Brüssel, den 22.9.2021

COM(2021) 580 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT EMPTY

über die Überarbeitung des EU-Aufsichtsrahmens für Versicherer und Rückversicherer vor dem Hintergrund der Erholung der EU nach der Pandemie


1.Solvabilität II und Kontext der Überarbeitung

Versicherungen sind fester Bestandteil des täglichen Lebens der europäischen Bürgerinnen und Bürger. Bei vielen sozialen und wirtschaftlichen Tätigkeiten ist der Abschluss einer Versicherung erforderlich, um vor potenziellen Risiken geschützt zu sein. Versicherungsverträge können auch in Form von Sparprodukten angeboten werden, die dann eine entscheidende Rolle bei der Sicherung des langfristigen Wohlstands von Versicherungsnehmern spielen. Die betreffenden Beiträge lenken die Versicherer über die Finanzmärkte in die Realwirtschaft. Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen sind für die Realwirtschaft auch deshalb von wesentlicher Bedeutung, da sie Risiken für Einzelpersonen und Unternehmen gegen Zahlung von Prämien absichern. Durch die Bündelung der Prämien einer Vielzahl von Kunden und die Diversifizierung über zahlreiche individuelle Risiken hinweg bieten Privatversicherungen Einzelpersonen und Unternehmen die Möglichkeit, sich zu einem erschwinglichen Preis gegen Ereignisse abzusichern, die andernfalls finanziell verheerende Auswirkungen haben könnten, und tragen auf diese Weise zur Resilienz unserer Volkswirtschaften und Gesellschaften bei.

Die Investitionskapazität der Versicherer ist auf die Realwirtschaft gerichtet und trägt zur wirtschaftlichen Erholung und langfristigen Finanzierung europäischer Unternehmen, einschließlich KMU, sowie der Infrastruktur bei, die Arbeitsplätze und Wachstum in der Union schaffen. Daten der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) zufolge haben die Versicherer in der EU im Jahr 2020 mehr als 1 Billion EUR an Prämien eingenommen, während die eingetretenen Schäden auf rund 800 Mrd. EUR beziffert wurden. 1  

Ende 2020 beliefen sich die Rückstellungen, die von den Versicherern und Rückversicherern in der EU zur Deckung der erwarteten künftigen Versicherungsansprüche gebildet worden waren, auf insgesamt mehr als 7 Billionen EUR, und der Wert der von ihnen gehaltenen Vermögenswerte überstieg 10 Billionen EUR; somit gehört der Sektor zu den größten institutionellen Anlegern. Mit einem Verhältnis von aufsichtlich vorgeschriebenem Kapital zu den Eigenkapitalanforderungen von durchschnittlich 235 % am Jahresende 2020 blieb der Sektor während der COVID-19-Pandemie gut kapitalisiert, wenngleich dieses Verhältnis 7 Prozentpunkte unter dem Ende 2019 festgestellten Wert lag.

Da Versicherern eine entscheidende Rolle zukommt, ist es sehr wichtig, dass sie finanziell widerstandsfähig sind. Die Aufsichtsvorschriften für diesen Sektor sind in der Richtlinie 2009/138/EG (Solvabilität II) 2 festgelegt, die seit dem 1. Januar 2016 gilt. Die Richtlinie „Solvabilität II“ zielt darauf auf, Versicherungsnehmer und Begünstigte zu schützen und die Finanzstabilität zu wahren.

In der Richtlinie sind mehrere Mandate für die Kommission vorgesehen, die Funktionsweise zentraler Elemente der Aufsichtsvorschriften zu überprüfen:

Die Kommission muss die Funktionsweise von Maßnahmen im Zusammenhang mit der besonderen Situation von Versicherern bewerten, die die für viele Lebensversicherungsprodukte relevanten langfristigen Garantien bieten. Mit diesen langfristigen Garantien sollen die Auswirkungen kurzfristiger Marktschwankungen auf die Solvabilitätssituation von Versicherungsunternehmen abgemildert werden. Durch stabilere Solvabilitätskoeffizienten wird verhindert, dass unverhältnismäßige Wettbewerbsnachteile für die auf langfristigen Garantien beruhenden Geschäftsmodelle entstehen, und letztlich die Finanzstabilität erhöht.

Die Kommission muss die Berechnungen der Eigenkapitalanforderungen überprüfen. Diese Berechnungen sollen auf die Risiken reagieren, denen Versicherer und Rückversicherer ausgesetzt sind, und im Rahmen der Überarbeitung soll festgestellt werden, ob diese Risikosensitivität ausreichend ist.

Das rechtliche Mandat erstreckt sich auf die Vorschriften im Zusammenhang mit der Kapitalverwaltung innerhalb von Versicherungs- und Rückversicherungsgruppen.

