EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 30.3.2022
COM(2022) 141 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien
1.Einführung
Textilien sind in unserem Alltag allgegenwärtig. Sie werden für Bekleidung, Heimtextilien und Möbel sowie für Produkte wie medizinische Ausrüstung und Schutzausrüstung, Gebäude und Fahrzeuge verwendet. Textilien dienen funktionellen Zwecken und der Leistung von Produkten, sie werden aber auch im Hinblick auf Ästhetik und Komfort ausgewählt.
Die Produktion und der Verbrauch von Textilerzeugnissen nehmen weiter zu, ebenso wie ihre Auswirkungen auf das Klima, den Wasser- und Energieverbrauch und die Umwelt. Die weltweite Textilproduktion hat sich zwischen 2000 und 2015 fast verdoppelt und der Verbrauch von Bekleidung und Schuhen wird bis 2030 voraussichtlich um 63 % von derzeit 62 Mio. Tonnen auf 102 Mio. Tonnen im Jahr 2030 ansteigen. In der EU stellt der Verbrauch von Textilien – die zum größten Teil aus Drittländern eingeführt werden – heute über den gesamten Lebenszyklus der Produkte durchschnittlich die viertgrößte Quelle negativer Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel und die drittgrößte Quelle bei der Wasser- und Landnutzung dar. Jedes Jahr werden in der EU etwa 5,8 Mio. Tonnen Textilien, das heißt rund 11 kg pro Person, entsorgt. Jede Sekunde wird irgendwo auf der Erde eine Lastwagenladung Textilien auf Deponien abgelagert oder verbrannt.
Da Bekleidung mit 81 % den größten Anteil des Textilverbrauchs in der EU ausmacht, trägt der Trend, Bekleidung immer weniger lang zu tragen, bevor sie entsorgt wird, am stärksten zu nicht nachhaltigen Praktiken wie Überproduktion und Überkonsum bei. Dieser Trend ist allgemein als „Fast Fashion“ bekannt und verleitet Verbraucher dazu, preisgünstigere Kleidung minderer Qualität zu kaufen, die schnell und in Abhängigkeit der neuesten Trends hergestellt wird. Obwohl die Bekleidungspreise in der EU zwischen 1996 und 2018 inflationsbereinigt um über 30 % gesunken sind, haben die Ausgaben der Haushalte für Bekleidung zugenommen und die Bürger konnten durch diese nicht nachhaltigen Praktiken die Gelegenheit für Kosteneinsparungen nicht voll nutzen. Die wachsende Nachfrage nach Textilien beschleunigt zusätzlich den ineffizienten Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen wie unter anderem Kunstfasern aus fossilen Rohstoffen.
Diese negativen Auswirkungen sind auf ein lineares Modell zurückzuführen, das sich durch eine geringe Nutzung und Wiederverwendung, seltene Reparaturen und wenig Faser-zu-Faser-Recycling auszeichnet und in dem Qualität, Haltbarkeit und Recyclingfähigkeit oft keine Prioritäten beim Entwurf und der Herstellung von Bekleidung sind. Durch die Abgabe von Mikroplastik durch synthetische Textilien und Schuhe über deren gesamten Lebenszyklus verstärken sich die Umweltauswirkungen des Sektors noch mehr.
Die globale Textilwertschöpfungskette ist komplex und vielfältig, und geht auch mit sozialen Herausforderungen einher, die teilweise auf den Kostendruck bei der Herstellung aufgrund der Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher nach erschwinglichen Produkten zurückzuführen sind. Die Kinderarbeit in der Bekleidungsindustrie gibt Anlass zu großer Besorgnis. Da Frauen den Großteil der ungelernten Niedriglohn-Arbeitskräfte in der Textilbranche ausmachen, würde sich eine nachhaltigere Lieferkette auch auf die Gleichstellung der Geschlechter auswirken. Die EU widmet sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit zunehmend Aufmerksamkeit, um die globalen Wertschöpfungsketten zu stärken und dadurch weltweit zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung beizutragen.
Der Textil- und Bekleidungssektor ist in der EU wirtschaftlich bedeutsam und kann für die Kreislaufwirtschaft eine wichtige Rolle einnehmen. Er umfasst mehr als 160 000 Unternehmen und 1,5 Mio. Beschäftigte und verzeichnete 2019 einen Umsatz von 162 Mrd. EUR. Die COVID-19-Pandemie hat sich negativ auf den Sektor ausgewirkt. 2020 ging in der EU der Umsatz im Textilbereich gegenüber dem Jahr 2019 um 9,2 % und im Bekleidungssektor um 18,1 % zurück. Gleichzeitig hat sich das Textilökosystem während der Pandemie als sehr einfalls- und erfindungsreich erwiesen, denn die Produktion konnte in kürzester Zeit umgestellt und die damals dringend benötigten, aber nicht in ausreichenden Mengen vorhandenen Masken und andere Schutzausrüstung geliefert werden.
Auch die grundlose und ungerechtfertigte russische Militärinvasion in der Ukraine und die damit einhergehenden gestiegenen Energiepreise, Auswirkungen auf die Sicherheit der Rohstoffversorgung und auf die ausführenden Segmente des Textilökosystems haben uns an die Anfälligkeit der globalen Lieferketten erinnert.
Das Textilökosystem der EU muss sich vom plötzlichen Rückgang der Nachfrage, von den Unterbrechungen der Wertschöpfungsketten und Preissteigerungen der vergangenen zwei Jahre erholen, die große Herausforderungen für Unternehmen sowohl in ihrer täglichen Geschäftstätigkeit als auch im Hinblick auf ihr langfristiges Überleben darstellen, und dabei nicht nur dem starken internationalen Wettbewerb, sondern auch künftigen Schocks standhalten. Der Sektor setzt sich hauptsächlich aus kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zusammen und muss widerstandsfähiger werden, insbesondere im Hinblick auf die Energie- und Rohstoffversorgung. Es müssen neue Märkte für nachhaltigere Produkte erschlossen werden und der Sektor muss attraktiver für qualifizierte und talentierte Arbeitskräfte werden. In Europa waren schon immer innovative Marken, Kreativität, Know-how und hochwertige Textilerzeugnisse beheimatet, und das sollte auch so bleiben.
Angesichts der aktuellen Herausforderungen und Chancen müssen stärker systemisch ausgerichtete Lösungen im Einklang mit dem Ziel des europäischen Grünen Deals gefunden werden, das Wachstum aufbauend auf einer sauberen und kreislauforientierten Wirtschaft nachhaltig, klimaneutral, energie- und ressourceneffizient zu gestalten und dabei einen respektvollen Umgang mit der Umwelt zu gewährleisten. Laut dem Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft aus dem Jahr 2020 und der Aktualisierung der Industriestrategie für Europa von 2021 sind Textilien eine zentrale Produktwertschöpfungskette, die dringend zu Nachhaltigkeit und Kreislaufprinzip bei Herstellung, Verbrauch und Geschäftsmodellen übergehen muss und hierfür ein hohes Potenzial hat. Die Unternehmen, Verbraucher und Behörden in der EU legen bereits den Fokus auf eine höhere Nachhaltigkeit und den Ausbau des Kreislaufprinzips im Textilsektor, der Übergang geht jedoch langsam vonstatten und der Umwelt- und Klimafußabdruck des Sektors ist nach wie vor groß.
