EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 2.2.2022
COM(2022) 31 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Eine EU-Strategie für Normung
Globale Normen zur Unterstützung eines resilienten, grünen und digitalen EU‑Binnenmarkts festlegen
Eine EU-Strategie für Normung
Globale Normen zur Unterstützung eines resilienten, grünen und digitalen EU-Binnenmarkts festlegen
I.Einleitung – Normen zur Förderung der Werte, der politischen Ziele und der Umsetzung der Rechtsvorschriften der EU
Normen sind ein zentrales Element des EU-Binnenmarkts. In den vergangenen 30 Jahren wurden im Rahmen des europäischen Normungssystems mehr als 3600 harmonisierte Normen erarbeitet, mit denen die Unternehmen nachweisen konnten, dass sie das EU-Recht einhalten; zudem wurden mit zahlreichen anderen europäischen Normen und technischen Spezifikationen die Interoperabilität, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger der EU und der Umweltschutz gefördert. Europäische Normen haben für die Unternehmen und die Verbraucherinnen und Verbraucher enorme Vorteile gebracht, gleiche Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt für Unternehmen geschaffen und das Verbrauchervertrauen gestärkt.
Die europäische Normung findet in einem zunehmend wettbewerbsorientierten globalen Kontext statt. Viele Drittländer verschaffen ihren Industrien durch ihre Entschlossenheit auf dem Gebiet der Normung einen Wettbewerbsvorteil hinsichtlich des Marktzugangs und der Einführung neuer Technologien.
Die Wettbewerbsfähigkeit und die technologische Souveränität Europas, die Fähigkeit, Abhängigkeiten zu verringern, und der Schutz der Werte der EU werden genauso wie unsere sozialen und ökologischen Ambitionen davon abhängen, wie erfolgreich die Normung von europäischen Akteuren auf internationaler Ebene betrieben wird. Eine Voraussetzung dafür ist nicht nur, dass Industrie und Wissenschaft über hohe einschlägige Kompetenz verfügen, sondern auch, dass die europäische Normung agiler, flexibler und zielgerichteter wird und den Normungsbedarf antizipiert.
Gleichzeitig muss die europäische Normung mit einem immer höheren Innovationstempo Schritt halten und Normen rasch und ohne Abstriche bei der Qualität zur Verfügung stellen. Andere, häufig private und von der Industrie geführte nichteuropäische Konsortien weisen eine schlankere Struktur auf und können Normen schneller erarbeiten. Insbesondere bei neuen und gerade aufkommenden Technologien gelingt es dem europäischen Normungssystem oft nicht, zeitnah Ergebnisse vorzulegen, sodass der wichtige, mit der Normung verbundene Vorreitervorteil nicht mehr genutzt werden kann.
Die europäische Normung war zwar eine Erfolgsgeschichte, was die Schaffung des EU-Binnenmarkts betrifft, die strategische Bedeutung von Normen wird jedoch nicht ausreichend anerkannt, was zulasten der Führungsrolle der EU im Bereich der Normung geht. Das muss sich ändern. In dieser Strategie wird unter Zugrundelegung der Rückmeldungen zum Fahrplan für ihre Ausarbeitung eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, die Normen wieder zu einem zentralen Element eines resilienten, grünen und digitalen EU-Binnenmarkts machen und die Rolle des europäischen Normungssystems in der Welt stärken sollen.
II.Das europäische Normungssystem als Hebel nutzen – Verwirklichung des grünen und des digitalen Wandels und Stärkung der Resilienz des Binnenmarkts
Für den digitalen und den grünen Wandel der EU-Industrien und einen funktionierenden und resilienten Binnenmarkt bedarf es eines Normungssystems, das den politischen Prioritäten der EU angemessen Rechnung trägt. Die Ambitionen der EU im Hinblick auf eine klimaneutrale, resiliente und kreislauforientierte Wirtschaft lassen sich ohne europäische Normen für Prüfmethoden, Managementsysteme oder Interoperabilitätslösungen nicht verwirklichen. Im globalen Wettlauf um die Führungsrolle im digitalen Bereich ist die Fähigkeit, internationale Normen für digitale Produkte, Verfahren und Dienstleistungen als weltweite Benchmarks zu gestalten, für die Wettbewerbsfähigkeit der EU von entscheidender Bedeutung. Kurz gesagt, die auf eine resiliente, grüne und digitale Wirtschaft ausgerichteten politischen Ambitionen der EU werden auf der Strecke bleiben, wenn die dafür erforderlichen Normen von anderen Weltregionen festgelegt werden.
Zusätzlich zu den in allen industriellen Ökosystemen derzeit betriebenen Normungsarbeiten gilt es daher zu bedenken, dass die Europäische Union heute mit kritischen „Notsituationen in der Normung“ konfrontiert ist, es also Bereiche gibt, in denen in den kommenden Jahren Normen gebraucht werden, um strategische Abhängigkeiten zu vermeiden und die weltweite Führungsrolle der EU bei grünen und digitalen Technologien deutlich zu machen. Aus der in der aktualisierten Industriestrategie vorgenommenen Analyse der strategischen Abhängigkeiten und dem von Interessenträgern im Wege der Industrieallianzen beigesteuerten Input lässt sich ableiten, dass in den folgenden strategischen Bereichen dringend Normen entwickelt werden müssen: Normen zur Überwindung der derzeit bei der Produktion von COVID-19-Impfstoffen und -Arzneimitteln bestehenden Hindernisse; Normen zur Unterstützung des Recyclings kritischer Rohstoffe; Normen, mit denen die Einführung der Wertschöpfungskette für sauberen Wasserstoff unterstützt wird; ferner Normen, mit denen CO2-arme Zemente aufgrund des erheblichen Emissionseinsparpotenzials gefördert werden; Normen zur Zertifizierung von Chips in Bezug auf Sicherheit, Authentizität und Zuverlässigkeit und Datennormen für den Ausbau der Interoperabilität sowie des Austauschs und der Wiederverwendung von Daten zur Unterstützung der gemeinsamen europäischen Datenräume.
