13.7.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 270/1


Entschließung des Europäischen Ausschusses der Regionen zum Beitrag der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu der Konferenz zur Zukunft Europas

(2022/C 270/01)

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN (AdR),

gestützt auf

seine Entschließung zu den Prioritäten des Europäischen Ausschusses der Regionen 2020-2025 (1),

seine Entschließungen zu der Konferenz zur Zukunft Europas vom 12. Februar 2020 (2) und vom 7. Mai 2021 (3),

seine Entschließung zum Arbeitsprogramm 2022 der Europäischen Kommission vom 2. Dezember 2021 (4),

den Bericht der Hochrangigen Gruppe „Europäische Demokratie“ des Europäischen Ausschusses der Regionen;

in Erwägung nachstehender Gründe:

a)

Die EU umfasst 27 Mitgliedstaaten, 280 Regionen und fast 90 000 Gemeinden, wobei der Grundsatz „in Vielfalt geeint“ der Leitgedanke für die Funktionsweise der EU sein muss;

b)

die Bürgerinnen und Bürger sowie ihre regionalen und lokalen Delegierten bei der Konferenz zur Zukunft Europas erwarten greifbare Ergebnisse, die die Funktionsweise der EU-Organe verbessern und Reformen der EU-Governance anstoßen. Deren Schwerpunkt muss auf Bürgernähe und Teilhabe liegen, um das Vertrauen der Menschen in die EU und ihre demokratische Legitimität zu stärken;

c)

die Aufnahme einer starken Delegation politischer Vertreterinnen und Vertreter der regionalen und kommunalen Ebene in die Plenarversammlung der Konferenz hat dazu beigetragen, die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger stärker in die Debatten einzubringen und so den künftigen Ergebnissen der Konferenz eine territoriale Dimension verliehen;

d)

die wichtigsten Vorschläge der lokalen und regionalen Delegierten der Konferenz sind in der Plenarversammlung der Konferenz, den Arbeitsgruppen, den Gremien der politischen Gruppierungen und der mehrsprachigen digitalen Plattform auf allgemeine Zustimmung gestoßen;

Europäische Demokratie

1.

sieht in der Demokratie einen Grundwert der EU, der auf Rechtsstaatlichkeit fußt und sich im Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Wahlen auf europäischer, nationaler, regionaler und kommunaler Ebene widerspiegelt; ist der Ansicht, dass die europäische, nationale, lokale und regionale Ebene der Demokratie, gestützt auf die durch Wahlen legitimierten Regionalparlamente, -regierungen und -räte sowie die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, vollständig komplementär sind und sich gegenseitig verstärken und dass die Demokratie als universeller Wert in der gesamten EU geachtet werden sollte;

2.

ist der Auffassung, dass die EU das Modell eines „Hauses der europäischen Demokratie“ fördern muss, das sich entsprechend dem von den Bürgerinnen und Bürgern in Wahlen zum Ausdruck gebrachten politischen Willen auf eine dreidimensionale Legitimierung auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene stützt, um der immer lauteren Forderung der Bürgerinnen und Bürger nach Abbau des Demokratiedefizits nachzukommen; eine besondere Rolle kommt dabei den regionalen Parlamenten mit Gesetzgebungsbefugnis mit ihrer Mittlerfunktion zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und der supranationalen Ebene zu;

3.

ist davon überzeugt, dass sich die repräsentative und die partizipative europäische Demokratie gegenseitig ergänzen sollten, um sicherzustellen, dass die Demokratie für die Bürgerinnen und Bürger dort, wo sie leben, etwas bewirkt;

4.

stellt fest, dass Demokratie auf Teilhabe aller ausgerichtet ist und dass in Europa Legitimität vor allem aus gelebter Subsidiarität erwächst; sieht deshalb eine gute Zukunft in einem Europa der Bürgerinnen und Bürger; dabei kommt einer aktiven Mitwirkung der lokalen und regionalen Vertreterinnen und Vertreter auf europäischer Ebene eine besondere Bedeutung zu;

