Brüssel, den 24.11.2021

COM(2021) 742 final

Empfehlung für eine

EMPFEHLUNG DES RATES

zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets

{SWD(2021) 362 final}


Empfehlung für eine

EMPFEHLUNG DES RATES

zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 136 in Verbindung mit Artikel 121 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken 1 , insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte 2 , insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)Nach einer sehr schweren Rezession im Jahr 2020 erlebt die Wirtschaft im Euro-Währungsgebiet einen soliden und schnellen Aufschwung. Das Wachstum des BIP im zweiten Quartal 2021 übertraf die Erwartungen und gemäß der Herbstprognose 2021 wird für das BIP des Euro-Währungsgebiets im Jahr 2021 ein Wachstum um 5,0 % vorhergesagt. Die Wirtschaft im Euro-Währungsgebiet wird die Höhe des BIP aus der Zeit vor der Krise wahrscheinlich im letzten Quartal 2021 wieder erreichen. Im zweiten Quartal 2021 hatten sieben Länder des Euro-Währungsgebiets ihr BIP-Vorkrisenniveau bereits wieder erreicht. Für das jährliche BIP des Euro-Währungsgebiets wird für das Jahr 2022 ein Wachstum um 4,3 % vorhergesagt. Die Binnennachfrage ist die größte Triebfeder des BIP-Wachstums, was auf die Lockerungen der Beschränkungen infolge der Impfkampagnen, auf allmähliche Verbesserungen auf den Arbeitsmärkten, das Ausgeben zusätzlicher Ersparnisse, die während der Lockdown-Phasen aufgelaufen sind, und auf das starke Investitionswachstum aufgrund günstiger Finanzierungsbedingungen und der politischen Unterstützung durch NextGenerationEU zurückzuführen ist. Gemäß den Empfehlungen haben die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets einzeln und gemeinsam im Rahmen der Euro-Gruppe Maßnahmen ergriffen und einen politischen Kurs gewährleistet, der die Erholung von der Covid-19-Krise unterstützt. Mit Blick auf die Zukunft bleiben die Unsicherheiten und Risiken hoch, auch was die Entwicklung der Pandemie innerhalb und außerhalb der EU betrifft.

(2)Im Laufe des Jahres traf eine starke Binnennachfrage auf Engpässe auf der Angebotsseite, einschließlich Rohstoffknappheit und logistischer Unterbrechungen. In einigen Sektoren und Mitgliedstaaten verursachen auch Arbeits- und Fachkräftemangel zunehmend Probleme. Nach mehreren Jahren mit sehr geringen Inflationsraten steigt die Inflation im Euro-Währungsgebiet seit Jahresbeginn 2021 an, insbesondere aufgrund von stark steigenden Energiepreisen und Lieferengpässen, was auf ein vorübergehendes Phänomen hindeutet, das mit dem Anpassungsprozess nach Ende des Lockdowns in Verbindung steht. Im September 2021 erreichte die Inflation im Euro-Währungsgebiet mit 3,4 % ein Zehnjahreshoch.

(3)Im Jahr 2021 lag der Schwerpunkt der europäischen Konjunkturstrategie zur Überwindung der Auswirkungen der Pandemie auf der Umsetzung von NextGenerationEU und seinem umfangreichsten Instrument, der Aufbau- und Resilienzfazilität 3 . Bis Mitte November 2021 hat der Rat nach positiven Bewertungen durch die Kommission die nationalen Aufbau- und Resilienzpläne von 22 Mitgliedstaaten angenommen, einschließlich der 18 Länder des Euro-Währungsgebiets. Im Laufe der nächsten Jahre wird die Durchführung von Reformen und Investitionsvorhaben im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität tiefgreifende positive Auswirkungen auf die Funktionsweise der Volkswirtschaften im Euro-Währungsgebiet haben. Aufgrund des für die Zuteilung der Ressourcen verwendeten Schlüssels wird die Fazilität die wirtschaftliche und soziale Aufwärtskonvergenz in den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets fördern. Die Fazilität hat auch das Vertrauen gestärkt und trägt zur Erhaltung des Wachstums und der makrofinanziellen Stabilität bei; so sorgt sie für Ausgewogenheit der politischen Maßnahmen und ergänzt die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank. Neben der Unterstützung des wirtschaftlichen Aufschwungs soll die Aufbau- und Resilienzfazilität die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten strukturell umgestalten, insbesondere, um den ökologischen und digitalen Wandel zu bewerkstelligen. Die Umsetzung kohärenter Investitionen und Reformen im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität sowie der Einsatz von Kohäsionsfondsmitteln zielen darauf ab, die Resilienz des Euro-Währungsgebiets gegenüber künftigen Schocks zu erhöhen und das Produktionspotenzial nachhaltig zu steigern, die Beschäftigung zu fördern und soziale Herausforderungen anzugehen. Zudem wird die Ausgabe von auf Euro lautenden Schuldtiteln durch die Union zur Finanzierung der Aufbau- und Resilienzfazilität den europäischen Kapitalmärkten zu mehr Tiefe und Liquidität verhelfen und dazu beitragen, den Euro als internationale Währung zu stärken.