Die Kommission muss bewerten, ob die Versicherungsvorschriften für das Krisenmanagement und Garantiesysteme zum Schutz der Versicherten weiter angeglichen werden sollen.

Über die rechtlichen Mandate hinaus bietet die Überarbeitung Gelegenheit für umfassendere Überlegungen über die seit Inkrafttreten der Vorschriften gewonnenen Erkenntnisse.

Angesichts des signifikanten Investitionsvolumens, das von Versicherern und Rückversicherern verwaltet wird, wurde auch überprüft, ob der Sektor zu den politischen Prioritäten der EU – insbesondere zur Kapitalmarktunion 3 und zu den Klima- und Umweltzielen im Rahmen des europäischen Grünen Deals 4 – beitragen könnte.

So wird allein die Finanzierung des Übergangs im Energiesektor im Rahmen der Klimaziele der EU für 2030 zusätzliche jährliche Investitionen in Höhe von 350 Mrd. EUR erforderlich machen. Wie wichtig private Investitionen sind, ist zudem vor dem Hintergrund der nach der COVID-19-Pandemie notwendigen wirtschaftlichen Erholung noch deutlicher geworden. Die Versicherungsbranche kann mit privaten Investitionen zur Deckung dieses Finanzierungsbedarfs beitragen, sie kann aber auch eine wesentliche Rolle dabei übernehmen, Einzelpersonen und Unternehmen gegen Klimarisiken abzusichern und so unserer Gesellschaft bei der Anpassung an den Klimawandel helfen, wie in der Strategie für die Anpassung an den Klimawandel 5 erläutert.

Die Überarbeitung bot die Gelegenheit, sicherzustellen, dass der Regulierungsrahmen langfristigen Investitionen des Versicherungssektors förderlich ist.

Unter den Interessenträgern herrscht zudem Einigkeit darüber, dass der in Solvabilität II verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, d. h. die Anwendung der Vorschriften in einer Weise, die der Art, dem Umfang und der Komplexität der mit der Tätigkeit eines Versicherers verbundenen Risiken angemessen ist, verbessert werden könnte. Wenngleich die Richtlinie „Solvabilität II“ angesichts der stärkeren Ausrichtung der Aufsichtsvorschriften nach modernen Risikomanagementpraktiken allgemein als Erfolg gilt, könnte sie für einige Geschäftsmodelle zu übermäßiger Komplexität geführt haben.

Schließlich sind im Rahmen von Solvabilität II – anders als im Aufsichtsrahmen der Kreditinstitute – derzeit keine spezifischen makroprudenziellen Instrumente vorgesehen, mit denen die Entstehung systemischer Risiken explizit angegangen werden könnte, und es gibt bislang keinen speziellen gemeinsamen Rahmen für die Krisenvorsorge und -bewältigung für Versicherer, was im Interesse der Versicherungsnehmer und der breiten Öffentlichkeit wäre.

Vor diesem Hintergrund zielt die vorliegende Überarbeitung auf Folgendes ab:

·Schaffung von Anreizen für Versicherer, einen Beitrag zur langfristigen nachhaltigen Finanzierung der Wirtschaft zu leisten;

·Erhöhung der Risikosensitivität;

·Minderung der übermäßigen kurzfristigen Volatilität in Bezug auf die Solvabilitätspositionen von Versicherern;

·Gewährleistung größerer Verhältnismäßigkeit;

·Steigerung der Qualität, Kohärenz und Koordinierung der Versicherungsaufsicht in der gesamten EU und Verbesserung des Schutzes für Versicherungsnehmer und Begünstigte, auch bei Ausfall ihres Versicherers;

·besseres Vorgehen gegen die potenzielle Entstehung systemischer Risiken im Versicherungssektor;

·Verbesserung der Vorbereitung auf Extremszenarien, die eine Sanierung oder Abwicklung eines ausfallenden Versicherers oder Rückversicherers erforderlich machen können.

Für ihre Arbeiten im Rahmen der Überarbeitung konnte die Kommission sich auf Beiträge von Interessenträgern (die hauptsächlich während der öffentlichen Konsultation vorgelegt wurden) und die am 17. Dezember 2020 veröffentlichte Stellungnahme der EIOPA 6 stützen.

