27.7.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 286/17


STELLUNGNAHME DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK

vom 1. Juni 2022

zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 in Bezug auf die Erhöhung der Marktdatentransparenz, die Beseitigung von Hindernissen für die Entstehung eines konsolidierten Datentickers, die Optimierung der Handelspflichten und das Verbot der Entgegennahme von Zahlungen für die Weiterleitung von Kundenaufträgen

(CON/2022/19)

(2022/C 286/03)

Einleitung und Rechtsgrundlage

Am 3. bzw. 4. Februar 2022 wurde die Europäische Zentralbank (EZB) vom Europäischen Parlament bzw. vom Rat der Europäischen Union um Stellungnahme zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 in Bezug auf die Erhöhung der Marktdatentransparenz, die Beseitigung von Hindernissen für die Entstehung eines konsolidierten Datentickers, die Optimierung der Handelspflichten und das Verbot der Entgegennahme von Zahlungen für die Weiterleitung von Kundenaufträgen (1) (nachfolgend der „Verordnungsvorschlag“) und zu einem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente (2) (nachfolgend der „Richtlinienvorschlag“) ersucht.

Die Zuständigkeit der EZB zur Abgabe einer Stellungnahme beruht auf Artikel 127 Absatz 4 und Artikel 282 Absatz 5 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), da der Verordnungsvorschlag und der Richtlinienvorschlag Bestimmungen enthalten, die a) die grundlegende Aufgabe des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB), die Geldpolitik der Union im Einklang mit Artikel 127 Absatz 2 AEUV festzulegen und auszuführen, und b) die Aufgabe des ESZB, zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen gemäß Artikel 127 Absatz 5 AEUV beizutragen, betreffen. Diese Stellungnahme wurde gemäß Artikel 17.5 Satz 1 der Geschäftsordnung der Europäischen Zentralbank vom EZB-Rat verabschiedet.

Allgemeine Anmerkungen

1.   Ziele des Verordnungsvorschlags

1.1

Die EZB begrüßt das Hauptziel des Verordnungsvorschlags, die Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) (nachfolgend „MiFIR“) zu ändern, um die Marktdatentransparenz an allen Handelsplätzen der Europäischen Union (EU) durch Festlegung eines neuen Rechtsrahmens für die Schaffung eines „konsolidierten Datentickers“ für Handelsdaten, einschließlich eines neuen Verfahrens für die Auswahl eines einzigen Bereitstellers konsolidierter Datenticker für jede Anlageklasse, zu verbessern.

1.2

Der Verordnungsvorschlag beinhaltet zudem signifikante Änderungen der EU-Vorschriften zur Vor- und Nachhandelstransparenz für Eigenkapital- und Nichteigenkapitalinstrumente, wie etwa eine stärkere Harmonisierung der Vorschriften für den Aufschub der Veröffentlichung von Einzelheiten zu Geschäften, Aktualisierungen der Aktien- und Derivatehandelspflichten in der EU, ein Verbot von „Payment for Order Flow“ und andere Änderungen der EU-Regelungen für den Handel mit Wertpapieren und Derivaten. Das Ziel der vorgeschlagenen Änderungen besteht in der weiteren Unterstützung der Integration der europäischen Kapitalmärkte und der weiteren Harmonisierung einschlägiger Vorschriften der Finanzmarktaufsicht in der gesamten Union. Die EZB befürwortet nachdrücklich das allgemeine Ziel der weiteren Unterstützung der Integration der Kapitalmärkte, insbesondere durch die vorgeschlagenen Verbesserungen im Hinblick auf die Marktdatentransparenz. Tiefere und stärker integrierte Kapitalmärkte sind aus mehreren Blickwinkeln notwendig. Sie können nicht nur die Ressourcen mobilisieren, die für die Stärkung der Wirtschaft des Euro-Währungsgebiets erforderlich sind, sondern tragen auch generell zu einer höheren Resilienz des Finanzsystems bei. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass die Integration der europäischen Kapitalmärkte die Transmission der einheitlichen Geldpolitik in alle Teile des Euro-Währungsgebiets verbessert und den Zugang der Marktteilnehmer zu Green Finance und Finanzierungen für den Übergang zu einer digitalen Wirtschaft erleichtert. Zu diesem Zweck betont die EZB, wie wichtig es ist, umgehend weitere Initiativen im Rahmen des Aktionsplans 2020 der Europäischen Kommission zur Schaffung einer Kapitalmarktunion auf den Weg zu bringen und diese, sofern dies gesetzlich vorgeschrieben ist, auf nationaler Ebene vollständig umzusetzen.