Wenn die EU auf die bereits geleistete Arbeit aufbaut, den ökologischen und digitalen Wandel sichert, gesellschaftliche Herausforderungen angeht und die Erfüllung der Nachhaltigkeitsanforderungen gewährleistet, kann sie weltweit zum Wegbereiter für nachhaltige und kreislauforientierte Textilwertschöpfungsketten, neue technologische Lösungen und innovative Geschäftsmodelle werden. Dadurch würden der Umweltfußabdruck von Textilien während ihres gesamten Lebenszyklus verringert und die Widerstandsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Sektors erhöht. Gleichzeitig würden die Arbeitsbedingungen im Einklang mit den internationalen Arbeitsnormen verbessert und sichergestellt, dass der Wert der Textilien möglichst lange erhalten und somit die Abhängigkeit von neuen Rohstoffen verringert wird.
Ziel dieser Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien ist es, einen kohärenten Rahmen und eine kohärente Vision für den Wandel im Textilsektor zu schaffen:
Bis 2030 sind die Textilerzeugnisse auf dem EU-Markt langlebig und recyclingfähig, bestehen größtenteils aus Recyclingfasern, enthalten keine gefährlichen Stoffe und werden unter Einhaltung der sozialen Rechte und im Sinne des Umweltschutzes hergestellt. Verbraucherinnen und Verbraucher können die hochwertigen und erschwinglichen Textilien länger nutzen, „Fast Fashion“ kommt aus der Mode und wirtschaftlich rentable Wiederverwendungs- und Reparaturdienste sind allgemein zugänglich. In einem wettbewerbsfähigen, widerstandsfähigen und innovativen Textilsektor übernehmen die Hersteller entlang der gesamten Wertschöpfungskette die Verantwortung für ihre Produkte, und das bis hin zur Entsorgung. Das kreislauforientierte Textilökosystem floriert und verfügt über ausreichende Kapazitäten für innovatives Faser-zu-Faser-Recycling, wohingegen die Verbrennung und Deponierung von Textilien auf ein Minimum reduziert werden.
2.Ein neues Muster für Europa: Zentrale Maßnahmen für nachhaltige und kreislauffähige Textilien
2.1.Einführung verbindlicher Ökodesign- Anforderungen
Eine längere Lebensdauer von Textilerzeugnissen ist die wirksamste Methode für die Reduzierung der Auswirkungen auf Klima und Umwelt. Dabei spielt die Produktgestaltung eine wichtige Rolle. Verbraucher entsorgen Textilien vor allem aufgrund von Qualitätsmängeln, beispielsweise bei der Farbbeständigkeit, Reißfestigkeit oder der Qualität von Reißverschlüssen und Nähten. Durch eine längere Haltbarkeit der Bekleidung können die Verbraucherinnen und Verbraucher diese länger nutzen. Gleichzeitig kommt dies kreislauforientierten Geschäftsmodellen, wie der Wiederverwendung, Vermietung, Reparatur, Rücknahme und dem Einzelhandel mit Gebrauchtwaren zugute und schafft für die Bürger Möglichkeiten zur Kosteneinsparung.
Ein weiterer Aspekt, der sich auf die Umweltbilanz von Textilien auswirkt, ist deren Materialzusammensetzung. Denn beispielsweise kann das Recycling von Textilabfällen durch die verwendeten Fasern, die Kombination verschiedener Fasern oder das Vorhandensein bedenklicher Chemikalien beeinträchtigt werden, und weltweit werden weniger als 1 % der Abfälle für die Herstellung neuer Textilien verwendet. 25–40 % der in Fabriken verwendeten Stoffe bleiben übrig oder werden entsorgt. Etwa 20 % der getrennt gesammelten gebrauchten Textilien werden in Europa dem Downcycling zugeführt, unter anderem zur Nutzung als industrielle Reinigungstücher – der Rest geht verloren.
Sortiersysteme und moderne Recyclingtechnologien müssen dringend weiterentwickelt werden. Der erste Schritt zur Bewältigung der technischen Herausforderungen ist jedoch eine bessere Produktgestaltung. Beispielsweise werden Fasern häufig mit anderen Fasern gemischt (z. B. Polyester mit Baumwolle), wodurch das Recycling erschwert wird, da Technologien zur Aufspaltung von Textilabfällen nach Faserart kaum verfügbar sind. Außerdem kann Elasthan, das oft beigemischt wird, um die Funktionalität der Gewebe zu erhöhen, bei fast allen Recyclingtechnologien für Textilfasern als Kontaminant wirken und dadurch die wirtschaftliche Machbarkeit des Recyclingverfahrens beeinträchtigen und seine Umweltkosten erhöhen. Beim thermomechanischen Recycling kann sich die Mischung verschiedener Polyesterarten auch negativ auf die Verarbeitung von Textilabfällen und die Qualität des Recycling-Outputs auswirken.
Freiwillige Systeme der Kommission, wie beispielsweise die Kriterien für das EU-Umweltzeichen für Textilerzeugnisse und die Kriterien der EU für die umweltgerechte Vergabe öffentlicher Aufträge im Bereich Textilerzeugnisse und ‑dienstleistungen, umfassen bereits umweltbezogene Anforderungen an Textilerzeugnisse. Beispielsweise enthalten sie detaillierte Kriterien für hochwertige und langlebige Produkte, Beschränkungen der Verwendung gefährlicher Chemikalien und Anforderungen bezüglich der nachhaltigen Beschaffung von Textilfasern. Gemeinsam mit Vertretern der Textilindustrie wird weiter an der Verbesserung des Umweltfußabdrucks von Bekleidung und Schuhen gearbeitet; bis 2024 soll dies abgeschlossen sein.
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse wird die Kommission im Rahmen der Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte und vorbehaltlich der Billigung durch die beiden gesetzgebenden Organe und einer speziellen Folgenabschätzung verbindliche produktspezifische Ökodesign-Anforderungen festlegen, um eine bessere Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Reparierbarkeit, Faser-zu-Faser-Recyclingfähigkeit und einen höheren vorgeschriebenen Rezyklatfaseranteil zu erzielen sowie das Vorhandensein besorgniserregender Stoffe zu begrenzen und nachzuverfolgen und außerdem die negativen Auswirkungen auf Klima und Umwelt zu verringern. Dabei soll der Kosteneffizienz und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen sowie der Erschwinglichkeit der Textilien besondere Aufmerksamkeit zukommen. Als Teil der Anforderungen und vorbehaltlich der Folgenabschätzung in Bezug auf die Festlegung ihres Anwendungsbereichs wird die Kommission verbindliche Kriterien für die umweltgerechte Vergabe öffentlicher Aufträge, deren Anwendungsbereich im Anschluss an eine Folgenabschätzung festgelegt wird, sowie Anforderungen an die Anreize der Mitgliedstaaten im Bereich Textilerzeugnisse einführen.
