Brüssel, den 10.5.2021

COM(2021) 230 final

2021/0117(NLE)

Vorschlag für einen

BESCHLUSS DES RATES

zur Festlegung des Standpunkts, der im Namen der Europäischen Union im mit dem Europa-Mittelmeer-Abkommen vom 22. April 2002 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Demokratischen Volksrepublik Algerien andererseits eingesetzten Assoziationsrat zu vertreten ist


BEGRÜNDUNG

1.Gegenstand des Vorschlags

Gegenstand dieses Vorschlags ist ein Beschluss zur Festlegung des Standpunkts, der im Namen der Union im Assoziationsrat EU-Algerien im Hinblick auf die geplante Annahme eines Beschlusses zur Beilegung einer Streitigkeit zwischen den Vertragsparteien des Assoziierungsabkommens zu vertreten ist.

2.Kontext des Vorschlags

Der Vorschlag betrifft das Europa-Mittelmeer-Abkommen vom 22. April 2002 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Demokratischen Volksrepublik Algerien andererseits (im Folgenden „Assoziierungsabkommen“). Das Abkommen ist am 1. September 2005 in Kraft getreten.

Als oberstes Gremium zur Verwaltung dieses Abkommens wurde gemäß Artikel 92 Absatz 1 des Assoziierungsabkommens der Assoziationsrat eingesetzt. Der Assoziationsrat prüft alle wichtigen Fragen, die sich aus dem Assoziierungsabkommen ergeben, und alle sonstigen bilateralen oder internationalen Fragen von beiderseitigem Interesse.

Ferner kann der Assoziationsrat gemäß Artikel 100 Absatz 2 des Assoziierungsabkommens jede Streitigkeit durch Beschluss beilegen, mit der er von einer Vertragspartei gemäß Artikel 100 Absatz 1 des Assoziierungsabkommens befasst wurde.

Zweck des vorgesehenen Beschlusses ist die Beilegung der Streitigkeit, mit der die Europäische Union den Assoziationsrat am 24. Juni 2020 befasst hat.

Der Beschluss soll so bald wie möglich im schriftlichen Verfahren angenommen werden, spätestens jedoch auf der nächsten Tagung des Assoziationsrates.

Der vorgesehene Beschluss wird für die Vertragsparteien gemäß Artikel 94 Absatz 2 und Artikel 100 Absatz 3 des Assoziierungsabkommens verbindlich.

3.Im Namen der Union zu vertretender Standpunkt

Mit Verbalnote vom 24. Juni 2020 der Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission befasste die Europäische Union den Assoziationsrat mit einer zwischen der Europäischen Union und Algerien bestehenden Streitigkeit über die Auslegung und Anwendung des Assoziierungsabkommens.

Die Streitigkeit entstand 2015, als Algerien mit der Einführung einer Reihe von bilateralen Handelshemmnissen gegenüber der Europäischen Union begann. Vor dem Hintergrund der Handelsprobleme infolge der getroffenen Maßnahmen forderte der Assoziationsrat die Vertragsparteien im Mai 2018 in einer gemeinsamen Erklärung auf, so bald wie möglich eine Lösung zu finden. Zu diesem Zweck wurde 2018 eine hochrangige Arbeitsgruppe eingesetzt, die vier Mal zusammentrat.

Trotz wiederholter Interventionen auf hoher Ebene und gezielter politischer Anstrengungen seitens der Europäischen Union konnte die Streitigkeit nicht beigelegt werden. Daher musste der Assoziationsrat förmlich befasst werden, um die betreffende Streitigkeit gemäß Artikel 100 des Assoziierungsabkommens beizulegen.

Die Streitigkeit über die Anwendung und Auslegung des Assoziierungsabkommens betrifft insbesondere die nachstehend beschriebenen von Algerien eingeführten Maßnahmen.

a)Mit dem Exekutiverlass Nr. 18-02 vom 7. Januar 2018 führte Algerien ein Einfuhrverbot für eine Reihe von Waren ein. Die Liste der betroffenen Waren wurde in der Folge mehrmals geändert, zuletzt durch den Exekutiverlass Nr. 19-12 vom 27. Januar 2019, und umfasst derzeit Kraftfahrzeuge, die unter die Tarifpositionen 8701 bis 8705 fallen. Diese Maßnahme scheint unter anderem mit Artikel 17 des Assoziierungsabkommens unvereinbar zu sein, da sie neue mengenmäßige Beschränkungen der Einfuhren von Waren nach Algerien oder Maßnahmen gleicher Wirkung vorsieht.

