Brüssel, den 6.9.2022

COM(2022) 661 final

2022/0273(NLE)

Vorschlag für einen

BESCHLUSS DES RATES

über die vollständige Aussetzung der Anwendung des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Erleichterung der Ausstellung von Visa für Bürger der Europäischen Union und für Staatsangehörige der Russischen Föderation


BEGRÜNDUNG

1.KONTEXT DES VORSCHLAGS

Gründe und Ziele des Vorschlags

Das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Erleichterung der Ausstellung von Visa für Bürger der Europäischen Union und für Staatsangehörige der Russischen Föderation (im Folgenden „Visaerleichterungsabkommen“) 1 trat am 1. Juni 2007 in Kraft. Zweck des Visaerleichterungsabkommens ist die Erleichterung der Erteilung von Visa für einen geplanten Aufenthalt von höchstens 90 Tagen pro Zeitraum von 180 Tagen für Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union und Staatsangehörige der Russischen Föderation auf der Grundlage der Gegenseitigkeit. Die Europäische Union hat nur mit einer begrenzten Anzahl ausgewählter Drittstaaten Visaerleichterungsabkommen geschlossen. Diese Abkommen müssen auf einer erwiesenen gegenseitigen Partnerschaft zwischen der EU und dem jeweiligen Staat beruhen und gründen auf der gegenseitigen Achtung gemeinsamer Werte.

Im Jahr 2011 wurden Verhandlungen über eine Überarbeitung des Visaerleichterungsabkommens aufgenommen, um den Änderungen des Rechtsrahmens der EU und den Erfahrungen mit der Umsetzung des Visaerleichterungsabkommens Rechnung zu tragen. Parallel dazu wurde ein Dialog über „Gemeinsame Maßnahmen im Hinblick auf die Visaliberalisierung“ eingeleitet. Beide Initiativen wurden infolge der rechtswidrigen Annexion der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol durch Russland im Jahr 2014 ausgesetzt. 2  

Als Reaktion auf diese rechtswidrige Annexion im Jahr 2014 und auf die anhaltenden destabilisierenden Handlungen in der Ostukraine hat die Europäische Union Folgendes eingeführt: i) Wirtschaftssanktionen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, und die mit der unvollständigen Umsetzung der Minsker Vereinbarungen im Zusammenhang stehen; ii) Sanktionen wegen Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen; iii) Sanktionen als Reaktion auf die rechtswidrige Annexion der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol durch die Russische Föderation.

Die Entscheidung der Russischen Föderation, die nicht von der Regierung kontrollierten Gebiete der ukrainischen Oblaste Donezk und Luhansk als unabhängig anzusehen, und die Entscheidung, russische Truppen in die Ukraine zu entsenden – ein ungerechtfertigter und unprovozierter militärischer Angriff auf die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine – stellen einen schweren Verstoß gegen das Völkerrecht und internationale Übereinkünfte, darunter die Charta der Vereinten Nationen, die Schlussakte von Helsinki, die Charta von Paris und das Budapester Memorandum dar.

Als Unterzeichner der Minsker Vereinbarungen ist Russland eindeutig und unmittelbar dafür verantwortlich, auf eine friedliche Beilegung des Konflikts hinzuarbeiten. Mit der Entscheidung, die nicht von der Regierung kontrollierten Regionen der Ostukraine als unabhängig anzusehen, hat Russland eindeutig gegen die Minsker Vereinbarungen verstoßen, in denen die vollständige Rückkehr dieser Gebiete unter die Kontrolle der ukrainischen Regierung vorgesehen ist.

Als Reaktion auf die Maßnahmen Russlands einigte sich die EU am 23. Februar 2022 einstimmig auf ein erstes Sanktionspaket, das Russland zusätzliche Kosten verursachte. Das Paket umfasste individuelle Sanktionen, finanzielle Beschränkungen sowie Beschränkungen der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und den nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten der ukrainischen Oblaste Donezk und Luhansk.