Die Kommission wird eine Reihe von Maßnahmen vorschlagen, um diese Notsituationen zu bewältigen bzw. den einschlägigen Bedarf zu decken und um künftig derartige Situationen besser zu erkennen und zu antizipieren.
Erstens wird die Kommission unmittelbar tätig werden, um Abhilfe für die genannten Notsituationen zu schaffen, die in dem von der Union für 2022 erstellten jährlichen Arbeitsprogramm für Normung aufgeführt sind. Die Kommission wird Normungsaufträge auf den Weg bringen, sich zeitnah mit den jeweiligen Interessengruppen ins Benehmen setzen und die Arbeiten zudem mit Finanzmitteln unterstützen. Sie ruft die europäischen Normungsorganisationen auf, der unverzüglichen Durchführung dieser Arbeiten Vorrang einzuräumen.
Zweitens wird ein neues hochrangiges Forum ins Leben gerufen, dem Vertreter der Mitgliedstaaten, der europäischen und nationalen Normungsorganisationen, der Industrie, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft angehören, das bei der Festlegung von Prioritäten zur Seite steht, Empfehlungen zum künftigen Normungsbedarf abgibt, eine wirksame Vertretung europäischer Interessen in (internationalen) Normungsgremien koordiniert und dafür Sorge trägt, dass die europäischen Normungstätigkeiten bedarfsgerecht sind und die EU-Wirtschaft dadurch umweltfreundlicher, digitaler, fairer und resilienter wird. Darüber hinaus wird sich das Forum für eine Ausweitung des technischen Fachwissens und der Kompetenzen auf dem Gebiet der Normung einsetzen. Eigene Untergruppen werden die Arbeiten auf der operativen Ebene voranbringen. Das Hochrangige Forum wird mit bestehenden Expertengruppen wie dem Industrieforum, dem Europäischen Dateninnovationsrat, den Industrieallianzen und dem Europäischen Forum für Sicherheitsforschung eng zusammenarbeiten. Auf diese Weise kann die Normungsgemeinschaft rascher und gezielter auf den Bedarf von Innovatoren und Nutzern reagieren. Die Einbeziehung des Europäischen Parlaments und des Rates in die Gespräche über die Prioritäten für die Normung auf EU-Ebene ist für die politische Konzertierung von zentraler Bedeutung und wird jährlich durch eine hochrangige Veranstaltung gefördert.
Drittens wird die Kommission gemeinsam mit dem hochrangigen Forum einen Prozess zur Überprüfung bestehender Normen anstoßen, um zu ermitteln, welche Normen überarbeitet oder erst erstellt werden müssen, um die mit dem europäischen Grünen Deal und Europas digitaler Dekade angestrebten Ziele zu erreichen und die Resilienz des Binnenmarkts zu fördern.
Viertens wird die Kommission auf technischer Ebene ein EU-Exzellenzzentrum für Normen einrichten, um das Fachwissen, das bei der Kommission, den EU-Agenturen und den gemeinsamen Unternehmen überall vorhanden ist, besser zu koordinieren und nutzbar zu machen. Das Zentrum wird in enger Kooperation mit den Mitgliedstaaten den künftigen Normungsbedarf antizipieren, die Arbeiten in vorrangigen Normungsbereichen unterstützen und die internationalen Normungstätigkeiten überwachen. Dank des Zentrums wird es möglich sein, auf Forderungen des öffentlichen Sektors nach Leitlinien und Spezifikationen für Bereiche wie eID, elektronische Behördendienste oder europäische Blockchain-Dienste-Infrastruktur besser einzugehen. Die Kommission wird die Funktion eines Leitenden Normungsbeauftragten schaffen, der die Arbeiten des Exzellenzzentrums steuern und die Gesamtaufsicht über die verschiedenen Normungstätigkeiten aller Kommissionsdienststellen führen und deren Koordinierung gewährleisten soll.
Fünftens wird die Kommission als Partnerin der europäischen Normungsorganisationen an Lösungen arbeiten und klare Ziele festlegen, um jeden einzelnen Schritt der Erarbeitung von Normen, mit denen die Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften unterstützt wird, zu beschleunigen. Dafür sind verstärkte Anstrengungen aller Seiten erforderlich. Es gilt, die Kohärenz neu entwickelter Normen mit dem EU-Recht zu verbessern, um deren zeitnahe Annahme zu erleichtern. Darüber hinaus müssen die europäischen Normungsorganisationen die Zeitspanne zwischen der Annahme einer harmonisierten Norm und dem Zeitpunkt, an dem sie der Kommission offiziell vorgelegt wird, verkürzen. Selbst wenn sich die Zeitspanne zwischen der Vorlage und der Veröffentlichung der Referenz im Amtsblatt der Europäischen Union in den Jahren 2020 und 2021 verkürzt hat, wird die Kommission auch künftig auf eine raschere Veröffentlichung von Normen hinarbeiten und – gemäß der ihr zukommenden Verantwortung – zugleich überprüfen, ob diese den Anforderungen des EU-Rechts entsprechen.
