29.9.2023   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 349/161


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgenden Vorlagen: „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Überprüfung des Rahmens für das Krisenmanagement im Bankensektor und für die Einlagenversicherung als Beitrag zur Vollendung der Bankenunion“

(COM(2023) 225 final)

„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 im Hinblick auf Frühinterventionsmaßnahmen, Abwicklungsvoraussetzungen und die Finanzierung von Abwicklungsmaßnahmen“

(COM(2023) 226 final — 2023/0111 (COD))

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU im Hinblick auf Frühinterventionsmaßnahmen, Abwicklungsvoraussetzungen und die Finanzierung von Abwicklungsmaßnahmen“

(COM(2023) 227 final — 2023/0112 (COD))

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU und der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 im Hinblick auf bestimmte Aspekte der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten“

(COM(2023) 229 final — 2023/0113 (COD))

(2023/C 349/24)

Berichterstatter:

Giuseppe GUERINI

Ko-Berichterstatter:

Christophe LEFÈVRE

Befassung

8.12.2022, Schreiben des spanischen Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, die Europäische Union und Zusammenarbeit

Rat der Europäischen Union, 23.6.2023 (COM(2023) 229 final und 11.7.2023 (COM(2023) 226 final), 11.7.2023 (COM(2023) 227 final)

Europäisches Parlament, 12.6.2023 (COM(2023) 229 final), 10.7.2023 (COM(2023) 226 final und COM(2023) 227 final)

Europäische Kommission, 2.6.2023 (COM(2023) 225 final)

Rechtsgrundlagen

Artikel 114 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme in der Fachgruppe

27.6.2023

Verabschiedung im Plenum

13.7.2023

Plenartagung Nr.

580

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

175/0/2

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die umfassende Initiative der Kommission zur Vervollständigung der Rechtsvorschriften zum Krisenmanagement im Bankensektor und zur Einlagenversicherung (CMDI). Denn die Vollendung der Bankenunion ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung des europäischen Binnenmarkts im Interesse der Einleger und der Steuerzahler.

1.2.

Nach Auffassung des EWSA verdeutlichen die jüngsten Bankenkrisen in den USA, dass das Ansteckungsrisiko und der Vertrauensverlust von Anlegern und Einlegern rasch eingedämmt werden müssen. Bankenkrisen bedürfen einer flexiblen Reaktion. Die jüngsten Erfahrungen zeigen auch, wie wichtig es ist, die Übertragung von einer notleidenden Bank auf eine andere Bank innerhalb kürzester Zeit zu bewerkstelligen.

1.3.

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission den Schutz durch das Einlagensicherungssystem (Deposit and Guarantee Scheme — DGS) auf die Einlagen staatlicher Behörden ausweitet und eine stärkere Harmonisierung der Instrumente zur Einlagensicherung in der gesamten EU anstrebt. Da angemessen finanzierte und organisierte Einlagenversicherungsfonds (DIF) grundlegend sind, wird die von der Kommission vorgeschlagene verstärkte Harmonisierung sicherlich von Vorteil sein.

1.4.

Der EWSA stellt fest, dass eines der Hauptziele des Kommissionsvorschlags darin besteht, den Anwendungsbereich für die Bankenabwicklung auszuweiten. Der EWSA ist sich des Ansatzes, des Hintergrunds, der rechtlichen Begründung und der langfristigen Ziele der Kommission voll und ganz bewusst.

1.5.

Angesichts der jüngsten Bankenkrisen weist der EWSA darauf hin, dass ein pragmatischer und flexibler Ansatz erforderlich ist, der auf die Besonderheiten der verschiedenen Fälle abhebt in puncto: a) Regulierungsansatz; b) Wahl der wirksamsten verfügbaren Instrumente; c) praktische Auswirkungen der durchgeführten Maßnahmen; d) erforderliche Zusammenarbeit zwischen den Interessenträgern; e) Ausführungsgeschwindigkeit; f) Beschaffenheit der Finanzierungsmittel für die Umsetzung der gewählten Lösungen für das Krisenmanagement.