Die Kommission räumt Produkten mit dem höchsten Potenzial und den größten Auswirkungen im Hinblick auf die ökologische Nachhaltigkeit Vorrang ein. Aus der ersten Bewertung der Kommission geht hervor, dass dazu beispielsweise Bekleidung und Heimtextilien, Teppiche und Matratzen gehören sollten. Die endgültige Liste wird auf Grundlage einer Konsultation im Zusammenhang mit der Annahme des ersten Arbeitsprogramms im Rahmen der Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte festgelegt, die bis Ende 2022 eingeleitet werden soll.
Die Verwendung gefährlicher Stoffe in Textilerzeugnissen auf dem EU-Markt, von denen etwa 60 als karzinogen, mutagen oder reproduktionstoxisch eingestuft werden, ist besorgniserregend und wird von der Kommission im Rahmen von REACH angegangen. Mit ihren Kriterien für inhärent sichere und nachhaltige Chemikalien und Materialien unterstützt die Kommission die Industrie, wie in der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit angekündigt, dabei, bedenkliche Stoffe in Textilerzeugnissen, die in der EU in Verkehr gebracht werden, so weit wie möglich zu ersetzen oder zu reduzieren. Dies steht im Einklang mit den Maßnahmen für einen besseren Schutz der Arbeitnehmer, die gefährlichen Stoffen ausgesetzt sind, gemäß dem Strategischen Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2021–2027.
Das Null-Schadstoff-Ziel für die Textilherstellung gibt auch die Richtung bei der Überarbeitung der Richtlinie über Industrieemissionen und bei der laufenden Überprüfung des Referenzdokuments für die besten verfügbaren Techniken für die Textilindustrie vor.
2.2.Unterbindung der Vernichtung unverkaufter oder zurückgegebener Textilien
Durch die Vernichtung unverkaufter oder zurückgegebener Waren werden Werte und Ressourcen verschwendet. Das gilt auch für Bekleidung. Zur Abschreckung vor dieser Vorgehensweise schlägt die Kommission im Rahmen der Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte eine Transparenzverpflichtung vor, laut der große Unternehmen die Anzahl ihrer entsorgten und vernichteten Produkte, einschließlich Textilien, und deren weitere Behandlung im Zusammenhang mit der Vorbereitung zur Wiederverwendung, zum Recycling, zur Verbrennung oder Deponierung offenlegen müssen. Vorbehaltlich des Erhalts der Ermächtigung im Rahmen der vorgeschlagenen Verordnung und einer speziellen Folgenabschätzung wird die Kommission außerdem Verbote für die Vernichtung unverkaufter Produkte einführen, einschließlich unverkaufter oder zurückgegebener Textilien.
Auch durch digitale Instrumente ändert sich die Art und Weise, wie Kleidung weltweit entworfen, hergestellt und angeboten wird, denn es entstehen neue Arten der Interaktion zwischen Einzelhändlern und Verbrauchern und somit kann auf die Bedürfnisse der Verbraucher dynamischer eingegangen werden. Insbesondere im Rahmen des Übergangspfads für das Textilökosystem wird die Kommission gemeinsam mit der Industrie bewerten, wie neue Technologien wie beispielsweise digitale Präzisionstechnologien den hohen Anteil zurückgegebener Kleidung bei Onlinekäufen senken und dadurch die industriellen Verfahren effizienter gestalten und den CO2-Fußabdruck des elektronischen Handels verringern könnte.
2.3.Bekämpfung der Umweltverschmutzung durch Mikroplastik
Die Verschmutzung durch Mikroplastik ist mittlerweile weit in der Umwelt und Meeresumwelt verbreitet und gibt zunehmend Anlass zu ernster Besorgnis. Textilien aus Kunstfasern sind eine der Hauptquellen der unbeabsichtigten Freisetzung von Mikroplastik. Schätzungen zufolge handelt es sich bei rund 60 % der in Bekleidung verwendeten Fasern um Kunstfasern (hauptsächlich Polyester), und der Anteil nimmt weiter zu.
Da die größte Menge an Mikroplastik in den ersten fünf bis zehn Waschgängen freigesetzt wird, wirkt sich das „Fast Fashion“-Phänomen, das mit der zunehmenden Verwendung von aus fossilen Rohstoffen hergestellten Kunstfasern in Zusammenhang steht, stark auf die Umweltverschmutzung durch Mikroplastik aus. Jedes Jahr werden allein aus dem Abwasser von Waschmaschinen bis zu 40 000 Tonnen Kunstfasern freigesetzt.
Die Kommission plant für die verschiedenen Lebenszyklusphasen, in denen Kunstfasern in die Umwelt abgegeben werden, eine Reihe von Vermeidungs- und Reduzierungsmaßnahmen, insbesondere durch verbindliche Anforderungen an die Produktgestaltung, die im Rahmen der Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte sowie im Rahmen der für die zweite Jahreshälfte 2022 vorgesehenen Initiative der Kommission zur Bekämpfung der unbeabsichtigten Freisetzung von Mikroplastik in die Umwelt eingeführt werden sollen. Neben der Produktgestaltung betreffen die Maßnahmen die Herstellungsverfahren, Vorwäsche in industriellen Fertigungsanlagen, Produktkennzeichnung und Förderung innovativer Materialien. Zu den weiteren Optionen gehören Waschmaschinenfilter, durch die die Freisetzung von Mikroplastik beim Waschen um bis zu 80 % reduziert werden kann, die Entwicklung milder Waschmittel, Pflege- und Waschanleitungen, die Behandlung von Textilabfällen und Vorschriften für eine bessere Behandlung von Abwasser und Klärschlamm.
Die Kommission wird den technologischen und technischen Kapazitäten der Industrie sowie den laufenden Normungsarbeiten zur Festlegung von Prüfmethoden für die Messung der Mengen an Mikroplastik, die beim Waschen synthetischer Textilien freigesetzt werden, Rechnung tragen.
2.4.Einführung von Informationsanforderungen und eines digitalen Produktpasses
Mithilfe klarer, strukturierter und leicht zugänglicher Informationen über die ökologische Nachhaltigkeit von Produkten können Unternehmen und Verbraucher bessere Entscheidungen treffen. Gleichzeitig wird die Kommunikation zwischen den Akteuren in der Wertschöpfungskette wie Herstellern und Recyclingunternehmen verbessert, beispielsweise beim Thema bedenkliche Stoffe, Reparaturen oder Faserzusammensetzung. Nachhaltige Unternehmen und Produkte gewinnen dadurch gleichzeitig an Sichtbarkeit und Glaubwürdigkeit. Im Rahmen der Maßnahmen der neuen Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte wird die Kommission daher einen digitalen Produktpass für Textilien mit Informationsanforderungen bezüglich der Einhaltung des Kreislaufprinzips und anderer wichtiger Umweltaspekte einführen.
Um die Kohärenz mit diesem neuen Rechtsakt zu gewährleisten, überarbeitet die Kommission zudem die Textilkennzeichnungsverordnung, wonach Textilien, die in der EU verkauft werden, mit einer klaren Beschreibung der Faserzusammensetzung und Angaben zu nichttextilen Teilen tierischen Ursprungs versehen sein müssen. Im Zuge dieser Überarbeitung und vorbehaltlich einer Folgenabschätzung führt die Kommission eine Pflicht zur Offenlegung anderer Arten von Informationen ein, wie beispielsweise in Bezug auf Nachhaltigkeits- und Kreislaufprinzipaspekte, Produktgröße und gegebenenfalls das Land, in dem die Waren hergestellt werden („made in“).