(4)Die Umsetzung der in den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen enthaltenen Reformen und Investitionen wird den Weg für die Auszahlung der Mittel der Aufbau- und Resilienzfazilität ebenen und in wirksamer Weise zur Verwirklichung der politischen Prioritäten im Euro-Währungsgebiet, einschließlich der Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets, beitragen 4 . Dies wird unter anderem die Stärkung des nationalen institutionellen Rahmens betreffen, die Unterstützung von hochwertigen öffentlichen Investitionen sowie politische Maßnahmen zur Unterstützung des sozialen Zusammenhalts und eines gerechten ökologischen und digitalen Wandels. Dies dürfte dazu beitragen, eine nachhaltige und inklusive Erholung zu gewährleisten, das Wachstumspotenzial zu unterstützen und die Resilienz zu stärken. Dies steht im Einklang mit dem Jahreswachstumsbericht und den vier Dimensionen der wettbewerbsfähigen Nachhaltigkeit, d. h. ökologische Nachhaltigkeit, Produktivität, Gerechtigkeit und makroökonomische Stabilität 5 .

(5)Wirtschaftspolitische Maßnahmen mit einer angemessen unterstützenden und sich gegenseitig verstärkenden Wirkung haben eine wirksame makroökonomische Stabilisierung sichergestellt und die Auswirkungen auf die Arbeitsmarktergebnisse begrenzt, die Gefahr von Langzeitfolgen verringert und eine rasche wirtschaftliche Erholung unterstützt. Eine kohärente Mischung aus geld- und finanzpolitischen Maßnahmen sowie Strukturreformen und Maßnahmen zur Wahrung der Finanzstabilität werden für das reibungslose Funktionieren des Euro-Währungsgebiets unter uneingeschränkter Achtung der jeweiligen Rollen der Mitgliedstaaten und Organe im Rahmen des Vertrags weiterhin von entscheidender Bedeutung sein.

(6)Die geldpolitischen Maßnahmen der EZB zielen darauf ab, das reibungslose Funktionieren der verschiedenen Finanzmarktsegmente zu gewährleisten, die geldpolitischen Transmissionskanäle aufrechtzuerhalten und letztlich die mittelfristige Preisstabilität zu gewährleisten. Im Juli 2021 veröffentlichte die EZB ihre neue geldpolitische Strategie. Im Rahmen dieser neuen Strategie wird mittelfristig ein symmetrisches Inflationsziel von 2 % verfolgt. Der Rat der Europäischen Zentralbank bestätigte auch, dass die EZB-Zinssätze weiterhin ihr wichtigstes geldpolitisches Instrument sind. Im Oktober 2021 leitete die EZB die zweijährige Untersuchungsphase eines Projekts zum digitalen Euro ein. Die Einführung eines digitalen Euro würde ein Tätigwerden des Unionsgesetzgebers auf der Grundlage des Artikels 133 AEUV erfordern. Die Ausgabe einer solchen digitalen Zentralbankwährung könnte unter anderem die kontinuierliche Bereitstellung öffentlicher Gelder in digitaler Form sicherstellen, die Digitalisierung der europäischen Wirtschaft unterstützen und Innovationen im Massenzahlungsverkehr aktiv fördern. 6 Darüber hinaus würde sie dazu beitragen, die internationale Rolle des Euro und die offene strategische Autonomie Europas zu stärken.