Was den Aspekt der Nachhaltigkeit angeht, berücksichtigte die Kommission außerdem eine gesonderte Stellungnahme der EIOPA 7 , die im September 2019 veröffentlicht wurde. Im Einklang mit dieser Stellungnahme schlägt die Kommission vor, die Anforderungen an das Risikomanagement für Versicherer und Rückversicherer zu ändern, indem diese zudem verpflichtet werden, langfristige Analysen von Klimaszenarien vorzunehmen. Zu einem späteren Zeitpunkt könnte die Kommission in Betracht ziehen, den Anwendungsbereich einer solchen Anforderung auf andere Umweltrisiken zu erweitern. Auf diese Weise wird zum Ziel des europäischen Grünen Deals, Klimarisiken zu bewältigen und in das Finanzsystem zu integrieren, sowie zu den strategischen Handlungsbereichen der strategischen Vorausschau 2021 8 beigetragen. Darüber hinaus werden weitere Arbeiten eingeleitet, um zu bewerten, ob die bestehenden Solvabilität-II-Kapitalanforderungen für grüne Vermögenswerte angemessen sind.

Nach Abschluss ihrer Überarbeitung legt die Kommission Legislativvorschläge zur Änderung der Richtlinie 2009/138/EG 9 und zur Schaffung eines EU-Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Versicherern und Rückversicherern 10 vor. Die Überarbeitung der Solvabilität-II-Richtlinie wird im nächsten Abschnitt behandelt.

2.Auswirkungen der Überarbeitung der Richtlinie „Solvabilität II“ und ihrer ergänzenden delegierten Rechtsakte

Die Überarbeitung ist auf vielfältige Ziele ausgerichtet, die erreicht werden sollen, indem das Augenmerk auf spezifische Elemente des Rechtsrahmens gelenkt wird:

Eine Erhöhung der Risikosensitivität und die Minderung übermäßiger Volatilität werden – wie auch in Abschnitt 4 erläutert – erreicht, indem Änderungen hinsichtlich der langfristigen Garantien vorgenommen werden, insbesondere durch die Extrapolation risikofreier Zinssätze und Volatilitätsanpassungen, die bei der Bewertung von Versicherungsverbindlichkeiten verwendet werden.

Eine verhältnismäßigere Ausgestaltung der Aufsichtsvorschriften lässt sich erreichen, wenn mehr kleine Versicherer von den Solvabilität-II-Vorschriften ausgenommen werden und ein geeigneterer Rahmen für Versicherer mit niedrigem Risikoprofil geschaffen wird.

Eine Verfeinerung der Transparenzvorschriften wird ermöglicht, indem die Offenlegungspflichten für Versicherer besser an die von den Empfängern benötigten Informationen angepasst werden, wobei zwischen den Informationen für Versicherungsnehmer und Analysten unterschieden wird.

Eine bessere Qualität der Beaufsichtigung und einheitlichere Wettbewerbsbedingungen werden durch mehrere Änderungen erreicht, insbesondere in den Bereichen der laufenden Einhaltung der Aufsichtsvorschriften, des grenzüberschreitenden Versicherungsgeschäfts und der Versicherungsgruppen.

Durch die Einführung neuer Anforderungen für die langfristige Analyse von Klimaszenarien wird sichergestellt, dass Klima- und Systemrisiken besser bewältigt und überwacht werden.

Da Solvabilität II und die zugehörige Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 eng miteinander verbunden sind, werden Änderungen beider Rechtsakte erforderlich sein, um alle Ziele der Überarbeitung zu erreichen.

Mit der Richtlinie „Solvabilität II“ wird der Kommission die Befugnis übertragen, bestimmte Vorschriften im Wege delegierter Rechtsakte zu erlassen. Damit die Kommission ihre Ziele im Rahmen dieser Überarbeitung besser erreichen kann, schlägt sie Anpassungen dieser Befugnisse in einer Reihe von Bereichen vor. In diesem Zusammenhang muss die Kommission den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens abwarten, bevor sie die erforderlichen Änderungen an der Delegierten Verordnung vornehmen kann. 11 Um zu gewährleisten, dass die Überarbeitung des Solvabilität-II-Rahmens kohärent umgesetzt wird und angesichts der engen Wechselbeziehungen, die zwischen verschiedenen Aspekten bestehen, wird die Kommission daher zu diesem Zeitpunkt keine Änderungen an der Delegierten Verordnung vornehmen.

Angesichts der Bedeutung der Aspekte, die Änderungen der Delegierten Verordnung erfordern werden, ist die Kommission entschlossen, mit den Mitgliedstaaten, dem Europäischen Parlament und anderen Interessenträgern zusammenzuarbeiten, um unverzüglich Gespräche über den möglichen Inhalt solcher Änderungen aufzunehmen. Diese Gespräche werden parallel zum Legislativverfahren zur Änderung der Richtlinie „Solvabilität II“ stattfinden. Die Kommission wird Sitzungen der Expertengruppe für Banken und Zahlungsverkehr, Versicherungswesen und Abwicklung einberufen.