Im Rahmen der oben genannten Vorschläge prüft die Kommission auch die Einführung eines digitalen Etiketts.
2.5.Umweltbezogene Angaben zu wirklich nachhaltigen Textilien
Verbraucherinnen und Verbraucher, die nachhaltigere Produkte kaufen möchten, werden oftmals durch die Unzuverlässigkeit der umweltbezogenen Angaben vom Kauf abgehalten: Einer kürzlich durchgeführten Überprüfung der Nachhaltigkeitsangaben in der Textil-, Bekleidungs- und Schuhbranche zufolge könnten 39 % der Angaben falsch oder irreführend sein. Die Verbraucher kaufen möglicherweise letzten Endes Produkte, die weniger nachhaltig sind, als sie glauben, da Angaben zu bestimmten Eigenschaften der Textilerzeugnisse gemacht werden, die in Wirklichkeit keine wesentlichen ökologischen Vorteile mit sich bringen.
Mit der Initiative zur Stärkung der Verbraucher beim grünen Wandel, mit der die Kommission die Änderung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher vorschlägt, werden neue Anforderungen eingeführt, die für Textilerzeugnisse von großer Bedeutung sind. Mit den neuen EU-Vorschriften wird sichergestellt, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher am Verkaufsort über eine gewerbliche Haltbarkeitsgarantie der Produkte sowie über für die Reparatur relevante Angaben, einschließlich eines Reparierbarkeitswerts, sofern verfügbar, informiert werden. Allgemeine umweltbezogene Angaben wie „grün“, „umweltschonend“ oder „gut für die Umwelt“ sind nur noch erlaubt, wenn eine hervorragende Umweltleistung nachgewiesen wurde, z. B. basierend auf dem EU-Umweltzeichen, Umweltzeichen des Typs I oder für die Angaben relevanten spezifischen EU-Rechtsvorschriften. Freiwillige Nachhaltigkeitssiegel in Bezug auf ökologische oder soziale Aspekte müssen sich auf eine Überprüfung durch Dritte stützen oder von den Behörden vergeben werden. Außerdem werden Bedingungen für umweltbezogene Angaben bezüglich der zukünftigen Umweltleistung, wie beispielsweise „klimaneutral bis 2030“, und für den Vergleich mit anderen Produkten festgelegt.
Zur Ergänzung dieser Bestimmungen durch spezifischere Anforderungen arbeitet die Kommission im Rahmen der für das zweite Halbjahr 2022 vorgesehenen Initiative für umweltbezogene Angaben weiter an Mindestkriterien für alle Arten solcher Angaben. Die Kommission prüft die Anwendung von Methoden für die Berechnung des Umweltfußabdrucks, anhand derer umweltbezogene Angaben belegt und kommuniziert werden können und so die Einhaltung der allgemeinen Verbraucherschutzbestimmungen nachgewiesen werden kann. Dabei werden die laufenden Arbeiten zum Umweltfußabdruck berücksichtigt.
Außerdem überarbeitet die Kommission die Kriterien für das EU-Umweltzeichen für Textilien und Schuhe, um dessen Einführung seitens der Hersteller zu fördern und den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein leicht erkennbares und zuverlässiges Auswahlkriterium für den Kauf umweltschonender Textilerzeugnisse zu bieten.
Besonderen Anlass zu Besorgnis gibt die Richtigkeit umweltbezogener Angaben zur Verwendung recycelter Kunststoffpolymere in Bekleidung, wenn diese Polymere nicht aus Faser-zu-Faser-Recycling, sondern insbesondere aus sortierten PET-Flaschen stammen. Diese Vorgehensweise birgt nicht nur die Gefahr der Irreführung der Verbraucher, sie steht auch nicht im Einklang mit dem Kreislaufmodell für PET-Flaschen. Mit Blick auf die Erfüllung der Ziele der EU-Vorschriften über Einwegkunststoffartikel und Verpackungen sind solche PET-Flaschen nämlich auf ein Recyclingsystem mit geschlossenem Kreislauf für Lebensmittelkontaktmaterialien ausgelegt und müssen den Bestimmungen der erweiterten Herstellerverantwortung einschließlich der damit verbundenen Gebühren entsprechen. Angesichts der Rolle, die Kunstfasern bei der Umweltverschmutzung durch Mikroplastik einnehmen, gehen solche umweltbezogenen Angaben mit weiteren Herausforderungen einher. Um die Richtigkeit solcher umweltbezogener Angaben und die Relevanz der Informationen, die den Unternehmen und Verbrauchern übermittelt werden, zu gewährleisten und gleichzeitig das Recycling von Kunststoffpolymeren und die entsprechenden Märkte zu fördern, wird die Kommission diesem Thema daher im Rahmen anstehender Initiativen wie der Initiative für umweltbezogene Angaben, der Überarbeitung der Kriterien für das EU-Umweltzeichen für Textilien und Schuhe und der Festlegung verbindlicher produktspezifischer Ökodesign-Anforderungen besondere Aufmerksamkeit widmen. Die Kommission ruft Unternehmen ferner auf, ihre Bemühungen auf das Faser-zu-Faser-Recycling zu konzentrieren und eher Angaben zu erzielten Erfolgen zu machen, um so die Lücken im Kreislauf für Textilerzeugnisse schließen zu können.
2.6.Erweiterte Herstellerverantwortung und Förderung der Wiederverwendung und des Recyclings von Textilabfällen
Durch eine bessere Vorbereitung zur Wiederverwendung und zum Recycling können Textilabfälle erheblich verringert und eine zusätzliche Wertschöpfung erzielt werden. Bis zu 2,1 Mio. Tonnen Alttextilien in Form von Bekleidung und Heimtextilien werden in der EU jedes Jahr getrennt für Recyclingzwecke oder für den Verkauf auf den globalen Märkten für die Wiederverwendung gesammelt, was ungefähr 38 % der Textilien auf dem EU-Markt entspricht. Es wird davon ausgegangen, dass die übrigen 62 % in gemischten Abfallströmen entsorgt werden.
Die Hersteller müssen für die Abfälle, die durch ihre Produkte entstehen, in die Pflicht genommen werden, um die Entstehung von Textilabfällen vom Wachstum des Sektors abzukoppeln. Die erweiterte Herstellerverantwortung hat sich hinsichtlich der Verbesserung der getrennten Abfallsammlung und der anschließenden Bewirtschaftung im Einklang mit der Abfallhierarchie als wirksam erwiesen. Sie kann Anreize für eine kreislauforientierte Produktgestaltung schaffen, bei der der gesamte Lebenszyklus bis hin zum Ende der Lebensdauer der Produkte berücksichtigt wird. Mehrere Mitgliedstaaten haben bereits derartige Anforderungen eingeführt oder erwägen deren Einführung, da sie nach dem EU-Abfallrecht verpflichtet sind, Textilabfälle spätestens ab dem 1. Januar 2025 getrennt zu sammeln.