b)Mit dem Gesetz Nr. 18-13 vom 11. Juli 2018 über den Nachtragshaushalt 2018 führte Algerien einen „droit additionnel provisoire de sauvegarde“ (vorläufiger zusätzlicher Schutzzoll) ein. Mit dem Exekutiverlass Nr. 18-230 vom 25. September 2018 definierte Algerien die Modalitäten für die Erstellung und Festlegung der Liste der dem vorläufigen zusätzlichen Schutzzoll unterliegenden Waren sowie der entsprechenden Zollsätze. Auf dieser Grundlage wurde mit dem Erlass des Handelsministeriums vom 26. Januar 2019, in Kraft getreten am 27. Januar 2019, eine Liste der Waren angelegt, auf die ein vorläufiger zusätzlicher Schutzzoll erhoben wird. Diese Liste wurde durch den Erlass des Handelsministeriums vom 8. April 2019 geändert. Dieser Zollsatz beträgt zwischen 30 % und 200 % des Warenwerts. Insgesamt beinhaltet die geänderte Liste mehr als 992 Tarifpositionen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse und zahlreiche Verbrauchsgüter. Mit der Einführung dieser Maßnahmen scheint Algerien gegen seine in Artikel 9 des Assoziierungsabkommens festgelegte Verpflichtung zum schrittweisen Abbau seiner Einfuhrzölle und seiner bei der Einfuhr anfallenden Abgaben gleicher Wirkung auf die Ursprungserzeugnisse der Europäischen Union zu verstoßen. Außerdem scheint Algerien die gemäß Artikel 14 des Assoziierungsabkommens für landwirtschaftliche Erzeugnisse, Fischereierzeugnisse und landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse geltenden Bestimmungen nicht einzuhalten. Schließlich scheint die Einführung neuer Einfuhrzölle oder Abgaben gleicher Wirkung durch Algerien gegen Artikel 17 des Assoziierungsabkommens zu verstoßen.

c)Am 27. Dezember 2017 verabschiedete Algerien das Gesetz Nr. 17-11 über den Haushalt 2018. Mit Artikel 115 dieses Gesetzes wurden die geltenden Zölle für 129 Tarifpositionen, darunter Telekommunikationskomponenten, Modems, Kabel und Elektrogeräte, erhöht. Für einige Waren wurden die ursprünglich zwischen 0 % und 5 % liegenden Zollsätze auf 30 % angehoben, für andere Waren erfolgte eine Anhebung von ursprünglich 30 % auf 60 %. Diese Maßnahme scheint unter anderem mit Artikel 17 des Assoziierungsabkommens unvereinbar zu sein, da Algerien damit neue Einfuhrzölle auf diese Waren einführt.

d)Mit dem Gesetz Nr. 15-15 vom 15. Juli 2015 über die allgemeinen Regeln für die Ein- und Ausfuhr von Waren und dem Exekutiverlass Nr. 15-306 vom 6. Dezember 2016 zur Festlegung der Bedingungen und Durchführungsbestimmungen für die Einfuhr- oder Ausfuhrlizenzregelungen für Erzeugnisse und Waren führte Algerien 2015 ein Lizenzsystem für Einfuhren oder Ausfuhren ein. Diese Lizenzregelungen betreffen automatische und nichtautomatische Lizenzen und ermächtigen die Regierung, die Erteilung von Einfuhrlizenzen durch Eintragung in das behördliche Verzeichnis des Handelsministeriums zu verlangen. Diese Maßnahme scheint unter anderem mit Artikel 17 des Assoziierungsabkommens unvereinbar zu sein, da mit ihr eine Rechtsgrundlage für neue mengenmäßige Beschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung geschaffen wird.