5.

unterstreicht, dass die Bürgerinnen und Bürger viel stärker in die EU-Politik eingebunden werden müssen, indem die politische Vertretung der Wählerinnen und Wähler auf allen Regierungsebenen gestärkt wird; ist der Ansicht, dass dies zur Europäisierung des öffentlichen Raums beitragen wird; fordert das Europäische Parlament, die Kommission und den Rat auf, die repräsentative Demokratie zu stärken, indem die Fördermittel aufgestockt werden, die den auf EU-Ebene vertretenen politischen Parteien, Gruppierungen und Stiftungen, einschließlich derjenigen, die die nationale, die regionale und die lokale Ebene vertreten, zur Verfügung stehen;

6.

ist der Auffassung, dass der bestehende Vertragsrahmen durch bessere Synergien zwischen den verschiedenen Regierungs- und Verwaltungsebenen besser genutzt werden kann, wobei jedoch hinreichend begründete Vertragsänderungen nicht ausgeschlossen werden sollten;

7.

ruft dazu auf, aufbauend auf den Erfahrungen der Konferenz einen partizipativen Mechanismus in Form eines ständigen ortsbezogenen Dialogs mit den Bürgerinnen und Bürgern zu entwickeln, der gewährleistet, dass die EU den Gegebenheiten auf lokaler Ebene, auf Ebene der Landkreise sowie auf regionaler und nationaler Ebene stärker Rechnung trägt; ist der Ansicht, dass ein solcher ständiger Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern einen klaren Mehrwert im Zusammenhang mit Wahlen auf europäischer und nationaler Ebene sowie auf der Ebene der Regionen, Landkreise und Kommunen hätte; hält in diesem Zusammenhang die Arbeit der zum Europe-Direct-Netz der Europäischen Kommission gehörenden Zentren und ihrer Trägerstrukturen als treibende Kraft für die Verbreitung europäischer Werte und die Debatte über das europäische Projekt für bemerkenswert. In diesem Sinne sollten die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften ständige Foren für den europäischen Dialog und entsprechende Debatten mit den verschiedenen Akteuren in ihrer Region fördern, um das europäische Projekt den Bürgerinnen und Bürgern näherzubringen;

8.

fordert die Institutionalisierung neuer Formen der Bürgerbeteiligung auf Ebene der Europäischen Union durch Bürgerdialoge mit zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern zu spezifischen Themen;

9.

hebt hervor, dass die Regionen, Landkreise und Städte der EU über konkretes Know-how im Bereich der Bürgerbeteiligung verfügen, und erinnert daran, dass sie den Großteil der fast 5 000 Bürgerdialoge und -veranstaltungen im Rahmen der Konferenz organisiert haben; bekräftigt seine Bereitschaft, weiterhin lokale Dialoge zu organisieren, um die Kluft zwischen den EU-Organen und den Bürgerinnen und Bürgern durch Engagement auf Ebene der Kommunen, Landkreise und Regionen zu verringern;

Aktive Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit in der europäischen Beschlussfassung

10.

empfiehlt, die Anwendung der Grundsätze der Multi-Level-Governance und der Partnerschaft auf die Rechts- und Verwaltungsvorschriften aller EU-Politikbereiche mit regionalen oder lokalen Auswirkungen auszuweiten; bekräftigt seine Aufforderung, die vorgenannten Grundsätze über die ESI-Fonds hinaus anzuwenden und in einem interinstitutionellen Verhaltenskodex festzuschreiben und in die Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung aufzunehmen;

11.

betont, dass die Europäischen Missionen als neues und entscheidendes Instrument zur Bewältigung der dringlichen gesellschaftlichen Herausforderungen eine regelrechte Nagelprobe für die Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit der EU sind. Die Missionen müssen über eine umfassende Legitimation und Akzeptanz verfügen. Wie von der Europäischen Kommission betont wurde, kommt den Städten und Regionen mit all ihren Interessenträgern sowie den Bürgerinnen und Bürgern eine entscheidende Bedeutung bei der Erreichung der ehrgeizigen Ziele der Europäischen Missionen zu; fordert zudem, dass für jede EU-Mission klare Fahrpläne festgelegt und ein systemischer, neuer Multi-Governance-Ansatz sowie Methoden zur Erprobung, Prototypentwicklung sowie Überwachung und breiten Anwendung auf allen Regierungs- und Verwaltungsebenen entwickelt werden;