3.Sanierung und Abwicklung

Mit dem Vorschlag zur Sanierung und Abwicklung soll sichergestellt werden, dass (Rück-)Versicherer und einschlägige Behörden besser darauf vorbereitet sind, Situationen zu bewältigen, in denen es im Sektor zu erheblichen finanziellen Notlagen kommt, damit deren Folgen abgemildert werden. Zudem werden den nationalen Behörden die notwendigen Instrumente an die Hand gegeben, um dazu beizutragen, den Versicherungsschutz für Versicherungsnehmer aufrechtzuerhalten und die Realwirtschaft, die Finanzstabilität und die Steuerzahler durch einen geordneten Abwicklungsprozess für ausgefallene Versicherer zu schützen.

Wenngleich mit Solvabilität II ein robuster Aufsichtsrahmen geschaffen wurde, kann nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass es zu finanziellen Notlagen kommt. Der ungeordnete Ausfall von (Rück-)Versicherern kann erhebliche Auswirkungen auf Versicherungsnehmer, Begünstigte, Geschädigte oder betroffene Unternehmen haben, insbesondere dann, wenn kritische Versicherungsdienste nicht in einem angemessenen Zeitraum und zu vertretbaren Kosten ersetzt werden können. Die Verwaltung eines Beinahe-Ausfalls oder des Ausfalls bestimmter (Rück-)Versicherer, insbesondere großer grenzüberschreitender Gruppen, oder der gleichzeitige Ausfall mehrerer (Rück-)Versicherer kann außerdem finanzielle Instabilität nach sich ziehen oder diese verstärken.

Der Vorschlag wurde in voller Übereinstimmung mit dem Solvabilität-II-Rahmen ausgearbeitet und ist den Besonderheiten des (Rück-)Versicherungsgeschäfts angemessen. Er wird den überarbeiteten Solvabilität-II-Rahmen ergänzen und das Vertrauen in die EU-Versicherungsbranche stärken, damit diese uneingeschränkt ihre Rolle bei der wirtschaftlichen Erholung nach der COVID-19-Krise im Einklang mit den politischen Zielen der Kapitalmarktunion und des europäischen Grünen Deals wahrnehmen kann.

4.Anstehende delegierte Rechtsakte

Künftige Änderungen der Delegierten Verordnung werden erheblich dazu beitragen, die Ziele der Solvabilität-II-Überarbeitung zu erreichen. In Bezug auf die nicht in diesem Abschnitt behandelten Aspekte der Überarbeitung beabsichtigt die Kommission, die Delegierte Verordnung weitgehend im Einklang mit der Stellungnahme der EIOPA zu ändern.

Beteiligungsinvestitionen

Im neuen Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion vom 24. September 2020 12 wird die Absicht bekundet, im Rahmen der Überarbeitung von Solvabilität II für eine verbesserte langfristige Finanzierung der Wirtschaft zu sorgen.

Wie im Aktionsplan angekündigt, beabsichtigt die Kommission insbesondere, die Angemessenheit der Solvabilität-II-Vorschriften in Bezug auf die Kriterien für langfristige Beteiligungen, die Berechnung der Risikomarge und die Bewertung der Verbindlichkeiten von Versicherern zu bewerten, mit dem Ziel, sowohl unerwünschtes prozyklisches Verhalten zu vermeiden als auch der Langfristigkeit des Versicherungsgeschäfts besser Rechnung zu tragen. 13

Die Kommission wird erwägen, die durch die Delegierte Verordnung (EU) 2019/931 14 (mit der die ursprüngliche delegierte Verordnung zu Solvabilität II geändert wurde) eingeführten Kriterien für die Anrechnungsfähigkeit langfristiger Aktieninvestitionen zu überarbeiten.

Insbesondere wird sie ins Auge fassen, die Bedingungen zu vereinfachen, unter denen Aktieninvestitionen, auch über Infrastrukturfonds, als „langfristig“ behandelt werden. Dadurch würde der Kreis der Aktien erweitert, die dem günstigeren Risikofaktor von 22 % (anstelle des entsprechenden Faktors von 39 % für notierte Aktien und 49 % für nicht notierte Aktien) unterliegen können.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es schwierig, das Volumen der Aktieninvestitionen zu ermitteln, für die auf der Grundlage überarbeiteter Kriterien die Vorzugsbehandlung für langfristige Investitionen in Anspruch genommen werden könnte. Unter Zugrundlegung eines vorsichtigen Szenarios, bei dem davon ausgegangen wird, dass lediglich 15 % der zusätzlichen Aktien als langfristig gelten, würden die Kapitalanforderungen für das Aktienrisiko um etwa 10,5 Mrd. EUR sinken (ein Rückgang um mehr als 6 % gegenüber dem derzeitigen Niveau für Versicherer, die die Standardformel verwenden). Diese Mittel können weiter in die Wirtschaft investiert werden.