e)Am 30. September 2019 veröffentlichte der algerische Verband der Banken und Finanzinstitute (Association professionnelle des banques et des établissements financiers algériens – ABEF) das Rundschreiben Nr. 479/DG/2019 bezüglich des Schreibens Nr. 189/CC/MF/2019 des Kabinettchefs des Finanzministeriums vom 29. September 2019, mit dem neue restriktive Maßnahmen gegenüber den Einfuhren von Mobiltelefonen und Haushaltsgeräten verhängt wurden; diese Maßnahmen beinhalten drei Komponenten. Erstens besteht die Verpflichtung, mit der Zahlung der Einfuhren neun Monate zu warten. Zweitens müssen die Wirtschaftsteilnehmer prioritär nationale Seetransportkapazitäten nutzen, wenn dies möglich ist. Drittens sind Einfuhren nur im Rahmen von Verträgen zulässig, die so weit wie möglich die Incoterm-Klausel FOB verwenden. Mit Wirkung vom 31. Dezember 2019 wurde die Verpflichtung zur Verwendung der FOB-Klausel auf die Einfuhr aller Waren ausgedehnt. Am 25. und 26. Dezember 2019 wurden des Weiteren die beiden Rundschreiben Nr. 643/DG/2019 und Nr. 645/DG/2019 veröffentlicht, die zusätzliche Informationen darüber enthalten, wie die Verpflichtungen zur Nutzung nationaler Seefrachtunternehmen und der FOB-Klausel anzuwenden sind. Diese Maßnahmen, insbesondere in Bezug auf die Zahlungsbedingungen und die FOB-Klausel, scheinen unter anderem mit Artikel 17 des Assoziierungsabkommens unvereinbar zu sein, da sie möglicherweise neue mengenmäßige Beschränkungen der Einfuhren von Waren nach Algerien oder eine Maßnahme gleicher Wirkung darstellen. Diese Maßnahmen scheinen auch mit den Artikeln 30, 32 und 34 des Assoziierungsabkommens unvereinbar zu sein, da sie offenbar gegen die Verpflichtungen Algeriens in Bezug auf die Behandlung von Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern der Europäischen Union verstoßen. Außerdem hält Algerien allem Anschein nach den Grundsatz des ungehinderten Zugangs zum internationalen Seeverkehrsmarkt und zum internationalen Seeverkehr auf kommerzieller Basis nicht ein – insbesondere durch die Einführung der Verpflichtung zur Nutzung nationaler Seefrachtunternehmen – und wendet Maßnahmen an, die entweder als verschleierte Beschränkungen oder als Diskriminierungen im Bereich der Dienstleistungsfreiheit im internationalen Seeverkehr angesehen werden können. Darüber hinaus verstößt Algerien durch die Einführung eines Zahlungsaufschubs von neun Monaten offenbar auch gegen Artikel 38 des Assoziierungsabkommens.

Die vorstehend dargelegten restriktiven Maßnahmen Algeriens haben zu einer erheblichen Verringerung des Handels zwischen Algerien und der Europäischen Union mit den betreffenden Waren und Dienstleistungen geführt.

Nach der Befassung des Assoziationsrates fanden am 29. September 2020 und am 7. Dezember 2020 Konsultationen statt. Im Zuge dieser Konsultationen haben die Vertragsparteien Gespräche über den Entwurf eines Beschlusses des Assoziationsrates aufgenommen.

Auf der 7. Tagung des Unterausschusses Investitionen, Handel und Dienstleistungen vom 28. Oktober 2020 und auf der informellen Tagung der Mitglieder des Assoziationsrates bekräftigten die Europäische Union und Algerien ihr gemeinsames Ziel, diese Streitigkeit durch Beschluss des Assoziationsrates beizulegen.

Der Beschluss des Assoziationsrates muss der Tatsache Rechnung tragen, dass Algerien laut seiner Erklärung in der Sitzung vom 29. September 2020 auf der Grundlage seiner nationalen Rechtsvorschriften keine automatischen oder nichtautomatischen Lizenzregelungen für die Einfuhr oder Ausfuhr von Waren erlassen hat.

Darüber hinaus hat Algerien in der Sitzung vom 7. Dezember 2020 seine Absicht bekundet, die Einfuhrbeschränkungen für Kraftfahrzeuge ab dem 1. Januar 2021 aufzuheben.

Der Beschluss des Assoziationsrates muss die gemeinsame Auslegung der Vertragsparteien in Bezug auf die Vereinbarkeit der von Algerien getroffenen Maßnahmen, die Gegenstand der Streitigkeit sind, mit den Bestimmungen des Assoziierungsabkommens enthalten und die von Algerien zu unternehmenden Schritte anführen. In diesem Zusammenhang sollten ein Übergangszeitraum für Algerien sowie die Verfahren festgelegt werden, die zum Tragen kommen, wenn das Land dem Beschluss nicht nachkommt.