12.

ruft dazu auf, den Grundsatz der aktiven Subsidiarität durch Änderungen des Protokolls Nr. 2 des Vertrags von Lissabon über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu stärken; fordert, im Zuge dieser Änderungen die Frist für die Subsidiaritätskontrolle im Rahmen des „Frühwarnmechanismus“ auf zwölf Wochen zu verlängern, das vom AdR entwickelte „Subsidiaritätsbewertungsraster“ systematisch zu nutzen sowie ein „Verfahren der grünen Karte“ einzuführen, das einer erheblichen Zahl nationaler bzw. regionaler Parlamente die Möglichkeit eröffnet, EU-Rechtsvorschriften vorzuschlagen;

13.

regt an, dass Folgenabschätzungen eine territoriale Dimension umfassen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich genauso berücksichtigt wird wie das Subsidiaritätsprinzip;

14.

ruft dazu auf, den AdR schrittweise von einer beratenden Einrichtung zu einem Mitentscheidungsorgan der Europäischen Union in zentralen Politikbereichen mit territorialen Auswirkungen weiterzuentwickeln;

15.

ist bezüglich der Subsidiarität und der Verbesserung der europäischen Rechtsvorschriften der Ansicht, dass die Erfahrungen des Europäischen Ausschusses der Regionen in diesem Bereich berücksichtigt werden sollten, und zwar nicht nur das Netz für Subsidiaritätskontrolle, sondern auch RegHub, dessen Rolle zunimmt und für die Europäische Kommission sehr nützlich ist;

16.

macht darauf aufmerksam, dass der AdR eine Dimension europäischer Politik abbildet, die andere Organe der EU nicht abbilden können, und deshalb die regionale und lokale Perspektive des AdR einen unverzichtbaren Beitrag zur politischen Willensbildung und Legitimation innerhalb der Europäischen Union leistet;

17.

hält es für wesentlich, dass sich der AdR bei seiner Arbeit auf politische Maßnahmen mit Auswirkungen auf die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und daher vor allem auf Themen konzentriert, an denen diese entweder auf der Umsetzungsebene beteiligt oder von denen sie erheblich betroffen sind;

18.

plädiert dafür, das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und den Rat der EU zur Erörterung von AdR-Stellungnahmen zu verpflichten, die aufgrund einer obligatorischen Befassung verabschiedet wurden; zudem sollten die Organe eine Begründung vorlegen müssen, wenn diese Stellungnahmen nicht berücksichtigt werden;

19.

fordert, dem AdR Zugang zu Trilogen und damit zusammenhängenden Dokumenten zu gewähren, sofern er eine Stellungnahme zu dem betreffenden Vorschlag gemäß Artikel 307 AEUV abgegeben hat; fordert ferner, dem AdR die Möglichkeit einzuräumen, den beiden gesetzgebenden Organen Kompromisse vorzuschlagen, durch die diese wertvolle Informationen dazu erhalten, wie die Umsetzung vor Ort tatsächlich läuft;

20.

fordert stärkere interinstitutionelle Synergien, beispielsweise durch die Einbeziehung des AdR in die Arbeit der Arbeitsorgane des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union (z. B. Kommissionen, Ausschüsse und Arbeitsgruppen) und das Komitologieverfahren;

21.

weist darauf hin, dass 70 % der Rechtsvorschriften auf regionaler und lokaler Ebene umgesetzt werden, und ersucht darum, wie in der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung vorgesehen bei der jährlichen und der mehrjährigen Planung sowie der Festlegung der Agenda und der Prioritäten der EU konsultiert zu werden; erinnert in diesem Zusammenhang an den Mehrwert des RegHub-Netzes und ruft zu dessen Stärkung auf;

