30.12.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 498/45


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Achter Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt

(2022/C 498/09)

Berichterstatterin:

Nathalie SARRABEZOLLES (FR/SPE) Mitglied des Departementrates des Departements Finistère

Referenzdokumente:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zum achten Kohäsionsbericht: Kohäsion in Europa bis 2050

COM(2022) 34 final

SWD(2022) 24 final

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN (AdR)

1.

begrüßt die Veröffentlichung des Achten Kohäsionsberichts, in dem sowohl die wichtigsten Entwicklungen und die territorialen Ungleichheiten der europäischen Regionen in den letzten zehn Jahren dargestellt als auch die Grundlagen für die Debatte über die Zukunft der Kohäsion nach 2027 gelegt werden;

2.

teilt die Analyse der Europäischen Kommission hinsichtlich der beispiellosen Umstände, mit denen die Europäische Union konfrontiert ist: Die COVID-19-Pandemie und die im Kohäsionsbericht als neue wichtige Tendenzen eingestuften Entwicklungen wie der Klimawandel und die digitale Hyperkonnektivität führen zu neuen territorialen Ungleichheiten und schüren die „Geografie der Unzufriedenheit“ in Europa;

3.

stellt fest, dass sich hinter der langsam wieder einsetzenden Konvergenz der letzten Jahre sehr unterschiedliche Tendenzen verbergen: Mehrere weniger entwickelte Regionen sowie Übergangsregionen in Süd- und Nordwesteuropa haben ein geringes bzw. ein negatives Wachstum zu verzeichnen. Zugleich ist das regionale Wachstum in Osteuropa nach wie vor teils von erheblichen Unterschieden zwischen den Hauptstadtregionen und den übrigen Regionen geprägt;

4.

unterstreicht die Auswirkungen des Brexits auf die europäische Wirtschaft und insbesondere auf die interregionale Zusammenarbeit, die Forschungs- und Bildungsökosysteme sowie auf die Demografie in zahlreichen europäischen Regionen;

5.

weist auf den Kohäsionsbedarf in Europa hin, der durch den Krieg in der Ukraine an den Grenzen Europas noch verstärkt wird;

6.

fordert die Kommission deshalb zu offenen und strategischen Überlegungen über den Beitrag der Kohäsionspolitik nach 2027 im Zusammenspiel der europäischen Politikbereiche auf;

Kohäsionspolitik als langfristige Entwicklungspolitik

7.

ist der Ansicht, dass die im Kohäsionsbericht festgestellten regionalen Ungleichheiten die Legitimität der in den Verträgen verankerten Kohäsionspolitik voll und ganz bestärken, nämlich das Wohlstands- und Entwicklungsgefälle zwischen den Regionen der Europäischen Union zu verringern;

8.

begrüßt daher die im Kohäsionsbericht enthaltene Analyse der Auswirkungen der Kohäsionspolitik im Zeitraum 2014-2020 auf Investitionen in den einzelnen Gebieten der Europäischen Union;

9.

stellt fest, dass die Kohäsionspolitik seit jeher häufig eine entscheidende Rolle dabei spielt, angesichts sinkender nationaler Investitionen ausreichende öffentliche Investitionen aufrechtzuerhalten;

10.

weist darauf hin, dass sich die positiven Auswirkungen der durch die Kohäsionspolitik geförderten Investitionen, wie in Kapitel 9 des Kohäsionsberichts hervorgehoben, langfristig zeigen;

11.

weist ferner darauf hin, dass bestimmte Vorhaben aufgrund der spezifischen kohäsionspolitischen Programmplanung bis zu drei Jahre nach Ablauf eines Programmplanungszeitraums finanziert werden können, was einen Vergleich mit den anderen europäischen Programmen mit direkter Mittelverwaltung unmöglich macht;

12.

betont die Wirksamkeit der Kohäsionspolitik bei der Bewältigung der COVID-19-Pandemie, insbesondere durch die seit April 2020 eingeführten Flexibilitätsmaßnahmen (die beiden Pakete „Investitionsinitiative zur Bewältigung der Coronavirus-Krise“ (CRII));

13.

hält es jedoch für wesentlich, mit der Kohäsionspolitik weiterhin die Stärkung des territorialen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in Europa anzustreben;