Eine Erleichterung des Zugangs zur Vorzugsbehandlung für langfristige Aktieninvestitionen vor dem Hintergrund der Überarbeitung der Kriterien für die Anrechnungsfähigkeit langfristiger Beteiligungen würde somit den Versicherern helfen, einen größeren Beitrag zur wirtschaftlichen Erholung und zur langfristigen Finanzierung europäischer Unternehmen, einschließlich KMU, und der Infrastruktur zu leisten.

Zugleich ist die Kommission der Auffassung, dass der Rahmen für langfristige Aktieninvestitionen aufsichtlich robust bleiben sollte, damit durch die Überarbeitung weder der Schutz der Versicherungsnehmer noch die Finanzstabilität gefährdet werden; dies steht im Einklang mit dem neuen Aktionsplan für eine Kapitalmarktunion.

Risikomarge

Die Risikomarge ist Teil des Werts von Versicherungsverbindlichkeiten. Sie soll sicherstellen, dass die Verbindlichkeiten mit dem Betrag bewertet werden, zu dem sie einer anderen Partei im Rahmen eines fremdvergleichskonformen Geschäfts akzeptiert würden. Aus der Formel für die Berechnung der Risikomarge ergeben sich für das langfristige Versicherungsgeschäft tendenziell volatilere und höhere Werte als im Rahmen eines fremdvergleichskonformen Geschäfts erwartet wird. Die EIOPA hat vorgeschlagen, die Formel für die Risikomarge durch zwei zusätzliche Parameter zu ergänzen. Zum einen hat die EIOPA einen zeitabhängigen „Lambda-Parameter“ geprüft, der für sich genommen den Wert und die Volatilität der Risikomarge für das langfristige Geschäft verringern würde. Eine solche Verringerung wäre insbesondere für das längerfristige Geschäft signifikant. Zum anderen hat die EIOPA einen Parameter vorgesehen, der eine Absicherung bieten und sicherstellen würde, dass die Risikomarge nicht unter eine bestimmte Mindestschwelle im Vergleich zur aktuellen Berechnung fällt, insbesondere in Bezug auf die Risikomarge für besonders langfristige Geschäfte.

Die Kommission wird eine Weiterentwicklung des von der EIOPA vorgeschlagenen Lambda-Ansatzes prüfen, jedoch ohne Parameter für eine Mindestschwelle, um eine wirksamere Verringerung der Volatilität zu ermöglichen als im Vorschlag der EIOPA vorgesehen.

Ferner wird sie erwägen, den bei der Berechnung der Risikomarge zugrunde gelegten Kapitalkosten-Satz von 6 % auf 5 % herabzusetzen, was im Einklang mit den gesunkenen Kapitalkosten für Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen in den vergangenen Jahren steht.

Insgesamt würden diese geplanten Änderungen das Volumen der Risikomarge in der gesamten Branche in der EU um mehr als 50 Mrd. EUR verringern und die Kapazitäten der Versicherungsbranche für Investitionen in EU-Unternehmen steigern.

Volatilitätsanpassung 

Viele Versicherer sind willens, einen beträchtlichen Teil ihrer Vermögenswerte über einen langen Zeitraum zu halten. Kurzfristigen Wertschwankungen bei solchen Vermögenswerten wird allerdings Rechnung getragen, wenn ihre Solvabilität berechnet wird. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Versicherungsunternehmen diese Vermögenswerte möglicherweise über einen langen Zeitraum halten kann und aus diesem Grund in der Zwischenzeit möglicherweise keine Verluste realisiert. Ziel der Volatilitätsanpassung ist es, kurzfristige Volatilität bei der Solvabilität von Versicherungsunternehmen durch Berücksichtigung der langfristigen Aussichten des Unternehmens zu mindern. Auf diese Weise werden die Auswirkungen kurzfristiger Veränderungen bei den Kredit-Spreads auf die Bewertung der Versicherungsverbindlichkeiten verringert, sodass die Kapitalressourcen geringerer Volatilität ausgesetzt sind.

Mit der vorgeschlagenen Richtlinie soll der Prozentsatz des risikobereinigten Kredit-Spreads, der die Basis für die Volatilitätsanpassung bildet, angehoben werden. Mit der höheren Volatilitätsanpassung, die sich aus dieser vorgeschlagenen Änderung ergibt, können Vermögenswertpreisschwankungen bei der Bewertung von Versicherungsverbindlichkeiten wirkungsvoller ausgeglichen werden.