Es sei darauf hingewiesen, dass Algerien seine Anmerkungen zu dem Entwurf eines Beschlusses des Assoziationsrates, der diesem Vorschlag für einen Beschluss des Rates beigefügt ist, noch nicht übermittelt hat. Daher ist es wahrscheinlich, dass der Wortlaut des Entwurfs im Laufe der künftigen Verhandlungen erheblich geändert wird.

4.Rechtsgrundlage

4.1.Verfahrensrechtliche Grundlage

Nach Artikel 218 Absatz 9 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) werden die „Standpunkte, die im Namen der Union in einem durch eine Übereinkunft eingesetzten Gremium zu vertreten sind, sofern dieses Gremium rechtswirksame Akte, mit Ausnahme von Rechtsakten zur Ergänzung oder Änderung des institutionellen Rahmens der betreffenden Übereinkunft, zu erlassen hat“, durch Beschlüsse festgelegt.

Der Assoziationsrat wurde durch eine Übereinkunft, das Assoziierungsabkommen, eingesetzt.

Bei dem Akt, den der Assoziationsrat annehmen soll, handelt es sich um einen rechtswirksamen Akt. Der vorgesehene Akt ist nach Artikel 94 Absatz 2 und Artikel 100 Absatz 3 des Assoziierungsabkommens ein völkerrechtlich verbindlicher Akt.

Durch den vorgesehenen Akt wird der institutionelle Rahmen des Abkommens weder ergänzt noch geändert.

Die verfahrensrechtliche Grundlage für den vorgeschlagenen Beschluss ist daher Artikel 218 Absatz 9 AEUV.

4.2.Materielle Rechtsgrundlage

Die materielle Rechtsgrundlage für einen Beschluss nach Artikel 218 Absatz 9 AEUV hängt in erster Linie von Ziel und Inhalt des vorgesehenen Akts ab, zu dem ein im Namen der Union zu vertretender Standpunkt festgelegt wird.

Hauptziel und -inhalt des vorgesehenen Akts betreffen die gemeinsame Handelspolitik.

Die materielle Rechtsgrundlage für den vorgeschlagenen Beschluss ist daher Artikel 207 Absatz 4 Unterabsatz 1 AEUV.

4.3.Schlussfolgerung

Rechtsgrundlage des vorgeschlagenen Beschlusses sollte Artikel 207 Absatz 4 Unterabsatz 1 in Verbindung mit Artikel 218 Absatz 9 AEUV sein.

5.VERÖFFENTLICHUNG DES VORGESEHENEN AKTS

Da mit dem Akt des Assoziationsrates zugunsten Algeriens weitere vorübergehende Ausnahmen von den Verpflichtungen aus dem Assoziierungsabkommen eingeführt werden, sollte er nach seiner Annahme im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden.

2021/0117 (NLE)

Vorschlag für einen

BESCHLUSS DES RATES

zur Festlegung des Standpunkts, der im Namen der Europäischen Union im mit dem Europa-Mittelmeer-Abkommen vom 22. April 2002 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Demokratischen Volksrepublik Algerien andererseits eingesetzten Assoziationsrat zu vertreten ist

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 207 Absatz 4 Unterabsatz 1 in Verbindung mit Artikel 218 Absatz 9,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)Das Europa-Mittelmeer-Abkommen vom 22. April 2002 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Demokratischen Volksrepublik Algerien andererseits (im Folgenden „Abkommen“) wurde von der Union mit dem Beschluss 2005/690/EG des Rates 1 vom 18. Juli 2005 geschlossen und trat am 1. September 2005 in Kraft.

(2)Der Assoziationsrat wurde gemäß Artikel 92 Absatz 1 des Abkommens eingesetzt.

(3)Gemäß Artikel 100 Absatz 2 des Abkommens kann der Assoziationsrat eine Streitigkeit, mit der er von einer Vertragspartei befasst wurde, durch Beschluss beilegen.

(4)Mit Verbalnote vom 24. Juni 2020 befasste die Europäische Union den Assoziationsrat mit einer Streitigkeit über die Auslegung und Anwendung des Abkommens.