Vor diesem Hintergrund wird die Kommission im Rahmen der bevorstehenden Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie im Jahr 2023 EU-weit harmonisierte Vorschriften für die erweiterte Herstellerverantwortung für Textilien mit umweltbezogener Gebührenstaffelung vorschlagen. Hauptziel wird dabei die Schaffung eines Wirtschaftssystems für die Sammlung, Sortierung, Wiederverwendung, Vorbereitung zur Wiederverwendung und zum Recycling sowie von Anreizen für Hersteller und Marken sein, damit deren Produkte in ihrer Gestaltung den Grundsätzen des Kreislaufprinzips entsprechen. In diesem Zusammenhang und vorbehaltlich einer Folgenabschätzung wird die Kommission vorschlagen, dass ein erheblicher Anteil der Beiträge im Rahmen des Regimes der erweiterten Herstellerverantwortung in Maßnahmen zur Abfallvermeidung und in die Vorbereitung zur Wiederverwendung investiert wird.
Die Kommission prüft außerdem, ob getrennt gesammelte Textilabfälle aus Haushalten und ähnliche Abfälle als notwendiger erster Schritt für die Wiederverwendung vorbereitet werden müssen, was die Vorbereitung zur Wiederverwendung sowie Tätigkeiten im Zusammenhang mit Wiederverwendung und Reparaturen fördern und die Mengen in den einzelnen Arten der Abfallbehandlung verringern wird, die weiter unten in der Abfallhierarchie stehen.
Die Kommission verfolgt die Entwicklungen bei der Entstehung, Zusammensetzung und Behandlung von Textilabfällen genau. Die Kommission hat außerdem eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben, um im Rahmen der für 2024 geplanten Überarbeitung des EU-Abfallrechts verbindliche Ziele für die Vorbereitung von Textilabfällen zur Wiederverwendung und zum Recycling vorzuschlagen.
3.Der Stoff, aus dem die Industrie der Zukunft ist: Schaffung der grundlegenden Voraussetzungen
3.1.Einführung des Übergangspfads für das Textilökosystem der Zukunft
In der aktualisierten Industriestrategie der EU wird hervorgehoben, dass der ökologische und digitale Wandel weiter beschleunigt und die Widerstandsfähigkeit der industriellen Ökosysteme der EU gestärkt werden muss. Dazu schlägt die Kommission die Co-Creation von Übergangspfaden vor. Letztere sind wichtige Kooperationsinstrumente für den Wandel der industriellen Ökosysteme.
Zusammen mit dieser Strategie werden die Kommissionsdienststellen Szenarien für die gemeinsame Gestaltung eines Übergangspfads für das Textilökosystem veröffentlichen.
Mit dem Prozess der Co-Creation mit Interessenträgern soll im zweiten Quartal 2022 begonnen werden. Bis Ende 2022 sollten dabei eine einvernehmliche Vision für das Ökosystem und konkrete Zusagen erreicht werden. Diese können Selbstverpflichtungen zum Kreislaufprinzip und kreislauforientierten Geschäftsmodellen, Maßnahmen zur Stärkung der nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit, Digitalisierung und Widerstandsfähigkeit sowie die Bestimmung der erforderlichen Investitionen für den grünen und den digitalen Wandel umfassen.
Nach der Einführung des Übergangspfads können dadurch auch der Fortschritt bei der Verwirklichung des grünen und des digitalen Wandels, der Schließung der Investitions- und Innovationslücken und somit der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Textilökosystems nachverfolgt werden. Dieses Kooperationsinstrument kann als Diskussionsforum im Vorfeld von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte wie unter anderem dem digitalen Produktpass dienen.
3.2.Eindämmung der Überproduktion und des Überkonsums von Bekleidung: „Fast Fashion“ kommt aus der Mode
Durch die verbindlichen Anforderungen an nachhaltige und kreislauffähige Textilien, die im Rahmen der Ökodesign-Verordnung eingeführt werden, wird die Lebensdauer von Bekleidung verlängert und im Zusammenspiel mit den neuen Vorschriften über die erweiterte Herstellerverantwortung im Rahmen der Abfallrahmenrichtlinie ein wichtiger Schritt hin zu einem neuen Paradigma attraktiver Alternativen zu schnelllebigen Modetrends erreicht.
Unternehmen sollten zu Vorreitern dieses Paradigmenwechsels werden. Denjenigen Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle in den vergangenen zwei Jahrzehnten darauf aufgebaut haben, immer schneller eine immer größere Anzahl Kollektionen und Mikrokollektionen auf den Markt zu bringen, wird ausdrücklich nahegelegt, das Kreislaufprinzip in ihr Geschäftsmodell zu integrieren, die Anzahl der Kollektionen pro Jahr zu verringern, Verantwortung zu übernehmen und Maßnahmen zur Verminderung ihres CO2-Fußabdrucks und Umweltfußabdrucks zu ergreifen.
Es ist schwierig, die Kaufgewohnheiten der Verbraucherinnen und Verbraucher zu ändern, wenn die Unternehmen nicht neue kreislauforientierte Geschäftsmodelle wie das Modell „Produkt als Dienstleistung“, Secondhand-Kollektionen und Reparaturdienste einführen. Auch wenn diese neuen Modelle noch einen Nischenmarkt darstellen, verlängern sie doch nachweislich die Lebensdauer von Textilerzeugnissen und sind eine kosteneffiziente und erschwingliche Alternative zu „Fast Fashion“. Da „Fast Fashion“ in engem Zusammenhang mit der zunehmenden Verwendung von aus fossilen Rohstoffen hergestellten Kunstfasern steht, können durch einen Übergang zu nachhaltigeren Geschäftsmodellen sowohl die Abhängigkeit der Bekleidungshersteller von fossilen Rohstoffen als auch ihre Auswirkungen auf den Klimawandel und die Umweltverschmutzung durch Mikroplastik verringert werden.
Wie oben erwähnt, wird die Kommission im Rahmen des Übergangspfads mit Interessenträgern zusammenarbeiten, um den Ausbau ressourcenschonender Herstellungsverfahren, der Wiederverwendung, Reparatur und anderer kreislauforientierter Geschäftsmodelle im Textilsektor zu fördern.
Die Förderung von im Wiederverwendungssektor tätigen Sozialunternehmen ist besonders wichtig, da sie über ein beträchtliches Potenzial zur Schaffung lokaler, grüner und inklusiver Unternehmen und Arbeitsplätze in der EU verfügen. Im Durchschnitt schafft ein Sozialunternehmen 20–35 Arbeitsplätze je 1000 Tonnen Textilien, die für die Wiederverwendung gesammelt werden.
Der Sektor steht jedoch vor zahlreichen Herausforderungen, wenn es darum geht, wettbewerbsfähig zu sein und sich im Textilsektor zu etablieren. Damit der Wiederverwendungssektor weiter expandieren, Kapazitäten aufbauen und das Kreislaufprinzip noch besser integrieren kann, muss eine Reihe von Maßnahmen ergriffen werden. Der Übergangspfad in der Lokal- und Sozialwirtschaft bietet die Gelegenheit, diese Maßnahmen mit den Interessenträgern zu besprechen. Darüber hinaus wird die Kommission im Rahmen des kürzlich verabschiedeten Aktionsplans für die Sozialwirtschaft Leitlinien für die Unterstützung der Einführung der Kreislaufwirtschaft sowie von Partnerschaften für die Kreislaufwirtschaft zwischen Sozialunternehmen und anderen Akteuren einschließlich etablierter Unternehmen annehmen, in denen insbesondere die Chancen im Zusammenhang mit der Wiederverwendung und Reparatur von Textilien ausgelotet werden.