Bei den Unternehmensdienstleistungen wurden in der Vergangenheit relativ langsame Fortschritte erzielt, und Dienstleistungsnormen machen nach wie vor lediglich 2 % aller europäischen Normen aus. Die Kommission hat die Bewertung der besonders relevanten Bereiche vorangetrieben, in denen harmonisierten Normen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und zum Abbau von Markthindernissen beitragen könnten und dabei auch die Dienstleistungsnormen für das fortschrittliche verarbeitende Gewerbe und das fortschrittliche Baugewerbe berücksichtigt. Die Kommission bemüht sich zusammen mit Interessenträgern darum, diese Arbeiten im Bereich der Unternehmensdienstleistungen voranzubringen.
Auch die öffentliche Auftragsvergabe als Instrument zur Förderung der Einführung von Normen für innovative, grüne und digitale Produkte ist ein Bereich, der von der Kommission gemeinsam mit den Interessenträgern einer Bewertung unterzogen wird.
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Die Kommission wird
·mit den europäischen Normungsorganisationen, Interessenträgern und anderen Partnern zusammenarbeiten, um unverzüglich die im Normungsbereich festgestellten Notsituationen anzugehen, die die Produktion von COVID-19-Impfstoffen und -Arzneimitteln, das Recycling kritischer Rohstoffe, die Wertschöpfungskette für sauberen Wasserstoff, CO2-armen Zement, die Zertifizierung von Chips und Datenstandards betreffen;
·ein hochrangiges Forum einrichten, das die Kommission dabei unterstützt, künftige Normungsprioritäten zu antizipieren, und sich mit dem Europäischen Parlament und dem Rat zur politischen Konzertierung über diese Prioritäten ins Benehmen setzen;
·die Normungsprioritäten in das jährliche Arbeitsprogramm der Union für Normung ab dem Jahr 2022 einfließen lassen;
·bestehende Normen überprüfen, um zu ermitteln, welche Normen überarbeitet oder erst erstellt werden müssen, um die mit dem europäischen Grünen Deal und Europas digitaler Dekade angestrebten Ziele zu erreichen und die Resilienz des Binnenmarkts zu fördern;
·ein EU-Exzellenzzentrum für Normen einrichten, um einschlägiges Fachwissen zu bündeln, und einen Leitenden Normungsbeauftragten für dieses Netz ernennen, der auch für die Aufsicht der Kommission über die Abstimmung der Normungstätigkeiten mit den politischen Zielen und strategischen Interessen der EU sorgt;
·mit den europäischen Normungsorganisationen an konkreten Lösungen und Zielen arbeiten, um die Entwicklung und die Annahme von Normen zu beschleunigen, sodass konkrete Lösungen dahin gehend umgesetzt werden, dass die Normen, deren Referenzen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden sollen, an Kohärenz gewinnen.
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III.Die Integrität, Inklusivität und Zugänglichkeit des europäischen Normungssystems wahren – Good-Governance-Grundsätze einführen
Innerhalb des europäischen Normungssystems kommt den europäischen Normungsorganisationen, also dem Europäischen Komitee für Normung (CEN), dem Europäischen Komitee für elektrotechnische Normung (Cenelec) und dem Europäischen Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI), eine privilegierte und herausragende Rolle zu: Es handelt sich dabei um die einzigen Organisationen, die befugt sind, von der Kommission erteilte Normungsaufträge zu bearbeiten. Diese Rolle ergibt sich aus der Entscheidung des EU-Gesetzgebers, diese privatrechtlichen Organisationen mit der Erarbeitung von Normen und Normungsdokumenten zu beauftragen, so wie dies in Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 zur europäischen Normung vorgesehen ist.
Der Sonderstatus der europäischen Normungsorganisationen geht mit Verantwortlichkeiten einher. Mehr denn je müssen in Normen nicht nur technische Komponenten behandelt, sondern auch grundlegende demokratische Werte und Interessen der EU sowie ökologische und soziale Grundsätze berücksichtigt werden. Beispielsweise weisen Normen für Cybersicherheit oder die Resilienz kritischer Infrastrukturen eine strategische Dimension auf. Dies gilt insbesondere für die auf der Grundlage von Harmonisierungsrechtsvorschriften der EU angenommenen harmonisierten Normen, deren Referenzen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind und die vom Gerichtshof als Teil des Unionsrechts für die Zwecke der Auslegung dieser Normen betrachtet wurden.
Damit das europäische Normungssystem in dieser Hinsicht seiner Aufgabe auch tatsächlich gerecht wird, sollte mit einsprechenden Maßnahmen sichergestellt werden, dass es die Interessen und Werte der EU fördert.
Die Kommission ist darüber besorgt, dass durch die aktuellen Entscheidungsprozesse innerhalb der europäischen Normungsorganisationen, insbesondere des ETSI, nicht proportionale Stimmrechte bestimmten Unternehmensinteressen zugutekommen: Einige multinationale Unternehmen haben mittlerweile mehr Stimmen als die Gremien, von denen die gesamte Gemeinschaft der Interessenträger vertreten wird. Aus diesem Grund ist die Kommission der Auffassung, dass Grundsätze für Verwaltung und Good Governance festzulegen sind, wenn die europäischen Normungsorganisationen nach der Erteilung europäischer Normungsaufträge tätig werden und Normen entwickeln, mit denen die Einhaltung von im Interesse der Bürgerinnen und Bürger der EU auferlegten Vorschriften nachgewiesen wird.
Daher legt die Kommission jetzt einen Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 vor. Demnach ist eine Voraussetzung für die Betrauung mit Normungsaufträgen der Kommission, dass die Delegierten der nationalen Normungsorganisationen der EU- und EWR-Länder die Delegierten sein müssen, die in jeder Phase der Ausarbeitung einer von der Kommission in Auftrag gegebenen Norm Entscheidungsbefugnis besitzen. Dank einer ausgewogenen Vertretung der gesellschaftlichen Interessenträger in den nationalen Normungsorganisationen wird der Prozess somit an Offenheit, Transparenz und Inklusivität gewinnen.