(7)Am 19. Oktober 2021 hat die Europäische Kommission die Debatte über die Überprüfung der wirtschaftspolitischen Steuerung wieder eröffnet, um unter Berücksichtigung der Lehren aus der COVID-19-Krise einen breiten Konsens darüber zu erzielen, wie die Wirksamkeit und Transparenz des Rahmens erhöht, makroökonomische Ungleichgewichte angegangen und finanzpolitische Herausforderungen in einer Übergangs- und wachstumsfreundlichen Weise angegangen werden können.

(8)Das gesamtstaatliche Defizit des Euro-Währungsgebiets insgesamt wird den Projektionen zufolge im Jahr 2021 bei 7,1 % des BIP liegen, 2022 aber auf 3,9 % des BIP sinken. Der finanzpolitische Kurs des Euro-Währungsgebiets, der sich aus den nationalen Haushalten und dem EU-Haushalt ergibt, dürfte in den Jahren 2021 und 2022 weiterhin unterstützend wirken (1,75 % bzw. 1 % des BIP). Im Jahr 2022 werden die von den Mitgliedstaaten und der EU finanzierten öffentlichen Investitionen zu dem unterstützenden Kurs beitragen. Ab November 2021 werden die bisher vom Rat angenommenen nationalen Aufbau- und Resilienzpläne von 18 Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets diesen Mitgliedstaaten im Zeitraum bis 2026 umfangreiche finanzielle Unterstützung in Höhe von bis zu 262 Milliarden EUR in Form von Finanzhilfen und von bis zu 139 Milliarden EUR in Form von Darlehen bieten. Die Koordinierung der nationalen Haushaltspolitiken unter uneingeschränkter Achtung des Stabilitäts- und Wachstumspakts ist für eine wirkungsvolle Abfederung des COVID-19-Schocks, eine nachhaltige Erholung von der Pandemie und das ordnungsgemäße Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion unverzichtbar. Die allgemeine Ausweichklausel wird 2022 noch in Kraft bleiben, soll jedoch ab 2023 deaktiviert werden. Da die wirtschaftliche Erholung anhält, schwenkt die Finanzpolitik von befristeten Sofortmaßnahmen auf gezielte Maßnahmen zur Konjunkturbelebung um. Der Anstieg der gesamtstaatlichen Schuldenquoten (von 85,5 % des BIP im Jahr 2019 auf 100 % des BIP im Jahr 2021) spiegelt die kombinierten Auswirkungen des Produktionsrückgangs und der notwendigen politischen Reaktion auf den sehr starken Covid-19-Schock wider. Da die Schuldenquoten in einigen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets jedoch bereits vor dem Schock hoch waren, wird ein allmählicher, kontinuierlicher und wachstumsfreundlicher Schuldenabbau in weiten Teilen des Euro-Währungsgebiets ein politisches Ziel sein.

(9)In diesem Zusammenhang scheint es besonders wichtig, die Zusammensetzung der öffentlichen Finanzen zu verbessern, unter anderem durch die Förderung von Investitionen, die Qualität der haushaltspolitischen Maßnahmen und die Gewährleistung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, auch im Hinblick auf den Klimawandel und den ökologischen und digitalen Wandel. Eine umweltgerechte Haushaltsplanung, Ausgabenüberprüfungen, gut funktionierende Systeme für die Verwaltung öffentlicher Investitionen und wirksame Rahmenbedingungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge können haushaltspolitischen Spielraum für zusätzliche öffentliche Investitionen schaffen. Reformen für eine effizientere und fairere Einnahmenpolitik sind im Zuge der Covid-19-Krise noch wichtiger geworden. Es besteht noch Spielraum, die Steuersysteme im Euro-Währungsgebiet noch wachstums- und umweltfreundlicher zu gestalten, insbesondere durch Verringerung der Steuer- und Abgabenbelastung des Faktors Arbeit, die in den meisten Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets nach wie vor hoch ist. Maßnahmen zur Bekämpfung aggressiver Steuerplanung, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung können die Steuersysteme effizienter und gerechter machen und gleichzeitig die Erholung unterstützen und die Einnahmen steigern. Aufgrund der Globalisierung muss der Besteuerungsrahmen an eine zunehmend digitalisierte Wirtschaft angepasst werden. Zur Eindämmung von schädlichem Steuerwettbewerb wurde innerhalb des inklusiven Rahmens der OECD/G20 gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS) eine Vereinbarung über die Reform der globalen Besteuerung getroffen.