22.

ist der Überzeugung, dass eine stärkere Berücksichtigung der spezifischen Erfahrungen der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Umsetzung von EU-Recht zu einer besseren Rechtsetzung in der Europäischen Union führt;

23.

betont, dass bei jeder Weiterentwicklung des europäischen Wahlrechts, einschließlich der möglichen Einführung transnationaler Listen, der Grundsatz der territorialen Vertretung gewahrt sowie der Bezug zur lokalen und regionalen Dimension der EU-Politik und die Bürgernähe der Mitglieder des Europäischen Parlaments sichergestellt werden müssen;

Europäische Werte und Rechtsstaatlichkeit

24.

weist darauf hin, dass den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften eine wichtige Aufgabe bei der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit zukommt; verurteilt daher alle Versuche, die Rechtsstaatlichkeit anzugreifen, das Justizsystem zu instrumentalisieren und die europäischen Werte, Rechte sowie den Vorrang des EU-Rechts vor dem einzelstaatlichen Recht zu untergraben; unterstreicht, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf der Grundlage der von der Venedig-Kommission entwickelten Kriterien in die Überwachung und Bewertung der Rechtsstaatlichkeit einbezogen werden müssen;

25.

spricht sich erneut nachdrücklich für die Stärkung der Autorität der EU und der Mitgliedstaaten, der Glaubwürdigkeit rechtsstaatlicher öffentlicher Institutionen und der regionalen Gebietskörperschaften als demokratiefördernden Institutionen aus;

26.

ist der Auffassung, dass Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip zur Aussetzung von Zahlungen oder Finanzkorrekturen führen müssen und diejenigen Empfänger von EU-Mitteln, einschließlich der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, die nicht für die Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit verantwortlich sind, im Falle solcher Maßnahmen weiterhin finanzielle Unterstützung von dem betreffenden Mitgliedstaat erhalten sollten;

27.

weist darauf hin, dass die COVID-19-Krise die bestehenden Unterschiede in den europäischen Regionen verschärft hat; ruft daher die Arbeitsorgane der Konferenz auf, die europäische Solidarität zu stärken und den Zusammenhalt als grundlegenden europäischen Wert anzuerkennen;

28.

schlägt die Einrichtung eines Erasmus-Programms für Kommunal- und Regionalpolitiker vor, um deren EU-Wissen zu vertiefen, die Ausschöpfungsrate der EU-Fonds zu steigern und die Umsetzung der politischen Maßnahmen zu verbessern;

Jugend, Bildung und Kultur

29.

ist der Auffassung, dass die Konferenz zur Zukunft Europas dazu genutzt werden sollte, die Verwirklichung der Union der Gleichheit voranzutreiben, wobei alle Formen der Diskriminierung wirksam anzugehen sind; hält es für unerlässlich, dass die Grundsätze der Geschlechtergleichstellung in allen EU-Rechtsvorschriften besser als bisher durchgängig berücksichtigt werden und dass für jeden neu vorgeschlagenen Rechtsakt der EU eine „geschlechterdifferenzierte Folgenabschätzung“ durchgeführt wird;

30.

ist der Ansicht, dass die Konferenz zur Zukunft Europas Vorschläge für den nachhaltigen Schutz und die Unterstützung von Minderheiten in der EU vorlegen sollte, die auf den Vorschlägen der erfolgreichen Bürgerinitiative „Minority SafePack“ aufbauen;

31.

betont, dass der Bedrohung durch Desinformation in Europa begegnet werden muss, und fordert die Einführung eines in Partnerschaft mit den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu entwickelnden und umzusetzenden europaweiten Lehrplans für politische Bildung zur Förderung der europäischen demokratischen Werte, des kritischen Denkens, der digitalen Kompetenzen und der Medienkompetenz;

32.