(5)Die Streitigkeit betrifft mehrere handelspolitische Maßnahmen, die Algerien seit dem Jahr 2015 anwendet, darunter das Einfuhrverbot für Kraftfahrzeuge, die Einführung vorläufiger zusätzlicher Schutzzölle für 992 Zolltarifpositionen, die Einführung zusätzlicher Zölle für 129 Zolltarifpositionen, die Einführung eines Einfuhr- oder Ausfuhrlizenssystems, die Einführung eines verbindlichen neunmonatigen Zahlungsaufschubs bei Einfuhren sowie weitere Regeln betreffend Vertragsklauseln für Einfuhren.

(6)In den Konsultationen vom 29. September 2020 und vom 7. Dezember 2020 haben die Vertragsparteien mit den Beratungen über den Entwurf eines Beschlusses des Assoziationsrates zur Beilegung der fraglichen Streitigkeit begonnen.

(7)Es ist zweckmäßig, den im Assoziationsrat im Namen der Union zu vertretenden Standpunkt festzulegen, da der vorgesehene Beschluss für die Union verbindlich ist —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Der Standpunkt, der im Namen der Union im mit Artikel 92 Absatz 1 des Europa-Mittelmeer-Abkommens vom 22. April 2002 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Demokratischen Volksrepublik Algerien andererseits eingesetzten Assoziationsrat zu vertreten ist, beruht auf dem diesem Beschluss beigefügten Entwurf des Aktes.

Artikel 2

Der Beschluss des Assoziationsrates wird nach seiner Annahme von der Europäischen Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Artikel 3

Dieser Beschluss ist an die Kommission gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am […]

   Im Namen des Rates

   Der Präsident / Die Präsidentin

(1)    ABl. L 265 vom 10.10.2005, S. 1.

Brüssel, den 10.5.2021

COM(2021) 230 final

ANHANG

des

Vorschlags für einen BESCHLUSS DES RATES

zur Festlegung des Standpunkts, der im Namen der Europäischen Union im mit dem Europa-Mittelmeer-Abkommen vom 22. April 2002 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Demokratischen Volksrepublik Algerien andererseits eingesetzten Assoziationsrat zu vertreten ist


ENTWURF

BESCHLUSS Nr.  ... DES ASSOZIATIONSRATES EU-ALGERIEN

vom XX …….. 2021

über die Beilegung einer Streitigkeit über die Anwendung und Auslegung des Abkommens

DER ASSOZIATIONSRAT EU-ALGERIEN —

gestützt auf das Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Demokratischen Volksrepublik Algerien andererseits (im Folgenden „Abkommen“), insbesondere auf Artikel 100 Absatz 2,

gestützt auf die Verbalnote (2020)3283036 der Europäischen Kommission (Generaldirektion Handel) vom 24. Juni 2020, mit der die Europäische Union im Einklang mit Artikel 100 Absatz 1 des Abkommens den Assoziationsrat mit einer Streitigkeit über die Anwendung und Auslegung des Abkommens befasst hat,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)    Das Abkommen ist am 1. September 2005 in Kraft getreten, und die Vertragsparteien sollten die allgemeinen oder besonderen Maßnahmen treffen, die für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Abkommen erforderlich sind.

(2)    Seit 2015 hat Algerien insbesondere die in den nachfolgenden Erwägungsgründen beschriebenen handelspolitischen Maßnahmen eingeführt, die Hemmnisse für den bilateralen Handel zwischen den Vertragsparteien darstellen und gegen das Abkommen verstoßen.

(3)    Mit dem Exekutiverlass Nr. 18-02 vom 7. Januar 2018 führte Algerien ein Einfuhrverbot für eine Reihe von Waren ein. Die Liste der betroffenen Waren wurde mehrmals geändert, zuletzt durch den Exekutiverlass Nr. 19-12 vom 27. Januar 2019, und umfasst derzeit Kraftfahrzeuge, die unter die Tarifpositionen 8701 bis 8705 fallen.