(10)Die rasche und energische politische Reaktion auf nationaler Ebene und auf Unionsebene, auch im Rahmen von NextGenerationEU, hat die Auswirkungen der Krise auf Haushalte und Unternehmen wirksam abgemildert. Dank dieses koordinierten Vorgehens haben sich die Divergenzen weniger als ursprünglich erwartet vergrößert und Langzeitfolgen wurden abgemildert. Die politische Unterstützung, unter anderem durch Kurzarbeitsregelungen und andere Maßnahmen zur Erhaltung von Arbeitsplätzen, hat dazu beigetragen, dass Unternehmen während der Krise ihre Geschäftstätigkeit aufrechterhalten konnten, und den Anstieg der Arbeitslosenquote und den Rückgang des verfügbaren Einkommens begrenzt. Trotz steigender Tendenz sind die Insolvenzquoten im Jahr 2021 ungeachtet der schrittweisen Aufhebung der Unterstützungsmaßnahmen nach wie vor begrenzt. Auch auf den Arbeitsmärkten sind allmähliche Verbesserungen zu verzeichnen, wobei die Beschäftigungsquote im zweiten Quartal 2021 wieder bei 72,2 % lag, verglichen mit dem Höchststand von 72,9 % vor der Covid-19-Krise im vierten Quartal 2019. Die beschleunigte Einführung digitaler Technologien während der Krise könnte sich positiv auf die Produktivität auswirken, wenn sie auch in Zukunft anhält. Dennoch hatte die COVID-19-Krise erhebliche territoriale, sektorale und verteilungsspezifische Auswirkungen, die Umverteilungen sowohl innerhalb als auch zwischen Ländern und Sektoren erforderlich macht, was erhebliche Übergangskosten für Arbeitnehmer und Unternehmen mit sich bringen wird.

(11)Obwohl der Anstieg der Insolvenzen bislang begrenzt war, hat die Pandemie bei vielen Unternehmen zu schwächeren Bilanzen geführt, was ihre Fähigkeit zur Finanzierung von Investitionsprojekten auf kurze Sicht einschränken und ihre Rückzahlungsfähigkeit beeinträchtigen könnte. Da die Erholung anhält, sollte die Unterstützung schrittweise eingestellt und zielgerichteter gestaltet werden. Ein geringerer Einsatz von Schuldtiteln würde die Eventualverbindlichkeiten begrenzen und dazu beitragen, die Investitionsfähigkeit der Unternehmen zu erhalten. Die rechtzeitige Rücknahme politischer Unterstützungsmaßnahmen ist ein Balanceakt zwischen der Förderung von Investitionen und Beschäftigung einerseits und der Vermeidung von Ausfällen rentabler Unternehmen, ohne den geordneten Marktaustritt der unrentablen Unternehmen auf mittlere Sicht zu behindern, andererseits. In diesem Zusammenhang ist es von entscheidender Bedeutung, den Zugang von Unternehmen zu Finanzmitteln zu verbessern, die Bilanzen der Unternehmen zu stärken und die Kapazität und Effizienz der Insolvenzrahmen zu verbessern. Die nationalen Insolvenzregelungen unterscheiden sich im Euro-Währungsgebiet erheblich, und Maßnahmen zur Kapazitätserhöhung sind erforderlich, um eine effiziente Verwaltung und Justiz zu fördern Verbesserte Insolvenzrahmen können auch zu solideren Bilanzen im Bankensektor beitragen, was sich positiv auf das Kreditangebot auswirkt. Die Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz 7 , mit der in allen Mitgliedstaaten Mindeststandards für präventive Restrukturierung und Entschuldung von Unternehmern eingeführt werden sollen, muss bis zum 17. Juli 2022 in nationales Recht umgesetzt werden. Darüber hinaus ist die Integration der EU-Kapitalmärkte von entscheidender Bedeutung, um Unternehmen alternative Finanzierungsquellen zur Verfügung zu stellen, die die Kreditvergabe durch die Banken ergänzen. Fortschritte bei der Kapitalmarktunion 8 können den Zugang von Unternehmen des Euroraums zu Finanzmitteln verbessern, langfristige Investitionen in grüne, neue Technologien und Infrastrukturen mobilisieren, Kapitalbeteiligungen fördern und grenzübergreifende Investitionshemmnisse beseitigen, unter anderem durch die Harmonisierung bestimmter Aspekte des materiellen Insolvenzrechts.