KMU sind wichtige Triebkräfte für Innovationen und Nutzer von Normen. Allerdings muss der Zugang von KMU zu den Prozessen, die zur Erarbeitung von Normen führen, und zu den Normen selbst verbessert werden. In Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 sind KMU-freundlichere Bedingungen vorgesehen (freier Zugang zu Normenentwürfen, Zugang zu den Tätigkeiten der nationalen Normungsorganisationen, Anwendung von Sondertarifen für Normen usw.).
Vor diesem Hintergrund fordert die Kommission die europäischen Normungsorganisationen auf, bis Ende 2022 als Ergänzung zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 Vorschläge zur Modernisierung ihrer Governance vorzulegen. Darin sollten Maßnahmen gegen eine nicht proportionale und intransparente Vertretung von Interessen der Industrie sowie eine stärkere Einbeziehung von KMU, Zivilgesellschaft und Nutzern vorgesehen sein. Die europäischen Normungsorganisationen sollten auch den kostenlosen Zugang zu Normen und anderen einschlägigen Dokumenten in Erwägung ziehen. Die Kommission ist bereit, im Rahmen der bestehenden Foren in einen konstruktiven Dialog mit den europäischen Normungsorganisationen einzutreten und sie bei der Verwirklichung dieses Ziels zu unterstützen. Sollten keine ausreichenden Fortschritte erzielt werden, wird die Kommission in Erwägung ziehen, gegebenenfalls eine Überarbeitung der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 vorzuschlagen. Die Kommission wird im zweiten Quartal 2022 eine Bewertung der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 einleiten.
Auf nationaler Ebene kann mehr getan werden, um den Zugang zur Erarbeitung von Normen und zu den Normen selbst zu verbessern. Daher wird die Kommission ein Peer-Review-Verfahren mit den EU-Mitgliedstaaten und den nationalen Normungsorganisationen auf den Weg bringen, um bewährte Verfahren auszutauschen und den Anstoß für neue Ideen zu geben, um EU-weit KMU-freundliche Bedingungen fördern sowie die Zivilgesellschaft und die Nutzer einbeziehen zu können. Darüber hinaus wird die Kommission auf bestehende Netze, unter anderem das Enterprise Europe Network (EEN), zurückgreifen, um einen breiteren Kreis von KMU zu erreichen, Schulungen und Informationsveranstaltungen zu organisieren und entsprechendes Material zu erstellen.
In jüngst vorgelegten Rechtsvorschriften und Vorschlägen der Kommission erhält die Kommission die Befugnis, in bestimmten Fällen technische oder gemeinsame Spezifikationen im Wege von Durchführungsrechtsakten zu erlassen. In Anbetracht der Rolle, die harmonisierten Normen in diesbezüglichen EU-Rechtsvorschriften zukommt, wurde diese Option als Ausweichlösung vorgesehen, mit der sichergestellt wird, dass dem öffentlichen Interesse im Falle nicht vorhandener oder unzureichender harmonisierter Normen Genüge getan wird. Damit es zu keiner Fragmentierung der sektorspezifischen Ansätze kommt, wird die Kommission auf einen horizontalen Ansatz hinsichtlich der Kriterien und Verfahren hinarbeiten, die dafür maßgeblich sind, wann und unter welchen Bedingungen die Kommission ermächtigt werden könnte, im Wege von Durchführungsrechtsakten gemeinsame Spezifikationen in den Fällen zu entwickeln, in denen dies in den relevanten Rechtsvorschriften vorgesehen ist. Dies könnte beispielsweise eintreten, wenn Normen nicht rechtzeitig vorliegen oder das Verfahren aufgrund des fehlenden Konsenses zwischen den Interessenträgern blockiert wird. Das in dieser Strategie angekündigte neu geschaffene Exzellenzzentrum der EU wird das für die Entwicklung dieser gemeinsamen Spezifikationen erforderliche einschlägige Fachwissen zur Verfügung stellen.
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Die Kommission
·legt einen Legislativvorschlag zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 vor, in dem grundlegende Kriterien vorgeschlagen werden, die bei der Bearbeitung europäischer Normungsaufträge gemäß Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 einzuhalten sind;
·fordert die europäischen Normungsorganisationen auf, bis Ende 2022 Vorschläge zur Modernisierung ihrer Governance vorzulegen, damit dem öffentlichen Interesse und den Interessen von KMU, Zivilgesellschaft und Nutzern umfassend Rechnung getragen und der Zugang zu Normen erleichtert wird;
·wird die Bewertung der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 einleiten und prüfen, ob diese nach wie vor zweckmäßig ist;
·wird bis Ende 2022 ein Peer-Review-Verfahren mit den Mitgliedstaaten und den nationalen Normungsorganisationen auf den Weg bringen, das auf mehr Inklusivität, auch zugunsten von Zivilgesellschaft und Nutzern, und KMU-freundliche Bedingungen im Bereich der Normung abzielt;
·wird einen horizontalen Ansatz konzipieren, nach dem technische oder gemeinsame Spezifikationen im Wege von Durchführungsrechtsakten im Rahmen sektorspezifischer Rechtsvorschriften entwickelt werden.
