16.3.2023   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 100/89


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine neue europäische Innovationsagenda“

(COM(2022) 332 final)

(2023/C 100/13)

Berichterstatter:

Maurizio MENSI

Ko-Berichterstatter:

Christophe LEFÈVRE

Befassung

Europäische Kommission, 27.10.2022

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

10.11.2022

Verabschiedung im Plenum

14.12.2022

Plenartagung Nr.

574

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

177/0/0

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die von der Kommission vorgeschlagene europäische Innovationsagenda und unterstützt insbesondere das zweifache Ziel, sowohl die Wettbewerbsfähigkeit Europas als auch die Gesundheit und das Wohlergehen seiner Bürgerinnen und Bürger zu fördern.

1.2.

Der EWSA begrüßt ferner die schwerpunktmäßige Ausrichtung des Kommissionsvorschlags auf die Schließung von Lücken bei Scale-ups (Unternehmen in der Expansionsphase) und technologieintensiven Unternehmen, wie sie in der EU im Vergleich zu Drittländern bestehen, in denen wachsende Technologieunternehmen weiter verbreitet sind. Der EWSA schlägt der Kommission vor, den Unternehmen, insbesondere KMU und Start-ups, sowie ihren Innovationsnetzwerken bei der Verwirklichung des ökologischen und digitalen Wandels größere Bedeutung beizumessen.

1.3.

Der EWSA begrüßt, dass der Vorschlag um fünf Leitinitiativen herum strukturiert ist. Es bedarf hier zudem Instrumenten zur Messung und Überwachung der erzielten Fortschritte.

1.4.

Der EWSA begrüßt den Vorschlag, eine Beratungsgruppe für die Ausarbeitung von Vorschriften einzusetzen, die Innovationen im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen begünstigen, und schlägt vor, dass sich an dieser Gruppe auch ein Vertreter des EWSA als ordentliches Mitglied beteiligt.

1.5.

Der EWSA betont, wie wichtig die Finanzierung von Versuchs- und Testinfrastrukturen ist, um Start-ups zu unterstützen und die Kluft zwischen Labor und gewerblicher Anwendung zu überbrücken. In diesem Zusammenhang begrüßt er die Aufnahme des Konzepts der Test- und Versuchseinrichtungen in den Vorschlag für die Überarbeitung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO).

1.6.

Der EWSA begrüßt zudem die Initiative zur Vergabe öffentlicher Aufträge. In diesem Zusammenhang schlägt er vor, die Beteiligung mindestens eines Start-ups an Vergabeverfahren für besonders innovationsintensive öffentliche Aufträge vorzusehen.

1.7.

Der EWSA betont die Bedeutung solider Regelungen für geistiges Eigentum, die bei Erfindungen von Start-ups Anwendung finden können, wodurch kontinuierliche Forschungsfortschritte gefördert würden.

1.8.

Der EWSA fordert die Kommission auf, die interregionale Dimension von Investitionen zu fördern, wobei sowohl weniger innovative als auch innovativere Regionen eingebunden werden sollten.

1.9.

Der EWSA betont, dass auch das Hochschulwesen sowie Innovationslabors von öffentlicher Unterstützung profitieren sollten. In diesem Zusammenhang schlägt er der Kommission vor, auf eine Reihe von mit Pilotprojekten betrauten Forschungszentren und Hochschulen zurückzugreifen, um Innovationsziele voranzubringen.

1.10.

Der EWSA begrüßt ferner, dass die Kommission die Mitgliedstaaten bei der Entwicklung grenzüberschreitender Projekte von gemeinsamem europäischem Interesse unterstützt. Er schlägt daher vor, dass sowohl Forschungstätigkeiten als auch die berufliche Entwicklung von Forschern finanziert und die Ergebnisse öffentlich geförderter Forschungstätigkeiten — gegebenenfalls über die Innospace-Plattform — für die Weiterentwicklung durch Innovatoren zugänglich gemacht werden.

1.11.

Der EWSA begrüßt die Herausgabe eines Leitfadens, der es den interessierten Behörden erleichtern soll, sich für das am besten geeignete strategische europäische Programm zu entscheiden. In diesem Zusammenhang hebt er die Bedeutung einer horizontalen Umsetzung der strategischen Programme hervor.

1.12.