Zugleich hat die Erfahrung auch gezeigt, dass die Auswirkungen von Volatilitätsanpassungen auf den Wert der Verbindlichkeiten die Schwankung der Vermögenswertpreise übertreffen können. Geht die Volatilitätsanpassung über die Preisbewegung hinaus, verringert dies die versicherungstechnischen Rückstellungen der Versicherer künstlich, weswegen die vorgeschlagene Richtlinie einen Schutzmechanismus vorsieht, mit dem diesem Problem entgegengewirkt werden soll.

Der Schutzmechanismus besteht aus einer unternehmensspezifischen Komponente in der Volatilitätsanpassung, die durch delegierte Rechtsakte präzisiert werden sollte. Zur Berechnung dieser Komponente wird die Kommission der Empfehlung der EIOPA Rechnung tragen und die Delegierte Verordnung möglicherweise ändern, um Überschreitungen, die auf Unterschiede bei der Kredit-Spread-Empfindlichkeit von Vermögenswerten und der Zinsempfindlichkeit von Verbindlichkeiten zurückzuführen sind, anzugehen.

Matching-Anpassung

Die Kommission zieht ferner in Betracht, die Delegierte Verordnung entsprechend der Empfehlung der EIOPA zu den Vorschriften über Diversifizierungsvorteile und die für die Matching-Anpassung anrechnungsfähigen Vermögenswerte zu ändern.

Unabhängig davon, ob Versicherungsunternehmen Anleihen oder andere Vermögenswerte mit ähnlichen Eigenschaften bis zu ihrer Fälligkeit halten, werden Veränderungen bei den Spreads dieser Vermögenswerte nicht als Verluste realisiert. Mit der Matching-Anpassung soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Versicherungsunternehmen Vermögenswerte leichter bis zu ihrer Fälligkeit halten können, wenn sie Portfolios von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten mit kongruenten Zahlungsströmen ermitteln („Matching-Adjustment-Portfolio“) und diese getrennt von ihrem sonstigen Geschäft verwalten. Genauer gesagt gleicht die Matching-Anpassung Wertänderungen bei Vermögenswerten im Matching-Adjustment-Portfolio, die mit Veränderungen beim Spread zusammenhängen, durch Wertänderungen bei den Verbindlichkeiten in diesen Portfolios zum Teil wieder aus. Zu diesem Zweck können Versicherungsunternehmen die Genehmigung erhalten, für die Bewertung von Versicherungsverbindlichkeiten in einem Matching-Adjustment-Portfolio eine Matching-Anpassung an der maßgeblichen risikofreien Zinskurve vorzunehmen.

Angesichts der geringen Wahrscheinlichkeit, dass alle Versicherungsfälle gleichzeitig eintreten und die in einigen Bereichen erzielten Gewinne die Verluste in anderen Bereichen möglicherweise wieder ausgleichen, sind die Kapitalanforderungen bei Solvabilität II in der Regel mit Vorteilen verbunden, wenn zwischen verschiedenen Arten von Risiken diversifiziert wird. Da ein Matching-Adjustment-Portfolio getrennt vom restlichen Geschäft verwaltet wird, dürfen nach den derzeitigen Bestimmungen bei der Berechnung der Eigenkapitalanforderungen nach der Standardformel Diversifizierungsvorteile zwischen beiden nicht erfasst werden. Allerdings vertrat die EIOPA die Auffassung, dass die getrennte Verwaltung einer Diversifizierung in der Praxis nicht per se im Wege steht, und dass das allgemeine Verbot der Berücksichtigung von Diversifizierungsvorteilen bei der Berechnung nach der Standardformel möglicherweise zu unnötig hohen Eigenkapitalanforderungen bei Unternehmen geführt hat, die die Matching-Anpassung anwenden. Die Kommission wird deshalb der Empfehlung der EIOPA entsprechend eine Aufhebung dieses generellen Verbots bei Matching-Adjustment-Portfolios in Betracht ziehen. Die sich daraus ergebenden zusätzlichen Diversifizierungsvorteile für Unternehmen, die die Matching-Anpassung verwenden und die Eigenkapitalanforderungen nach der Standardformel berechnen, würden deren Eigenkapitalanforderungen verringern.

Darüber hinaus könnten Schutzmechanismen eingeführt werden, um eine übermäßige Entlastung durch die Matching-Anpassung zu vermeiden, wenn das entsprechende Portfolio umstrukturierte Vermögensgegenstände enthält, die von der Wertentwicklung der Basiswerte abhängen.