Definition des Konzepts „Dem Zusammenhalt nicht schaden“

14.

sieht Chancen infolge der Einführung eines neuen Konzepts in den Kohäsionsbericht, mit dem ein Gesamtansatz der Kohäsionspolitik auf alle territorial wirksamen öffentlichen EU-Maßnahmen ausgedehnt werden soll;

15.

betont, dass seine Initiative, die Rolle des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts als Grundwert der Europäischen Union aufzuzeigen, mit diesem Konzept uneingeschränkt unterstützt wird;

16.

ist der Ansicht, dass mit diesem Konzept in jeder europäischen Maßnahme der Vielfalt der unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten in der Europäischen Union Rechnung getragen, deren Wirksamkeit gesteigert sowie das Handeln der Europäischen Union bei den Bürgerinnen und Bürgern bekannter gemacht werden könnte;

17.

lehnt jedoch eine zu restriktive Auslegung dieses Konzepts ab, wonach es nur für operationelle Programm und nicht einmal für Partnerschaftsvereinbarungen gelten soll; weist die Europäische Kommission nachdrücklich darauf hin, dass das Prinzip „Dem Zusammenhalt nicht schaden“ für alle EU-Maßnahmen gelten muss, um den Auswirkungen bestimmter Strategien oder europäischer Programme, die dem Zusammenhalt nicht dienen, zu begegnen;

18.

unterstützt insbesondere die Aussage des Kohäsionsberichts, dass mit der Aufbau- und Resilienzfazilität der Zusammenhalt in Europa gefördert werden muss;

19.

fordert von den Mitgliedstaaten und der Kommission, dass der auf Multi-Level-Governance und Partnerschaft basierende Ansatz der Kohäsionspolitik direkt in die Aufbau- und Resilienzfazilität und ihr etwaiges Nachfolgeprogramm integriert wird;

20.

betont ferner, dass die Synergien zwischen der Kohäsionspolitik und dem Programm Horizont Europa besser aufeinander abgestimmt und intensiviert werden müssen, um die Innovation in allen europäischen Regionen zu stärken und so deren Forschungs- und Innovationskapazitäten auszubauen, was es der EU ermöglicht, durch Investitionen in regionale Exzellenz im internationalen Wettbewerb mitzuhalten und für Regionen mit mittlerem Einkommen ein Ausweg aus der Entwicklungsfalle sein kann;

21.

weist deshalb darauf hin, dass die von der Entwicklungsfalle der Regionen mit mittlerem Einkommen betroffenen Gebiete entweder aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dieser Kategorie oder durch einen erleichterten Zugang zu den Instrumenten der territorialen Zusammenarbeit im Bereich der Innovation besonders unterstützt werden sollten;

22.

fordert, den auf Strategien für intelligente Spezialisierung basierenden Ansatz zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Innovationsökosystems auf der Grundlage ortsbezogener Strategien sowie des Ausbaus der territorialen Zusammenarbeit zu konsolidieren;

23.

ruft die Europäische Kommission dazu auf, das Konzept „Dem Zusammenhalt nicht schaden“ zu definieren und zu einem effektiven Instrument für die Bewertung der Auswirkungen der europäischen Maßnahmen auf den Zusammenhalt in Europa zu machen; schlägt vor, die in der Mitteilung „Eine langfristige Vision für die ländlichen Gebiete der EU“ vorgesehene Prüfung der Auswirkungen auf den ländlichen Raum in dieses Instrument zu integrieren, um den Besonderheiten dieser Gebiete Rechnung zu tragen; fordert die Europäische Kommission auf, spezifische Leitlinien für die praktische Umsetzung dieses Konzepts, auch durch einen Rechtsakt, zu entwickeln und dazu den Europäischen Ausschuss der Regionen zu konsultieren;

Kohäsionspolitik als Kernstück einer langfristigen europäischen Strategie

24.

weist darauf hin, dass die Kohäsionspolitik zwar entscheidend für die Verwirklichung des europäischen Grünen Deals und der europäischen Säule sozialer Rechte, jedoch nicht Teil einer veritablen langfristigen europäischen Strategie ist — anders als die Kohäsionspolitik 2014-2020, die unmittelbar mit der Verwirklichung der Ziele der Strategie Europa 2020 verknüpft war;

25.