(12)Während sich die Beschäftigung rasch erholt, dürften einige Sektoren, bestimmte Kategorien von Arbeitnehmern und Regionen dauerhaft von der Krise und vom Vorantreiben einer umweltfreundlicheren Gestaltung der Wirtschaft betroffen sein. Die neu geschaffenen Arbeitsplätze können sich von den Arbeitsplätzen unterscheiden, die aufgrund der Krise verloren gegangen sind. Engpässe in den Lieferketten können die Erholung der Beschäftigung in bestimmten Sektoren verlangsamen. Politische Maßnahmen, die Arbeitsplatzwechsel und die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erleichtern, werden daher von entscheidender Bedeutung sein, um die Anpassung zu unterstützen und die sozialen Auswirkungen abzumildern, insbesondere vor dem Hintergrund des zweifachen Wandels. Die Kommission hat eine Empfehlung für eine wirksame aktive Beschäftigungsförderung (EASE) nach der COVID-19-Krise 9 abgegeben, in der die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, kohärente politische Maßnahmenpakete zu entwickeln, bei denen Maßnahmen zur Überwindung des Fachkräftemangels und zur Unterstützung von Einzelpersonen bei der erfolgreichen Bewältigung des ökologischen und des digitalen Wandels kombiniert werden. Diese Pakete würden aus drei Komponenten bestehen: i) zeitlich begrenzte und gut konzipierte Einstellungs- und Übergangsanreize sowie Förderung des Unternehmertums; ii) auf die Erfordernisse des Arbeitsmarktes ausgerichtete Weiterbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten; und iii) stärkere Förderung durch Arbeitsvermittlungsdienste. Unterdessen bleibt der Sozialschutz im Zuge der Gesundheits- und Wirtschaftskrise und im Hinblick auf die Gewährleistung eines gerechten ökologischen und digitalen Wandels von grundlegender Bedeutung für den Zusammenhalt des Euro-Währungsgebiets. Die europäische Säule sozialer Rechte 10 bildet nach wie vor die Richtschnur für beschäftigungs-, qualifikations- und sozialpolitische Maßnahmen zur Förderung einer wirtschaftlichen und sozialen Aufwärtskonvergenz und besserer Arbeits- und Lebensbedingungen in den Mitgliedstaaten. Im Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte, der im März 2021 angenommen wurde, sind drei Kernziele der EU festgelegt: i) Beschäftigung, ii) Erwachsenenbildung und iii) Verringerung der Armut bis 2030 11 , zu denen die nachstehend empfohlenen politischen Maßnahmen beitragen werden. Diese Ziele wurden von den EU-Staats- und Regierungschefs auf dem Sozialgipfel vom 8. Mai 2021 in Porto und auf der Tagung des Europäischen Rates vom 24./25. Juni 2021 begrüßt.

(13)Die Mitgliedstaaten haben mit finanzieller und politischer Unterstützung der Aufbau- und Resilienzfazilität ambitionierte Reform- und Investitionspläne erarbeitet. Die Verbesserung der Qualität der Institutionen, insbesondere durch die Stärkung der Verwaltungskapazitäten, wird von entscheidender Bedeutung sein, um eine rasche Inanspruchnahme der entsprechenden Mittel zu gewährleisten und gleichzeitig Überschneidungen mit anderen EU-Instrumenten zu vermeiden. Die Mitgliedstaaten können die Rahmenbedingungen für private Investitionen verbessern, indem sie das Unternehmensumfeld verbessern. Die Erhaltung und Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Lieferketten im Binnenmarkt durch die Aufdeckung und Behebung von Versorgungs- und Lieferengpässen wird neben offenen Märkten, Konvergenz der Standards, stärkere Diversifizierung, Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz von entscheidender Bedeutung sein, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten. Die Empfehlung des Rates vom 13. Juli 2021 zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets, in der gefordert wird, die Integration des Binnenmarkts für Waren und Dienstleistungen, einschließlich des digitalen Binnenmarkts, weiter voranzutreiben, indem unnötige Beschränkungen beseitigt, die Marktüberwachung verbessert und ausreichende Verwaltungskapazitäten gewährleistet werden, ist nach wie vor relevant.

