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11.5.2023 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 167/43 |
P9_TA(2022)0417
Die Menschenrechtslage in Afghanistan, insbesondere mit Blick auf die Verschlechterung der Frauenrechte und die Anschläge auf Bildungseinrichtungen
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2022 zur Menschenrechtslage in Afghanistan, insbesondere mit Blick auf die Verschlechterung der Frauenrechte und die Anschläge auf Bildungseinrichtungen (2022/2955(RSP))
(2023/C 167/06)
Das Europäische Parlament,
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unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Lage in Afghanistan, insbesondere die Entschließungen vom 16. September 2021 (1) und 7. April 2022 (2), |
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unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Mai 2021 zu dem Thema „Schutz der Menschenrechte und die externe Migrationspolitik der EU“ (3), |
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unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 14. November 2022 zu Frauen, Frieden und Sicherheit und vom 15. September 2021 zu Afghanistan, in denen fünf Benchmarks für die Zusammenarbeit der EU mit der De-facto-Regierung unter Führung der Taliban dargelegt werden, |
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unter Hinweis auf die Erklärungen des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) zu Afghanistan, |
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unter Hinweis auf die Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu Afghanistan, einschließlich der Resolutionen 2626 (2022), 2596 (2021), 2543 (2020) und 2513 (2020), |
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unter Hinweis auf die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 10. November 2022 zur Lage in Afghanistan, |
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unter Hinweis auf die Resolution des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen vom 8. Juli 2022 zur Menschenrechtslage von Frauen und Mädchen in Afghanistan, |
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unter Hinweis auf den Bericht des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen vom 9. September 2022 zu der Lage der Menschenrechte in Afghanistan, |
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unter Hinweis auf den Bericht der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) vom 20. Juli 2022, in dem die Menschenrechtslage in Afghanistan in den zehn Monaten seit der Machtübernahme durch die Taliban dargelegt wird, |
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unter Hinweis auf die Mitteilung der Taliban vom 7. September 2021 zu der Einsetzung einer Übergangsregierung in Afghanistan, |
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unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, |
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unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, die beide von Afghanistan ratifiziert wurden, |
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unter Hinweis auf das am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichnete Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und das dazugehörige Protokoll von 1967, |
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unter Hinweis auf das Kooperationsabkommen vom 18. Februar 2017 über Partnerschaft und Entwicklung zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Islamischen Republik Afghanistan andererseits, |
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unter Hinweis auf die thematischen EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern, die EU-Leitlinien für die Förderung und den Schutz der Rechte des Kindes und die EU-Leitlinien betreffend Gewalt gegen Frauen und Mädchen und die Bekämpfung aller Formen der Diskriminierung von Frauen und Mädchen, |
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gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung, |
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A. |
in der Erwägung, dass die Taliban am 15. August 2021 nach dem Abzug der Truppen der NATO und der Bündnispartner die Macht in Afghanistan ergriffen haben; in der Erwägung, dass sie wieder das Islamische Emirat Afghanistan ausgerufen haben und eine ausschließlich aus Männern bestehende Übergangsregierung ernannt haben, der auch Mitglieder des Taliban-Regimes der Jahre 1996 bis 2001 angehören, von denen manche wegen Terrorismusvorwürfen gesucht werden; in der Erwägung, dass die EU nach wie vor einen entschiedenen Standpunkt vertritt, wonach sie die De-facto-Regierung der Taliban nicht anerkennt; |
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B. |
