25.5.2023   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 184/45


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat — Strategische Vorausschau 2022 — Verzahnung des grünen und des digitalen Wandels im neuen geopolitischen Kontext

(COM(2022) 289 final)

(2023/C 184/08)

Berichterstatter:

Angelo PAGLIARA

Befassung

Europäische Kommission, 27.10.2022

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

10.3.2023

Verabschiedung im Plenum

22.3.2023

Plenartagung Nr.

577

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

204/0/3

Einleitung

Die Strategische Vorausschau der Europäischen Kommission und die vorliegende Stellungnahme sind zu einer Zeit entstanden, die von sozialen, geopolitischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der anhaltenden militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine geprägt ist. Die strategischen Entscheidungen der Europäischen Union in diesen Monaten werden nicht nur für die Verwirklichung der Ziele des grünen und des digitalen Wandels, sondern auch für die Resilienz und die strategische Autonomie der Union von entscheidender Bedeutung sein.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist sich der Schlüsselrolle der organisierten Zivilgesellschaft bei der Ermittlung und Einordnung von Megatrends bewusst und betont, dass sie bereits zu einem frühen Zeitpunkt in die Ausarbeitung der strategischen Vorausschau der EU einbezogen werden muss. Die vorliegende Stellungnahme enthält auch seinen Beitrag zur Strategischen Vorausschau 2023, in der die strategischen Leitlinien zur Stärkung der EU auf der internationalen Bühne im Mittelpunkt stehen.

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA fordert die Kommission auf, die Agenda für die strategische Vorausschau weiterzuentwickeln und ihn von Anfang an stärker in diesen Prozess einzubeziehen. Eine stärkere Einbindung des EWSA als Sprachrohr der Sozialpartner und der organisierten Zivilgesellschaft würde die Analyse- und Vorausschaukapazitäten der EU verbessern und dazu beitragen, Trends und mögliche Lösungen zu ermitteln.

1.2

Der EWSA hofft, dass die Agenda für die strategische Vorausschau sowie die Maßnahmen der Europäischen Kommission auf die Schaffung eines neuen Entwicklungsmodells abstellen, das auf wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit ausgerichtet ist.

1.3

Die Verwirklichung des grünen und des digitalen Wandels hängt auch von der Bereitschaft und dem Verhalten der Menschen ab. Deshalb empfiehlt der EWSA der Kommission, auch die Vorbehalte der Gesellschaft und die mögliche Zurückhaltung der Menschen gegenüber den vorgeschlagenen Änderungen zu berücksichtigen.

1.4

In ihrer Mitteilung beschreibt die Kommission, wie die Zukunft aussehen soll und welche Ressourcen dafür erforderlich sind. Auf die Risiken und Bedrohungen wird dabei allerdings nicht in ausreichendem Maße eingegangen. Der EWSA fordert die Kommission auf, auch die Risiken klarer zu beschreiben und die Möglichkeiten und Szenarien für den Fall zu analysieren, dass die angestrebten Ziele nicht erreicht werden. Das gilt insbesondere für die Verfügbarkeit von Rohstoffen, Seltenerdmetallen und Wasserressourcen sowie mögliche damit zusammenhängende Probleme.

1.5

Die anhaltenden geopolitischen Spannungen werden Folgen für die Versorgungssysteme und die Resilienz des europäischen Agrar- und Lebensmittelsektors haben. Die jüngsten Ereignisse im Zusammenhang mit COVID-19 und der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine haben das Verteilungssystem in der EU gestört, und dies könnte auch in Kürze erneut der Fall sein. Der EWSA begrüßt die Empfehlung, die Abhängigkeit von der Einfuhr von Futtermitteln, Düngemitteln und anderen Betriebsmitteln zu verringern, und schlägt eine Definition der offenen strategischen Autonomie für Lebensmittelsysteme vor, die auf den Aspekten Lebensmittelerzeugung, Arbeitskräfte und Handel beruht. Das übergeordnete Ziel ist eine sichere, nachhaltige Ernährung der EU-Bevölkerung im Rahmen einer gesunden, nachhaltigen, widerstandsfähigen und fairen Lebensmittelversorgung.