(4)    Mit dem Gesetz Nr. 18-13 vom 11. Juli 2018 über den Nachtragshaushalt 2018 führte Algerien einen „droit additionnel provisoire de sauvegarde“ (vorläufiger zusätzlicher Schutzzoll) ein, der mit dem Exekutiverlass Nr. 18-230 vom 25. September 2018 zur Definition der Modalitäten für die Erstellung und Festlegung der Liste der Waren, für die der vorläufige zusätzliche Schutzzoll und die entsprechenden Zollsätze gelten, und mit dem Erlass des Handelsministeriums vom 26. Januar 2019, in Kraft getreten am 27. Januar 2019, umgesetzt wurde. Die so festgelegte Liste der Waren, auf die ein vorläufiger zusätzlicher Schutzzoll erhoben wird, wurde mit Erlass des Handelsministeriums vom 8. April 2019 geändert.

(5)    Der vorläufige zusätzliche Schutzzoll beträgt zwischen 30 % und 200 % des Warenwerts. Er gilt für die mehr als 992 Tarifpositionen auf der geänderten Liste, die vor allem landwirtschaftliche Erzeugnisse, landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse und zahlreiche Verbrauchsgüter umfasst.

(6)    Am 27. Dezember 2017 verabschiedete Algerien das Gesetz Nr. 17-11 über den Haushalt 2018. Gemäß Artikel 115 dieses Gesetzes wurden die geltenden Zölle für 129 Tarifpositionen, darunter Telekommunikationskomponenten, Modems, Kabel und Elektrogeräte, erhöht.

(7)    Für einige Waren wurden die ursprünglich zwischen 0 % und 5 % liegenden Zollsätze auf 30 % angehoben, für andere Waren erfolgte eine Anhebung von ursprünglich 30 % auf 60 %.

(8)    Mit dem Gesetz Nr. 15-15 vom 15. Juli 2015 über die allgemeinen Regeln für die Ein- und Ausfuhr von Waren und dem Exekutiverlass Nr. 15-306 vom 6. Dezember 2016 zur Festlegung der Bedingungen und Durchführungsbestimmungen für die Einfuhr- oder Ausfuhrlizenzregelungen für Waren und Erzeugnisse führte Algerien ein Lizenzsystem für Einfuhren oder Ausfuhren ein.

(9)    Die fraglichen Lizenzregelungen betreffen automatische und nichtautomatische Lizenzen und ermächtigen die Regierung, die Erteilung von Einfuhrlizenzen durch Eintragung in das behördliche Verzeichnis des Handelsministeriums zu verlangen.

(10)    Am 30. September 2019 veröffentlichte der algerische Verband der Banken und Finanzinstitute (Association professionnelle des banques et des établissements financiers algériens; ABEF) das Rundschreiben Nr. 479/DG/2019 bezüglich des Schreibens Nr. 189/CC/MF/2019 des Kabinettchefs des Finanzministeriums vom 29. September 2019, mit dem neue restriktive Maßnahmen gegenüber den Einfuhren von Mobiltelefonen und Haushaltsgeräten verhängt wurden; diese Maßnahmen beinhalten die folgenden drei Komponenten:

a) die Einführung eines verbindlichen neunmonatigen Zahlungsaufschubs bei Einfuhren;

b) die Anweisung an die Wirtschaftsteilnehmer, wo immer möglich prioritär nationale Seetransportkapazitäten zu nutzen und

c) den Hinweis, dass nur die Einfuhren zulässig sind, die im Rahmen von Verträgen getätigt werden, die so weit wie möglich die Incoterm-Klausel FOB verwenden. Dieses Erfordernis wurde mit Wirkung vom 31. Dezember 2019 auf die Einfuhr aller Waren ausgedehnt.

(11)    Die am 25. und am 26. Dezember 2019 veröffentlichten Rundschreiben Nr. 643/DG/2019 und Nr. 645/DG/2019 enthalten zusätzliche Informationen darüber, wie die Verpflichtung zur Nutzung nationaler Seefrachtunternehmen und der FOB-Klausel anzuwenden sind.

(12)    Die Europäische Union stellt fest, dass die verhängten Maßnahmen negative Auswirkungen auf den Handel haben.

(13)    Im Mai 2018 forderte der Assoziationsrat die Vertragsparteien in einer gemeinsamen Erklärung auf, so bald wie möglich eine Lösung zu finden.

(14)    2018 wurde eine hochrangige Arbeitsgruppe eingesetzt, die vier Mal zusammentrat. Trotz wiederholter Interventionen auf hoher Ebene und gezielter politischer Anstrengungen gelang es ihr nicht, eine Lösung zu finden.