(14)Dank vorangegangener Reformen hat der Bankensektor seine allgemeine Resilienz unter starkem wirtschaftlichem Druck bewiesen. Die umfangreiche politische Unterstützung auf dem Tiefpunkt der Krise und die solide Erholung im Jahr 2021 haben die befürchtete Verschlechterung der Unternehmensbilanzen bislang in Grenzen gehalten. Trotzdem könnte es bei den Banken im Euro-Währungsgebiet zu einer gewissen Verschlechterung der Aktiva-Qualität kommen. Eine zeitnahe Überwachung der Risiken, eine proaktive Zusammenarbeit mit Schuldnern und ein aktives Management notleidender Kredite sind wichtig, damit die Banken weiterhin in der Lage sind, die wirtschaftliche Erholung zu finanzieren.

(15)Die wirtschaftliche Größe und Integration des Euro-Währungsgebiets sowie die zur Bewältigung der Krise ergriffenen Maßnahmen haben sich während der gesamten COVID-19-Krise weltweit als stabilisierende Faktoren erwiesen. Angesichts der Verflechtung der Volkswirtschaften müssen die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets in den kommenden Jahren die Investitionen und Reformen durchführen, die vereinbart wurden, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen, und gleichzeitig die institutionelle Struktur des Euro-Währungsgebiets weiter vertiefen, um seine Widerstandsfähigkeit gegenüber künftigen Schocks zu erhöhen und auf internationaler Ebene stärker dazustehen. Die wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen in den fortgeschrittenen und aufstrebenden Volkswirtschaften haben über eine Reihe von Kanälen direkte Auswirkungen auf das Euro-Währungsgebiet, unter anderem durch Gesundheits- und Impfpolitik, Geldpolitik, Finanzströme, globale Wertschöpfungsketten und Handel. Die Beschränkungen in den globalen Lieferketten, die im Zuge der Erholung entstanden sind, belegen erneut die zunehmende globale wirtschaftliche Verflechtung. Unterdessen setzte der Leistungsbilanzüberschuss des Euroraums seinen allmählichen Rückgang fort und erreichte in etwa den laut den Fundamentaldaten zu erwartenden Wert. Die Stärkung der internationalen Rolle des Euro, die in den letzten Jahren – unter anderem aufgrund der Entwicklung des digitalen Euro – weitgehend stabil geblieben ist, könnte die wirtschaftliche und finanzielle Autonomie des Euro-Währungsgebiets und der Union stärken und die globale Finanzstabilität verbessern.

(16)Die Vertiefung der WWU bleibt von grundlegender Bedeutung. Die Bankenunion und die Kapitalmarktunion verstärken sich gegenseitig als Initiativen zur Wachstumsförderung, zur Wahrung der Finanzstabilität und zur Unterstützung einer echten Wirtschafts- und Währungsunion. Die Schließung der verbleibenden Lücken würde die Stabilität und Widerstandsfähigkeit des Euro-Währungsgebiets weiter erhöhen, den Volkswirtschaften im Euro-Währungsgebiet zum Aufschwung verhelfen und die internationale Rolle des Euro stärken. Die Vollendung der Bankenunion sowie die rechtzeitige Ratifizierung des Änderungsabkommens zum ESM-Vertrag und die Kapitalmarktunion sind nach wie vor von entscheidender Bedeutung. Dies wird auch den ökologischen und digitalen Wandel unterstützen, der umfangreiche Investitionen erfordert. Auf dem Euro-Gipfel vom 25. Juni 2021 wurde das Engagement für die Vollendung der Bankenunion bekräftigt und die Euro-Gruppe (im inklusiven Format) ersucht, sich unverzüglich und einvernehmlich auf einen stufenweisen und terminierten Arbeitsplan für alle noch ausstehenden Elemente zu einigen. Eine rasche Umsetzung des Aktionsplans für die Kapitalmarktunion im Einklang mit den in den Schlussfolgerungen des Rates vom 3. Dezember 2020 dargelegten Prioritäten wurde ebenfalls gefordert. Die Empfehlung des Rates vom 13. Juli 2021 zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets, in der dazu aufgerufen wird, die WWU zu vollenden und die internationale Rolle des Euro zu stärken, bleibt relevant —