1.6.

Nach Ansicht des EWSA ist die Abwicklung nicht immer die am besten geeignete Lösung für den umfassenden Schutz der wirtschaftlichen Ökosysteme, in denen eine in Schwierigkeiten geratene Bank tätig ist. Wenn sich eine Abwicklung tatsächlich als kostspieliger erweist als eine Liquidation, sollten solche Banken in Insolvenz gehen.

1.7.

Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass die Bewertung des öffentlichen Interesses verfeinert werden könnte und in der gesamten EU einem transparenteren und einheitlicheren Ansatz folgen sollte. Der EWSA räumt ein, dass es für die Regulierungsbehörden sehr schwierig ist, ein Gleichgewicht zwischen Flexibilität und Vorhersehbarkeit zu finden. Daher fordert er die Mitgesetzgeber auf, Lösungen zu finden, die die Rechtsunsicherheit nach Möglichkeit ausräumen.

1.8.

Nach Auffassung des EWSA ist ein angemessenes Gleichgewicht zwischen einer besseren Formulierung der Bewertung des öffentlichen Interesses und der Verhältnismäßigkeit seiner Anwendung in Bezug auf kleine, mittelgroße und lokale Banken zu finden. Eine Ausdehnung der Bewertung des öffentlichen Interesses auf Banken, die eine wichtige Rolle auf regionaler Ebene spielen, führt im derzeitigen Rahmen immer noch zu Unsicherheiten.

1.9.

Der EWSA erinnert daran, wie wichtig die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist, um Vorschriften zu erarbeiten, die ihren Zielen gerecht werden, ohne die Interessen kleiner, mittelgroßer und lokaler Banken übermäßig zu beeinträchtigen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sollte auch bei der Bewertung des öffentlichen Interesses berücksichtigt werden, insbesondere mit Blick auf lokale Banken, die kein Risiko für die Finanzstabilität darstellen.

1.10.

Der EWSA erkennt zwar die unterschiedlichen Zuständigkeiten bezüglich der Banken- und der Beihilferegulierung an. Er ist jedoch der Ansicht, dass das gesamte CMDI-Paket angemessen mit der erwarteten Überarbeitung der Mitteilung von 2013 über staatliche Beihilfen (1) in Bezug auf den Bankensektor abgestimmt werden sollte. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Vorschläge umgesetzt werden, die möglicherweise nicht mit den Rechtsvorschriften über staatliche Beihilfen vereinbar sind, was zu Unvorhersehbarkeit und Rechtsunsicherheit führt.

1.11.

Die Kommission hat sich darauf konzentriert, das Instrument der Übertragungsstrategie durch den Einsatz des DGS zu stärken. Dabei besteht unter der Voraussetzung angemessener Garantien die Möglichkeit, Zugang zum einheitlichen Abwicklungsfonds zu bekommen. Dies könnte ein Schritt hin zu einem europäischen Einlagenversicherungssystem (EDIS) sein. Da jedoch der Markt bis zur Vollendung der Bankenunion weiterhin fragmentiert sein wird, werden Ineffizienzen fortbestehen.

2.   Hintergrund und Befassung des EWSA durch Spanien

2.1.

Die spanische Regierung ersuchte den EWSA um eine Sondierungsstellungnahme zum Bankenunions-Vorschlag. Sie machte insbesondere deutlich, dass die Bewertung des öffentlichen Interesses breitere Anwendung finden muss, um vor allem kleine und mittelgroße Banken in das harmonisierte Abwicklungsverfahren im Krisenfall einzubeziehen.

2.2.

Die Kommission legte am 18. April 2023 vier verschiedene Legislativvorschläge zur Stärkung des bestehenden CMDI-Rahmens der EU mit dem Schwerpunkt auf mittelgroßen und kleineren Banken vor (2).

2.3.