1.3

Die Verbesserung der Marktdatentransparenz wird zur Entwicklung der EU-Kapitalmärkte beitragen, da die größere Verfügbarkeit von Preis- und Liquiditätsinformationen für Anleger und Emittenten mehr Investitions- und Finanzierungsmöglichkeiten schafft und die Kosten der Kapitalbeschaffung für Emittenten verringert. Gleichzeitig wird daran erinnert, dass mehr Transparenz bestimmte Händler unter bestimmten Umständen in die Lage versetzen kann, größere Vorteile aus Informationen über bestehende Aufträge am Markt zu ziehen, da sie mit diesen Informationen durch den Einsatz neuester Technologie schnelleren Handel treiben können.

1.4

Die EZB hat angesichts der Beteiligung des ESZB an Märkten für Nichteigenkapitalinstrumente (Anleihen, einschließlich Staatsanleihen) bei der Wahrnehmung seiner geldpolitischen und sonstigen Aufgaben, die dem ESZB gemäß dem AEUV obliegen, und angesichts der Notwendigkeit zur Wahrung der Vertraulichkeit solcher sensibler Geschäfte ein besonderes Interesse an diesen Legislativvorschlägen. Daher möchte die EZB darüber hinaus zu anderen Bestimmungen der MiFIR (4) Stellung nehmen, die zwar nicht Gegenstand des Verordnungsvorschlags sind, die aber Auswirkungen auf die Zentralbanken des ESZB und ihre Marktgeschäfte mit Finanzinstrumenten haben (siehe Absatz 7).

2.   Ziele des Richtlinienvorschlags

Da der Richtlinienvorschlag lediglich geringfügige Änderungen der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (5) (nachfolgend „MiFID II“) vorsieht, die sich weitgehend aus den vorgeschlagenen Änderungen der MiFIR ergeben, sieht die EZB keine Notwendigkeit, zu diesem Vorschlag Stellung zu nehmen.

Spezifische Anmerkungen

3.   Konsolidierter Datenticker

3.1

Die EZB begrüßt die Einführung der vorgeschlagenen verbesserten Regelung für den „konsolidierten Datenticker“ (consolidated tape – CT) und das Bieterverfahren zur Auswahl eines Bereitstellers konsolidierter Datenticker (consolidated tape provider – CTP) für jede Anlageklasse. Wie bereits zuvor von der EZB angemerkt, kann eine tatsächliche Transparenz nur durch Errichtung eines einzigen CTP (6) für jede betreffende Anlageklasse angemessen gewährleistet werden. Der konsolidierte Datenticker hat mehrere Vorteile für Anleger und diese unterstützen die Ziele der Kapitalmarktunion, Anlegern einen besseren Zugang zu Kapitalmarktfinanzierungen zu verschaffen und die Fragmentierung der EU-Kapitalmärkte zu verringern. Er sollte zu einer Verbesserung der Transparenz und des Zugangs der Anleger zu Marktdaten beitragen und damit die Liquiditäts- und Handelsausführungsrisiken sowie die Marktfragmentierung verringern. Darüber hinaus sollte er die Transaktionskosten für Anleger deutlich senken. Dadurch, dass Anleger einen Echtzeitüberblick über ihre Handelsgeschäfte zu angemessenen Kosten erhalten, sollte die Nutzung der EU-Kapitalmärkte durch Unternehmens- und Privatanleger für Finanzierungen und Investitionen zunehmen.

3.2

Die vorgeschlagene verbesserte Regelung ist aus technischer und operativer Sicht komplex und beinhaltet ein System der Einnahmenbeteiligung. Um die Qualität und die Höhe seiner Investitionen bei der Erstellung des konsolidierten Datensatzes für die betreffende Anlageklasse im Gleichgewicht zu halten, ist es daher von entscheidender Bedeutung, dass sich der Bereitsteller konsolidierter Datenticker auf die Qualität, die Vollständigkeit und die rasche Lieferung der Daten, die ihm von Marktdatenkontributoren (Wertpapierfirmen, Handelsplätzen, genehmigten Veröffentlichungssystemen und systematischen Internalisierern) bereitgestellt werden, verlassen kann. In diesem Zusammenhang geht die EZB davon aus, dass der Bereitsteller konsolidierter Datenticker gemäß dem Vorschlag nur für die Konsolidierung der zentralen Marktdaten und ihre kommerzielle Verteilung an den Markt verantwortlich ist und dass die Qualität der beigetragenen Daten, die weiterhin in der vollen Verantwortung der Marktdatenkontributoren liegen, von der Kommission auf der Grundlage eines delegierten Rechtsakts basierend auf den Empfehlungen einer Gruppe sachverständiger Interessenträger und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) geregelt wird.