Der EWSA begrüßt die Idee, eine günstigere steuerliche Behandlung von Aktienoptionen sowie eine Steuerregelung für talentierte Menschen zu erwägen, die es ins Ausland zieht. Er ersucht die Kommission, die nationalen Initiativen zur Förderung von Talenten zu koordinieren.

1.13.

Der EWSA begrüßt die Vorhaben der Kommission, solide und vergleichbare Datenbanken sowie eine gemeinsame Datentaxonomie zu entwickeln, die für politische Maßnahmen auf allen Ebenen genutzt werden können, und dafür zu sorgen, dass über das Forum des Europäischen Innovationsrats auf strukturierte Weise bewährte Verfahren ausgetauscht werden.

1.14.

Der EWSA begrüßt außerdem die Absicht der Kommission, zum Austausch bewährter Verfahren beizutragen und Leitlinien für deren Anwendung durch die Regierungen herauszugeben. Auf diese Weise soll die regulatorische Fragmentierung zwischen den Mitgliedstaaten überwunden werden.

2.   Hintergrund

2.1.

Im Rahmen der neuen europäischen Innovationsagenda soll Europa zu einem Vorreiter bei dem aktuell zu verzeichnenden Boom technologieintensiver Innovationen und Start-ups gemacht werden, indem

der Zugang zu Finanzmitteln für europäische Start-ups und Scale-ups verbessert wird,

Innovatoren durch die Schaffung günstigerer Bedingungen in die Lage versetzt werden, neue Ideen in Reallaboren zu erproben,

zur Schaffung regionaler „Innovationstäler“ beigetragen wird, auch in strukturschwachen Regionen,

Talente in Europa gewonnen und gebunden werden und

der politische Rahmen durch genauere Formulierungen, Indikatoren und Datensätze sowie durch eine politische Unterstützung der Mitgliedstaaten verbessert wird.

2.2.

Die neue europäische Innovationsagenda umfasst 25 spezifische Maßnahmen, die zu fünf Leitinitiativen zusammengefasst werden:

Durch die Finanzierung von Scale-ups werden Investitionen institutioneller und privater Investoren angeregt.

Durch Versuchsräume und die Vergabe öffentlicher Aufträge werden Innovationen begünstigt.

Durch die Beschleunigung und Stärkung der Innovation in europäischen Ökosystemen in der gesamten EU und die Bekämpfung der Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern und Regionen wird die Einrichtung regionaler Innovationstäler gefördert und werden die Mitgliedstaaten dabei unterstützt, mindestens 10 Mrd. EUR in die Innovation auf regionaler Ebene im Zusammenhang mit den Prioritäten der EU fließen zu lassen.

Durch die Förderung, Gewinnung und Bindung von Talenten im Bereich technologieintensive Innovation wird die Entwicklung und der Zustrom wichtiger Talente in technologieintensiven Bereichen in der EU sichergestellt.

Die Verbesserung der Politikinstrumente wird von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung und Nutzung solider und vergleichbarer Datensätze und gemeinsamer Begriffsbestimmungen (Start-ups, Scale-ups usw.) sein, die für politische Maßnahmen auf allen Ebenen in der gesamten EU genutzt werden können.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Der EWSA begrüßt die von der Kommission ausgearbeitete europäische Innovationsagenda und insbesondere die zweifache Zielsetzung, einerseits die Wettbewerbsfähigkeit Europas und andererseits das Wohlergehen der Europäerinnen und Europäer zu fördern.

3.2.

In diesem Zusammenhang begrüßt der EWSA, dass der Plan der Kommission auf das übergeordnete Ziel ausgerichtet ist, das fortbestehende Innovationsgefälle zwischen den Mitgliedstaaten und innerhalb der europäischen Regionen zu verringern, da dieses den sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt beeinträchtigen könnte.

3.3.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die digitale Dividende allen Bürgerinnen und Bürgern Europas unabhängig von ihrem Wohnort zur Verfügung stehen sollte. Mit der digitalen Revolution dürften sich die während der industriellen Revolution entstandenen und nach wie vor bestehenden Lücken schließen, die sich in einigen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs beigetretenen Mitgliedstaaten weiter verschärft hatten.

3.4.