fordert entschlossenes Handeln auf EU-Ebene, um die regionalen Unterschiede in der Bildung insbesondere in abgelegenen, grenzübergreifenden, ländlichen und armen städtischen Gebieten zu verringern; fordert die EU auf, nationale und regionale Bemühungen um eine zukunftstaugliche Bildung durch die Entwicklung neuer Lehrmittel wie europaweiter mehrsprachiger digitaler Plattformen, die eine weite Verbreitung von Bildungsinhalten ermöglichen, zu unterstützen;

33.

betont, dass der Kreis der Begünstigten, die Möglichkeiten und die Mittelausstattung des Programms Erasmus+, das als wichtigstes EU-Instrument zur Schaffung eines europäischen Bewusstseins anzusehen ist, erweitert werden sollten. Insbesondere sollten seine Möglichkeiten und Mittel im schulischen Bereich aufgestockt werden. Gleiches gilt für den Bereich der öffentlichen Verwaltung, in dem ein Programm für den Austausch bewährter Verfahren aufgelegt werden sollte, das über das derzeit bestehende Erasmus-Programm für die öffentliche Verwaltung hinausgeht;

34.

ist der Ansicht, dass die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sowie der Jugend- und Kinderarmut in allen europäischen Regionen, Städten und ländlichen Gebieten Priorität haben sollte;

35.

sieht im universellen Zugang zu Kultur und Sport den Schlüssel zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und zur Erhöhung der Gesamtzahl der kulturell und sportlich aktiven Menschen, insbesondere junger Menschen, wodurch auch die Förderung gemeinsamer europäischer Werte erleichtert wird;

Klima, Umwelt und Resilienz

36.

erinnert daran, dass die Regionen und Städte bei der Umsetzung der meisten Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen sowie bei der Reaktion auf Klimakatastrophen und bei der Gewährleistung des aktiven Engagements der lokalen Gemeinschaften für den grünen Wandel eine entscheidende Rolle spielen; fordert daher, die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften institutionell in die Gestaltung und Umsetzung der Klima-, Energie- und Umweltpolitik einzubinden, ihnen einen direkten Zugang zu EU-Mitteln zu geben, bürokratische Hürden auf das Notwendige zu reduzieren, und vor allem mit Blick auf die Investitionspläne zur Unterstützung des Grünen Deals und die Resilienz- und Aufbaupläne koordinierte Programme auf allen Regierungs- und Verwaltungsebenen aufzulegen; unterstreicht, dass eine direkte Finanzierung die Voraussetzung dafür ist, dass die Städte und Regionen bereit sind, die ehrgeizigen Ziele, die im Rahmen des Pakets „Fit for 55“ ausgehandelt werden, zu verwirklichen;

37.

hebt die territoriale Dimension des europäischen Grünen Deals und die Wechselwirkungen mit dem digitalen Wandel und der Sozialpolitik hervor; hält es für erforderlich, bei der Überwachung der Klimaschutzmaßnahmen in den Aufbau- und Resilienzplänen die lokalen Grünen Deals zu berücksichtigen; regt die Einführung eines europäischen regionalen Fortschrittsanzeigers mit klaren, gezielten und benutzerfreundlichen Indikatoren zur Messung und Überwachung der Auswirkungen des europäischen Grünen Deals auf der Ebene der NUTS-2-Regionen an;

38.

bekräftigt seine Forderung nach einer systematischen Organisation von Plattformen und Dialogen auf mehreren Ebenen, um eine strukturierte und inklusive Beteiligung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften an der Planung und Umsetzung von Initiativen des Grünen Deals zu erreichen, was auch zur Stärkung der Resilienz der lokalen Gemeinschaften beitragen wird; betont, dass der Erfolg des Grünen Deals von einer raschen Umstellung auf erneuerbare Energiesysteme mit den entsprechenden Technologien sowie von der Anpassung der damit verbundenen Infrastruktur abhängt;

39.