in der Erwägung, dass die Taliban die in den letzten 20 Jahren erzielten Fortschritte zunichtemachen; in der Erwägung, dass die Taliban das ehemalige Ministerium für die Förderung der Tugend und die Verhinderung des Lasters wiedereingesetzt und das Ministerium für Frauenangelegenheiten, die Unabhängige Menschenrechtskommission Afghanistans und weitere lokale Strukturen, von denen Frauen und Mädchen Unterstützung erhielten, geschlossen haben sowie Gesetze, die vorher zum Schutz von Frauen durchgesetzt wurden, abgeschafft und die Rechte von Frauen stark eingeschränkt haben; in der Erwägung, dass die Taliban Frauen aus der Verwaltung ausschließen und in ihrer neuen, nicht anerkannten Regierung keine Ämter an Frauen vergeben haben; |
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C. |
in der Erwägung, dass Frauen und Mädchen seit der Machtübernahme durch die Taliban mit einer zunehmenden Einschränkung ihrer Grundrechte konfrontiert sind, insbesondere beim Zugang zu Bildung und Beschäftigung sowie bei den Möglichkeiten, sich frei zu bewegen; in der Erwägung, dass Frauen eigentlich aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen wurden; |
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D. |
in der Erwägung, dass Mädchen ab dem 12. Lebensjahr in Afghanistan der Zugang zu Bildung verwehrt wird; in der Erwägung, dass die De-facto-Regierung Afghanistans am 15. Januar 2022 zugesagt hatte, dass Mädchen nach Beginn des neuen Schuljahres in der zweiten Märzhälfte 2022 in allen Bildungsstufen in die Schule zurückkehren dürfen; in der Erwägung, dass Mädchen ab der 7. Klasse die Teilnahme am Unterricht untersagt ist; in der Erwägung, dass es sich hierbei um eine Verletzung des Grundrechts auf Bildung für alle Kinder handelt, das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert ist; in der Erwägung, dass afghanische Mädchen und Frauen mutig friedliche Proteste in dem Land abgehalten und dabei gefordert haben, dass ihr Recht auf Bildung geachtet wird; in der Erwägung, dass ein starker Anstieg der Kinderehen zu verzeichnen ist; |
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E. |
in der Erwägung, dass die Taliban ihre systematische Unterdrückung von Frauen und Mädchen in letzter Zeit durch eine Welle von Festnahmen von Menschenrechtsverteidigern verstärkt haben; in der Erwägung, dass Alia Azizi, Leiterin des Frauengefängnisses von Herat, seit Oktober 2021 vermisst wird; in der Erwägung, dass Menschenrechtsorganisationen den Verdacht hegen, dass sie verschleppt wurde; in der Erwägung, dass die Taliban am 3. November 2022 eine Pressekonferenz unterbrachen, in der die Gründung der Afghanischen Frauenbewegung für Gleichberechtigung angekündigt wurde, und eine Frau, Zarifa Yaqobi, sowie vier ihrer Kollegen festnahmen; in der Erwägung, dass die Taliban am 11. November 2022 die bekannte Aktivistin Farhat Popalzai, eine der Gründerinnen der Spontanen Bewegung der Frauen Afghanistans, festgenommen haben; in der Erwägung, dass am 13. November 2022 eine weitere Verteidigerin der Frauenrechte, Humaira Yusuf, von den Taliban in Gewahrsam genommen wurde; |
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F. |
in der Erwägung, dass täglich von Menschenrechtsverletzungen berichtet wird, darunter Festnahmen, Inhaftierungen, Entführungen, Folter, Drohungen, Erpressungen, Tötungen und Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger und ihre Familienangehörigen; in der Erwägung, dass es nach wie vor keine Rechenschaftspflicht für solche Verletzungen der Menschenrechte gibt; in der Erwägung, dass die Taliban vor Kurzem Richter angewiesen haben, die Scharia uneingeschränkt so umzusetzen, wie die Taliban sie auslegt, was grausame und unmenschliche Strafen zur Folgen haben könnte und Angst vor weiteren Menschenrechtsverletzungen weckt; |
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G. |
in der Erwägung, dass es infolge der Machtübernahme durch die Taliban zunehmend zu Angriffen auf Minderheiten gekommen ist, insbesondere auf Hazara, Hindus, Sikhs und Christen; in der Erwägung, dass der „Islamische Staat in der Provinz Chorasan“ und weitere Akteure seit der Machtübernahme durch die Taliban zahlreiche Angriffe auf die Hazara, eine überwiegend schiitische Minderheit, verübt haben; in der Erwägung, dass es sich bei diesen Angriffen und der langen Geschichte der Verfolgung der Hazara um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handeln könnte; in der Erwägung, dass seit August 2021 ihre Gebetsstätten, Bildungseinrichtungen und medizinischen Einrichtungen systematisch angegriffen und die Hazara willkürlich festgenommen, gefoltert, hingerichtet, vertrieben, sozial ausgegrenzt und in einigen Fällen gezwungen wurden, aus dem Land zu fliehen; in der Erwägung, dass 2021 und 2022 Anschläge auf mehrere Bildungseinrichtungen im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi verübt wurden, insbesondere die Bildungseinrichtungen Sayed ul Shuhada, Abdul Rahman Shahid, Mumtaz und Kaaj; in der Erwägung, dass bei den Anschlägen Hunderte von Menschen ums Leben kamen oder verwundet wurden; in der Erwägung, dass die Taliban-Kräfte Berichten zufolge das Feuer eröffneten und physische Gewalt anwandten, um Proteste gegen die Angriffe aufzulösen; |