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IV.Globale Normsetzung: die führende Position der EU als Vorreiterin bei Schlüsseltechnologien unterstützen und ihre Grundwerte fördern
Die Europäische Union spielt traditionell eine gewichtige Rolle bei internationalen Normungstätigkeiten und kann bei der Umsetzung internationaler Normen in europäische durchaus Erfolge vorweisen. Sachverständige und nationale Normungsorganisationen der EU sind zwar nach wie vor wichtige Akteure, doch hat sich die geopolitische Landschaft in den letzten Jahren stark gewandelt: Andere Akteure verfolgen bei der internationalen Normung einen wesentlich energischeren Ansatz als die EU und haben in internationalen Normungsausschüssen an Einfluss gewonnen. Die EU hat zum Ziel, internationale Normen im Einklang mit ihren Werten und Interessen zu gestalten, sieht sich jedoch bezüglich der Umsetzung dieser Bestrebungen einem starken Wettbewerb ausgesetzt.
Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen für einen strategischeren Ansatz für internationale Normungstätigkeiten insbesondere in der Internationalen Fernmeldeunion (ITU), der Internationalen Organisation für Normung (ISO) und der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC), aber auch im Rahmen anderer einschlägiger globaler Partnerschaften, Foren und Konsortien eintreten, um die globale Wettbewerbsfähigkeit, die Sicherheit und die offene strategische Autonomie der EU sowie ihre Fähigkeit, ihre Werte zu vertreten, zu gewährleisten.
Mitgliedstaaten, Normungsgremien und Industrie der EU koordinieren und teilen Ressourcen zur Unterstützung internationaler Normungsprozesse und der Grundsätze der Welthandelsorganisation (WTO) – wie Offenheit, Transparenz und Konsens – nicht wirksam. Dies hat dazu geführt, dass in sensiblen Bereichen wie Lithiumbatterien, Gesichtserkennung oder digitale Zwillinge andere Regionen der Welt in internationalen technischen Ausschüssen mittlerweile führend sind und für ihre technologischen Lösungen eintreten, die häufig mit den Werten, der Politik und dem Regelungsrahmen der EU unvereinbar sind.
Die Koordinierung zwischen den EU-Mitgliedstaaten, den nationalen Normungsgremien und den Interessenträgern der EU muss verbessert werden, um der Stimme der EU in der weltweiten Normung mehr Gehör zu verschaffen. Das EU-Exzellenzzentrum für Normen wird die einschlägigen internationalen Normungstätigkeiten überwachen, und die Koordinierung wird auf politischer Ebene durch das in dieser Strategie angekündigte hochrangige Forum gefördert.
Besonders kritisch ist die Situation hinsichtlich der Standardisierung des Internets, mit der ein freies, offenes, zugängliches, inklusives und sicheres globales Internet gefördert werden soll. Seit einigen Jahren wird die internationale Normierung von Internetprotokollen zunehmend politisiert, was die Gefahr birgt, dass die Weiterentwicklung eines globalen, offenen Internets gehemmt und der weltweite Digitalisierungsprozess behindert wird. Die Kommission wird dieses Thema aktiv angehen: In enger Abstimmung mit gleich gesinnten Partnern und in Verbindung mit den Arbeiten im Rahmen der G7 und des EU-US-Handels- und Technologierats (TTC) wird sie auf eine stärkere europäische Präsenz in einschlägigen internationalen Foren hinarbeiten. Das in dieser Strategie angekündigte, neu eingerichtete EU-Exzellenzzentrum für Normen wird sie hierbei unterstützen. Die Kommission wird die Einführung international vereinbarter wichtiger Internetstandards überwachen und die entsprechenden Daten und die damit verbundenen bewährten Verfahren auf einer EU-Website zur Überwachung von Internetstandards zur Verfügung stellen. Sie wird auch mögliche politische Maßnahmen vorschlagen, um die Einführung wichtiger Internetstandards wie IPv6 zu fördern.
Aufgrund der Einführung von Nachhaltigkeitsanforderungen im Rahmen der umweltgerechten Gestaltung und der geplanten Initiative für nachhaltige Produkte müssen Normen für den europäischen Markt entwickelt werden. Die EU sollte sich dafür einsetzen, dass diese Normen weltweit übernommen werden, damit die zugrunde liegenden politischen Ziele international stärker aufgegriffen werden und der Wettbewerbsvorteil für die Pionnierbranchen erhalten bleibt.
Die Kommission überwacht zudem die internationale Normung auf dem Gebiet des Weltraumverkehrsmanagements und entwickelt derzeit ein EU-Konzept, da sich dieser Bereich unmittelbar auf die sichere und nachhaltige Nutzung des Weltraums und die Rolle von Weltraumtechnologien für die Bemühungen der EU um technologische Souveränität auswirkt. Im Rahmen ihres Aktionsplans für Synergien zwischen der zivilen, der Verteidigungs- und der Weltraumindustrie wird die Kommission in enger Kooperation mit anderen wichtigen Interessenträgern einen Plan zur Förderung der Nutzung bestehender Hybridnormen für Verwendungszwecke im Zivil- und Verteidigungsbereich vorlegen und bei der Entwicklung neuer Normen auf internationaler Ebene eine Führungsrolle übernehmen.
Die Kommission ruft die EU-Mitgliedstaaten auf, die Beteiligung der Zivilgesellschaft sowie von KMU-Sachverständigen, Gewerkschaften und Verbrauchervertretern an internationalen Normungstätigkeiten zu fördern. Da Normen nicht nur technische Aspekte eines Produkts regeln, sondern auch Auswirkungen auf die Menschen, die Arbeitnehmer und die Umwelt haben können, kann durch einen inklusiven Multi-Stakeholder-Ansatz für wichtige Kontrollmechanismen in der Normung gesorgt werden.
