 final) (ABl. C 75 vom 28.2.2023, S. 185).

(2)  https://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/INSR23_03/INSR_Energy_Union_DE.pdf

(3)  Merit-Order-Prinzip: auf der Grundlage der Grenzkosten von Kraftwerken erstellte Reihenfolge, in der diese zur Deckung des Strombedarfs herangezogen werden, wobei zunächst jene mit den niedrigsten und zuletzt jene mit den höchsten Grenzkosten zum Zug kommen. Das heißt, es werden so lange Kraftwerke mit höheren Grenzkosten dazugeschaltet, bis die Nachfrage gedeckt ist. Die Reihenfolge lautet: Erneuerbare, Kernenergie, Kohle, Öl und Gas. So, wie der Strommarkt gegenwärtig gestaltet ist, wird der Preis von den Grenzkosten des gemäß dem Merit-Order-Prinzip zuletzt zugeschalteten Kraftwerks (zumeist Gaskraftwerk) bestimmt.

(4)  https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_23_1591

(5)  Kleine Marktteilnehmer sind z. B. Gemeinden, Energiegenossenschaften oder Regionen, die Strom aus Wind und/oder Sonne erzeugen und einen Teil dieses Stroms in das Netz einspeisen, statt ihn vollständig direkt zu nutzen.

(6)  Verordnung (EU) 2019/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 über den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. L 158 vom 14.6.2019, S. 54).

(7)  Richtlinie (EU) 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU (ABl. L 158 vom 14.6.2019, S. 125).


ANHANG

Vorteile einer von den Mitgliedstaaten auf zentraler Ebene eingerichteten E-Agentur

Image 1

Kauft zu unterschiedlichen Preisen je nach Beschaffungsquelle

Ermöglicht den Marktteilnehmern die Teilnahme an Ausschreibungen und bietet Sicherheit auf dem Markt

Verkauft zu einem langfristigen Festpreis

Gut für den Markt und die Verbraucher

Gewährleistet die Versorgungssicherheit auf der Grundlage eines geeigneten Energiemixes

Prüfung und Steuerung der internationalen Beschaffung von Brennstoffen

Sicherstellung der Deckung der Stromnachfrage angesichts des prognostizierten Anstiegs um das Zwei- bis Dreifache (Elektrifizierung)

Finanzierung, Einführung und Verwaltung neuer Technologien vor dem Hintergrund des bestehenden und des erwarteten Wachstums im Hinblick auf Nachhaltigkeit

Regierung behält die Kontrolle und Marktfreiheit wird gewährleistet