Der Kommission zufolge hat die Erfahrung „jedoch gezeigt, dass mittelgroße und kleinere Banken bei Ausfall häufig nicht abgewickelt werden“ (3), „sondern andere Lösungen zur Anwendung kommen, bei denen anstelle der internen Ressourcen, die Banken halten müssen, oder privater, branchenfinanzierter Sicherheitsnetze wie DGS und Abwicklungsfonds mitunter Steuergelder herangezogen werden“ (4). Dies hat starke negative Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Wahrnehmung in der Gesellschaft.

2.4.

Mit den vorgeschlagenen neuen Vorschriften werden die Behörden daher in die Lage versetzt, die Abwicklung als Schlüsselelement des Instrumentariums für das Krisenmanagement zu nutzen. Es wird betont, dass die Abwicklung für Kunden weniger dramatisch sein könnte als die Liquidation, da sie Zugang zu ihren Konten behalten und die kritischen Funktionen der Bank erhalten bleiben.

2.5.

Die Vorschläge der Kommission erleichtern auch den Einsatz von DGS in Krisensituationen, um Einleger vor Verlusten zu schützen, wenn dies notwendig ist, um die Ansteckung anderer Banken und größeren Schaden für Gemeinschaften und die Wirtschaft zu vermeiden. Durch den Rückgriff auf branchenfinanzierte Sicherheitsnetze (wie DGS und Abwicklungsfonds) zielt der Vorschlag auch darauf ab, den Steuerzahler bei Bankenkrisen zu schützen.

2.6.

Die in der Richtlinie über Einlagensicherungssysteme festgelegte Deckungssumme von 100 000 EUR pro Einleger und Bank wird für alle in Frage kommenden Einleger in der EU bestätigt. Sie wird auf öffentliche Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen und Gemeinden sowie auf Kundengelder ausgeweitet, die in bestimmten Arten von Kundenfonds (d. h. von Investmentgesellschaften, Zahlungsinstituten und E-Geld-Instituten) hinterlegt sind. Mit dem Kommissionsvorschlag sollen auch die Standards für den Einlegerschutz in der gesamten EU harmonisiert werden.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Der EWSA teilt die Ziele der Legislativvorschläge der Kommission, Bankenkrisen besser zu bewältigen und einen angemessenen Schutz der Bankeinlagen im Krisenfall zu gewährleisten.

3.2.

Der EWSA begrüßt die umfassende Initiative der Kommission zur Vervollständigung der CMDI-Rechtsvorschriften. Denn die Verbesserung und Vollendung der Bankenunion ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung des europäischen Binnenmarkts im Interesse der Einleger und Steuerzahler. Ferner ist die Vollendung der Bankenunion von entscheidender Bedeutung für die Verwirklichung einer echten Wirtschafts- und Währungsunion, die im Bedarfsfall Finanzstabilität und ein solides Krisenmanagement gewährleisten kann.

3.3.

Wie bereits in früheren Stellungnahmen (5) dargelegt, ist nach Auffassung des EWSA die Stärkung des bestehenden CMDI-Rahmens entscheidend. Dies haben die jüngsten Bankenkrisen in den USA und der Fall der Credit Suisse mit ihren weitreichenden negativen Auswirkungen auf die Stabilität des Bankensystems in den Vereinigten Staaten und der Schweiz sowie auf die internationalen Finanzmärkte im Allgemeinen und den Bankensektor im Besonderen deutlich gemacht. In der EU mangelt es immer noch an einer Liquiditätssicherung bei einem Abwicklungsverfahren.

3.4.

Nach Auffassung des EWSA bestätigen die o. g. Bankenkrisen einmal mehr, dass es bei der Eindämmung von Schäden und insbesondere des Ansteckungsrisikos auf zügiges Handeln und bei der Reaktion auf Bankenkrisen auf Flexibilität ankommt. Sie belegen auch die entscheidende Rolle einer Liquiditätssicherung zur Deckung des unmittelbaren Liquiditätsbedarfs und der für die Erarbeitung einer tragfähigen Abwicklungsstrategie erforderlichen Zeit.

3.5.