(15)    Die Europäische Union ist der Auffassung‚ dass die genannten Maßnahmen mit den Rechten und Pflichten aus dem Abkommen, insbesondere mit den Artikeln 9, 14, 17, 30, 32, 34 und 38 des Abkommens, unvereinbar sind.

(16)    Am 24. Juni 2020 hat die Europäische Union den Assoziationsrat gemäß Artikel 100 Absatz 1 des Abkommens mit der Angelegenheit befasst und alle Informationen vorgelegt, die für die Prüfung der Streitigkeit erforderlich sind, um eine für beide Seiten annehmbare Lösung zu finden.

(17)    Am 29. September 2020 und am 7. Dezember 2020 hielten die Vertragsparteien Konsultationen ab.

(18)    Algerien erklärte, seine Maßnahmen seien notwendig, um im Rahmen seiner Politik der wirtschaftlichen Diversifizierung neue und junge Industrien zu schützen, Schutzmaßnahmen in den durch die Einfuhren unter Druck gesetzten Wirtschaftszweigen einzuführen, unlauteren Wettbewerb zu verhindern und ernste Zahlungsbilanzschwierigkeiten zu beheben.

(19)    Die Europäische Union ist der Auffassung, dass die wesentlichen Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelungen nach Artikel 11 (neue und junge Industrien), Artikel 22 (Dumping), Artikel 24 (Schutzmaßnahmen) oder Artikel 40 (Zahlungsbilanz) nicht erfüllt sind und dass Algerien im Übrigen die Verfahrensregeln für die Einführung dieser Maßnahmen, wie vorherige Konsultationen zwischen den Vertragsparteien und in bestimmten Fällen die Annahme eines Beschlusses des Assoziationsrates, nicht eingehalten hat.

(20)    Die Vertragsparteien stimmen der Beilegung der Streitigkeit durch Beschluss zu —

BESCHLIEẞT:

Artikel 1

(1)    Beide Vertragsparteien sind der Auffassung, dass das von Algerien verhängte Einfuhrverbot für Kraftfahrzeuge, die unter die Tarifpositionen 8701 bis 8705 fallen, eine neue mengenmäßige Beschränkung der Einfuhr von Waren oder eine Maßnahme gleicher Wirkung darstellt, die mit Artikel 17 des Abkommens unvereinbar ist. Artikel 11 des Abkommens, nach dem die Vertragsparteien auf neue und junge Industrien Ausnahmeregelungen anwenden können, gilt nicht für die Verpflichtungen nach Artikel 17 des Abkommens.

(2)    Algerien verpflichtet sich, diese Beschränkung bis zum [...] aufzuheben.

Artikel 2

(1)    Beide Vertragsparteien sind der Auffassung, dass die Einführung von vorläufigen zusätzlichen Schutzzöllen durch Algerien mit der gemäß Artikel 9 des Assoziierungsabkommens bestehenden Verpflichtung zum schrittweisen Abbau der Einfuhrzölle und der bei der Einfuhr nach Algerien anfallenden Abgaben gleicher Wirkung auf gewerbliche Ursprungserzeugnisse der Europäischen Union sowie mit den nach Artikel 14 des Abkommens geltenden Regeln für landwirtschaftliche Erzeugnisse, Fischereierzeugnisse und landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse unvereinbar sind. Außerdem stellen die vorläufigen zusätzlichen Schutzzölle neue Einfuhrzölle oder Abgaben gleicher Wirkung dar, die unter das Verbot des Artikels 17 des Abkommens fallen.

(2)    Die Voraussetzungen für die Anwendung der in Artikel 24 des Abkommens vorgesehenen Schutzmaßnahmen oder der zur Behebung ernster Zahlungsbilanzschwierigkeiten erforderlichen Maßnahmen sind nicht erfüllt.

(3)    Algerien verpflichtet sich, den anwendbaren Satz der vorläufigen zusätzlichen Zölle bis spätestens zum [...] auf 50 % des in den Rechtsvorschriften vorgesehenen Satzes zu senken und diese Zölle auf die Ursprungserzeugnisse der Europäischen Union bis zum [...] zu beseitigen.