Dies ist gerade in den aktuellen Zeiten, in denen alle Mitgliedstaaten und Regionen der EU unabhängig von Drittstaaten sein müssen, besonders wichtig. Letztere sind nämlich nicht immer zuverlässige Partner, wie der Krieg in der Ukraine, die aktuelle Energiekrise und die Chipknappheit zeigen, und teilen nicht unbedingt die europäischen Grundwerte.

3.5.

Der EWSA begrüßt ferner die schwerpunktmäßige Ausrichtung des Kommissionsvorschlags auf die Verringerung der bei Scale-ups und technologieintensiven Unternehmen verzeichneten Rückstände gegenüber Drittländern, in denen wachsende Technologieunternehmen weiter verbreitet sind. Er schlägt der Kommission außerdem vor, den Unternehmen, KMU und Start-ups sowie ihren Innovationsnetzwerken bei der Verwirklichung des ökologischen und digitalen Wandels größere Bedeutung beizumessen und auf diese Weise zu einer besseren Wettbewerbsfähigkeit zu verhelfen. (1) Zudem sollten Initiativen gefördert werden, in deren Rahmen auch traditionelle landwirtschaftliche Betriebe zu innovativen Betrieben werden können.

3.6.

Nach Ansicht des EWSA könnte eine tiefergreifende und einheitlichere Digitalisierung für eine positive Dynamik sorgen und dazu beitragen, das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in der Union zu stärken und die industrielle und wirtschaftliche Abhängigkeit von Drittländern zu verringern, die nicht die gleichen Werte teilen.

3.7.

Aus all diesen Gründen begrüßt und unterstützt der EWSA die Initiative der Kommission in inhaltlicher Hinsicht uneingeschränkt.

3.8.

Der EWSA begrüßt ferner die Strukturierung des Vorschlags, die sich auf fünf Leitinitiativen stützt. In diesem Zusammenhang ist es ratsam, Instrumente vorzusehen, mit denen die erzielten Fortschritte ständig gemessen und überwacht werden können, sodass gegebenenfalls erforderliche Korrektur- und Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet werden können.

3.9.

Der EWSA begrüßt den Vorschlag, eine Beratungsgruppe für die Ausarbeitung von Vorschriften einzusetzen, die Innovationen im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen begünstigen, und schlägt vor, dass sich an dieser Gruppe auch ein Vertreter des EWSA als ordentliches Mitglied beteiligt.

4.   Leitinitiative zur Finanzierung von Scale-ups im Bereich technologieintensive Innovation

4.1.

Der EWSA begrüßt nachdrücklich alle vorgeschlagenen Maßnahmen zur Senkung der Kosten für neues Eigenkapital in der gesamten EU. Hierzu zählen die Einführung der Möglichkeit, Rechte des geistigen Eigentums als Sicherheit zu nutzen, sowie der Vorschlag für einen neuen Rechtsakt zur Börsennotierung, mit dem die Anforderungen an Börsengang und Notierung für bestimmte Arten von Unternehmen vereinfacht und gelockert werden. Auf diese Weise sollen die Kosten gesenkt und die Rechtssicherheit für Emittenten erhöht und gleichzeitig der Anlegerschutz und die Marktintegrität gewahrt werden.

4.2.

Der EWSA merkt an, dass Europa über eine Regelung für Rechte des geistigen Eigentums verfügen muss, die ein angemessenes Gleichgewicht zwischen offener Wissenschaft und geistigem Eigentum gewährleistet. In diesem Zusammenhang besitzen (oder nutzen) viele Start-ups standardessentielle Patente (SEP). Zumindest bei KMU sollte von einer rechtlichen Verpflichtung zur Durchführung von Essentialitätsprüfungen bei standardessentiellen Patenten, deren Lizenzierung angestrebt wird, abgesehen werden. Eine solche Verpflichtung könnte der Innovation abträglich sein, da sie zu längeren Verhandlungen führen und Streitigkeiten zu einem Zeitpunkt hervorrufen könnte, in dem künftige Lizenzeinnahmen noch nicht mit Sicherheit abzusehen sind.

4.3.