Auch den Mitgliedstaaten kommt eine bedeutende Rolle zu. Zusätzlich zu den Maßnahmen zur Förderung des Wiederverwendungs- und Reparatursektors, unter anderem als Teil der Sozialwirtschaft, können steuerliche Maßnahmen im Einklang mit den Vorschriften für staatliche Beihilfen und den WTO-Regeln ein besonders nützliches Instrument sein. Die Kommission ermutigt die Mitgliedstaaten, Steuervergünstigungen für den Wiederverwendungs- und Reparatursektor einzuführen. Die Kommission wird Leitlinien zur Förderung von kreislauforientierten Geschäftsmodellen durch Investitionen, Finanzmittel und andere Anreize ausarbeiten, die Chancen zur Schaffung von kreislauforientierten Werten und Arbeitsplätzen im Textilökosystem bieten sollen.
Um den Wandel bei den Herstellungs- und Verbrauchsgewohnheiten voranzutreiben, fördert die Kommission diesen Übergang gemäß dem Motto #ReFashionNow, und stellt dabei Qualität, Haltbarkeit, Langlebigkeit, Reparaturen und Wiederverwendung in den Mittelpunkt. Im Rahmen der Europäischen Plattform der Interessenträger für die Kreislaufwirtschaft werden Designer, Hersteller, Einzelhändler, Werbetreibende und Bürger mobilisiert, um die Mode neu zu definieren. Auch andere EU-Initiativen werden als Sprungbrett für konkrete #ReFashionNow-Maßnahmen dienen, wie insbesondere das Europäische Bauhaus, die Initiative „Engagement für nachhaltigen Konsum“ und das Europäische Jahr der Jugend.
3.3.Gewährleistung eines lauteren Wettbewerbs und der Einhaltung der Rechtsvorschriften in einem gut funktionierenden Binnenmarkt
Die Rechtsvorschriften der EU zur Marktüberwachung umfassen Bestimmungen, mit denen sichergestellt wird, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die EU-Rechtsvorschriften für Produkte, die in der EU in Verkehr gebracht werden, unabhängig von ihrer Herkunft durchsetzen können. Die Herausforderungen des Weltmarkts und der komplexer werdenden Lieferketten sowie die zunehmende Zahl von Produkten, die in der EU online zum Kauf angeboten werden, machen verstärkte Durchsetzungsmaßnahmen erforderlich, um die Sicherheit der Verbraucherinnen und Verbraucher und das Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten.
Daher sind eine strukturierte Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den Durchsetzungsbehörden der Mitgliedstaaten und eine Straffung der Marktüberwachungspraktiken erforderlich. Das neue EU-Netzwerk für Produktkonformität soll grenzübergreifende Marktüberwachungspraktiken in der EU in Schwerpunktbereichen, die von den zuständigen Behörden vorgeschlagen werden, koordinieren und unterstützen und die sektorübergreifende Koordinierung zwischen den verschiedenen Gruppen für die Verwaltungszusammenarbeit (ADCO-Gruppen – administrative cooperation groups), wie beispielsweise den ADCO-Gruppen für Chemikalien und Textilkennzeichnung, gewährleisten. Im Rahmen gemeinsamer Initiativen und Projekte, mit denen die Zusammenarbeit zwischen allen wichtigen Akteuren wie insbesondere den Zoll- und Marktüberwachungsbehörden, der Industrie und den Prüflabors im Textilökosystem intensiviert werden soll, unterstützt die Kommission dies durch den Kapazitätsaufbau im Rahmen des Binnenmarktprogramms, durch das die Nutzung digitaler Instrumente für die Marktüberwachung gewährleistet wird und für bestimmte Produkte einheitliche Kontrollbedingungen und ‑häufigkeiten festgelegt werden.
Zur Bekämpfung von Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums richtet die Kommission bis 2023 ein EU-Instrumentarium zur Bekämpfung von Nachahmungen ein. Darin werden Grundsätze für gemeinsame Maßnahmen, Kooperation und Informationsaustausch zwischen den Rechteinhabern, Online- und Offline-Vermittlern und Strafverfolgungsbehörden wie Zoll, Polizei und Marktüberwachungsbehörden festgelegt.
3.4.Förderung von Forschung, Innovation und Investitionen
Ob der ökologische und digitale Wandel zu einer Erfolgsgeschichte der Widerstandsfähigkeit in globalen Wertschöpfungsketten wird, hängt von der Fähigkeit des Textilökosystems ab, sich neu zu erfinden. Der Ausbau von Forschung und Innovation und die Förderung von Investitionen in diesem Sektor sind unerlässlich, um dessen Potenzial für nachhaltiges Wachstum und die Schaffung lokaler Arbeitsplätze auszuschöpfen, und sollten auf EU-, nationaler und regionaler Ebene Priorität haben.
Mit dem Neuen Europäischen Bauhaus wird der europäische Grüne Deal in konkrete Initiativen umgesetzt, die – auch im Bereich Mode – einen nachhaltigen Lebensstil fördern. Im Rahmen dieses Programms und gemäß dem Motto #ReFashionNow unterstützt die Kommission Projekte, sodass Mode nachhaltiger gestaltet wird und gleichzeitig den Ansprüchen im Hinblick auf Ästhetik und Inklusivität genügt.
Die Kommission arbeitet außerdem derzeit an einem gemeinsamen industriellen Technologie-Fahrplan für die Kreislaufwirtschaft, der darauf abzielt, die industrielle Forschung und Innovation zu straffen, unter anderem im Bereich Textilrecycling. Dies wird auch von einer kürzlich veröffentlichten Studie zur Effektivität der derzeitigen Recyclingkapazitäten für Textilabfälle bekräftigt, in der die Notwendigkeit ihres Ausbaus verdeutlicht wird.
In öffentlich-privaten Partnerschaften sollen künftige Forschungsinitiativen festgelegt und die Führungsrolle und Exzellenz des Ökosystems sichergestellt werden. So wird beispielsweise mit der Partnerschaft „Made in Europe“ die digitalgestützte, wettbewerbsfähige, grüne sowie sozial nachhaltige und widerstandsfähige Herstellung und Verwendung von Textilien unterstützt. Durch biobasierte Innovationen im Textilsektor soll zudem die Abhängigkeit des Sektors von fossilen Rohstoffen verringert werden: Im Rahmen des Gemeinsamen Unternehmens für ein kreislauforientiertes biobasiertes Europa soll unter anderem die Entwicklung neuer Arten von Textilfasern vorangebracht werden. Die Europäische Partnerschaft „Processes4Planet“ soll die Kreislaufwirtschaft und eine umfassende Dekarbonisierung der europäischen Verarbeitungsindustrie, einschließlich der Textilindustrie, begünstigen, indem die erforderlichen Innovationen durch Initiativen wie „Hubs for Circularity“ (H4C) hervorgebracht und umgesetzt werden. Zur Ergänzung der kontinuierlichen Finanzierung durch bestehende Programme wie das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT) werden im Rahmen von Horizont Europa spezifische Aufforderungen zur Weiterentwicklung der Technologien und Verfahren veröffentlicht, mit dem Ziel, mehr Reparaturen durchzuführen, die Sammlung und Sortierung von Abfällen zu verbessern, die Recyclingkapazitäten der EU-Industrie in großem Umfang auszubauen
, verstärkt auf Faser-zu-Faser-Recycling zu setzen und den Rezyklatfaseranteil zu erhöhen. Auch soziale Innovationen werden dabei von entscheidender Bedeutung sein, insbesondere für die Förderung von Unternehmen, die sich auf die Wiederverwendung spezialisiert haben.