hebt hervor, welch zunehmend wichtige Rolle die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften weltweit und auf europäischer Ebene bei der Sicherstellung einer gerechten Klimawende spielen; verweist darauf, dass im Übereinkommen von Paris und in der Erklärung von Edinburgh zum Biodiversitätsrahmen für die Zeit nach 2020 die Bedeutung der Multi-Level-Governance für die Verwirklichung der Klimaneutralität, die Biodiversität und die nachhaltige Entwicklung im Sinne der UN Nachhaltigkeitsziele anerkannt wird; bekräftigt seine Unterstützung für ein System regional und lokal festgelegter Beiträge, mit dem die Verringerung der CO2-Emissionen förmlich anerkannt, überwacht und gefördert wird;

40.

empfiehlt, dem nachhaltigen Wandel des Verkehrssektors Aufmerksamkeit zu schenken. Dieser muss gerecht und fair sein und sicherstellen, dass keine Region zurückgelassen wird und dass das neue nachhaltige und auf alternativen Kraftstoffen beruhende Mobilitätssystem für alle Bürgerinnen und Bürger in allen Regionen erschwinglich und zugänglich ist; regt einen Mechanismus für einen gerechten Übergang für die von der Automobilindustrie abhängigen Regionen an, damit sie die Veränderungen in der Branche bewältigen können. Die Automobilbranche bietet 13,8 Mio. Europäerinnen und Europäern direkt und indirekt Arbeitsplätze, was 6,1 % der Gesamtbeschäftigung in der EU entspricht, und befindet sich auf dem Weg zu emissionsfreien Fahrzeugen in einem grundlegenden Wandel, der enorme Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung in den betroffenen Regionen hat;

Gesundheitsunion

41.

bekräftigt seine Absicht, auf die Schaffung einer vollwertigen Europäischen Gesundheitsunion hinzuarbeiten, die dem Subsidiaritätsprinzip und den rechtlichen Kompetenzen im Gesundheitsbereich Rechnung trägt; fordert, den regionalen Gebietskörperschaften, insbesondere den Regionen mit Gesetzgebungsbefugnissen, und den lokalen Gebietskörperschaften wie auch den nationalen Behörden und den EU-Organen in der künftigen Europäischen Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen eine klarere Rolle einzuräumen;

42.

spricht sich dafür aus, dass alle Bürgerinnen und Bürger in der EU Zugang zu elektronischen Gesundheitsdiensten haben; ruft dazu auf, die Zuständigkeiten der EU im Gesundheitsbereich auch durch Vertragsänderungen zu vertiefen, insbesondere um es der Kommission zu ermöglichen, eine Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit auf Unionsebene formell festzustellen; unterstützt die Forderung nach einer Stärkung des Gesundheitsschutzes, der Produktionskapazitäten der EU und der Zusammenarbeit im Arzneimittelbereich;

43.

spricht sich für den Ausbau der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitswesen aus, wobei für eine langfristige Finanzierung durch die EU gesorgt und der freie Grenzübertritt für Einsatzfahrzeuge und Personal von Notfall- und Gesundheitsdiensten gewährleistet werden muss. Derzeit noch bestehende bürokratische Hemmnisse bei grenzüberschreitenden Gesundheitsleistungen und Einsätzen von Rettungsdiensten sollten zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger kurzfristig und unbürokratisch beseitigt werden;

Wirtschaft, soziale Gerechtigkeit und Beschäftigung

44.

ist davon überzeugt, dass die Konferenz zur Zukunft Europas eine echte Dynamik für die europäische Säule sozialer Rechte erzeugt, sodass sie zum neuen sozialen Regelwerk werden kann. Dies würde den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und den Zugang zu Arbeitsplätzen erleichtern und gleichzeitig den sozialen Zusammenhalt stärken;

45.

ruft dazu auf, die wirtschaftspolitische Steuerung in Europa zu überarbeiten. Diese muss gute, langfristige und nachhaltige öffentliche Investitionen auf allen Regierungs- und Verwaltungsebenen mittels überarbeiteter Haushaltsvorschriften besser unterstützen und die demokratische Rechenschaftspflicht und Effizienz verbessern, indem sie durch einen partnerschaftlichen Verhaltenskodex für eine bessere Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in das Europäische Semester sorgt; bekräftigt seinen Standpunkt, dass die einstimmige Beschlussfassung im Steuerbereich aufgegeben werden sollte, damit die Europäische Union die erforderlichen Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit fassen kann, wie es auch in anderen Tätigkeitsfeldern der Fall ist;