Diversifizierungsvorteile 

Eine weitere Möglichkeit, die Bereitstellung langfristiger Finanzierungen durch Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen zu fördern, besteht darin, die Vorteile einer Diversifizierung zwischen verschiedenen Marktrisiko-Kategorien über Korrelationsparameter besser zu erfassen. Die Kommission wird in Betracht ziehen, die Delegierte Verordnung entsprechend der Empfehlung der EIOPA für die Festlegung des Korrelationsparameters zwischen Spread- und Zinsrisiko zu ändern. Dies wird ein höheres Maß an Sicherheit gewährleisten als die aktuellen Vorschriften, bei denen der Korrelationsparameter davon abhängt, ob das Unternehmen mit steigenden oder sinkenden Zinsen konfrontiert ist. Darüber hinaus wird die Änderung im Schnitt größere Vorteile für die Diversifizierung zwischen diesen beiden Risiken bewirken.

Extrapolation

Zinssätze sind ein wichtiger Faktor für die Beträge, die Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen für künftige Versicherungsansprüche und -leistungen zurücklegen müssen. Die Steuerung der Zinssätze ist für das Versicherungs-/Rückversicherungsgeschäft somit von elementarer Bedeutung, und Aufsichtsvorschriften sollten in dieser Hinsicht die angemessenen Anreize bieten.

Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen haben Verpflichtungen, die sehr weit in die Zukunft reichen und dann Versicherungsansprüche oder -leistungen nach sich ziehen können. Dieser langfristige Aspekt des Versicherungsgeschäfts macht das Extrapolieren von Zinssätzen notwendig, da diese an den Finanzmärkten nur bis zu bestimmten Fälligkeiten beobachtbar sind.

Da die Versicherer ihre Verbindlichkeiten zumeist mit Anleihen, Darlehen oder festverzinslichen Anlagen decken, ist es sinnvoll, die Tiefe der Anleihemärkte als Ausgangspunkt für die Extrapolation zu bestimmen. Allerdings könnten sich langfristige Zinssätze auch bei anderen Finanzinstrumenten als Anleihen beobachten lassen. Um ein angemessenes Maß an Schutz für die Versicherungsnehmer zu gewährleisten, sieht der Richtlinienvorschlag Änderungen an den Grundsätzen für die Extrapolation der risikofreien Zinssätze vor. Mit der vorgeschlagenen Richtlinie würde der Kommission die Befugnis übertragen, die Formel für die Extrapolation so festzulegen, dass die Extrapolationsmethode Informationen über längerfristige Zinssätze – soweit vorhanden – einbezieht, um Tatenlosigkeit zu vermeiden und für angemessene Anreize zu sorgen.

Zu diesem Zweck denkt die Kommission darüber nach, die von der EIOPA vorgeschlagene Formel und Parametrisierung zugrundezulegen.

Da sich die neue Extrapolationsmethode an mehreren Märkten signifikant auf das Kapital der Versicherer auswirken wird, sieht der Richtlinienvorschlag eine schrittweise Einführung bis Ende 2031 vor, was mit der Dauer der derzeitigen Übergangsbestimmungen der Richtlinie „Solvabilität II“ in Einklang steht. Mit der schrittweisen Einführung werden Störungen vermieden, da die Auswirkungen der neuen Extrapolationsmethode nur allmählich zum Tragen kommen.

Berechnung der Eigenkapitalanforderung für das Zinsrisiko 

Jüngere Analysen haben gezeigt, dass Solvabilität II die mit Zinsschwankungen verbundenen Risiken nicht angemessen widerspiegelt, wenn die Zinsen niedrig oder gar negativ sind.

Damit den Erfahrungen, die in den vergangenen Jahren im anhaltenden Niedrigzinsumfeld gesammelt wurden, Rechnung getragen werden kann, sollte die anhand der Standardformel berechnete Eigenkapitalanforderung für das Zinsrisiko deshalb geändert werden.

Darüber hinaus sollte die Berechnung nach der Standardformel insbesondere im Hinblick auf die Extrapolation auch mit der Methode vereinbar sein, nach der die risikofreien Zinssätze für die Bewertung von Verbindlichkeiten bestimmt werden.

Aus diesem Grund wird die Kommission es in Betracht ziehen, die Empfehlung der EIOPA zur Berechnung der Kapitalanforderung für das Zinsrisiko anhand der Standardformel bis auf eine Abweichung für die Extrapolation langfristiger Zinssätze zu übernehmen.

Zu diesem Zweck werden für Laufzeiten bis zum Startpunkt der Basis-Extrapolation für jede Währung die risikofreien Zinssätze unter Stressbedingungen nach der von der EIOPA in ihrer Stellungnahme vorgeschlagenen Vorgehensweise und Parametrisierung 15 abgeleitet. Die verbleibenden Sätze könnten auf gleiche Weise extrapoliert werden wie die risikofreien Sätze bei der Basis-Extrapolation, allerdings in Richtung eines langfristigen Terminzinssatzes, des „Ultimate Forward Rate“ unter Stressbedingungen 16 .