fordert die Europäische Kommission deshalb auf, eine neue langfristige europäische Strategie für 2030 auszuarbeiten, in der die Erfordernisse des ökologischen und des digitalen Wandels miteinander verknüpft werden und zugleich der wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenhalt der EU gestärkt wird; betont, dass diese Strategie den Rahmen für alle europäischen Maßnahmen und Fonds zur Förderung von Investitionen nach dem durch den Kohäsionsbericht eingeführten Grundsatz „Dem Zusammenhalt nicht schaden“ bilden sollte;

26.

bedauert, dass es an Instrumenten zur Koordinierung und Verknüpfung der Aufbau- und Resilienzfazilität und der Kohäsionspolitik fehlt sowie Überschneidungen und Verdrängungseffekte möglich sind, da es keinen wirksamen Mechanismus zur Überprüfung der Zusätzlichkeit der Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität gibt;

27.

betont, dass die europäischen Investitionsmaßnahmen gleichrangig sein müssen, um eine Konkurrenz zwischen den verschiedenen europäischen Maßnahmen vor Ort zu vermeiden, da die Regeln für staatliche Beihilfen derzeit ein Hindernis für die Umsetzung der Kohäsionspolitik im Vergleich zu anderen Politikbereichen sind;

28.

fordert die Europäische Kommission in diesem Zusammenhang zu grundlegenden Überlegungen auf, um den europäischen Rechtsrahmen für staatliche Beihilfen so weiterzuentwickeln, dass für die aus den einzelnen europäischen Programmen und Fonds geförderten Vorhaben dieselben Regeln gelten;

Definition einer besseren Integration der Kohäsionspolitik in das Europäische Semester

29.

stellt fest, dass im Kohäsionsbericht nicht auf den Zusammenhang zwischen der Kohäsionspolitik und der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU eingegangen wird, obwohl das Europäische Semester für die Umsetzung der Kohäsionspolitik im Programmplanungszeitraum 2021-2027 immer wichtiger wird;

30.

begrüßt die Aufnahme eines neuen Abschnitts über territoriale Ungleichheiten in die Länderberichte des im Mai 2022 veröffentlichten Frühjahrspakets des Europäischen Semesters, sofern damit ausschließlich die Stärkung des territorialen Zusammenhalts in Europa und nicht die Auferlegung von Strukturreformen angestrebt wird, die in keinerlei Zusammenhang zu den langfristigen Zielen der Kohäsionspolitik stehen;

31.

ruft die Kommission zu weiteren Bemühungen auf, um die Herausforderungen des territorialen Zusammenhalts der europäischen Gebiete und Regionen in den Länderberichten sowie in den entsprechenden länderspezifischen Empfehlungen stärker zu berücksichtigen;

32.

fordert umfassendere Überlegungen zur Reform des derzeitigen Rahmens für die wirtschaftspolitische Koordinierung, um die Integration des Grundsatzes „Dem Zusammenhalt nicht schaden“ in die einzelnen Phasen des Europäischen Semesters sowie eine bessere Einbindung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu ermöglichen;

33.

stellt auf der Grundlage des Achten Kohäsionsberichts fest, dass das Defizit öffentlicher Investitionen in der Europäischen Union versteckte Schulden darstellt; bekräftigt deshalb erneut seine bereits häufig erhobene Forderung nach einer „goldenen Kofinanzierungsregel“: die im Zuge der Kofinanzierung der Struktur- und Investitionsfonds von den Mitgliedstaaten und Gebietskörperschaften getätigten öffentlichen Ausgaben sollten, unter Einhaltung der Kofinanzierungsgrenzen der EU, nicht als strukturelle öffentliche oder gleichgestellte Ausgaben gemäß der Definition im Stabilitäts- und Wachstumspakt gelten; betont, dass öffentliche Investitionen, etwa in den nachhaltigen ökologischen, digitalen und sozialen Wandel sowie in die Aufrechterhaltung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit, für künftige Generationen wesentlich sind und deshalb hinsichtlich der öffentlichen Investitionen, auch durch geänderte europäische Rechnungslegungsvorschriften, angemessen geregelt werden sollten;

34.