Am 24. Februar 2022 verurteilte der Europäische Rat den grundlosen und ungerechtfertigten militärischen Angriff Russlands auf die Ukraine aufs Schärfste und brachte – wie seine internationalen Partner – die uneingeschränkte Solidarität der Europäischen Union mit der Ukraine und ihrer Bevölkerung zum Ausdruck. Russland verstößt seitdem durch seinen rechtswidrigen militärischen Angriff weiterhin aufs Gröbste gegen das Völkerrecht, begeht Gräueltaten gegen die ukrainische Bevölkerung und untergräbt die Sicherheit und Stabilität in Europa sowie weltweit. Der Europäische Rat forderte Russland zudem auf, seine militärischen Handlungen unverzüglich einzustellen, alle Streitkräfte und militärischen Ausrüstungen bedingungslos aus dem gesamten Hoheitsgebiet der Ukraine abzuziehen und die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen uneingeschränkt zu achten.  3

In der Folge reagierte die Union mit weiteren Sanktionspaketen, die unter anderem das Einfrieren von Vermögenswerten und Reiseverbote für bestimmte Personen vorsahen. Ferner beschloss die Union restriktive Maßnahmen in den Bereichen Finanzen, Energie, Verkehr und Technologie. Daneben ergriff sie zusätzliche Maßnahmen, insbesondere die teilweise Aussetzung der Anwendung des Visaerleichterungsabkommens 4 . Dadurch wurden Erleichterungen in Bezug auf die einzureichenden Belege, die Visumgebühr, die Erteilung von Visa für die mehrfache Einreise und die Dauer der Verfahren für die Bearbeitung von Visumanträgen ausgesetzt. Die Maßnahme betraf Inhaber russischer Diplomatenpässe, russische Regierungsbeamte, Geschäftsleute und Vertreter von Unternehmensverbänden.

Seit Beginn des groß angelegten russischen Angriffs auf die Ukraine hat sich die Lage erheblich verschlechtert – mit tragischen humanitären Folgen für die Zivilbevölkerung und Beschädigung der Infrastruktur – und Russland hat seine vollständige oder teilweise Besetzung der östlichen und südlichen Regionen der Ukraine noch ausgeweitet. Millionen von Ukrainerinnen und Ukrainern mussten über die Landgrenzen fliehen; Flugrouten stehen nicht zur Verfügung. Als direkte Folge der groß angelegten Invasion nahm die Zahl der Grenzübertritte an der ukrainischen Grenze in die Nachbarländer stetig zu. Am 23. August wurde nach Angaben des UNHCR die Zahl von 11 Millionen überschritten, wobei rund 10 Millionen Personen in die EU eingereist sind.

Auf der informellen Tagung der Außenminister vom 31. August erachteten die Mitgliedstaaten es für notwendig, das Visaerleichterungsabkommen ganz auszusetzen, um die Zahl der neuen Visa, die russischen Staatsangehörigen von den EU-Mitgliedstaaten erteilt werden, erheblich zu verringern und um etwaiges Visa-Shopping durch russische Staatsangehörige zu verhindern.

Die EU kann Russland, das einen derartigen Angriffskrieg führt und die internationale regelbasierte Ordnung vollständig missachtet, nicht als Partnerstaat für ein Visaerleichterungsabkommen betrachten, solange es weiterhin eine destruktive Außenpolitik verfolgt und militärische Angriffe auf ein EU-Bewerberland verübt.

2.    VORGESCHLAGENE MAẞNAHMEN

Militärische Angriffe auf ein an die Europäische Union grenzendes Land rechtfertigen Maßnahmen zum Schutz der wesentlichen Sicherheitsinteressen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten.

Die Russische Föderation gefährdet nicht nur ihre Beziehungen zur Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten, sondern verstößt auch gegen die Minsker Vereinbarungen, indem sie unter Missachtung ihrer internationalen Pflichten die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergräbt.

Zudem verletzt die Russische Föderation in den vom russischen Militär besetzten ukrainischen Regionen mit ihrem Vorgehen, die dortige ukrainische Bevölkerung zur Verwendung des russischen internationalen Reisepasses zu zwingen, die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine.

Nach Artikel 15 Absatz 5 des Visaerleichterungsabkommens kann jede Vertragspartei das Abkommen aus Erwägungen der öffentlichen Ordnung, der nationalen Sicherheit oder des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung ganz oder teilweise aussetzen. Durch den russischen Einmarsch in die Ukraine wurden alle diese Kriterien berührt. Russlands eklatante Missachtung der internationalen regelbasierten Ordnung stellt eine große Gefahr für die öffentliche Ordnung dar. Darüber hinaus bestehen spezifische Risiken, wie beispielsweise die Reisefreiheit von Bewohnern von besetzten ukrainischen Gebieten, die dem russischen Regime nahestehen und internationale Reisepässe der Russischen Föderation erhalten können. Dieser militärische Angriff trägt zur Entwicklung der organisierten Kriminalität und zur Verbreitung illegaler Waffen bei und gefährdet dadurch die Sicherheitsinteressen der Union sowie die nationale Sicherheit der Mitgliedstaaten. Die erhöhten Risiken aufgrund der Nutzung des Kernkraftwerks Saporischschja als Militäranlage durch die Russische Föderation stellen eine lebensbedrohende Gefahr dar.