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H. |
in der Erwägung, dass sich die humanitäre Lage in Afghanistan rasch verschlechtert und Frauen und Mädchen unverhältnismäßig stark betroffen sind; in der Erwägung, dass die Möglichkeiten für Frauen, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, unter anderem als Mitarbeiterinnen der humanitären Hilfe, durch die von der Taliban-Regierung eingeführten neuen Maßnahmen stark eingeschränkt wurden, was sich auch negativ auf die Fähigkeit von Frauen auswirkt, Zugang zu humanitärer Hilfe zu erhalten; in der Erwägung, dass Frauen dadurch, dass sie an der Teilhabe am Erwerbsleben gehindert werden, noch weiter in die Armut gestürzt sind und schätzungsweise 850 000 Mädchen der Gefahr wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung und dem Risiko einer Kinderehe ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass nicht einmal jede vierte Menschenrechtsverteidigerin, die noch in Afghanistan ist, berichtet, dass sie Zugang zu irgendeiner Art von humanitärer Hilfe, finanzieller Unterstützung oder Rechtsberatung hat; |
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I. |
in der Erwägung, dass Schätzungen der UNAMA zufolge im Juli 2022 59 % der Bevölkerung humanitäre Hilfe benötigten, was gegenüber Anfang 2021 einem Anstieg um 6 Millionen Menschen entspricht; in der Erwägung, dass im Jahr 2023 voraussichtlich 28 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen werden, von denen 13 Millionen Kinder sind; in der Erwägung, dass Schätzungen des Welternährungsprogramms zufolge 18,9 Millionen Afghanen unter akuter Ernährungsunsicherheit zu leiden haben; in der Erwägung, dass 4,3 Millionen Afghanen Binnenvertriebene sind und 5,6 Millionen Afghanen in Nachbarländer vertrieben wurden; in der Erwägung, dass der Iran und Pakistan mit insgesamt 2,2 Millionen registrierten afghanischen Flüchtlingen einen großen Teil der afghanischen Flüchtlinge aufnehmen; |
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J. |
in der Erwägung, dass Ostafghanistan im Juni 2022 von einem verheerenden Erdbeben erschüttert wurde, bei dem über 1 000 Menschen getötet und mehr als 6 000 Menschen verletzt wurden; in der Erwägung, dass im August 2022 in mehreren Teilen Afghanistans schwere Regenfälle zu verzeichnen waren, was zu Überschwemmungen, Sturzfluten und Erdrutschen führte, bei denen Medienberichten zufolge mehr als 180 Menschen getötet und mehr als 250 Menschen verletzt wurden; in der Erwägung, dass Erdbeben, Überschwemmungen, Dürren sowie die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und die steigenden Rohstoffpreise infolge der Invasion Russlands in die Ukraine die ohnehin schon katastrophale humanitäre Lage noch verschärft haben; |
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K. |
in der Erwägung, dass die EU im Oktober 2021 ein humanitäres Hilfspaket in Höhe von 1 Mrd. EUR für Afghanistan auf den Weg gebracht hat, um schutzbedürftige Afghanen, die im Land und in der Region leben, zu unterstützen; in der Erwägung, dass die G20 im Rahmen ihres neuen humanitären Hilfspakets in Höhe von 210 Mio. EUR an Nahrungsmittelhilfe für die am schutzbedürftigsten Menschen weltweit plant, 75 Mio. EUR an Afghanistan auszuzahlen, um die dramatische Lage im Hinblick auf die Ernährungssicherheit im Land zu bewältigen; |
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L. |
in der Erwägung, dass der Raum für unabhängige Medien und die Zivilgesellschaft unter den Taliban drastisch geschrumpft ist; in der Erwägung, dass die journalistische Aktivität durch die von verschiedenen Gremien der Taliban erlassenen Verordnungen massiv eingeschränkt wird und diese Verordnungen zu einer Zunahme willkürlicher Festnahmen von Journalisten geführt haben; |
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1. |
bedauert zutiefst die anhaltende Verschlechterung — vor allem für Frauen und Mädchen — der politischen, wirtschaftlichen und humanitären Lage sowie der Menschenrechts- und Sicherheitslage in Afghanistan seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021; bekräftigt seine unerschütterliche Solidarität mit dem afghanischen Volk und sein uneingeschränktes Engagement ihm gegenüber; |
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2. |