Nach Ansicht des EWSA zeigen die jüngsten Erfahrungen auch, wie wichtig es ist, die Übertragung von einer notleidenden Bank auf eine andere Bank innerhalb kürzester Zeit zu organisieren. Daher muss ein Rechtsrahmen mit den richtigen Bedingungen für solche Übertragungen sichergestellt werden. Denn sie müssen ohne die üblichen Due-Diligence-Prüfungen durchgeführt werden, und die Auswirkungen der Transaktionen sind enorm und ungewiss. Darüber hinaus hat die bisherige Erfahrung gezeigt, dass beim Erwerb einer in Abwicklung befindlichen Bank eine allgemeine Sonderregelung erforderlich ist, mit der die Integration der Bank in die neue Gruppe möglichst wirksam erleichtert wird.

3.6.

Die Integration und Verwaltung einer abgewickelten Bank ist ein komplexes Verfahren, und die regulatorischen Schritte und Anforderungen müssen gestrafft werden. Die verschiedenen beteiligten Behörden sollten in der Lage sein, ihre jeweiligen Aufgaben im Rahmen der Regulierung oder der beschleunigten Genehmigungsverfahren für Krisenmanagementmaßnahmen ordnungsgemäß zu koordinieren. Zudem muss unbedingt sichergestellt werden, dass solche Übertragungen im Bedarfsfall auch grenzüberschreitend innerhalb der EU erfolgen können.

3.7.

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission den Schutz durch das DGS auf staatliche Behörden ausweitet und eine stärkere Harmonisierung der Instrumente zur Einlagensicherung in der gesamten EU anstrebt. Durch den Schutz von Sparern, Privatkunden und anderen Kleinanlegern minimiert die Einlagenversicherung im Falle eines Bankenausfalls das Risiko einer Einlagenflucht und mindert das Ansteckungsrisiko. Nach Auffassung des EWSA sollte diese Einlagenversicherung in bestimmten Fällen angepasst werden, um Einleger, die sich in einer prekären wirtschaftlichen Lage befinden, wie Menschen mit Behinderungen oder Menschen mit Langzeiterkrankungen, zu berücksichtigen. Da angemessen finanzierte und organisierte Einlagenversicherungsfonds grundlegend sind, wird die von der Kommission vorgeschlagene verstärkte Harmonisierung sicherlich von Vorteil sein.

3.8.

Der EWSA stellt fest, dass eines der Hauptziele des Kommissionsvorschlags darin besteht, den Anwendungsbereich der Abwicklung auszuweiten, sollte diese Lösung im öffentlichen Interesse liegen. Eine Liquidation kann nur dann durchgeführt werden, wenn sie a) wirksamer als eine Abwicklung die Ziele erfüllen kann, die in der Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten für die Abwicklung selbst festgelegt sind, und b) keine Notwendigkeit besteht, öffentliche Mittel einzusetzen.

3.9.

Der EWSA ist sich des Ansatzes, der rechtlichen Begründung und der langfristigen Ziele der Kommission voll und ganz bewusst. Zudem haben nach Auffassung des EWSA die jüngsten Bankenkrisen in den USA gezeigt, dass ein pragmatischer Ansatz erforderlich ist. Dies gilt für den Regulierungsansatz, den Einsatz der wirksamsten verfügbaren Instrumente, die praktischen Auswirkungen der ergriffenen Maßnahmen, die notwendige Zusammenarbeit zwischen den Interessenträgern, die Geschwindigkeit der Umsetzung und schließlich die finanziellen Mittel, die für die Umsetzung der gewählten Krisenmanagementinstrumente eingesetzt werden sollen.

3.10.

Nach Ansicht des EWSA ist die Abwicklung nicht immer die am besten geeignete Lösung für den umfassenden Schutz der wirtschaftlichen Ökosysteme, in denen eine in Schwierigkeiten geratene Bank, vor allem eine kleine oder mittlere Bank, tätig ist. Es sei darauf hingewiesen, dass die Abwicklung bei kleinen und mittleren Banken tatsächlich kostspieliger sein könnte als andere Interventionsformen, insbesondere auf der — oft begrenzten — lokalen Ebene, auf der die Bank tätig ist. In diesem Zusammenhang schlägt der EWSA vor, den Marktanteil von mittleren, kleinen und lokalen Banken ohne grenzüberschreitende Tätigkeit anhand des nationalen Gesamtmarktanteils und nicht auf regionaler Basis innerhalb der Mitgliedstaaten zu bewerten.