Ganz allgemein ist die Entscheidung, in die Ukraine einzumarschieren und den militärischen Angriff fortzusetzen, mit einer vertrauensvollen Beziehung zwischen der EU und der Russischen Föderation unvereinbar. Visaerleichterungsabkommen wurden nur mit einer begrenzten Zahl ausgewählter Drittstaaten geschlossen und beruhen auf einer gegenseitigen Partnerschaft zwischen der EU und dem betreffenden Staat. Ein Staat, der einen unprovozierten und ungerechtfertigten Angriffskrieg führt, sollte nicht mehr für Visaerleichterungen infrage kommen. Daher ist es gerechtfertigt, das Visaerleichterungsabkommen in Bezug auf sämtliche Staatsangehörigen der Russischen Föderation ganz auszusetzen.

Die Aussetzung betrifft auch Kategorien von Reisenden wie Journalisten, Schüler, Studierende und Forscher, die infolge des ausgesetzten Visaerleichterungsabkommens nicht mehr von Erleichterungen profitieren können. Angesichts der Bedeutung, die solche Kategorien von Reisenden für die EU haben, und im Hinblick auf die Fortführung persönlicher Kontakte wird die Kommission in künftigen Leitlinien zu allgemeinen Visumfragen mit Russland auf diesen Aspekt eingehen.

Sobald der Ratsbeschluss in Kraft tritt, werden die im Visaerleichterungsabkommen vorgesehenen Regelungen ausgesetzt. Folglich gelten stattdessen die allgemeinen Bestimmungen des Visakodexes.

3.RECHTSGRUNDLAGE, SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄẞIGKEIT

Rechtsgrundlage

Die materiellrechtliche Grundlage dieses Vorschlags ist Artikel 77 Absatz 2 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

Ferner ist in Artikel 15 Absatz 5 des Visaerleichterungsabkommens Folgendes festgelegt: „Jede Vertragspartei kann das Abkommen aus Erwägungen der öffentlichen Ordnung, der nationalen Sicherheit oder des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung ganz oder teilweise aussetzen. Die Entscheidung über die Aussetzung wird der anderen Vertragspartei spätestens 48 Stunden vor ihrem Inkrafttreten mitgeteilt. Die Vertragspartei, die die Anwendung des Abkommens ausgesetzt hat, informiert die andere Vertragspartei unverzüglich über das Entfallen der für die Aussetzung ausschlaggebenden Gründe.“

Subsidiarität (bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit)

entfällt

Verhältnismäßigkeit

Der vorliegende Vorschlag steht in einem angemessenen Verhältnis zu der Notwendigkeit, die Sicherheit der Union und der Mitgliedstaaten zu schützen und auf den unprovozierten und ungerechtfertigten militärischen Angriff Russlands auf die Ukraine zu reagieren. Angesichts der sich aufgrund militärischer Handlungen der Russischen Föderation verschlechternden Sicherheitslage in der Ukraine und der erhöhten Risiken, die diese Handlungen für die Europäische Union darstellen, ist es verhältnismäßig, das Visaerleichterungsabkommen vollständig auszusetzen.

4.ERGEBNISSE DER EX-POST-BEWERTUNG, DER KONSULTATION DER INTERESSENTRÄGER UND DER FOLGENABSCHÄTZUNG

Die Mitgliedstaaten haben die vollständige Aussetzung des Visaerleichterungsabkommens in der Sitzung der Gruppe „Visa“ vom 13. Juli 2022 erörtert. Ferner äußerten die Mitgliedstaaten ihre Standpunkte zu der Aussetzung auf der informellen Tagung der Außenminister (Gymnich) vom 31. August 2022 und erzielten dort eine politische Einigung über die vollständige Aussetzung des Abkommens.

5.AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT

Der Vorschlag hat keine zusätzlichen Kosten für den EU-Haushalt zur Folge.