Die Kommission trägt im Rahmen des LIFE-Programms zur Finanzierung technologischer Innovationen für kreislauforientierte Mode-Geschäftsmodelle bei und unterstützt das Eingehen von Partnerschaften im Bereich der Sozial- und Kreislaufwirtschaft. Das Textilökosystem kann auch vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung profitieren, der den Wandel in den Regionen unterstützt und Mittel für Forschung und Innovation, Digitalisierung, die Wettbewerbsfähigkeit von KMU, Kompetenzentwicklung, die digitale Anbindung sowie eine kreislauforientierte Produktgestaltung und kreislauforientierte Herstellungsverfahren zur Verfügung stellt.
Die Kommission ermutigt Unternehmen im Textilökosystem dazu, an Initiativen zum Ausbau des Datenraums für den europäischen Grünen Deal und des Datenraums für die verarbeitende Industrie teilzunehmen, damit sie Daten untereinander leichter gemeinsam nutzen und wiederverwenden können. Eine breitere Unterstützung für digitale Innovationen bietet das Netz europäischer digitaler Innovationszentren, von dem die erforderlichen digitalen Infrastrukturen zum Testen neuer Digitaltechnik entwickelt werden, die es den Beschäftigten der Branche ermöglichen soll, die Chancen der Digitalisierung besser zu verstehen und ihr technologisches Fachwissen zu erweitern.
Auch die Mitgliedstaaten spielen bei der Unterstützung von Forschung, Innovation und Investitionen eine wichtige Rolle, unter anderem mithilfe von Darlehen und Zuschüssen der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF). Portugal hat beispielsweise bereits angekündigt, Investitionen zur Modernisierung und Entwicklung einer nationalen kreislauforientierten Bioindustrie fördern zu wollen, um den Anteil biobasierter Materialien in Textilien zu erhöhen. Frankreich plant Innovationen in verschiedenen Bereichen wie dem Recycling und der Wiederverwertung recycelter Materialien, wobei Textilien als eines der fünf vorrangigen Materialien eingestuft wurden. Italien erwägt die Einführung von Recycling-Zentren, wo Textilabfälle gesammelt, sortiert und verarbeitet werden sollen. Darüber hinaus können viele Komponenten der nationalen Pläne in den Bereichen Innovation und Digitalisierung das Ökosystem unterstützen, zum Beispiel beim Kauf digitaler Geräte.
Private Investitionen in nachhaltige Textilien sind von entscheidender Bedeutung. Gestützt auf die sachverständige Arbeit der Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen erwägt die Kommission neben Kriterien für die Umweltverschmutzung durch die Textilveredlung auch technische Bewertungskriterien einzuführen, anhand derer unter anderem bestimmt wird, was im Rahmen der Taxonomie für nachhaltige Investitionen bei der Herstellung von Bekleidung als ein wesentlicher Beitrag zur Kreislaufwirtschaft zu werten ist.
3.5.Erwerb der erforderlichen Kompetenzen für den ökologischen und digitalen Wandel
Im Textilökosystem werden hoch qualifizierte Arbeitskräfte benötigt, um das Potenzial des digitalen und des grünen Wandels für die Schaffung von Arbeitsplätzen auszuschöpfen, denn nur 13 % der Arbeitskräfte verfügen über ein hohes Qualifikationsniveau.
Der Textilökosystem hat Mühe, qualifizierte junge Arbeitskräfte anzuwerben, und KMU mangelt es an Fachkräften. 55 % der europäischen Unternehmen haben Schwierigkeiten bei der Besetzung freier IKT-Stellen, und 40 % der Unternehmen fehlt es an ökologischen Kompetenzen. Bereiche wie Ökodesign, die Entwicklung neuer Fasern, Herstellung innovativer Textilien, Reparatur und Wiederverwendung sind dabei besonders wichtig. Und die berufliche Aus- und Weiterbildung, wie unter anderem in Form von Lehrstellen, ist unabdingbar, um den Arbeitskräften die erforderlichen Kompetenzen zu vermitteln.
Mit dem Kompetenzpakt
trug die Kommission zur Entstehung einer umfassenden Kompetenzpartnerschaft im Textilökosystem bei, durch die die Umschulung und Weiterbildung sowie der Erwerb und die Weitergabe grüner und digitaler Kompetenzen gefördert werden, beispielsweise Fachwissen zur Ökobilanz und zur Bewertung der Wertschöpfungskette. Der am 16. Dezember 2021 eingeführte Kompetenzpakt für das Textilökosystem steht im Einklang mit der neuen Europäischen Kompetenzagenda, dem Digitalen Kompass 2030 und den Zielen des Gipfels von Porto. Er umfasst Verpflichtungen hinsichtlich spezifischer Leistungsindikatoren im Zusammenhang mit der Schaffung lokaler Partnerschaften zwischen Industrie, Behörden und Bildungseinrichtungen. Zu den vereinbarten Maßnahmen gehören die Steigerung der Diversität auf der Führungsebene von Unternehmen um bis zu 5 % pro Jahr und insbesondere der Zugang von Frauen zu Führungspositionen, die Unterstützung von 10 000 KMU bei der Digitalisierung, die Konzipierung 20 neuer Lehrmethoden und ‑instrumente für grüne und digitale Kompetenzen, der Ausbau des Lehrstellenangebots im Textilsektor um 20 % sowie weitere Verpflichtungen zur Aus- und Weiterbildung von Arbeitskräften in den kommenden Jahren.
4.Schaffung einer globalen nachhaltigen Wertschöpfungskette
Die EU wird die globalen Fortschritte auf dem Weg zu nachhaltigeren und kreislauffähigen Textilien in internationalen Gremien (G7, G20) sowie im Rahmen der Globalen Allianz für die Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz (GACERE) und der Umweltversammlung der Vereinten Nationen weiter vorantreiben. Gemeinsam mit anderen Partnern auf globaler, regionaler und bilateraler Ebene fördert die Kommission die Zusammenarbeit und Initiativen für nachhaltige Wertschöpfungsketten im Textilsektor und für eine nachhaltige Mode. Das EU-finanzierte InTex-Projekt des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) zur Förderung innovativer Geschäftspraktiken und Wirtschaftsmodelle in der Textilwertschöpfungskette ist ein praktisches Beispiel dafür.