1.6

Die grundlegende Bedeutung eines starken, kohärenten und innovativen europäischen Industriesystems, das hochwertige Arbeitsplätze schaffen kann, bleibt in der strategischen Vorausschau unberücksichtigt. Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, konkrete Prognosen für die Zukunft der europäischen Industriepolitik zu erstellen, und empfiehlt, geeignete wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Förderung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität sowie zur Steigerung der öffentlichen und privaten Investitionen in diesem Bereich zu ergreifen.

1.7

Die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine, die Energiekrise und die neuen wirtschaftlichen und geopolitischen Gegebenheiten werden sich auf das Voranbringen des grünen und des digitalen Wandels auswirken. Der EWSA begrüßt die Entschlossenheit der EU, ihre Ziele zu erreichen. Gleichzeitig fordert er die Kommission und den Rat auf, spezielle Instrumente zum Ausbau der strategischen Energieautonomie, zur Stärkung des europäischen Industriesystems sowie zur Unterstützung von Unternehmen und Beschäftigten zu entwickeln, so wie sie es während der Pandemie durch die Annahme eines Instruments nach dem Vorbild des SURE-Programms getan hat.

1.8

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission in ihrer Vorausschau stärker auf die soziale Dimension eingeht. Er fordert sie wie bereits in seiner Stellungnahme aus dem Jahre 2021 auf, im Rahmen der strategischen Analyse spezifische Instrumente für die Vorausschau zu entwickeln, um die Auswirkungen der Veränderungen auf die Systeme der sozialen Sicherheit absehen zu können, und dementsprechend spezifische Maßnahmen zur Abmilderung der sozialen Auswirkungen des grünen und des digitalen Wandels vorzuschlagen.

1.9

Nach Ansicht des EWSA muss die EU zur Stärkung ihrer Rolle als globaler Akteur zu ihren Werten stehen und weiterhin mit Drittländern zusammenarbeiten, die gemeinsame Außenpolitik stärken, nach gemeinsamen Lösungen suchen und dafür sorgen, dass ihre Zusammenarbeit und ihr Handel den wirtschaftlichen und sozialen Rechten der Menschen in diesen Ländern zugutekommen, insbesondere im Hinblick auf langfristige Nachhaltigkeit.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Angesichts der militärischen Aggression Russlands auf dem Gebiet der Ukraine und ihrer Folgen für das Wirtschafts-, Sozial- und Industriesystem — im Hinblick auf Technologie, Handel, Investitionsstandards und Veränderungen der Industriestruktur — ist es umso wichtiger, in den grünen und digitalen Wandel zu investieren, auch im Hinblick auf die angestrebte strategische Autonomie Europas. Deshalb begrüßt der EWSA die strategischen Überlegungen über die Wechselwirkung zwischen dem grünen und dem digitalen Wandel und deren Fähigkeit, sich gegenseitig zu verstärken.

2.2

Die aufeinanderfolgenden Krisen, zuerst die Pandemie und dann der Krieg, haben dazu geführt, dass das Schutzbedürfnis der Bevölkerung. d. h. das Bedürfnis nach Sicherheit, in den verschiedenen Lebensbereichen zugenommen hat. Daher müssen bei der Verwirklichung der Ziele des grünen und des digitalen Wandels die möglichen negativen Folgen für Wirtschaft, Soziales und alle anderen Bereiche sorgfältig berücksichtigt werden, nicht zuletzt durch die Bereitstellung geeigneter Interventionsinstrumente. In diesem Zusammenhang weist der EWSA darauf hin, dass die europäischen Bürgerinnen und Bürger, insbesondere die schwächsten Bevölkerungsgruppen, gegenüber den mit dem grünen und dem digitalen Wandel verbundenen Veränderungen eher ablehnend gegenüberstehen könnten, wenn sie der Ansicht sind, dass sie durch deren Folgen benachteiligt werden.

2.3

Eine stärkere Einbeziehung des EWSA als Sprachrohr der Sozialpartner und der organisierten Zivilgesellschaft im Rahmen der Agenda für die strategische Vorausschau würde die Analyse- und Vorausschaukapazitäten stärken und eine bessere Ermittlung der Trends ermöglichen.