46.

ruft ferner dazu auf, die für die Erholung und den ökologischen und den digitalen Wandel zur Verfügung stehenden Mittel dafür einzusetzen, den Wandel des Arbeitsmarkts, Umschulungen und Weiterqualifizierungsmaßnahmen zu unterstützen und gleichzeitig dasselbe Maß an Schutz für Menschen sicherzustellen, die für digitale Plattformen oder in der Gig-Ökonomie arbeiten, wie es die Beschäftigten der Offline-Wirtschaft haben;

47.

unterstreicht, wie wichtig Innovationen für die Stärkung der Wirtschaft und die Sicherstellung eines sowohl wettbewerbsfähigen als auch nachhaltigen Wachstums sind; ist der Ansicht, dass in die für europäische Innovationen notwendigen Fähigkeiten (Forschungsinfrastrukturen, Breitbandnetze, Hochleistungsrechnen, künstliche Intelligenz und offene Datensätze) investiert werden muss und Wissenschaftler und Spezialisten in alle europäischen Regionen geholt werden müssen;

Digitaler Wandel

48.

ist der Ansicht, dass bei der Digitalisierung sichergestellt sein muss, dass die Technologie zum Nutzen aller Bereiche der Gesellschaft umfassend eingesetzt wird, mit einem ethischen Rahmen, in dem die Rechte der Bürgerinnen und Bürger geachtet werden, insbesondere beim Einsatz disruptiver Technologien und vor allem der künstlichen Intelligenz, und gleichzeitig die digitale Kluft geschlossen wird; zudem muss dafür gesorgt werden, dass digitale Kompetenzen und Konnektivität überall in Europa gegeben sind;

49.

verweist auf das Erfordernis von Datensicherheit, Interoperabilität und Speicherkapazitäten und sieht dem Vorschlag der Europäischen Kommission für einen europäischen Rechtsakt zur Cyberabwehrfähigkeit erwartungsvoll entgegen; hält es für die Gewährleistung des Zugangs zu digitalen Diensten und Informationen, einschließlich der effizienten Erbringung öffentlicher Dienstleistungen, für erforderlich, in eine sichere Hochleistungsinfrastruktur zu investieren, um sowohl Einzelpersonen als auch Organisationen Zugang zum Internet zu bieten;

50.

weist darauf hin, dass der digitale Wandel von einer langfristigen Vision für Bildung, Forschung und Austausch im Digitalbereich abhängt, in deren Rahmen die EU innovativ und führend bei der Entwicklung neuer digitaler Technologien und Dienste sein und angemessene, kohärente digitale Standards festlegen muss;

51.

ist daher der Ansicht, dass der „digitale Zusammenhalt“ in der Debatte über die Zukunft Europas eine wichtige zusätzliche Dimension zu den im EU-Vertrag verankerten Zielen des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts ist;

52.

hält unverzügliches Handeln für geboten, um die digitale Kluft zwischen den EU-Mitgliedstaaten sowie zwischen Stadt und Land in Bezug auf die Konnektivität und die digitale Infrastruktur, die digitalen Kompetenzen, den Zugang zu elektronischen Behördendiensten und deren Nutzung zu schließen; ruft daher dazu auf, eine europäische elektronische Karte für grenzüberschreitende Dienstleistungen einzuführen, um den Menschen und den Unternehmen in Grenzregionen den Zugang zu öffentlichen Diensten und Notdiensten zu vereinfachen;

Migration

53.