Artikel 3

(1)    Beide Vertragsparteien sind der Auffassung, dass die Erhöhung der anwendbaren Zölle für 129 Tarifpositionen betreffend Telekommunikationskomponenten, Modems, Kabel und Elektrogeräte – bei der für einige Waren die ursprünglich zwischen 0 % und 5 % liegenden Zollsätze auf 30 % angehoben wurden und bei anderen Waren eine Anhebung von ursprünglich 30 % auf 60 % erfolgte – nicht mit der nach Artikel 9 des Abkommens vorgesehenen Senkung der Zölle und dem in Artikel 17 des Abkommens enthaltenen Erhöhungsverbot vereinbar ist.

(2)    Die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung für neue und junge Industrien nach Artikel 11 des Abkommens, für die Anwendung der in Artikel 24 des Abkommens vorgesehenen Schutzmaßnahmen oder für die Anwendung der zur Behebung ernster Zahlungsbilanzschwierigkeiten erforderlichen Maßnahmen sind nicht erfüllt.

(3)    Algerien verpflichtet sich, die Erhöhung der Zölle auf Ursprungserzeugnisse der Europäischen Union spätestens bis zum [...] zurückzunehmen.

Artikel 4

Die Vertragsparteien verpflichten sich im Einklang mit Artikel 17 des Abkommens, die Ein- oder Ausfuhr von Ursprungserzeugnissen der Vertragsparteien keiner automatischen oder nichtautomatischen Lizenzregelung zu unterwerfen, es sei denn, dies geschieht unter Anwendung einer im Assoziierungsabkommen vorgesehenen Ausnahmeregelung.

Artikel 5

(1)    Die Vertragsparteien erkennen an, dass nicht rechtsverbindliche Empfehlungen dennoch ein Handelshemmnis darstellen können, das mit den Verpflichtungen aus dem Abkommen unvereinbar ist. Beide Vertragsparteien sind der Auffassung, dass die Einführung eines verbindlichen neunmonatigen Zahlungsaufschubs bei Einfuhren, die Anweisung an die Wirtschaftsteilnehmer, wo immer möglich prioritär nationale Seetransportkapazitäten zu nutzen, und der Hinweis, dass nur die Einfuhren zulässig sind, die im Rahmen von Verträgen getätigt werden, die so weit wie möglich die Incoterm-Klausel FOB verwenden, weder mit Artikel 17 noch mit den Artikeln 30, 32 und 34 des Abkommens vereinbar sind.

(2)    Die Voraussetzungen nach Artikel 40 des Abkommens für die Anwendung der zur Behebung ernster Zahlungsbilanzschwierigkeiten erforderlichen Maßnahmen sind nicht erfüllt.

(3)    Algerien verpflichtet sich, die in Absatz 1 genannten Anweisungen und Empfehlungen spätestens bis zum [...] zurückzunehmen.

Artikel 6

(1)    Algerien notifiziert der Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission die Maßnahmen nach Artikel 1 Absatz 2, Artikel 2 Absatz 3, Artikel 3 Absatz 3 und Artikel 5 Absatz 3, die es getroffen hat, um seinen Verpflichtungen aus dem Assoziierungsabkommen nachzukommen. Algerien übermittelt dem Assoziationsrat und dem Unterausschuss Industrie, Handel und Investitionen eine Kopie der Notifikation.

(2)    Auf schriftliches Ersuchen der Europäischen Union erteilt Algerien zusätzliche Auskünfte über die Maßnahmen, die Algerien ergriffen hat, um seinen Verpflichtungen aus dem Abkommen nachzukommen.

Artikel 7

Hat Algerien spätestens 15 Tage nach Ablauf der in der betreffenden Bestimmung genannten Frist keine Maßnahme zur Umsetzung dieses Beschlusses notifiziert oder hält die Europäische Union die notifizierten Maßnahmen für unzureichend, so kann die Europäische Union gemäß Artikel 104 Absatz 2 des Abkommens die Zugeständnisse oder sonstigen Verpflichtungen aus dem Abkommen aussetzen, da der Assoziationsrat alle für eine gründliche Prüfung der Lage erforderlichen Informationen erhalten hat, um zu einer für die Vertragsparteien annehmbaren Lösung zu gelangen.

Artikel 8

Dieser Beschluss tritt am Tag seiner Annahme in Kraft.

Geschehen zu [...] am [...]

Im Namen des Assoziationsrates

Der Vorsitz

……