bekräftigt seine in früheren Stellungnahmen (1) erhobene Forderung nach einem Verhaltenskodex für die Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in das Europäische Semester, der nötig ist, um das Europäische Semester transparenter, inklusiver und demokratischer sowie durch die Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften wirksamer zu gestalten. Auf diese Weise wird die Eigenverantwortung auf lokaler und regionaler Ebene gestärkt und somit die Umsetzung der gewünschten Wirtschaftsreformen in den Mitgliedstaaten verbessert;

Ein neuer strategischer Rahmen für die europäischen Struktur- und Investitionsfonds …

35.

stellt eine gewisse Tendenz zur Zunahme von Investitionsfonds auf europäischer Ebene fest, darunter einige in direkter Mittelverwaltung, in geteilter Mittelverwaltung (wie die europäischen Struktur- und Investitionsfonds — ESI-Fonds) oder mit einer führenden Rolle des Staates bei ihrer Umsetzung (aus der Aufbau- und Resilienzfazilität geförderte nationale Aufbau- und Resilienzpläne);

36.

ist besorgt über die derzeitige Tendenz, immer mehr Mittel aus den ESI-Fonds auf andere Maßnahmen oder Programme wie die nationalen Aufbau- und Resilienzpläne oder auf direkt verwaltete Programme wie Horizont Europa zu übertragen; spricht sich deshalb entschieden gegen die Übertragung eines Teils der Mittel der Kohäsionspolitik und des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) auf die Aufbau- und Resilienzfazilität aus, denn dieses auf Artikel 175 AEUV basierende Instrument soll die kohäsionspolitischen Maßnahmen zur Erreichung der Ziele von Artikel 174 AEUV ergänzen und nicht umgekehrt; weist zudem darauf hin, dass die Kohäsionspolitik bereits maßgeblich zu den europäischen grünen Investitionen und zur Unabhängigkeit der Energieversorgung der EU beiträgt; stellt deshalb abschließend fest, dass die Rezentralisierung der europäischen Fonds durch die Übertragung der oben genannten Mittel auf die Aufbau- und Resilienzfazilität nicht gerechtfertigt ist;

37.

stellt zwei negative Folgen dieser Tendenz fest: Sie trägt dazu bei, zum einen die Wirksamkeit der Kohäsionspolitik als langfristiger Entwicklungspolitik zu schwächen und zum anderen sie im mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union zur bloßen Haushaltslinie zu degradieren;

38.

fordert die Europäische Kommission deshalb auf, einen neuen strategischen Rahmen für den Zeitraum nach 2027 auszuarbeiten, der auf Partnerschaft und Multi-Level-Governance ausgerichtet ist und allgemeine Bestimmungen für sämtliche EU-Investitionsfonds mit territorialer Dimension enthält, d. h. die ESI-Fonds, den möglichen künftigen Klima-Sozialfonds, den ELER und gegebenenfalls die künftige Aufbau- und Resilienzfazilität;

39.

betont insbesondere, dass der ELER wieder in diesen neuen strategischen Rahmen aufgenommen werden muss;

40.

fordert ferner, den Europäischen Sozialfonds (ESF) künftig besonders zu berücksichtigen, um seine territoriale Dimension zu steigern, und die Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei seiner Umsetzung aufzuwerten;

… für eine effektiv vereinfachte Umsetzung der ESI-Fonds …

41.

stellt fest, dass der kohäsionspolitische Rechtsrahmen für den Zeitraum 2021-2027 erhebliche Vereinfachungsmaßnahmen wie etwa die Ausweitung der vereinfachten Kostenoptionen enthält, die nach ihrer Anwendung im Rahmen des Programmplanungszeitraums 2021-2027 bewertet werden müssen;

42.

weist jedoch darauf hin, dass infolge der zunehmenden Zahl der Fonds, Bestimmungen, Fristen und Durchführungsmodalitäten für die Fonds in geteilter Mittelverwaltung der Verwaltungsaufwand für die häufig auf regionaler Ebene tätigen Verwaltungsbehörden der Fonds in letzter Zeit gestiegen ist;

43.

stellt fest, dass dieser Verwaltungsaufwand zu Verzögerungen bei der Umsetzung der ESI-Fonds geführt hat, für die häufig die Regionen verantwortlich gemacht werden, so dass die Kohäsionspolitik von den europäischen Bürgerinnen und Bürgern nicht als wirksame Investitionspolitik wahrgenommen wird;

44.