2.4

Mit Hilfe seiner Kontaktgruppe, in der die wichtigsten Netze und Organisationen der europäischen Zivilgesellschaft vertreten sind, entwickelt der EWSA die Kapazitäten der organisierten Zivilgesellschaft zur strategischen Vorausschau. Dies geschieht durch Maßnahmen, an denen entweder seine Mitglieder und damit die von ihnen vertretenen nationalen Organisationen oder die Zivilgesellschaft auf EU-Ebene beteiligt sind. Der EWSA erleichtert insbesondere den Dialog mit der organisierten Zivilgesellschaft und ihre Konsultation, sensibilisiert für die Bedeutung der strategischen Vorausschau und stellt zudem konkrete Instrumente dafür bereit. Dank einer strukturierten Einbeziehung der von ihm vertretenen organisierten Zivilgesellschaft lassen sich die verschiedenen Dimensionen (Industrie, Soziales, Wirtschaft, Umwelt usw.) in ihrer Gesamtheit in der strategischen Agenda besser erfassen.

2.5

Aus all diesen Gründen legt der EWSA großen Wert darauf, im Zyklus der strategischen Vorausschau von Anfang an mit der Europäischen Kommission zusammenzuarbeiten, um die gesellschaftliche Teilhabe zu stärken. Ein Beispiel hierfür ist die Anhörung, in deren Rahmen der EWSA die Meinungen von Organisationen der Zivilgesellschaft sowie Sachverständigen zu den Herausforderungen und Chancen eingeholt hat, mit denen die EU beim Übergang zu einem sozial und wirtschaftlich nachhaltigen Europa konfrontiert sein wird. Der EWSA unterbreitet in dieser Stellungnahme Beiträge und Vorschläge zu diesen zentralen Aspekten, auf die sich die Europäische Kommission in ihrer nächsten Vorausschau konzentrieren sollte.

2.6

Angesichts der Herausforderungen und Chancen, mit denen Europa in den kommenden Jahrzehnten konfrontiert sein wird, dürfte die strategische Vorausschau weiter an Bedeutung gewinnen. Daher fordert der EWSA die Kommission auf, die Agenda für die strategische Vorausschau weiterzuentwickeln und den EWSA stärker in die zugehörige Analyse- und Entwicklungsphase einzubeziehen.

2.7

In der Vorausschau wird nicht angemessen berücksichtigt, dass die digitale Kluft zwischen den einzelnen Regionen in Europa die Verwirklichung der Ziele des grünen und des digitalen Wandels behindert. Im nächsten Strategiebericht muss dieser Kluft und den möglichen Folgen aus sozialer Sicht und in Bezug auf die verfügbaren Möglichkeiten Rechnung getragen werden.

2.8

Der EWSA ist sich darüber im Klaren, dass digitale Technologien nicht zuletzt durch die Erhöhung der Energieversorgungssicherheit zur Verwirklichung der Klimaziele beitragen können und der grüne Wandel auch den digitalen Sektor und die Wirtschaft verändern kann. In diesem Zusammenhang begrüßt er die zahlreichen Hinweise darauf, dass es zur Erreichung der Ziele dringend technologischer Investitionen und angemessener politischer Maßnahmen bedarf und unterstützt auch die Feststellung, dass im Bereich der Cybersicherheit Maßnahmen zum Schutz strategischer Technologien ergriffen werden müssen.

2.9

In der Strategischen Vorausschau 2022 wird mehrfach auf den Energiebedarf hingewiesen, der sich aus der Digitalisierung und dem Betrieb von Netzen, Systemen und Geräten ergibt und der durch die erhöhte Effizienz und Nachhaltigkeit der Prozesse, in denen sie eingesetzt werden (Landwirtschaft, Logistik, Cloud-Computing usw.), wieder ausgeglichen wird. Zeitgemäß erscheinen die Forderungen, die Energieeffizienz zu verbessern und Europa wieder stärker auf die Kreislaufwirtschaft des Sektors auszurichten (vom Zugang zu kritischen Rohstoffen über den Umgang mit Elektronikabfällen bis hin zur Entwicklung fortschrittlicher digitaler Technologien).