Der EWSA begrüßt, dass Frauen in dem Vorschlag in besonderer Weise berücksichtigt werden und dass Daten über Frauen und weniger vertretene Gruppen erfasst werden sollen. Auf diese Weise sollen gezielte Maßnahmen zur Verringerung geschlechtsspezifischer und anderweitiger Gefälle entwickelt werden, die auch Start-ups betreffen. Damit die Wettbewerbsfähigkeit Europas sichergestellt werden kann, ist es von zentraler Bedeutung, die Beschäftigung von Frauen in Innovationsbranchen zu fördern. Gleichzeitig würde ein Index in Bezug auf Geschlechter und weniger vertretene Gruppen nützliche Erkenntnisse liefern, auf deren Grundlage diese Problematik angegangen werden könnte.

4.4.

Der EWSA weist darauf hin, wie wichtig es ist, dass auch etablierte KMU und Midcap-Unternehmen Innovationen voranbringen, um den ökologischen und digitalen Wandel zu verwirklichen. Aus diesem Grund sollten Maßnahmen angestrebt werden, mit denen solche Unternehmen bei diesem Unterfangen unterstützt werden und ihnen zu mehr Wettbewerbsfähigkeit verholfen wird. Allgemein betrachtet sollte ein Ökosystem geschaffen werden, das es auch traditionellen Unternehmen ermöglicht, sich zu innovativen Unternehmen zu entwickeln.

4.5.

Angesichts der Tatsache, dass sich Unternehmen, wie von der Kommission dargelegt, in erster Linie über Bankprodukte finanzieren, unterstreicht der EWSA die Bedeutung öffentlich finanzierter Garantien. Er ersucht die Kommission zu prüfen, ob in diesem Bereich nicht ähnlich verfahren werden könnte wie im Fall der infolge der COVID-19-Pandemie und des Krieges in der Ukraine eingeführten befristeten Rahmen. In dieser Hinsicht können öffentliche Garantien langfristige und risikoscheue Anleger (wie Pensions- und Staatsfonds) anziehen, deren Finanzierungspotenzial in Europa nicht ausreichend genutzt wird.

4.6.

Der EWSA fordert die Kommission nachdrücklich auf, grenzüberschreitenden Forschungslabors und Spin-off-Unternehmen verschiedener Universitäten bei der Umsetzung dieser Leitinitiative Vorrang einzuräumen. So kann eine umfassende Zusammenarbeit zwischen Hochschulen Innovation fördern, wobei im Wege eines der Kreativität förderlicheren Bottom-up-Ansatzes praktische Anwendungsmöglichkeiten erarbeitet werden könnten.

4.7.

Der EWSA fordert die Kommission außerdem auf, die Unterstützung durch die EU schwerpunktmäßig auf einzelne Sektoren (z. B. Chips oder erneuerbare Energien) auszurichten, damit die angewandte Forschung in den Bereichen gefördert wird, in denen sie für die strategischen Ziele der EU tatsächlich erforderlich ist.

4.8.

Der EWSA fordert die Kommission auf, nicht nur für geringere Eigenkapitalkosten und harmonisierte Steuersysteme zu sorgen, sondern auch spezifische EU-Finanzierungen für Scale-ups in Erwägung zu ziehen, mit denen bestimmte strategische Start-ups in ihrem Wachstum unterstützt werden können. Dies könnte ferner sogenannte „Killer-Übernahmen“ und Verlagerungen von Unternehmen ins Ausland weniger attraktiv machen, da Gründer die Entwicklung ihrer Unternehmen unterstützen könnten, ohne sie verkaufen oder verlagern zu müssen.

4.9.

Der EWSA fordert die Kommission auf, die Schaffung eines europäischen digitalen Marktes für Start-ups in Erwägung zu ziehen, der es letzteren ermöglichen würde, mit potenziellen Investoren in der gesamten EU zu interagieren. Ein solcher Markt könnte dazu beitragen, dass Start-ups insbesondere in kleineren Mitgliedstaaten besser die Schwierigkeiten bewältigen, wenn es darum geht, lokale Investoren zu finden und zeitnah Zugang zu größerer Liquidität zu erhalten.

4.10.

Der EWSA betont, dass Technologieinfrastrukturen von entscheidender Bedeutung dafür sind, dass technologieintensive Start-ups ihre Technologien ausbauen können. Daher sollte der Zugang zu solchen Infrastrukturen verstärkt gefördert und erleichtert werden. Im Fall von öffentlich finanzierten Infrastrukturen und Daten könnten Verpflichtungen auferlegt werden, diese öffentlich und diskriminierungsfrei zugänglich zu machen.