Die EU teilt ihre sozialen, ökologischen und ethischen Werte mit vielen gleich gesinnten globalen Partnern. In den von der EU geschlossenen Handelsabkommen tragen die Kapitel über technische Handelshemmnisse und gute Regulierungspraxis bereits dazu bei, die Normungsziele der EU, insbesondere durch die Förderung der Übernahme internationaler Normen durch Handelspartner und durch die Zusammenarbeit der jeweiligen Normungsorganisationen, voranzubringen. Handelsabkommen und Partnerschaften können jedoch noch stärker strategisch dafür genutzt werden, sich für gemeinsame Interessen bei der Festlegung internationaler Normen mit wichtigen Partnern einzusetzen. Gute Beispiele für eine Zusammenarbeit der EU mit internationalen Partnern in Normungsfragen sind die Gespräche, die derzeit mit den Vereinigten Staaten über eine verstärkte Abstimmung und Zusammenarbeit im Rahmen des Handels- und Technologierates (TTC) geführt werden, oder im Rahmen der geplanten digitalen Partnerschaften mit Japan, der Republik Korea und Singapur künftig zum Thema Normen stattfinden sollen.
Die Kommission wird ihren Dialog mit anderen Ländern wie beispielsweise China fortsetzen und Bereiche ausloten, die für eine Zusammenarbeit, etwa zur Unterstützung des europäischen Grünen Deals, infrage kommen. Für den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen der Union zu Nachbarschaftsländern und anderen wichtigen Partnerregionen wie Afrika, Lateinamerika und der Karibik müssen die Übernahme europäischer und internationaler Normen durch die jeweiligen Länder sowie deren Mitwirkung am Normungsprozess gefördert und erleichtert werden. Zu diesem Zweck wird die Kommission Initiativen entwickeln, die auch auf bestehenden Partnerschaften und Kooperationsprojekten zwischen den europäischen Normungsorganisationen und Normungsgremien in Drittländern aufbauen. Sie wird auch die Strategie „Global Gateway“ nutzen, um solche Normen durch Maßnahmen zur Infrastrukturfinanzierung zu fördern. Ebenso wichtig für eine stärkere Führungsrolle der EU in der globalen Normung ist die internationale Zusammenarbeit im Bereich Forschung und Innovation.
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Die Kommission wird
·zusammen mit den EU-Mitgliedstaaten und den nationalen Normungsgremien einen Mechanismus zur Überwachung, zum Informationsaustausch, zur Koordinierung und Stärkung des europäischen Ansatzes für die internationale Normung (ISO, IEC, ITU und andere einschlägige internationale Foren) mit Unterstützung durch das EU-Exzellenzzentrum für Normen schaffen;
·die Entwicklung und Verbreitung internationaler Standards für ein freies, offenes, zugängliches und sicheres globales Internet fördern und eine Website der EU zur Überwachung von Internetstandards einrichten;
·die wirksame Umsetzung bestehender Normungsverpflichtungen in EU-Handelsabkommen überwachen und solche Handelsabkommen sowie Regulierungsdialoge und digitale Partnerschaften nutzen, um bei der Normung mit gleich gesinnten Partnern in strategischen Bereichen zusammenzuarbeiten und die Standpunkte in internationalen Normungsgremien abzustimmen;
·mit dem Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit „Europa in der Welt“ und mit „Horizont Europa“ die internationale Normungszusammenarbeit und EU-Normen fördern und damit unter anderem die Beteiligung von Interessenträgern (KMU, Zivilgesellschaft, Akademiker) an der internationalen Normung unterstützen;
·Normungsprojekte in ausgewählten afrikanischen Ländern im Rahmen ihrer Politik der Entwicklungszusammenarbeit und von „Global Gateway“ finanzieren. Die EU wird wichtige europäische Normen in Partnerländern mit einer Beitrittsperspektive bzw. einer engeren Integration in den EU-Binnenmarkt fördern und dabei mit den Ländern in der Nachbarschaft der EU beginnen.
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V.Modernste Innovationen, die für zeitnah vorliegende Normen sorgen
Die führende Rolle der EU auf dem Gebiet der Normung hängt von der Innovationsfähigkeit ihrer industriellen Ökosysteme ab. Es ist EU-Projekten im Bereich Forschung, Entwicklung und Innovation (FEI) zu verdanken, dass Technologien schneller reifen und dadurch leichter in größerem Maßstab genutzt und einfacher auf den Markt gebracht werden können. Daher muss die FEI-Basis Europas, auch im Wege von Horizont Europa und seinen Vorläuferprogrammen, stärker genutzt werden, um für neue Normen relevante Forschungsarbeiten zu ermitteln und zu transferieren.
Die von der EU finanzierte pränormative Forschung birgt noch ungenutztes Potenzial zur Deckung des Normungsbedarfs. Eine angemessene Mittelzuweisung für die pränormative Forschung kann dazu beitragen, dass Europa bei internationalen Normungsprozessen eine Führungsrolle übernimmt. Der jährlichen Maßnahme „Foresight on Standardisation“ („Normungsvorschau“), die von der Kommission im Rahmen der Initiative „Putting (more) Science into Standards“ („(Stärkere) Übernahme wissenschaftlicher Erkenntnisse in Normen“) in Kooperation mit dem CEN und dem Cenelec durchgeführt wird, kommt große Bedeutung zu, wenn es darum geht, künftige Normungsmöglichkeiten frühzeitig zu ermitteln und wichtige Brücken zwischen Forschung, Innovatoren und Normungsgemeinschaften zu schlagen.