verurteilt die massive Beschneidung der Rechte von Frauen und Mädchen unter den Taliban, eine Situation, die derzeit als Geschlechtsapartheid bezeichnet werden kann; verurteilt die von den Taliban verhängten zusätzlichen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen; fordert die De-facto-Behörden Afghanistans auf, dafür zu sorgen, dass alle geschlechtsspezifischen Einschränkungen für Frauen aufgehoben werden und dass Frauen wieder aktiv am öffentlichen Leben in Afghanistan teilnehmen können; betont, dass dies eine wesentliche Voraussetzung für jedwede Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft mit den Taliban sein muss; |
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3. |
verurteilt das entsetzliche Verbot der Sekundarbildung für Mädchen, das einen direkten Verstoß gegen ihr universelles Recht auf Bildung darstellt; erinnert an die Versprechen der Taliban, dass Frauen wieder Zugang zu Bildung erhalten würden; fordert daher, dass die Taliban ihren eigenen Zusagen nachkommen und das Verbot aufheben und dass der Unterricht umgehend wieder aufgenommen wird und die Taliban dafür sorgen, dass die Bildungsziele der UNESCO verwirklicht werden; fordert die EU nachdrücklich auf, afghanische Organisationen, die sich für die Verteidigung der Rechte von Frauen und Mädchen und unter anderem auch für alternative Bildungsmöglichkeiten für Mädchen einsetzen, stärker zu unterstützen und konkrete Hilfs- und Schutzprogramme zu finanzieren, unter anderem indem sie Stipendien finanziert und dafür sorgt, dass afghanischen Studierenden und Akademikern, denen EU-Stipendien gewährt werden, zügiger Visa ausgestellt werden; |
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4. |
verurteilt das unerbittliche Vorgehen gegen Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und andere Akteure der Zivilgesellschaft, LGBTIQ+-Personen, Dissidenten und Richter sowie die brutale Unterdrückung friedlicher Proteste und der Äußerung abweichender Meinungen im ganzen Land; verurteilt die Festnahme von Frauen- und Menschenrechtsverteidigern, darunter Zarifa Yaqobi und ihre Kollegen Farhat Popalzai und Humaira Yusuf, und fordert ihre sofortige und bedingungslose Freilassung; fordert die EU nachdrücklich auf, afghanische Frauen- und Menschenrechtsverteidiger stärker politisch und finanziell zu unterstützen sowie für ihre Sicherheit zu sorgen, und fordert die EU ferner auf, auch die im Exil lebenden Frauen stärker zu unterstützen, indem sie ihnen hochwertige Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten bietet; |
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5. |
ist entsetzt über die zunehmenden Angriffe auf Minderheitengruppen, unter anderem über den Anschlag vor Kurzem auf das Bildungszentrum Kaaj in Kabul, und die zunehmende soziale Ausgrenzung dieser Gruppen; spricht den Familien der Todesopfer des Anschlags sein Mitgefühl aus und bekundet seine Solidarität mit den Überlebenden; fordert die De-facto-Behörden auf, die für diese Angriffe Verantwortlichen vor Gericht zu stellen und zur Rechenschaft zu ziehen; |
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6. |
ist zutiefst besorgt über die Lage der Hazara, der Hindus, der Sikh, der Christen und weiterer Minderheiten seit der Machtübernahme durch die Taliban sowie über die systematischen Angriffe auf diese Minderheiten, ihre pauschale Diskriminierung und die willkürlichen Festnahmen, die Folter und anderen Misshandlungen, die summarischen Hinrichtungen und Verschleppungen; weist erneut darauf hin, dass die De-facto-Regierung dafür zuständig ist, die Diskriminierung aller ethnischen und religiösen Gemeinschaften zu verbieten und zu verhindern und ihre Gebetsstätten, Bildungseinrichtungen und medizinischen Zentren zu schützen; |
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7. |
bedauert zutiefst, dass der Zugang zu Informationen seit der Machtübernahme durch die Taliban immer schwieriger geworden ist, die journalistische Unabhängigkeit erheblich eingeschränkt wurde und zivilgesellschaftliche Organisationen von der De-facto-Regierung zunehmend unter Druck gesetzt werden; fordert die Taliban nachdrücklich auf, günstige Rahmenbedingungen für Journalisten, Medien und Organisationen der Zivilgesellschaft zu schaffen, damit sie ihren Tätigkeiten ohne Behinderung und Angst vor Repressalien nachgehen können; |
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8. |
bekräftigt seine äußerste Besorgnis über die sich verschlechternde humanitäre Lage; fordert die Länder nachdrücklich auf, ihre humanitäre Hilfe zu verstärken und mit den Einrichtungen der Vereinten Nationen und nichtstaatlichen Organisationen abzustimmen; fordert die De-facto-Regierung auf, alle Beschränkungen und Hindernisse für die Bereitstellung humanitärer Hilfe zu beseitigen, und betont, dass den Organisationen, die diese Hilfe leisten, angemessener Zugang gewährt werden muss; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die wirtschaftlichen Faktoren, die der anhaltenden humanitären Krise zugrunde liegen, anzugehen und dazu alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um die humanitäre Hilfe aufzustocken, die auch eine geschlechtsspezifische Perspektive umfassen sollte; |