weist auf die entscheidende Rolle der Regionen hin, wenn es darum geht, die Umsetzung der ESI-Fonds flexibler zu gestalten und sie mit einem ortsbezogenen Ansatz zu verknüpfen, um an die lokalen Bedingungen angepasste Entwicklungsstrategien zu unterstützen;

45.

fordert die Kommission nunmehr auf, unter Einbeziehung der Verwaltungsbehörden der ESI-Fonds auf regionaler Ebene einen langfristigen Reflexionsprozess zur Vereinfachung der Verwaltungs-, Kontroll- und Prüfvorschriften einzuleiten, der in eine echte Reform mit Blick auf das nächste kohäsionspolitische Legislativpaket für den Zeitraum nach 2027 mündet;

46.

bekräftigt seine Forderung nach einem Vertrauensvertrag zwischen der Europäischen Kommission und den für die Verwaltung der Kohäsionspolitik zuständigen Behörden, damit für Programme mit einer minimalen Restfehlerquote im Programmplanungszeitraum 2021-2027 vereinfachte Verwaltungs-, Kontroll- und Prüfvorschriften für den nächsten Programmplanungszeitraum gelten und die ESI-Fonds für die Projektträger somit wieder attraktiv werden;

… mit Schwerpunkt auf einer echten Vertrauenspartnerschaft mit den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften …

47.

stellt eine gewisse Zentralisierung der Kohäsionspolitik 2021-2027 sowie eine Gefährdung des Partnerschaftsprinzips und der Rolle der regionalen Gebietskörperschaften fest, wenn es darum geht, den Investitionsbedarf im Rahmen der operationellen Programme zu ermitteln;

48.

begrüßt die im Kohäsionsbericht formulierte Absicht, die Multi-Level-Governance und das Partnerschaftsprinzip zu stärken;

49.

unterstützt die kürzlich zu diesem Zweck eingeleitete Initiative für eine „European Community of Practice on Partnership“ 2021-2027, die den Europäischen Verhaltenskodex für Partnerschaften erheblich verbessern dürfte;

50.

betont den einzigartigen Ansatz der Kohäsionspolitik: Die operationellen Programme der ESI-Fonds beruhen auf einer lokalen Analyse des territorialen Bedarfs und durchlaufen einen vollständig partizipativen und demokratischen Prozess, anders als die durch die Aufbau- und Resilienzfazilität geförderten nationalen Konjunkturprogramme, die weitgehend ohne Einbeziehung der Regionen konzipiert wurden;

51.

fordert die Kommission deshalb auf, den Regionen bei der Verwaltung der Struktur- und Investitionsfonds mehr Mitsprache einzuräumen und die Rechtsvorschriften in Bezug auf die Partnerschaft, besonders für den Zeitraum nach 2027, zu stärken;

Kohäsionspolitik als Instrument zur Umkehr des Bevölkerungsrückgangs in Binnen-, ländlichen und Berggebieten

52.

ist besorgt über die fortschreitende Bevölkerungsalterung, die rückläufigen Geburtenraten und die Entvölkerung von Binnengebieten, insbesondere von ländlichen und Berggebieten;

53.

stellt fest, dass wirtschaftliche und soziale Störungen wie die zuletzt durch die COVID-19-Pandemie und den Krieg in der Ukraine verursachten Probleme die Zukunftsaussichten junger Menschen beeinträchtigen;

54.

betont, dass eine EU-Demografiestrategie festgelegt werden muss, bei der insbesondere die Chancen berücksichtigt werden, die die legalen Zuwanderungsströme in der Union bieten, und durch die zugleich die Koordinierung in Fragen der illegalen Einwanderung gestärkt sowie den Flüchtlingen Unterstützung und Schutz geboten wird;

Besondere Aufmerksamkeit für Gebiete mit dauerhaften geografischen Nachteilen

55.

bedauert, dass im Kohäsionsbericht nur oberflächlich auf die Herausforderungen für Regionen mit dauerhaften geografischen Nachteilen und für Gebiete in äußerster Randlage eingegangen wird;

56.

fordert, dass den Regionen mit dauerhaften geografischen Nachteilen gemäß der Definition in Artikel 174 AEUV, insbesondere Inselregionen, Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte sowie Grenz- und Bergregionen, und den Gebieten in äußerster Randlage in jedem Reformvorhaben für die Zukunft der Kohäsionspolitik besondere Aufmerksamkeit gilt;