2.10

Die mit dem digitalen Wandel (Dematerialisierung und „Substitution“) verbundenen Vorteile in Bezug auf Nachhaltigkeit und Energieeinsparungen sollten jedoch deutlicher herausgestellt werden, um das Bewusstsein der Bürger und der politischen Entscheidungsträger für den Wert und die Auswirkungen dieser tiefgreifenden Transformationsprozesse zu schärfen.

2.11

Im Zusammenhang mit den Veränderungen infolge der Digitalisierung wird das Thema Kryptowährungen nicht erwähnt. Dabei hängt deren zunehmende Beliebtheit gerade mit der allgegenwärtigen Verbreitung der Digitalisierungsprozesse und der Entwicklung der Blockchain-Technologie zusammen. Ihre Zahlungsströme entziehen sich der Regulierung durch die Staaten und lassen der Wirtschaftskriminalität große Freiräume. Der EWSA hält es daher für notwendig, die Nutzung von Kryptowährungen und digitalen Währungen in der strategischen Vorausschau in einem gesonderten Abschnitt zu erläutern und zu analysieren. Er fordert die Kommission auf, im Einklang mit den Schlussfolgerungen des G20-Gipfels einen einheitlichen Regulierungsrahmen anzunehmen und umzusetzen.

2.12

Der EWSA begrüßt die in der Vorausschau dem Thema Landwirtschaft gewidmeten Überlegungen. Im Gegensatz zu vielen anderen Politikbereichen wird der europäischen Agrarpolitik und ihrer großen Bedeutung für die Festlegung der künftigen Entwicklungen in dieser Vorausschau ein hoher Stellenwert eingeräumt. In dem Bericht werden auch die Maßnahmen genannt, die die EU ergreifen muss, um riskante Rückschritte zu verhindern; für die anderen Bereiche, die Gegenstand der Analyse sind, geschieht das nicht.

2.13

Die Lebensmittelsysteme in der EU müssen weiter diversifiziert werden; die landwirtschaftliche Erwerbsbevölkerung muss gestärkt werden, insbesondere indem mehr junge Leute für diesen Wirtschaftszweig gewonnen sowie die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung verbessert werden; außerdem muss die Handelspolitik auf die EU-Standards für nachhaltige Lebensmittel und Wettbewerbsfähigkeit abgestimmt werden. Die starke Konzentration der Lebensmittelketten und der finanziellen Besitzverhältnisse sollte ebenso thematisiert werden wie die Markttransparenz, um sicherzustellen, dass künftige Krisen nicht durch übermäßige Rohstoffspekulationen verschärft werden.

2.14

Der EWSA betont, dass der Zugang zu kritischen Rohstoffen im derzeitigen geopolitischen Kontext nicht nur für die Verwirklichung der Ziele des grünen und des digitalen Wandels, sondern vor allem auch für die Aufrechterhaltung und Stärkung des europäischen Industriesystems sowie für die soziale, wirtschaftliche und beschäftigungspolitische Resilienz von entscheidender Bedeutung ist. In diesem Zusammenhang schlägt der EWSA der Kommission vor, mit Hilfe geeigneter Analyse- (auch aus geopolitischer Sicht) und Prognoseinstrumente detailliertere Analysen durchzuführen.

2.15

Der EWSA weist darauf hin, dass Gewässer und Wasserressourcen, auf die in der Vorausschau mehrfach Bezug genommen wird, nicht nur ein Problem, sondern auch ein Potenzial darstellen. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Verbesserung der Wassereffizienz, die Bewirtschaftung der Ressourcen und Sensibilisierungskampagnen für einen verantwortungsvollen Verbrauch. Vor allem die blaue Wirtschaft spielt eine wichtige Rolle und entfaltet ein stetig wachsendes Potenzial als Teil der EU- und der Weltwirtschaft sowie bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Verbesserung des Wohlergehens und der Gesundheit der Menschen. Der EWSA ist der Ansicht, dass diese Chancen — die ein breites Spektrum sowohl traditioneller als auch neu entstehender Branchen und Vorhaben betreffen — bestmöglich genutzt und zugleich die negativen Auswirkungen auf Klima, Artenvielfalt und Umwelt so gering wie möglich gehalten werden sollten.

2.16

Der EWSA fordert die Kommission auf, mit Blick auf den grünen und den digitalen Wandel mögliche Veränderungen, die sich aus dem Krieg in der Ukraine ergeben, insbesondere in Bezug auf die Energieversorgung und die Versorgung mit kritischen Rohstoffen, stärker zu berücksichtigen.