Horizont Europa und das Euratom-Programm für Forschung und Ausbildung spielen – auch über ihre direkten Maßnahmen und Partnerschaften wie z. B. gemeinsame Unternehmen und das Programm „Digitales Europa“ ebenso wie die gemeinsamen Fahrpläne für Industrietechnologien im Rahmen des Europäischen Forschungsraums (EFR) – eine wichtige Rolle. Durch sie werden der Normungsbedarf antizipiert und strategische Prioritäten mit pränormativer Forschung verknüpft. Aus diesem Grund wird bei der Bewertung und Überprüfung von EU-finanzierten FEI-Projekten der Normungsbedarf bereits im Rahmen der wesentlichen Leistungsindikatoren und der Berichtspflichten mitberücksichtigt.
Die Kommission wird prüfen, wie Forscher und Innovatoren, die an EU-finanzierten FEI-Projekten teilnehmen, besser bei der Mitwirkung an einschlägigen Normungstätigkeiten unterstützt werden können. Sie wird mit dem „Standardisation Booster“ eine Plattform einrichten, die Begünstigten, deren Forschungsergebnisse im Rahmen von Horizont 2020 und Horizont Europa zur Überarbeitung oder Erstellung einer Norm führen dürften, dabei helfen soll, die Relevanz ihrer Ergebnisse für die Normung zu testen. Die frühzeitige Einbeziehung der Forschungs- und Innovationsgemeinschaft in die Entwicklung von Normen bietet auch die Gelegenheit, Fachwissen und Kompetenzen im Normungsbereich aufzubauen. Derzeit betrachten Forscher, Spin-off- und Start-up-Unternehmen Normung häufig nicht als vorrangig: Sie sind sich ihrer Vorteile nicht immer bewusst, verfügen nicht über die erforderlichen Ressourcen oder sind der Ansicht, dass die für Normungstätigkeiten aufgewendete Zeit nicht ausreichend honoriert wird. Ein spezieller europäischer Verhaltenskodex für Forschende im Bereich Normung wird dabei helfen, ein kohärentes Konzept für die Vereinfachung von Normungstätigkeiten zu entwickeln und Forschende und Innovatoren für deren strategische Bedeutung zu sensibilisieren.
Nicht nur hinsichtlich Forschung, Entwicklung und Innovation hängt die erfolgreiche Übernahme von Normen unmittelbar davon ab, wie schnell Leitmärkte in der gesamten Union etabliert werden können. Durch den Aufbau einer kritischen Masse für die frühzeitige Einführung von Technologien wie vernetzte Fahrzeuge, intelligente Fabriken und digitale Gesundheitssysteme wird eine europäische Dynamik erzeugt, die der Führungsrolle der EU in diesen Bereichen zugutekommt. In diesem Zusammenhang sind Einführungsprogramme wie die Fazilität „Connecting Europe“ und das Programm „Digitales Europa“ von entscheidender Bedeutung für den Aufbau industrieller Kapazitäten auf der Grundlage globaler Normen in Europa, und ihre Rolle sollte in Zukunft gestärkt werden.
Bei künftigen Normen sollte von der Textform zu maschinenlesbaren Formaten übergegangen werden, die insbesondere für KMU benutzerfreundlicher sind. Die Kommission wird diesen Wandel unterstützen. Darüber hinaus wird sie die europäischen Normungsorganisationen auffordern, quelloffene Lösungen in ihre Arbeiten einzubeziehen, die den KMU, die technologische Lösungen übernehmen, schnelle Interoperabilitätslösungen anbieten können.
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Die Kommission wird
·den „Standardisation Booster“ einrichten, um Forschende im Rahmen von Horizont 2020 und Horizont Europa dabei zu unterstützen, die Relevanz ihrer Ergebnisse für die Normung zu testen;
·bis Mitte 2022 einen europäischen Verhaltenskodex für Forschende im Bereich Normung ausarbeiten, um Normung und Forschung/Innovation im Wege des Europäischen Forschungsraums (EFR) stärker zu verknüpfen.
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VI.Künftige Normungskenntnisse sichern – der Bedarf an Bildung und Kompetenzen
Die Verwendung von Normen nimmt zu, die Bedeutung der Normung für die Wettbewerbsfähigkeit und das Allgemeinwohl ist unbestritten, doch das allgemeine Bewusstsein für Normung und die entsprechende Ausbildung sind vergleichsweise gering. Es gibt weder eine formale Bildung noch eine Berufsausbildung im Bereich Normung. Viele – große wie kleine – Unternehmen in der EU verfolgen keinen strukturierten und strategischen Ansatz für die Normung, der deren Relevanz für verschiedene wirtschaftliche Tätigkeiten – sei es in Bezug auf die Einhaltung von Rechtsvorschriften, den Marktzugang oder die allgemeine Geschäftsstrategie – gerecht wird.
Dies ist beunruhigend und spiegelt sich darin wider, dass es generell schwierig ist, Sachverständige für die Entwicklung von Normen einzustellen. Der Erfolg des europäischen Normungssystems beruht darauf, dass es eine Vielzahl von Sachverständigen in Industrie, öffentlichen Verwaltungen, Zivilgesellschaft, Forschung oder Wissenschaft gibt, die auf alle für die Entwicklung von Normen entscheidenden Aspekte eingehen. Das europäische Normungssystem ist hauptsächlich dank der Investitionen von Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und öffentlichen Verwaltungen eine Erfolgsgeschichte. Europa braucht die besten Normungssachverständigen zur erfolgreichen Verwirklichung seiner globalen Ambitionen und zur Unterstützung eines digitalen, grünen und resilienten Binnenmarkts.