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9. |
ist besorgt über die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung in Afghanistan, das von den Vereinten Nationen auf der Liste der weltweit am stärksten von klimabedingten Gefahren betroffenen Länder auf Rang 6 eingestuft wurde; fordert die internationale Gemeinschaft auf, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um die Afghanen bei der Bewältigung dieser dramatischen Situation zu unterstützen, von der schutzbedürftige Gruppen wie Frauen und Mädchen unverhältnismäßig stark betroffen sind; |
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10. |
begrüßt und unterstützt die Arbeit der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan und die Arbeit des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für Afghanistan, da es von wesentlicher Bedeutung ist, die Menschenrechtslage im Land zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten; fordert die EU und die internationale Gemeinschaft auf, deren Arbeit stärker politisch und finanziell zu unterstützen; |
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11. |
begrüßt die Wiederaufnahme der Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Afghanistan; fordert die EU auf, ihre Unterstützung für den Informationsaustausch, die Forschung, die Überwachung und die Aufsicht im Hinblick auf eine stärkere Rechenschaftspflicht zu verstärken; |
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12. |
weist erneut darauf hin, dass die EU in Bezug auf eine diplomatische Zusammenarbeit mit den Taliban einen entschiedenen Standpunkt vertritt, der sich an fünf thematischen Benchmarks für das Engagement orientiert, die auf den Grundsätzen der Achtung der Menschenrechte aller und der Rechtsstaatlichkeit beruhen; betont, dass sich all diese Benchmarks seit dem 15. August 2021 deutlich verschlechtert haben, was bedeutet, dass eine Legitimierung der Taliban-Behörden nicht gerechtfertigt werden kann; weist darauf hin, dass die derzeitigen Benchmarks aktualisiert werden müssen, um angesichts der derzeitigen Lage und des Versäumnisses der Taliban, ihre ursprünglichen Versprechen einzuhalten, eine langfristige Strategie der EU für Afghanistan festzulegen; |
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13. |
fordert die EU auf, eine Erweiterung der Liste der gezielten Maßnahmen gegen die Taliban-Führung anzustreben, die für die anhaltende Verschlechterung der Menschenrechtslage verantwortlich ist; |
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14. |
fordert die De-facto-Regierung auf, die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, einschließlich Zwangsehen und Gewalt in Paarbeziehungen, zu ergreifen und die Täter umgehend zur Rechenschaft zu ziehen; fordert die De-facto-Behörden auf, das landesweite System zur Unterstützung von Opfern wieder zu öffnen; |
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15. |
fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD), die EU-Delegationen und die Botschaften der Mitgliedstaaten auf, afghanische Menschenrechtsverteidiger und unabhängige Journalisten innerhalb und außerhalb des Landes stärker zu unterstützen und dazu unter anderem die Umsiedlung von Menschenrechtsverteidigern im Einklang mit den Leitlinien der EU zu diesem Thema zu optimieren; |
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16. |
fordert die Einsetzung einer repräsentativen und gewählten Regierung, die Frauen und Minderheiten auf allen Ebenen in den Entscheidungsprozess einbezieht; |
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17. |
fordert den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen auf, einen ergänzenden Rechenschaftsmechanismus einzuführen, um alle mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen, die Verbrechen nach dem Völkerrecht darstellen, insbesondere Gewalt gegen Frauen und Mädchen, zu untersuchen; |
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18. |
stellt fest, dass weitere internationale Anstrengungen erforderlich sind, um von Frauen geführte innerafghanische Dialoge und afghanische Frauennetzwerke sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes zu unterstützen; fordert den EAD auf, das Parlament und die anderen EU-Organe stärker in das „Afghan Women Leaders Forum“ (Forum für afghanische Frauen in Führungspositionen) einzubeziehen; fordert den Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Beteiligung afghanischer Frauen an politischen Dialogen über Afghanistan sicherzustellen; |
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19. |
beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie dem Sondergesandten der EU für Afghanistan zu übermitteln. |
(1) ABl. C 117 vom 11.3.2022, S. 133.