plädiert dafür, die Ursachen der Migration, die durch globale Instabilität und Konflikte, schwache Staaten und Klimamigration bedingt ist, mittels eines europäischen Ansatzes anzugehen; ruft zu einem wirksamen Kapazitätsaufbau auf, um ein effizientes und effektives Migrationsmanagement auf allen Regierungs- und Verwaltungsebenen zu erreichen;

54.

weist darauf hin, dass die Bürgerinnen und Bürger und die Delegierten die zentrale Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Integration und Inklusion von Migranten und Flüchtlingen in besonders betroffenen Gebieten anerkennen; fordert daher, die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in die Konzeption von Integrationsmaßnahmen einzubeziehen; ersucht darum, ein flexibleres politisches Instrumentarium zu erarbeiten, das es den subnationalen Gebietskörperschaften ermöglicht, die Integration zu steuern und den Erfolg der Integrations- und Inklusionsmaßnahmen auf regionaler und lokaler Ebene zu messen; ruft dazu auf, dass das großartige Potenzial an freiwilliger Solidarität unserer Städte und Regionen in ein Konzept der freiwilligen Aufnahmekapazität einfließt, das in eine umfassende, langfristige Migrationspolitik eingebettet wird;

55.

empfiehlt, Methoden festzulegen, die auf die Nachahmung nachhaltiger Aufnahme- und Integrationsmodelle abzielen, wie z. B. Patenschaftsprogramme;

Ergebnisse der Konferenz zur Zukunft Europas und Folgemaßnahmen

56.

sieht in der Konferenz zur Zukunft Europas einen Ausgangspunkt für eine umfassende Stärkung der demokratischen Verfahren auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene; bekräftigt die Notwendigkeit einer kontinuierlichen, wirklich inklusiven, transparenten, dezentralen, geografisch und politisch ausgewogenen Debatte über die Zukunft der Europäischen Union; vertritt die Auffassung, dass die Konferenz einen ergebnisoffenen Ansatz im Hinblick auf die Reform der Politikbereiche und der Organe und Einrichtungen verfolgen und den Weg für dauerhafte Reformen der Europäischen Union ebnen sollte, die über die Laufzeit der Konferenz hinausreichen;

57.

bekräftigt seine uneingeschränkte Bereitschaft, an den Folgemaßnahmen der Konferenz mitzuwirken, indem politische Initiativen und Vorschläge in Maßnahmen umgelegt werden, die den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger gerecht werden; weist darauf hin, dass der Erfolg der Konferenz auch davon abhängt, dass sich die Empfehlungen der Bürgerinnen und Bürger am Ende konkret in Ergebnissen widerspiegeln. Wenn ihre Empfehlungen nicht oder nur in modifizierter Form angenommen werden, sollten die Gründe in transparenter und nachvollziehbarer Form erläutert werden;

58.

betont, dass bei der Einleitung von Folgemaßnahmen, wie neuen Legislativvorschlägen zur Umsetzung der Ergebnisse der Konferenz, die Kompetenzverteilung und insbesondere die in den Verträgen verankerten Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit beachtet werden müssen;

59.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Vorsitz der Konferenz zur Zukunft Europas sowie dem Europäischen Parlament, dem französischen, dem tschechischen und dem schwedischen Ratsvorsitz sowie dem Präsidenten des Europäischen Rates und der Präsidentin der Europäischen Kommission zu übermitteln;

60.

spricht sich dafür aus, die ursprünglich vorgesehene Laufzeit der Konferenz von zwei Jahren zugunsten einer angemessen und umfassenden Auseinandersetzung mit den Ideen und Vorschlägen der Bürgerinnen und Bürger beginnend mit dem 9. Mai 2021 auszuschöpfen. Im Frühjahr 2022 sollte zunächst nur ein Zwischenbericht vorgelegt werden.

Brüssel, den 27. Januar 2022

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Apostolos TZITZIKOSTAS


(1)  ABl. C 324 vom 1.10.2020, S. 8.

(2)  ABl. C 141 vom 29.4.2020, S. 5.

(3)  ABl. C 300 vom 27.7.2021, S. 1.

(4)  ABl. C 97 vom 28.2.2022, S. 1.