3.3

Sollte die Konzession des Bereitstellers konsolidierter Datenticker aus beliebigen Gründen von der ESMA beendet werden müssen, um der Option einer erneuten Ausschreibung des Auftrags Glaubwürdigkeit zu verleihen, könnten die von der ESMA zu entwickelnden technischen Standards erfordern, dass der Bereitsteller konsolidierter Datenticker seine technischen Verbindungsparameter für Marktdatenkontributoren und seine Datenwörterbücher veröffentlicht, sodass sie anderen Einrichtungen zugänglich sind, die ein Angebot für den Auftrag abgeben möchten.

3.4

Die EZB geht davon aus, dass die Vorschläge zum konsolidierten Datenticker die Vertraulichkeit der „geld-, devisen- und finanzstabilitätspolitischen Geschäfte“ des ESZB, für die weiterhin die Ausnahmeregelung des Artikels 1 Absatz 6 MiFIR gilt, nicht beeinträchtigen. Dementsprechend würden die „Marktdaten“, die von der Kommission gemäß dem vorgeschlagenen Artikel 22b Absatz 2 festzulegen sind, und die „zentralen Marktdaten“, die Bereitsteller konsolidierter Datenticker an Nutzer verkaufen würden, keine Daten aus politischen Geschäften des ESZB (z. B. zum Preis, Volumen und Zeitpunkt des Abschlusses) umfassen.

4.   Vorhandelstransparenzregelung für Eigenkapitalinstrumente: „Anonymer Handel“

Die EZB begrüßt die im Verordnungsvorschlag enthaltene Straffung der Vorhandelstransparenzregelung für Eigenkapitalinstrumente, indem die zweifache Begrenzung des Volumens durch eine einfache Begrenzung des Volumens, festgesetzt auf 7 % des Gesamtvolumens der Geschäfte, die mit dem betreffenden Finanzinstrument in der Union im Rahmen der Ausnahme vom Referenzkurs oder der Ausnahme von ausgehandelten Geschäften ausgeführt werden, ersetzt wird (7). Dies vereinfacht die Transparenzregelung und lässt die Überwachung des Umfangs des anonymen Handels weniger komplex werden. Die vorgeschlagene niedrigere EU-weite Volumenbegrenzung soll als Ausgleich für die Abschaffung des handelsplatzspezifischen Schwellenwerts dienen; daher besteht das Ziel des Gesamtvorschlags darin, das Vorhandelstransparenzniveau für Eigenkapitalinstrumente zu erhöhen. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass die Wechselwirkung zwischen der Abschaffung der handelsplatzspezifischen Volumenbegrenzung und der Herabsetzung der EU-weiten Begrenzung komplex ist, da erwartet wird, dass diese vorgeschlagenen Änderungen divergierende Auswirkungen auf die Transparenz haben. Die EZB schlägt daher vor, dass die Vorhandelstransparenzregelung für Eigenkapitalinstrumente, insbesondere die Kalibrierung der Volumenbegrenzung, weiterhin überprüft wird.

5.   Verbot von Payment for Order Flow

Der Vorschlag der Kommission (8) beinhaltet eine weitere Beschränkung von Payment for Order Flow (PFOF). Die EZB ist der Auffassung, dass PFOF die Markteffizienz und die Transparenz der europäischen Kapitalmärkte beeinträchtigen kann.

6.   Ende des offenen Zugangs bei börsengehandelten Derivaten

Während Maßnahmen zur Stärkung der EU-Clearingmärkte grundsätzlich unterstützt werden, ist es wichtig, die möglichen Auswirkungen zu berücksichtigen, die die Aufhebung der Bestimmung zum offenen Zugang auf den Wettbewerb, Innovationen und die Marktintegration haben könnte, und möglicherweise konkurrierende Ziele sorgfältig gegeneinander abzuwägen.

7.   Sonstige MiFIR-Bestimmungen und ihre Auswirkungen auf EZB-/ESZB-Marktgeschäfte

Die MiFIR-Bestimmungen, die hauptsächlich EZB-/ESZB-Marktgeschäfte betreffen, sind nicht Gegenstand des Verordnungsvorschlags. Die EZB nutzt diese Gelegenheit jedoch, um vorzuschlagen, die Formulierung bestimmter MiFIR-Bestimmungen in Anbetracht der Erfahrungen der EZB / des ESZB aus der Durchführung von Marktgeschäften an EU-Handelsplätzen weiter zu verbessern.