3.11.

Der EWSA ist der Ansicht, dass das gesamte CMDI-Paket ordnungsgemäß mit der erwarteten Überarbeitung der Mitteilung von 2013 über staatliche Beihilfen (6) im Bankensektor abgestimmt werden sollte. Letztere hat zur gegenwärtigen Unvorhersehbarkeit bezüglich der Frage beigetragen, ob ein Abwicklungsverfahren eingeleitet werden sollte oder nicht. Die Annahme der CMDI-Regulierungsvorschläge ohne Kenntnis der Beihilfevorschriften könnte bedeuten, Vorschläge umzusetzen, die möglicherweise nicht mit den Rechtsvorschriften über staatliche Beihilfen vereinbar sind.

3.12.

Generell erinnert der EWSA daran, wie wichtig die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist, um Vorschriften zu erarbeiten, die ihren Zielen gerecht werden, ohne die Interessen kleiner, mittelgroßer und lokaler Banken übermäßig zu beeinträchtigen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sollte auch bei der Durchführung der Bewertung des öffentlichen Interesses berücksichtigt werden, insbesondere mit Blick auf lokale Banken, die kein Risiko für die Finanzstabilität darstellen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass die Bewertung des öffentlichen Interesses verfeinert werden könnte und in der gesamten EU einem transparenteren und einheitlicheren Ansatz folgen sollte. Der EWSA räumt zwar ein, dass die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Flexibilität und Vorhersehbarkeit für die Regulierungsbehörden eine sehr schwierige Aufgabe ist. Der den beteiligten Behörden eingeräumte erhebliche Ermessensspielraum wurde durch die vorliegenden Legislativvorschläge allerdings nicht vollständig beseitigt, was eine gewisse Rechtsunsicherheit birgt.

4.2.

Nach Auffassung des EWSA ist ein angemessenes Gleichgewicht zwischen einer besseren Formulierung des Kriteriums des öffentlichen Interesses und der Verhältnismäßigkeit seiner Anwendung auf kleine und lokale Banken zu finden. Eine Ausdehnung der Bewertung des öffentlichen Interesses auf Banken, die eine wichtige Rolle auf regionaler Ebene spielen, führt im derzeitigen Rahmen immer noch zu Unsicherheiten.

4.3.

Um ein breiteres Spektrum von Fällen zu berücksichtigen, wird das öffentliche Interesse umfassender bewertet als bei früheren Vorschriften. Deshalb hält es der EWSA für entscheidend, dass die Kostenoptimierungsprüfung (d. h. eine geringere Belastung bei präventiven/alternativen Maßnahmen von DGS in Bezug auf Auszahlungen) effizient funktioniert. Es gilt, bei gegebenen Voraussetzungen genügend Handlungsspielraum zu gewähren, um die Krise dank alternativer Abwicklungsinstrumente zu verhindern bzw. deeskalieren zu können.

4.4.

Der EWSA verweist auf die durch die Legislativvorschläge in Bezug auf die Aufteilung der Zuständigkeiten aufgeworfene Unsicherheit. Dies gilt insbesondere für die Verteilung der Befugnisse und Zuständigkeiten auf die nationalen und europäischen Behörden, die ggf. an der komplexen Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit der Bewältigung von Bankenkrisen beteiligt sind. In diesem Zusammenhang ist rasches Handeln entscheidend, wie unlängst mehrere Fällen in der EU und den USA gezeigt haben.

4.5.