4.1.Sorgfaltspflicht für ökologische und soziale Gerechtigkeit
Ein Großteil der in Europa verbrauchten Endprodukte im Bereich Bekleidung und Haushaltstextilien werden aus Drittländern eingeführt. 2019 war die EU mit einem Gesamtwert von 80 Mrd. EUR einer der weltweit größten Importeure von Bekleidung. Durch die grenz- und kontinentübergreifende Förderung umweltfreundlicherer und gerechterer Wertschöpfungsketten kann sichergestellt werden, dass bei der Herstellung von Textilerzeugnissen, die in der EU und darüber hinaus konsumiert werden, weltweit sowohl soziale als auch ökologische Aspekte berücksichtigt werden.
In der Mitteilung zu menschenwürdiger Arbeit weltweit für einen globalen gerechten Übergang und eine nachhaltige Erholung wird die Textilindustrie als Schlüsselsektor eingestuft, in dem menschenwürdige Arbeitsbedingungen durch Kommunikation in bilateralen Beziehungen und auf multilateralen Foren gefördert werden sollen. In diesem Zusammenhang verfügt die Textilindustrie über das Potenzial, die Gleichstellung der Geschlechter voranzubringen, da weltweit geschätzte 75 % der Beschäftigten im Bekleidungssektor Frauen sind. Im Rahmen des „Better Work“-Programms für bessere Arbeitsbedingungen unterstützt die Kommission zudem Partnerländer dabei, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und internationale Arbeitsnormen besser einzuhalten.
Im Zusammenhang mit den Wertschöpfungsketten im Textilsektor hat die OECD Leitlinien zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht durch die Bekleidungs- und Schuhindustrie herausgegeben, in denen sie das Risiko von Verletzungen der Menschen- und Arbeitnehmerrechte, z. B. durch Kinderarbeit, Diskriminierung, Zwangsarbeit, unzureichenden Arbeitsschutz und unfaire Löhne, aufführt. Mit dem Vorschlag für eine Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen wird eine horizontale Sorgfaltspflicht für große Unternehmen eingeführt, durch die die Unternehmen dazu verpflichtet werden, tatsächliche und potenzielle nachteilige Auswirkungen ihrer eigenen Tätigkeiten und ihrer globalen Wertschöpfungsketten auf die Menschenrechte, einschließlich Arbeitnehmerrechte, und die Umwelt zu ermitteln, zu vermeiden, zu mindern, zu beenden und Verantwortung dafür zu übernehmen. Auch Midcap-Unternehmen (d. h. große Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und mehr als 40 Mio. EUR Umsatz), die in Wirtschaftszweigen mit hohem Schadenspotenzial wie dem Textilsektor tätig sind, fallen in den Anwendungsbereich. Unternehmen aus Drittländern, die Teil der Textilwertschöpfungsketten europäischer Abnehmer oder in der EU tätiger Großabnehmer sind und in der EU einen beträchtlichen Umsatz erzielen, müssen diesen Verpflichtungen ebenfalls nachkommen. Darüber hinaus werden in der EU-Kinderrechtsstrategie die Politik der „Null-Toleranz gegenüber Kinderarbeit“ hervorgehoben und die Mitgliedstaaten aufgefordert, in ihren Lieferketten keine Kinderarbeit zu dulden. Zudem bereitet die Kommission eine neue Gesetzgebungsinitiative vor, um das Inverkehrbringen von Produkten, die in Zwangsarbeit, einschließlich Kinderzwangsarbeit, hergestellt wurden, in der EU wirksam zu verbieten.
Ferner wird es die laufende Entwicklung und Umsetzung internationaler Rahmenbedingungen für mehr Transparenz und Rückverfolgbarkeit für nachhaltige Wertschöpfungsketten in der Bekleidungs- und Schuhindustrie
ermöglichen, Wertschöpfungsketten wirksamer zu verwalten und Menschenrechtsverletzungen und Umweltauswirkungen besser zu ermitteln und anzugehen.
4.2.Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit der Ausfuhr von Textilabfällen
Ausfuhren von Textilabfällen in Länder außerhalb der EU nehmen stetig zu und beliefen sich 2020 auf 1,4 Mio. Tonnen. Mit dem kürzlich von der Kommission vorgelegten Vorschlag für neue EU-Vorschriften über die Verbringung von Abfällen wäre die Ausfuhr von Textilabfällen in Nicht-OECD-Staaten nur unter der Bedingung zulässig, dass diese Staaten der Kommission ihre Bereitschaft mitteilen, bestimmte Abfallarten einzuführen, und nachweisen, dass sie in der Lage sind, diese auf umweltgerechte Weise zu bewirtschaften.
Um zu verhindern, dass Abfallströme bei der Ausfuhr aus der EU fälschlicherweise als Gebrauchtwaren gekennzeichnet werden und auf diese Weise die Abfallvorschriften umgehen, erwägt die Kommission – sofern sie die im Vorschlag vorgesehene Ermächtigung erhält –, Kriterien auf EU-Ebene zu entwickeln, um zwischen Abfällen und bestimmten gebrauchten Textilwaren zu unterscheiden. Es wurde eine Ausschreibung im Rahmen des LIFE-Programms veröffentlicht, um die Rückverfolgbarkeit der Ausfuhren von gebrauchten Textilien und Textilabfällen zu verbessern.
Die Kommission setzt sich außerdem für eine größere Transparenz und Nachhaltigkeit beim weltweiten Handel mit Textilabfällen und gebrauchten Textilien ein. Auf bilateraler Ebene verstärkt die EU ihre Zusammenarbeit bei Fragen von gemeinsamem Interesse im Zusammenhang mit der Verbringung von Textilabfällen. Dies erfolgt im Rahmen der Umweltdialoge mit Drittstaaten und ‑regionen sowie gegebenenfalls im Rahmen der Kapitel über nachhaltige Entwicklung der bilateralen und regionalen Handelsabkommen der EU im Einklang mit den übergeordneten Zielen der EU zur Stärkung der Nachhaltigkeitsdimension ihrer Handelspolitik.
5.Schlussfolgerung
Um Fortschritte auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Textilökosystem zu erzielen, müssen die linearen Strukturen bei der Gestaltung, Herstellung, Nutzung und Entsorgung von Textilerzeugnissen grundlegend neugestaltet werden und die Auswirkungen des Sektors auf den Klimawandel, die nicht nachhaltige Nutzung von Ressourcen, die Umweltverschmutzung und in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen in den Textilwertschöpfungsketten verringert werden.
Durch den Übergang zu einer nachhaltigen und kreislauforientierten Textilindustrie und durch eine umfassende Agenda für Digitalisierung und soziale Gerechtigkeit kann sich der Sektor besser von der COVID-19-Krise erholen, seine Widerstandsfähigkeit und wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit stärken und einen konstruktiven Beitrag zur Bewältigung der Klima- und Biodiversitätskrise sowie zur Bekämpfung sozialer Ungerechtigkeit leisten.
Die Kommission ersucht die Organe und Einrichtungen der EU, diese Strategie zu billigen, und ruft die Mitgliedstaaten, die gesamte Wertschöpfungskette und die internationalen Partner dazu auf, sich zu entschlossenen und konkreten Maßnahmen für ihre Umsetzung zu verpflichten.