7.1   Ausnahme der ESZB-Geschäfte, die gemäß der ESZB-Satzung durchgeführt werden, von den MiFIR-Transparenzanforderungen

Die EZB ist der Ansicht, dass die aktuelle Formulierung der Ausnahme politischer Geschäfte des ESZB von den Vor- und Nachhandelstransparenzanforderungen (9) gemäß Artikel 1 Absatz 6 MiFIR geändert werden sollte, sodass die Ausnahme nicht nur für Geschäfte von Zentralbanken des ESZB „in Ausübung der Geld-, Devisen- oder Finanzmarktpolitik“ gilt, was in der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2017/583 der Kommission (10) näher zu definieren ist, sondern ausdrücklich auf alle Tätigkeiten ausgeweitet wird, die von den Zentralbanken des Eurosystems gemäß Kapitel IV der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (nachfolgend die „ESZB-Satzung“) durchgeführt werden. Die EZB ist der Auffassung, dass nur die Arten von Anlagegeschäften, die von Zentralbanken des ESZB abgeschlossen werden und in Artikel 15 Buchstaben a und c der Delegierten Verordnung (EU) 2017/583 aufgeführt sind, von der Gegenpartei der Zentralbank des ESZB offenzulegen sind. Diese Arten von Geschäften sollten im geänderten Artikel 1 Absatz 7 MiFIR und nicht, wie es gegenwärtig der Fall ist, in der Delegierten Verordnung (EU) 2017/583 ausdrücklich niedergelegt werden.

7.2   Befugnis der Kommission, die Ausnahme von den MiFIR-Transparenzanforderungen auf andere Zentralbanken auszudehnen

Wenn auf sämtliche Geschäfte des Eurosystems nach Kapitel IV der ESZB-Satzung die vorstehend genannte erweiterte Ausnahme gemäß Artikel 1 Absatz 6 MiFIR anwendbar wäre, unabhängig davon, welche anderen Zentralbanken oder Institutionen diese Dienstleistungen nutzen, würde die Befugnis der Kommission im Rahmen von Artikel 1 Absatz 9 MiFIR, den Anwendungsbereich der Ausnahme „auf andere Zentralbanken“ auszudehnen, überflüssig werden. Darüber hinaus wäre es nicht mehr erforderlich, die ESMA zu beauftragen, Entwürfe technischer Regulierungsstandards zu erarbeiten, um die „geld-, devisen- und finanzstabilitätspolitischen Geschäfte“ zu präzisieren. Dementsprechend könnte Artikel 1 Absätze 8 und 9 MiFIR gestrichen werden.

7.3   Ausnahme der Geschäfte von Zentralbanken des ESZB von den Meldepflichten der Betreiber von Handelsplätzen gemäß Artikel 26 Absatz 5 MiFIR

Artikel 26 Absatz 5 MiFIR sieht vor, dass Betreiber von Handelsplätzen, Geschäfte mit über ihre Plattformen gehandelten Finanzinstrumenten, die über ihre Systeme von bestimmten Firmen abgewickelt werden, an die zuständige Behörde melden. Das derzeitige Meldeverfahren für Handelsplätze nach dieser Bestimmung ist bereits eingerichtet und verfügt über eine Ablauforganisation für die reibungslose Meldung der Daten zu solchen Geschäften. Handelsplätze haben zu Meldezwecken Aufzeichnungen der detaillierten Daten der ESZB-Geschäfte, welche über die Systeme der Handelsplätze abgewickelt wurden. In diesem Zusammenhang geht die EZB davon aus, dass die Gesetzgeber der Union nicht beabsichtigten, dass die Meldepflicht nach Artikel 26 Absatz 5 MiFIR die Geschäfte der Zentralbanken des ESZB umfassen sollte. Dieses Verständnis beruht auf der Tatsache, dass für Zentralbanken ausdrückliche Ausnahmen von den MiFIR-Meldepflichten gelten und dass sie ferner keine „Firmen“ sind, sondern vielmehr Einrichtungen, die Marktgeschäfte auf der Grundlage öffentlicher Mandate, einschließlich im Rahmen des AEUV, durchführen. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte Artikel 26 Absatz 5 in diesem Zusammenhang klarer gefasst werden.