EMPFIEHLT, dass die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets im Zeitraum 2022–2023 einzeln, unter anderem im Wege der Umsetzung ihrer nationalen Aufbau- und Resilienzpläne, und gemeinsam im Rahmen der Euro-Gruppe tätig werden und:

1.die nationalen Haushaltspolitiken in den Mitgliedstaaten weiterhin nutzen und koordinieren, um eine nachhaltige und inklusive Erholung wirksam zu unterstützen. Im Jahr 2022 im gesamten Euro-Währungsgebiet einen moderat unterstützenden haushaltspolitischen Kurs beibehalten, unter Berücksichtigung der nationalen Haushalte und der aus der Aufbau- und Resilienzfazilität bereitgestellten Mittel. Die finanzpolitischen Maßnahmen schrittweise auf Investitionen ausrichten, die eine nachhaltige und inklusive Erholung im Einklang mit dem ökologischen und dem digitalen Wandel fördern, wobei das besondere Augenmerk auf die Qualität der haushaltspolitischen Maßnahmen zu richten ist. Die finanzpolitischen Maßnahmen flexibel gestalten, um reagieren zu können, falls erneut pandemiebedingte Risiken auftreten. Die finanzpolitischen Maßnahmen differenzieren unter Berücksichtigung des Stands der Erholung, der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sowie der Notwendigkeit, wirtschaftliche, soziale und territoriale Unterschiede zu verringern. Sobald die wirtschaftlichen Bedingungen dies zulassen, eine Haushaltspolitik verfolgen, die darauf abzielt, mittelfristig eine vorsichtige Haushaltslage zu erreichen und die Schuldentragfähigkeit zu gewährleisten, und gleichzeitig die Investitionen erhöhen.

2.politische Maßnahmen fördern, die aggressive Steuerplanung, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung verhindern, um gerechte und effiziente Steuersysteme sicherzustellen. Sich um die Begrenzung des schädlichen Steuerwettbewerbs bemühen, unter anderem durch die Umsetzung der globalen einvernehmlichen Lösung zur Bewältigung der steuerlichen Herausforderungen, die sich aus der Digitalisierung und Globalisierung der Wirtschaft ergeben. Die Steuer- und Abgabenbelastung des Faktors Arbeit senken und eine Verlagerung von der Besteuerung des Faktors Arbeit hin zu weniger verzerrenden Steuern fördern. Von Sofortmaßnahmen zu konjunkturstützenden Maßnahmen auf den Arbeitsmärkten übergehen, indem wirksame aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ergriffen werden: i) die den Arbeitsplatzwechsel unterstützen, insbesondere den Wechsel in die ökologische und digitale Wirtschaft, ii) die Maßnahmen zur Behebung des Fachkräftemangels, zur Stärkung der Weiterqualifizierung und Umschulung und zur Schaffung gezielter Einstellungsanreize miteinander kombinieren und iii) die die Kapazitäten der öffentlichen Arbeitsverwaltungen erweitern, um Missverhältnissen zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken. Inklusive hochwertige Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung stärken. Die Integration benachteiligter Gruppen, insbesondere junger Menschen und Frauen, in den Arbeitsmarkt fördern, angemessene Arbeitsbedingungen sicherstellen und die Segmentierung des Arbeitsmarktes angehen, ggf. Sozialschutzsysteme entwickeln und anpassen, um die Herausforderungen, sie sich nach der Covid-19-Krise ergeben, zu meistern. Die wirksame Einbeziehung der Sozialpartner in die Politikgestaltung sicherstellen, den sozialen Dialog stärken und Tarifverhandlungen begünstigen. Den Austausch und die Konvergenz bewährter arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Verfahren sicherstellen, die die wirtschaftliche und soziale Resilienz erhöhen.