Der EWSA stellt fest, dass die Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (MREL) in Abhängigkeit von der Größe und dem spezifischen Risikoprofil der betreffenden Banken festgelegt und angewandt werden sollten. Dies würde zum einen gleiche Wettbewerbsbedingungen für größere Banken mit vergleichbarer Funktionsweise gewährleisten und zum anderen das spezifische Geschäftsmodell kleiner und lokaler Banken sowie von Banken in spezifischen und bestimmten Sektoren bzw. Branchen schützen.

4.6.

In Bezug auf die MREL ist die angebliche Verhältnismäßigkeit gemäß der Definition der Kommission für diese Anforderung zu klären. Die MREL würde immer (wie bei Banken, die die Anforderungen bereits erfüllen) aus einer zusätzlichen Kapitalrücklage bestehen, die zur Deckung etwaiger Verluste erforderlich ist. Zu dieser kommt ein Betrag für die Rekapitalisierung hinzu. Der EWSA hält es für wichtig, die MREL an die verschiedenen Größenordnungen und Geschäftsmodelle von Banken anzupassen.

4.7.

Nach Ansicht des EWSA sollte die Rolle der Banken in der EU sowie ihre unterschiedlichen Merkmale und Geschäftsmodelle, die ein stärkeres und diversifiziertes europäisches Bankensystem gewährleisten, in der gesamten EU gestärkt und erhalten werden. Die Bankenvorschriften sollten dem notwendigen Wachstum der Realwirtschaft und den diesbezüglichen langfristigen Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum in Europa sowie den sozialen Auswirkungen auf die Beschäftigung gebührend Rechnung tragen. In diesem Zusammenhang hält es der EWSA für weitaus besser, Bedingungen und Instrumente zu schaffen, um eine Krise zu verhindern und abzuwenden — wenn solche Optionen möglich und verfügbar sind —, anstatt im Nachhinein mit Rettungsmaßnahmen zu intervenieren.

4.8.

Frühzeitige Interventionen erweisen sich häufig als wirksam und kostengünstiger als eine Abwicklung. Die Verfahren für präventive und alternative Maßnahmen sind in der Richtlinie über Einlagensicherungssysteme festgelegt und werden in mehreren EU-Mitgliedstaaten von den nationalen DGS nach harmonisierten Vorschriften und bestehenden Schutzmechanismen verwaltet. Es wird eine Überprüfung der Gläubigerhierarchie durchgeführt, um eine reibungslose Kostenoptimierungsprüfung und folglich die Umsetzung von Frühinterventionsmaßnahmen zu ermöglichen. Zudem gilt es, eine europäische Harmonisierung zu erreichen oder zumindest Leitlinien für Berechnungen nach dem Kostenoptimierungsprinzip zu entwickeln.

4.9.

Nationale DGS und sonstige Sicherungssysteme sind ein Schlüsselelement des Sicherheitsnetzes, das der EU-Rahmen zur Wahrung der Finanzstabilität und Stärkung des Marktvertrauens bietet. Aus diesem Grund sollten DGS unbeschadet ihrer privaten oder öffentlichen Rechtsnatur oder des freiwilligen oder obligatorischen Charakters der Beiträge zu ihrer Finanzierung eine größere Rolle spielen. Entscheidend ist ihre öffentliche Funktion und der strikte Marktansatz, den sie — unter Aufsicht der zuständigen Behörden — bei ihren Entscheidungen verfolgen.

4.10.

Es hat sich gezeigt, dass DGS besonders für kleine und mittelgroße Banken (Institute von geringerer Bedeutung), die nur über begrenzte Marktzugangskapazitäten zur Ausgabe MREL-fähiger Instrumente verfügen, wichtig sind. Wohl bemerkt haben sich verschiedene, auch kleine und lokale Banken als fähig erwiesen, Präventionsmaßnahmen wirksam umzusetzen, um Krisen angemessen zu meistern.

4.11.