5.   Leitinitiative zur Ermöglichung technologieintensiver Innovation durch Versuchsräume und Vergabe öffentlicher Aufträge

5.1.

Der EWSA befürwortet die Veröffentlichung eines Leitfadens zu Reallaboren, Testumgebungen und Living Labs, mit dem in der EU Anreize für die Erprobung geschaffen werden sollen, sowie die Verbreitung bewährter Verfahren in den Mitgliedstaaten zu Harmonisierungszwecken.

5.2.

Der EWSA begrüßt ferner die Einführung einer neuen Vorschrift im Bereich der staatlichen Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation (FEI), die es den Mitgliedstaaten ermöglichen wird, mehr Test- und Versuchsinfrastrukturen zu finanzieren. In diesem Zusammenhang schlägt er vor, eine Obergrenze für öffentliche Finanzierungen auf nationaler Ebene festzulegen, um mögliche Nachteile für kleinere oder ärmere Mitgliedstaaten zu verhindern. Alternativ könnten gezielte ergänzende EU-Finanzierungen für Mitgliedstaaten sichergestellt werden, die im Hinblick auf staatliche Beihilfen nicht mit anderen Mitgliedstaaten mithalten können. Der EWSA schlägt zudem vor, europäische Leitlinien zu veröffentlichen, um dafür zu sorgen, dass strittige Fälle in den einzelnen Mitgliedstaaten einheitlicher ausgelegt werden.

5.3.

Der EWSA betont, wie wichtig die Finanzierung von Versuchs- und Testinfrastrukturen ist, um Start-ups beim Ausbau ihrer Technologien zu unterstützen und die Kluft zwischen Labor und gewerblicher Anwendung zu überbrücken. In diesem Zusammenhang begrüßt er die Aufnahme des Konzepts der Test- und Versuchseinrichtungen in den Vorschlag für die Überarbeitung der AGVO. In diesem Zusammenhang sollte zwischen Test- und Versuchseinrichtungen und Technologieinfrastrukturen unterschieden werden. Als entscheidendes Merkmal kann dabei die überwiegende wirtschaftliche Nutzung dienen. Darüber hinaus sollten die Meldeschwellen sowohl für Test- und Versuchseinrichtungen als auch für Technologieinfrastrukturen einheitlich auf 20 Mio. EUR festgelegt werden, und es sollte eine begünstigende Regelung für Unternehmen eingeführt werden, die mindestens 5 % zu den Kosten für Investitionen in Test- und Versuchseinrichtungen beitragen.

5.4.

Der EWSA begrüßt zudem die Initiative zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Er schlägt vor, die Einführung eines Mechanismus in Betracht zu ziehen, mit dem die Beteiligung mindestens eines Start-ups an Vergabeverfahren für besonders innovationsintensive öffentliche Aufträge sichergestellt wird.

5.5.

Der EWSA betont die Bedeutung solider Regelungen für geistiges Eigentum, die bei Erfindungen von Start-ups Anwendung finden können, wodurch kontinuierliche Forschungsfortschritte gefördert würden. Sobald Geschäftspartner in einem frühen Stadium eine exklusive Nutzung wissenschaftlicher Ergebnisse beanspruchen (was ein Exklusivrecht zur Unterstützung von und Zusammenarbeit mit Forschungslaboren voraussetzt), besteht die Gefahr, dass diese Ergebnisse von den Laboren nicht weiterentwickelt werden, da sie nicht länger von wirtschaftlichem Interesse sind.

6.   Leitinitiative zur Beschleunigung und Stärkung der Innovation in europäischen Innovationssystemen in der gesamten EU und Überwindung des Innovationsgefälles

6.1.

Der EWSA fordert die Kommission auf, die interregionale Dimension von Investitionen zu fördern, und begrüßt insbesondere die schwerpunktmäßige Ausrichtung auf interregionale Innovationsprojekte, die mit den wichtigsten Prioritäten der EU (u. a. Nachhaltigkeit) in Verbindung stehen. Hierbei sollen sowohl weniger innovative als auch innovativere Regionen eingebunden werden.

6.2.