3.die Wirksamkeit der Maßnahmenpakete zur Unterstützung von Unternehmen überwachen, sich auf eine gezieltere Unterstützung zugunsten der Liquidität rentabler Unternehmen konzentrieren, die während der Pandemie unter Druck geraten sind, und eigenkapitalähnliche Instrumente verstärkt nutzen. Maßnahmen ergreifen, damit es mithilfe der Insolvenzrahmen besser möglich wird, wirksam und zeitnah Insolvenz und Umschuldung anzugehen, die Werterhaltung zu maximieren und eine effiziente Kapitalallokation und grenzüberschreitende Investitionen zu fördern. Fortschritte bei der Vertiefung der Kapitalmarktunion erzielen, unter anderem durch eine rasche Einigung über die Legislativvorschläge der Kommission zur Unterstützung der Finanzierung der Wirtschaft, zur Verbesserung der Investitionsmöglichkeiten für Unternehmen und Einzelpersonen und zur Beseitigung grenzübergreifender Investitionshemmnisse im Binnenmarkt.

4.die nationalen institutionellen Rahmen weiter stärken und Reformen vorantreiben, um Engpässe für Investitionen und die Umverteilung von Kapital zu beheben und die wirksame und zeitnahe Nutzung von Unionsmitteln zu gewährleisten. Den Verwaltungsaufwand für Unternehmen verringern und das Geschäftsumfeld verbessern. Die Wirksamkeit und Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung stärken. Die Verwaltung der öffentlichen Finanzen verbessern, unter anderem durch eine umweltgerechte Haushaltsplanung und wirksame Rahmenbedingungen für die Verwaltung öffentlicher Investitionen, und Ausgabenüberprüfungen nutzen, um die Zusammensetzung der öffentlichen Finanzen, insbesondere in Bezug auf die Qualität öffentlicher Investitionen sowie auf Investitionen in Menschen und Kompetenzen, zu verbessern und um die öffentlichen Ausgaben stärker auf den Aufbau- und Resilienzbedarf auszurichten.

5.die makrofinanzielle Stabilität sicherstellen und die Kreditkanäle für die Wirtschaft aufrechterhalten, weiterhin notleidende Kredite angehen, unter anderem durch Überwachung der Qualität der Aktiva, rechtzeitige und proaktive Zusammenarbeit mit notleidenden (insbesondere rentablen) Schuldnern und Weiterentwicklung der Sekundärmärkte für notleidende Kredite. Die Arbeit an der Vollendung der Bankenunion durch einen schrittweisen und zeitgebundenen Arbeitsplan und die Arbeit an der Stärkung der internationalen Rolle des Euro fortsetzen. Die Sondierungsarbeiten für die mögliche Einführung eines digitalen Euro weiter unterstützen.

Geschehen zu Brüssel am […]

   Im Namen des Rates

   Der Präsident

(1)    ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.
(2)    ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.
(3)    Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität (ABl. L 57 vom 18.2.2021, S. 17).
(4)

   Empfehlung des Rates vom 13. Juli 2021 zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets, ABl. C 283 vom 15.7.2021, S. 1.

(5)    Jahreswachstumsbericht 2022, COM(2021) 740.
(6)    Siehe den „Bericht über einen digitalen Euro“ der EZB vom Oktober 2020, abrufbar unter https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/Report_on_a_digital_euro~4d7268b458.en.pdf .
(7)    Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. L 172 vom 26.6.2019, S. 18.
(8)    Auf dem Eurogipfel am 25. Juni 2021 bekräftigten die EU-Staats- und Regierungschefs ihre politische Unterstützung für die Kapitalmarktunion und forderten eine rasche Umsetzung des Aktionsplans für die Kapitalmarktunion.
(9)    Empfehlung (EU) 2021/402 der Kommission vom 4. März 2021 zu einer wirksamen aktiven Beschäftigungsförderung (EASE) nach der Covid-19-Krise (ABl. L 80 vom 8.3.2021, S. 1.
(10)    Interinstitutionelle Proklamation zur europäischen Säule sozialer Rechte (ABl. C 428 vom 13.12.2017, S. 10).
(11)    Die EU hat die folgenden bis 2030 zu erreichenden Kernziele festgelegt: mindestens 78 % der Bevölkerung zwischen 20 und 64 Jahren sollen erwerbstätig sein, mindestens 60 % der Menschen zwischen 25 und 64 Jahren sollen jedes Jahr an einer Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen, und die Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen soll im Vergleich zu 2019 um mindestens 15 Millionen sinken.