6.WEITERE ANGABEN

Durchführungspläne sowie Monitoring-, Bewertungs- und Berichterstattungsmodalitäten

Die Durchführung der Maßnahme wird von der Kommission überwacht, insbesondere im Rahmen der Schengen-Evaluierungen.

Ausführliche Erläuterung einzelner Bestimmungen des Vorschlags

Mit dem Vorschlag sollen die im Visaerleichterungsabkommen vorgesehenen Erleichterungen für russische Staatsangehörige vollständig ausgesetzt werden. Dies betrifft die vom Antragsteller vor der Reise einzureichenden Belege, die Höhe der Visumgebühr, die Erteilung von Mehrfachvisa und die Dauer der Verfahren für die Bearbeitung von Visumanträgen. Die Erleichterungen bezüglich dieser verschiedenen Elemente werden nicht mehr gelten; stattdessen werden für russische Staatsangehörige die Standardvorschriften des Visakodexes in Bezug auf die Visumgebühr (Artikel 16 des Visakodexes), die Höchstdauer für die Bearbeitung von Visumanträgen (Artikel 23), die Erteilung von Visa für die mehrfache Einreise (Artikel 24 Absatz 2) und die vom Antragsteller vor der Reise einzureichenden Belege (Artikel 14) 5 gelten.

 

2022/0273 (NLE)

Vorschlag für einen

BESCHLUSS DES RATES

über die vollständige Aussetzung der Anwendung des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Erleichterung der Ausstellung von Visa für Bürger der Europäischen Union und für Staatsangehörige der Russischen Föderation

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 77 Absatz 2 Buchstabe a und Artikel 218 Absatz 9,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)Das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Erleichterung der Ausstellung von Visa für Bürger der Europäischen Union und für Staatsangehörige der Russischen Föderation 6 (im Folgenden „Abkommen“) ist gleichzeitig mit dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme 7 am 1. Juni 2007 in Kraft getreten.

(2)Zweck des Abkommens ist die Erleichterung der Erteilung von Visa für einen geplanten Aufenthalt von höchstens 90 Tagen pro Zeitraum von 180 Tagen für Bürger der Europäischen Union und Staatsangehörige der Russischen Föderation auf der Grundlage der Gegenseitigkeit. Das Bestreben, die zwischenmenschlichen Kontakte als wichtige Voraussetzung für einen steten Ausbau der wirtschaftlichen, humanitären, kulturellen, wissenschaftlichen und sonstigen Beziehungen zu fördern, wird in der Präambel des Abkommens hervorgehoben.

(3)Nach Artikel 15 Absatz 5 des Abkommens kann jede Vertragspartei das Abkommen aus Erwägungen der öffentlichen Ordnung, der nationalen Sicherheit oder des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung ganz oder teilweise aussetzen. Die Entscheidung über die Aussetzung muss der anderen Vertragspartei spätestens 48 Stunden vor ihrem Inkrafttreten mitgeteilt werden. Die Vertragspartei, die die Anwendung des Abkommens ausgesetzt hat, muss die andere Vertragspartei unverzüglich über das Entfallen der für die Aussetzung ausschlaggebenden Gründe informieren.

(4)Als Reaktion auf die rechtswidrige Annexion der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol durch die Russische Föderation im Jahr 2014 und auf ihre anhaltenden destabilisierenden Handlungen in der Ostukraine hat die Europäische Union als Antwort auf die Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, bereits Wirtschaftssanktionen, die mit der unvollständigen Umsetzung der Minsker Vereinbarungen im Zusammenhang stehen, eingeführt sowie Sanktionen im Hinblick auf Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, und Sanktionen als Reaktion auf die rechtswidrige Annexion der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol durch die Russische Föderation.

(5)Als Unterzeichner der Minsker Vereinbarungen hatte die Russische Föderation die klare und direkte Verantwortung, auf eine friedliche Beilegung des Konflikts im Einklang mit diesen Grundsätzen hinzuarbeiten. Mit der Entscheidung, die nicht von der Regierung kontrollierten Regionen der Ostukraine als unabhängig anzuerkennen, hat die Russische Föderation eindeutig gegen die Minsker Vereinbarungen verstoßen, in denen die vollständige Rückkehr dieser Gebiete unter die Kontrolle der ukrainischen Regierung vorgesehen ist.