Der EWSA betont, dass Innovation auf dem gesamten Forschungs- und Entwicklungsprozess beruht, der von der Forschung aus Wissbegier über anwendungsorientierte Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten bis hin in den Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung reicht. Sie hängt ferner von den für ihre praktische Umsetzung erforderlichen Kapazitäten und Ressourcen ab, die von politischen, kulturellen und sozioökonomischen Faktoren bestimmt werden. In diesem Zusammenhang hebt der EWSA hervor, dass nicht nur Projekte in der Marktphase, sondern auch das höhere Bildungswesen, einschließlich der (für die Beschleunigung der Innovation maßgeblichen) beruflichen Bildung, sowie Innovationslabors von öffentlicher Unterstützung profitieren sollten, damit strukturelle Innovation ermöglicht und neue anwendungsorientierte Lösungen entwickelt werden können. Um dieses Ziel voranzubringen, kann die Kommission auf eine Reihe von Hochschulen, die mit Pilotprojekten betraut sind, zurückgreifen.

6.3.

Der EWSA begrüßt ferner, dass die Kommission die Mitgliedstaaten bei der Entwicklung wichtiger grenzüberschreitender Projekte von gemeinsamem europäischem Interesse unterstützt. Er betont, wie wichtig es ist, gemäß dem Bericht über das endgültige Ergebnis der Konferenz zur Zukunft Europas (Vorschläge 12 und 35) auch in der Forschungsphase Unterstützung bereitzustellen, da Innovation ein lokaler Vorgang ist, der von Beginn an im Rahmen eines Bottom-up-Ansatzes unterstützt werden sollte. Daher sollten sowohl Forschungstätigkeiten als auch die berufliche Entwicklung von Forschern finanziert werden. Die Ergebnisse öffentlich geförderter Forschungstätigkeiten sollten für die Weiterentwicklung durch Innovatoren zugänglich gemacht werden, beispielsweise über die Innospace-Plattform.

6.4.

Der EWSA begrüßt die Herausgabe eines Leitfadens, der es den betroffenen Behörden erleichtern soll, sich für das am besten geeignete strategische europäische Programm zu entscheiden. Er betont ferner, wie wichtig es ist, dass strategische Programme nicht als in sich geschlossene Systeme, sondern als zueinander komplementäre Programme konzipiert und nach Möglichkeit horizontal umgesetzt werden.

7.   Leitinitiative zur Förderung, Gewinnung und Bindung von Talenten im Bereich technologieintensive Innovation

7.1.

Der EWSA begrüßt diese Initiative, mit der für bessere Möglichkeiten gesorgt und Arbeitgeber und Talente in ganz Europa zusammengebracht werden sollen.

7.2.

Der EWSA begrüßt insbesondere die Idee, die Möglichkeit einer günstigeren steuerlichen Behandlung von Aktienoptionen in der EU zu prüfen.

7.3.

Der EWSA fordert die Kommission nachdrücklich auf, der steuerlichen Situation talentierter Menschen, die es ins Ausland zieht, Aufmerksamkeit zu widmen, damit Hindernisse für die Freizügigkeit von Talenten vermieden werden können.

7.4.

Der EWSA ersucht die Kommission, die nationalen Initiativen zur Förderung von Talenten zu koordinieren.

8.   Leitinitiative zur Verbesserung der Politikinstrumente

8.1.

Der EWSA begrüßt die Vorhaben der Kommission, solide und vergleichbare Datenbanken sowie eine gemeinsame Datentaxonomie zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass über das Forum des Europäischen Innovationsrats auf strukturierte Weise bewährte Verfahren ausgetauscht werden.

8.2.

Der EWSA begrüßt ferner die Absicht der Kommission, zum Austausch bewährter Verfahren beizutragen, damit geeignete Beispiele für Reallabore und flexible Rechtsrahmen in der gesamten EU gesammelt und Leitlinien dazu veröffentlicht werden können, wie diese von den Regierungen umgesetzt werden können. Der EWSA fordert die Kommission auf, diese Instrumente zu nutzen, um die regulatorische Fragmentierung und die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zu beseitigen.

Brüssel, den 14. Dezember 2022

Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Christa SCHWENG


(1)  [Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Digitale Innovationszentren und KMU“ (Initiativstellungnahme) (ABl. C 75 vom 28.2.2023, S. 75).