Wie bereits in einer Reihe von Stellungnahmen (7) dargelegt, sollte das europäische Ökosystem im Finanz- und Bankenbereich diversifiziert, nachhaltig und in der Lage sein, die zentrale Rolle kleiner und mittelgroßer Banken auf lokaler Ebene, ihre allgemeine Relevanz auf nationaler Ebene, den Mehrwert solcher Banken für die lokalen Gemeinschaften und die positiven Auswirkungen verstärkter Kompetenzen im Bankensektor auf die Gesellschaft als Ganzes anzuerkennen. Die Rolle von genossenschaftlichen Kreditbanken (8), Ethikbanken und die lokale bzw. sektorale Ebene — wie im Falle von Genossenschaftsbanken und Ethikbanken für sozialwirtschaftliche Unternehmen — ist in dieser Hinsicht von entscheidender Bedeutung und steht im Einklang mit dem in den EU-Verträgen verankerten Grundsatz der sozialen Marktwirtschaft.

4.12.

Andererseits sollte auch die Rolle größerer grenzübergreifend tätiger Bankengruppen anerkannt werden. Wenn sie als Tochterunternehmen organisiert sind, bieten sie bessere Diversifizierung, sind weniger von Mutterinstituten abhängig und ermöglichen eine einfachere Trennung der Tochterunternehmen von der Gruppe. Dadurch wird das Ansteckungsrisiko verringert und die Stabilität erhöht. Internationale europäische Banken sind ein entscheidender Faktor für die Internationalisierung europäischer Unternehmen.

4.13.

Der EWSA fordert, die Vorschriften zur Bankenunion in puncto Krisenmanagement und Einlagenversicherungsrahmen angemessen mit der Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen gemäß Artikel 107 AEUV (9) zu koordinieren. Mit dieser Koordinierung sollten Rechtsunsicherheit und eine unterschiedliche rechtliche Behandlung von Banken mit Sitz in der EU vermieden werden. Der vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellte Grundsatz, dass aus privaten Mitteln finanzierte Systeme nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 107 AEUV (Rechtssache Tercas) fallen, sollte in diesem Zusammenhang gebührend berücksichtigt werden (10).

Brüssel, den 13. Juli 2023

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Oliver RÖPKE


(1)  Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen ab dem 1. August 2013 auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise („Bankenmitteilung“) (ABl. C 216 vom 30.7.2013, S. 1).

(2)  COM(2023) 226 final, COM(2023) 227 final, COM(2023) 228 final und COM(2023) 229 final.

(3)  Pressemitteilung vom 18. April 2023, Europäische Kommission.

(4)  Pressemitteilung vom 18. April 2023, Europäische Kommission.

(5)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 und der Richtlinie 2014/59/EU im Hinblick auf die aufsichtliche Behandlung global systemrelevanter Institutsgruppen mit einer multiplen Abwicklungsstrategie und eine Methode für die indirekte Zeichnung von Instrumenten, die zur Erfüllung der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten berücksichtigungsfähig sind“ (COM(2021) 665 final — 2021/0343 (COD)) (ABl. C 152 vom 6.4.2022, S. 111) und Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zur Vollendung der Bankenunion (COM(2017) 592 final) (ABl. C 237 vom 6.7.2018, S. 46).

(6)  Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen ab dem 1. August 2013 auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise („Bankenmitteilung“) (ABl. C 216 vom 30.7.2013, S. 1).

(7)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses — Ergänzende Überlegungen zur „Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets“ (COM(2021) 742 final) (Initiativstellungnahme) (ABl. C 75 vom 28.2.2023, S. 43) und Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 im Hinblick auf die Schaffung eines europäischen Einlagenversicherungssystems“ (COM(2015) 586 final — 2015/0270 (COD)) (ABl. C 177 vom 18.5.2016, S. 21).

(8)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Förderung einer inklusiveren und nachhaltigeren Bankenunion durch Verbesserung des Beitrags von gemeinschaftsorientierten Banken zur lokalen Entwicklung und zum Aufbau eines sozial verantwortlichen internationalen und europäischen Finanzsystems“ (Initiativstellungnahme) (ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 14).

(9)   ABl. C 115 vom 9.5.2008, S. 91.

(10)  Urteil in der Rechtssache C-425/19 P.