(6)Die Entscheidung der Russischen Föderation, die nicht von der Regierung kontrollierten Gebiete der ukrainischen Oblaste Donezk und Luhansk als unabhängig anzuerkennen, und die darauf folgende Entscheidung, russische Truppen in die Ukraine zu entsenden, untergraben die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine weiter und stellen einen schweren Verstoß gegen das Völkerrecht und internationale Übereinkünfte dar, darunter die Charta der Vereinten Nationen, die Schlussakte von Helsinki, die Charta von Paris und das Budapester Memorandum.

(7)Seit dem Beginn des unprovozierten und ungerechtfertigten Angriffs Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat sich die Lage verschlechtert, und Russland hat seine vollständige oder teilweise Besetzung in den östlichen und südlichen Regionen der Ukraine ausgeweitet. Ferner nutzt Russland das größte Kernkraftwerk der Ukraine in Saporischschja als Militäranlage, was Risiken für einen schweren nuklearen Zwischenfall mit Auswirkungen auf Nachbarländer, einschließlich Mitgliedstaaten, birgt.

(8)Am 24. Februar 2022 verurteilte der Europäische Rat den unprovozierten und ungerechtfertigten militärischen Angriff Russlands auf die Ukraine aufs Schärfste und brachte – wie seine internationalen Partner – die uneingeschränkte Solidarität mit der Ukraine und ihrer Bevölkerung zum Ausdruck. Durch seine rechtswidrigen militärischen Handlungen verstößt Russland massiv gegen das Völkerrecht und gefährdet die Sicherheit und Stabilität Europas und der Welt. Als Reaktion auf den unprovozierten und ungerechtfertigten militärischen Angriff Russlands erließ die Union am 25. Februar weitere restriktive Maßnahmen und setzte die Anwendung des Abkommens teilweise aus. 8

(9)Ein militärischer Angriff in einem an die Europäische Union angrenzenden Land wie der in der Ukraine, der zu den restriktiven Maßnahmen geführt hat, rechtfertigt Maßnahmen zum Schutz der wesentlichen Sicherheitsinteressen der Union und ihrer Mitgliedstaaten.

(10)Zudem verstößt die Russische Föderation gegen die Minsker Vereinbarungen, indem sie die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergräbt. Dies steht im Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen der Russischen Föderation.

(11)Die militärischen Handlungen der Russischen Föderation in der Ukraine haben die Bedrohungen für die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit und die öffentliche Gesundheit der Mitgliedstaaten verstärkt.

(12)Angesichts der sich verschlechternden Lage infolge des militärischen Angriffs Russlands auf die Ukraine ist der Rat daher der Auffassung, dass die Anwendung der Bestimmungen des Abkommens, die Erleichterungen für Staatsangehörige der Russischen Föderation vorsehen, die ein Visum für einen kurzfristigen Aufenthalt beantragen, vollständig ausgesetzt werden sollte.

(13)Dieser Beschluss stellt eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands dar, an denen sich Irland gemäß dem Beschluss 2002/192/EG des Rates nicht beteiligt; Irland beteiligt sich daher nicht an der Annahme dieses Beschlusses und ist weder durch diesen Beschluss gebunden noch zu seiner Anwendung verpflichtet.

(14)Nach den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieses Beschlusses und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die Anwendung der Bestimmungen des Abkommens wird in Bezug auf Staatsangehörige der Russischen Föderation vollständig ausgesetzt.

Artikel 2

Der Beschluss (EU) 2022/333 des Rates wird durch den vorliegenden Beschluss ersetzt.

Dieser Beschluss tritt am zweiten Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union und seiner Mitteilung an die Russische Föderation in Kraft.

Geschehen zu Brüssel am […]

   Im Namen des Rates

   Der Präsident/Die Präsidentin

(1)    Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Erleichterung der Ausstellung von Visa für Bürger der Europäischen Union und für Staatsangehörige der Russischen Föderation (ABl. L 129 vom 17.5.2007).
(2)    Schlussfolgerungen des Rates zur Ukraine, Tagung des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ vom 3. März 2014 in Brüssel.
(3)    Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 24. Februar 2022.
(4)    Beschluss (EU) 2022/333 des Rates
(5)    Durchführungsbeschluss C(2016) 3347 final der Kommission vom 6. Juni 2016 über die Erstellung der Liste der von Visumantragstellern in Iran, Irak und der Russischen Föderation einzureichenden Belege.
(6)    ABl. L 129 vom 17.5.2007.
(7)    Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme (ABl. L 129 vom 17.5.2007).
(8)    Beschluss (EU) 2022/333 des Rates.