57.

unterstreicht die wichtige Arbeit, die im Europäischen Parlament zur Frage des Zusammenhalts der Inseln geleistet wurde, und erkennt die Bedeutung eines europäischen Inselpakts an;

58.

begrüßt hinsichtlich der ländlichen Gebiete, dass die potenziell negativen Auswirkungen des demografischen Wandels auf den Zusammenhalt in Europa im Kohäsionsbericht anerkannt werden; fordert die Europäische Kommission deshalb auf, für die in Artikel 174 anerkannten Gebiete und für die Kooperation zwischen städtischen und ländlichen Gebieten künftig verstärkt Mittel und Instrumente der Kohäsionspolitik und der GAP-Strategiepläne unter Berücksichtigung des EU-weiten Bevölkerungs- und Flächenanteils ländlicher Gebiete einzusetzen, insbesondere unter Anwendung von Mindestschwellen, wobei jedes dieser Gebiete komparative und komplementäre Vorteile für eine harmonische territoriale Entwicklung aufweist;

59.

hebt zugleich die positive Rolle hervor, die Metropolregionen bei der Gewährleistung einer dem Zusammenhalt dienenden Entwicklung durch die Verteilung von Wohlstand und Nutzen in einem bestimmten Gebiet und die Schaffung effizienterer Verbindungen zwischen Stadt und Land spielen; bekräftigt, dass das Pro-Kopf-BIP kein vollständiges Bild von ihrem Entwicklungsstand vermittelt, und empfiehlt die Anwendung der Methode des Indexes des sozialen Fortschritts, um die dringendsten Herausforderungen zu ermitteln, die in den Metropolregionen aus Mitteln der Kohäsionspolitik finanziert werden müssen (2);

Stärkung der territorialen Zusammenarbeit

60.

weist darauf hin, dass die Kohäsionsmittel für den Bereich „Territoriale Zusammenarbeit“ 2021-2027 gegenüber dem vorangegangenen Zeitraum erheblich gekürzt wurden, so dass die Europäische Union kaum noch Maßnahmen zur Bewältigung der großen kohäsionspolitischen Herausforderungen in Grenzgebieten ergreifen kann;

61.

begrüßt, dass die Stärkung der grenzüberschreitenden und interregionalen Zusammenarbeit im Kohäsionsbericht erwähnt wird; fordert, in der künftigen Kohäsionspolitik für den Zeitraum nach 2027 der Tatsache vollständig Rechnung zu tragen, dass es immer wichtiger wird, den Zusammenhalt zu stärken, die bestehenden Instrumente der Zusammenarbeit zwischen den Gebieten der Europäischen Union aufrechtzuerhalten und auf die neuen Herausforderungen in Bezug auf die Kooperation, die die gegenwärtige Lage mit sich bringt, zu reagieren.

62.

bedauert, dass die von diesen Kürzungen am stärksten betroffenen Gebiete die in Artikel 174 AEUV genannten Gebiete sind, für die die Stärkung des territorialen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts mit den anderen Gebieten der Europäischen Union angesichts ihrer natürlichen und dauerhaften Nachteile besonders wichtig ist.

Brüssel, den 12. Oktober 2022

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Vasco ALVES CORDEIRO


(1)  Stellungnahme des Ausschusses der Regionen — Europäischer Aufbauplan zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie: Aufbau und Resilienzfazilität und Instrument für technische Unterstützung“ (ABl. C 440 vom 18.12.2020, S. 160).

Stellungnahme des Ausschusses der Regionen — Das Europäische Semester und die Kohäsionspolitik: Abstimmung von Strukturreformen auf langfristige Investitionen (ABl. C 275 vom 14.8.2019, S. 1).

Stellungnahme des Ausschusses der Regionen „Bessere Steuerung des Europäischen Semesters: ein Verhaltenskodex für die Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften“ (ABl. C 306 vom 15.9.2017, S. 24).

(2)  Stellungnahme des Ausschusses der Regionen — Die Herausforderungen für die Metropolregionen und ihre Position in der künftigen Kohäsionspolitik nach 2020 (ABl. C 79 vom 10.3.2020, S. 8).