Das Problem wird durch einen bevorstehenden Generationswechsel noch verschärft: Viele der Sachverständigen, die in den letzten Jahrzehnten in der Normung gearbeitet haben, werden in den Ruhestand treten. Gleichzeitig wird die Normungslandschaft komplexer: Neue technologische Herausforderungen und horizontale Erwägungen – wie künstliche Intelligenz, Datenschutz oder Cybersicherheit – erfordern neue Kompetenzen bei der Entwicklung von Normen. Normungstätigkeiten sind auf verschiedenen Ebenen angesiedelt, wobei Initiativen in nationalen, europäischen und internationalen Organisationen als Grundlage für Normungstrends und -akzeptanz dienen.
Im Bildungsbereich kann von der Konzeption spezieller Normungsmodule in betriebswirtschaftlichen, juristischen oder ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen ein wichtiger Impuls für eine breitere Sensibilisierung für die Normung und die Verbesserung des einschlägigen Kenntnisstandes ausgehen. Die Kommission wird die Organisation von Normungstagen an Hochschulen fördern, um wissenschaftliches Personal und Studierende zu sensibilisieren. Plattformen für die Zusammenarbeit von im Bereich Normung tätigen Wissenschaftlern, wie die EU-Akademie der Kommission, können ein Forum für Austausch sein und die Entwicklung von Lehrmodulen anregen.
Mehr Öffentlichkeitsarbeit in Regionen und Clustern kann bewirken, dass Normungskenntnisse und die Vermittlung von Fachwissen im Bereich Normung durch die Berufsbildung gefördert werden. Es gibt Potenzial in pränormativen Tätigkeiten im Rahmen von EU-Förderprogrammen: Dabei erwerben Forschende wichtige Kenntnisse, die in die Entwicklung von Normen einfließen könnten. Bislang fehlte es an Initiativen zur Nutzung dieses bei den Forschenden vorhandenen Fachwissens, und die Kommission wird zunächst die Möglichkeiten eines eigenen Forschungsnetzes für Normen im Rahmen der Maßnahmen der Zusammenarbeit in Wissenschaft und Technologie (COST) ausloten.
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Die Kommission wird
·Normungstage an Hochschulen veranstalten, um wissenschaftliches Personal und Studierende für Normungsfragen zu sensibilisieren;
·Initiativen für junge Forschende und Netze im Rahmen von Horizont Europa und des Euratom-Programms für Forschung und Ausbildung, einschließlich der COST-Vereinigung, auf den Weg bringen, um Forschung und Innovation, die auf Normung und pränormative Forschung zurückgeht, zu verwerten;
·die Plattform der EU-Akademie der Kommission für die Verbreitung von E-Learning-Schulungsmaterial zur Normung nutzen; sich im Rahmen des hochrangigen Forums für die Entwicklung und Verbreitung von einschlägigen Hochschullehrmodulen einsetzen, um junge Fachkräfte für die Normung zu interessieren und ihnen eine entsprechende Ausbildung zukommen zu lassen und um Umschulungsmöglichkeiten zu fördern.
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VII.Weiteres Vorgehen – die Zukunft des europäischen Normungssystems
Normen sind kein Selbstzweck. Sie sind in politische Ziele eingebettet, die auf die industrielle Wettbewerbsfähigkeit, den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr im Binnenmarkt, Innovation, Sicherheit, Verbraucher-, Arbeitnehmer- und Umweltschutz sowie auf eine offene strategische Autonomie und eine klimaneutrale, resiliente und kreislauforientierte Wirtschaft ausgerichtet sind. Daher ist es von größter Bedeutung, die Nutzbarkeit, Wirksamkeit und Nützlichkeit von Normen entlang der industriellen Wertschöpfungsketten, die KMU und gesellschaftliche Akteure einschließen, zu gewährleisten.
Die EU hat das Potenzial, eine Pionierrolle bei der Festlegung internationaler Normen zu spielen und ihre Zusammenarbeit mit anderen gleich gesinnten internationalen Partnern – insbesondere im Hinblick auf künftige Technologiebereiche von strategischem Interesse – zu nutzen. Daher ist die Kommission entschlossen, das europäische Normungssystem funktionaler und flexibler zu gestalten, damit die Normen bereitgestellt werden, die unsere Industrie wettbewerbsfähiger machen, dem öffentlichen Interesse der EU dienen, für mehr Nachhaltigkeit sorgen und demokratische Werte bewahren und stärken.
Transparenz im Normungsprozess wird dazu beitragen, Engpässe bei der Entwicklung von Normen zu beseitigen und das europäische Normungssystem effizienter zu gestalten. Transparenz wird es öffentlichen und privaten Akteuren auch ermöglichen, die derzeitigen Lücken und den künftigen Bedarf im Normungsbereich besser zu erfassen.
Das Engagement und der regelmäßige Beitrag aller relevanten Akteure – einschließlich der interinstitutionellen Partner, der europäischen Normungsorganisationen, der Zivilgesellschaft, der Industrie und der Wissenschaft – sowie die Wirksamkeit gegenseitiger Kontrollen werden für den Erfolg des europäischen Normungssystems von entscheidender Bedeutung sein.
Mit dieser Strategie stärkt die Kommission die Rolle der EU als globale Vorreiterin bei der Entwicklung von Normen, und gleichzeitig unterstützt sie die Werte der EU und verschafft ihren Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil.
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Die Kommission wird
·zusammen mit dem Jahresarbeitsprogramm der Union und dem fortlaufenden IKT-Normungsplan für die europäische Normung einen Jahresanzeiger zu den geplanten, aktuellen und abgeschlossenen Normungstätigkeiten veröffentlichen, um das europäische Normungssystem transparenter zu gestalten.
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