2.17

Der EWSA schließt sich der Forderung an, dass die EU ihre Strategie an ein neues Wirtschaftsmodell anpassen muss, um die Investitionen zur Steigerung des Wohlergehens zu erhöhen, und dass die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Industrie- und Wirtschaftssystems verbessert werden muss. In diesem Zusammenhang fordert er die Ausarbeitung spezifischer Prognosen über die Zukunft der europäischen Industriepolitik, die für die Erreichung einer vollständigen strategischen Autonomie entscheidend ist.

2.18

Der EWSA empfiehlt wie die Kommission eine Erhöhung der öffentlichen und privaten Investitionen, um die Ziele des Wandels zu erreichen. Er weist jedoch darauf hin, dass die wirtschaftlichen Entscheidungen in Europa und insbesondere die Aussicht auf einen weiteren Zinsanstieg die Investitionstätigkeit beeinträchtigen können.

2.19

Der EWSA begrüßt die Forderung nach einem gerechten Übergang und die Tatsache, dass der soziale Zusammenhalt und die Rolle des sozialen Dialogs jetzt stärker im Vordergrund stehen als im vorherigen Bericht. Nach Auffassung des EWSA werden die soziale Dimension und die Qualität der Arbeit zu vorrangigen Faktoren auf der europäischen Agenda werden, wodurch sich die Prioritätenskala, auf der sie nach wie vor eine komplementäre Rolle spielen, ändern wird.

2.20

Der EWSA begrüßt, dass in der strategischen Vorausschau 2022 den durch den grünen und den digitalen Wandel verursachten Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und in der wirtschaftlichen Lage der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft (Familien, Gemeinschaften) Rechnung getragen wird und gleichzeitig angemessene Mittel für soziale Maßnahmen eingefordert werden. Außerdem fordert er, Armut und sozialer Ausgrenzung mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

2.21

Der EWSA fordert die EU auf, der Bevölkerungsalterung und dem demografischen Wandel Rechnung zu tragen, die einerseits zu einem absehbaren Anstieg des Pflege- und Betreuungsbedarfs und andererseits zu einem Mangel an Fachkräften im Gesundheitswesen führen werden. Die EU muss sicherstellen, dass Pflege und Betreuung zugänglich und erschwinglich bleiben und nicht zu Luxusgütern werden.

2.22

Der EWSA weist darauf hin, dass in der strategischen Vorausschau 2022 die Frage des beschleunigten Aufkommens hybrider Arbeitsformen durch die Digitalisierung nur ganz am Rande angesprochen wird (u. a. im Abschnitt über Digitalisierung und Transportnachfrage). Dieses Phänomen wird als Ergebnis eines rein technologischen Transformationsprozesses dargestellt, wobei seine Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsbeziehungen sowie die damit verbundenen Regulierungsanforderungen vernachlässigt werden.

2.23

Der EWSA stellt fest, dass der in der strategischen Vorausschau verwendete Ansatz Gefahr läuft, die Wirtschaft zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen und den Wettbewerb und den Markt als den eigentlichen Kitt darzustellen, der die europäischen Maßnahmen, Interessen und Strategien zusammenhält. Der Rolle der Zivilgesellschaft und der Arbeitnehmer wird lediglich eine ergänzende Rolle beigemessen. Die Fähigkeit des grünen und des digitalen Wandels, neuen und größeren Wohlstand zu schaffen und den Aufbau neuer Modelle zu erleichtern, durch die Schwachstellen verringert und die entstandenen Vorteile verstärkt der Gesellschaft zugutekommen können, wird dabei nicht ausreichend berücksichtigt.

2.24

Der EWSA fordert die Kommission auf, eine spezifische Eurobarometer-Umfrage zu den Themen durchzuführen, die Gegenstand der nächsten strategischen Vorausschau sein sollen, um die Erwartungen und Ansichten der Bürgerinnen und Bürger besser zu erfassen. Dies ist auch entscheidend, um die künftige Akzeptanz der in der Vorausschau vorgeschlagenen Maßnahmen abzuschätzen.

Brüssel, den 22. März 2023

Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Christa SCHWENG