7.4   Beibehaltung der vollständigen Ausnahme der Wertpapierfinanzierungsgeschäfte des ESZB von der aufsichtsrechtlichen Meldepflicht

Die EZB stellt fest, dass Wertpapierfinanzierungsgeschäfte des ESZB vollständig von der Verordnung (EU) 2015/2365 des Europäischen Parlaments und des Rates (11) und ihren Offenlegungs- und Meldepflichten (12) ausgenommen sind, die Delegierte Verordnung (EU) 2017/590 der Kommission (13) hingegen vorsieht, dass Wertpapierfinanzierungsgeschäfte (14), bei denen eine Zentralbank des ESZB Gegenpartei ist, als Geschäfte für die Zwecke des Artikels 26 MiFIR gelten (15). Folglich erfolgen diese Geschäfte vorbehaltlich der Meldepflichten von Artikel 26 MiFIR. Die Delegierte Verordnung (EU) 2017/590 hat somit Auswirkungen auf die Meldepflichten in Bezug auf solche Geschäfte von Zentralbanken des ESZB gemäß der MiFIR. Diese tatsächliche Nachrangigkeit von EU-Rechtsakten der Stufe 1 gegenüber EU-Rechtsakten der Stufe 2 widerspricht dem etablierten Rechtsgrundsatz lex superior derogat legi inferiori (16), wonach Durchführungsrechtsakte und delegierte Rechtsakte der Union nicht gegen sekundäres Unionsrecht verstoßen dürfen. Die EZB möchte im Rahmen dieser Stellungnahme die Gelegenheit nutzen, um darauf hinzuweisen, dass dieser Widerspruch in der Delegierten Verordnung (EU) 2017/590 korrigiert werden sollte, auch wenn die Vorschläge, zu denen die EZB um Stellungnahme ersucht wurde, dies an sich nicht zum Gegenstand haben.

Sofern die EZB Änderungen des Verordnungsvorschlags empfiehlt, ist ein spezifischer Redaktionsvorschlag mit Begründung in einem gesonderten technischen Arbeitsdokument aufgeführt. Das technische Arbeitsdokument steht in englischer Sprache auf EUR-Lex zur Verfügung.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 1. Juni 2022.

Die Präsidentin der EZB

Christine LAGARDE


(1)  COM(2021) 727 final.

(2)  COM(2021) 726 final.

(3)  Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 84).

(4)  Siehe Artikel 1 Absätze 6, 7 und 9 und Artikel 26 Absatz 5 MiFIR.

(5)  Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 349).

(6)  Siehe Nummer 5.2 der Stellungnahme CON/2012/21 der Europäischen Zentralbank vom 22. März 2012 zu: i) einem Vorschlag für eine Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente zur Aufhebung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ii) einem Vorschlag für eine Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EMIR) über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, iii) einem Vorschlag für eine Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen für Insider-Geschäfte und Marktmanipulation sowie iv) einem Vorschlag für eine Richtlinie über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) (ABl. C 161 vom 7.6.2012, S. 3). Sämtliche Stellungnahmen der EZB sind auf EUR-Lex abrufbar.

(7)  Artikel 1 Absatz 4 des Verordnungsvorschlags zur Änderung des Artikels 5 MiFIR.

(8)  Artikel 1 Absatz 26 des Verordnungsvorschlags zur Einfügung eines neuen Artikels 39a.

(9)  Artikel 8, 10, 18 und 21 MiFIR.

(10)  Delegierte Verordnung (EU) 2017/583 der Kommission vom 14. Juli 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstandards zu den Transparenzanforderungen für Handelsplätze und Wertpapierfirmen in Bezug auf Anleihen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate (ABl. L 87 vom 31.3.2017, S. 229).

(11)  Verordnung (EU) 2015/2365 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften und der Weiterverwendung sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 337 vom 23.12.2015, S. 1).

(12)  Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a und Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2015/2365.

(13)  Delegierte Verordnung (EU) 2017/590 der Kommission vom 28. Juli 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Meldung von Geschäften an die zuständigen Behörden (ABl. L 87 vom 31.3.2017, S. 449).

(14)  Im Sinne von Artikel 3 Absatz 11 der Verordnung (EU) 2015/2365.

(15)  Siehe Artikel 2 Absatz 5 zweiter Unterabsatz der Delegierten Verordnung (EU) 2017/590 der Kommission.

(16)  Der Rechtsgrundsatz, dass das höherrangige Gesetz das niederrangige Gesetz verdrängt.