Ähnlich wie bei den Änderungen an den Extrapolationsregeln wird die Kommission auch bei den Änderungen an der Standardformel-Berechnung des Zinsrisikos eine schrittweise Einführung über fünf Jahre in Betracht ziehen, beginnend mit der Annahme der von der EIOPA in ihrer Stellungnahme vorgeschlagenen Änderungen.

Weitergehende Anerkennung von Risikominderungstechniken bei der Standardformel

Der Stellungnahme der EIOPA entsprechend wird die Kommission eine Ausweitung der Anerkennung innovativer Formen der nicht-proportionalen Teilung von Verlusten zwischen Versicherern und ihren Rückversicherern bei der Standardformel in Betracht ziehen. In diesem Zusammenhang würde die Einführung spezieller Schutzmechanismen helfen, mögliche Fälle von Risikounterschätzung auszuschließen.

Auswirkungen beihilferechtlich kompatibler Garantien oder Rückversicherungen

Die Kommission wird ebenfalls in Erwägung ziehen, im Zusammenhang mit dem Versicherungs- und dem Marktrisiko Klarheit im Hinblick auf die Anerkennung des risikomindernden Effekts von Garantien oder Rückversicherungen zu schaffen, die Mitgliedstaaten im Einklang mit den EU-Beihilfevorschriften bereitstellen.

So haben mehrere Mitgliedstaaten beispielsweise während der COVID-19-Krise solche Regelungen bereitgestellt 17 , um zu gewährleisten, dass Kreditversicherer in dieser Zeit trotz der außergewöhnlichen wirtschaftlichen Umstände auch weiterhin Unternehmen absichern konnten.

Hypothekarkredite

Um jedes Risiko von Regulierungsarbitrage zwischen den verschiedenen Bereichen auszuschließen, sind auch weitere Arbeiten zur Bewertung des Risikos bei Hypothekarkrediten von Versicherern erforderlich. In diesem Zusammenhang wird die Kommission eine Änderung der delegierten Rechtsakte in Betracht ziehen, um die Kalibrierung bei der Berechnung des Gegenparteiausfallrisikos bei Hypothekarkrediten nach der Standardformel stärker nach dem Kreditrisikorahmen für den Bankensektor auszurichten.

5.Aktuelle Arbeiten über die Überarbeitung von Solvabilität II hinaus

Neben den in den vorangegangenen Abschnitten beschriebenen Arbeiten hat sich die Kommission auch mit der Frage befasst, ob eine Angleichung der Bestimmungen über Sicherungssysteme für Versicherungen sinnvoll wäre, und beobachtet die Kommission, welche Rolle Versicherungen bei Betriebsunterbrechungen in Pandemiezeiten spielen. Diese Arbeiten wird sie mit Blick auf mögliche künftige Initiativen fortsetzen.

5.1. Sicherungssysteme für Versicherungen

Sicherungssysteme für Versicherungen (IGS) ziehen von der Versicherungswirtschaft Beiträge ein, die dazu verwendet werden, Versicherungsnehmer, Begünstigte und geschädigte Dritte in letzter Instanz zu entschädigen, wenn der Versicherer bei Ausfall seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen kann.

Für solche Systeme gibt es in der EU keinen harmonisierten Rahmen 18 . Die meisten Mitgliedstaaten haben – häufig als Reaktion auf vorherige Ausfälle von Versicherungsunternehmen – ein oder mehrere Systeme geschaffen, die sich allerding in ihrem Umfang, ihren Merkmalen und ihrer Ausgestaltung unterscheiden. In ihrer Stellungnahme zur Überarbeitung von Solvabilität II im Jahr 2020 empfahl die EIOPA, die nationalen Sicherungssysteme auf EU-Ebene ausgehend von einer Reihe von Mindestgrundsätzen stärker aneinander anzugleichen.

Die Schaffung kohärenter Sicherheitsnetze, die in letzter Instanz für Entschädigung sorgen, könnte das Vertrauen in den Versicherungsbinnenmarkt stärken.

Für die Versicherer könnte die Einführung eines gemeinsamen Mindestrahmens für solche Systeme in Europa jedoch erhebliche Kosten mit sich bringen, insbesondere in Mitgliedstaaten, die derzeit über kein entsprechendes System verfügen oder in denen bestehende Systeme an den neuen Rechtsrahmen angepasst werden müssten.

Die Kommission hat all diese Auswirkungen bei ihrer Überarbeitung von Solvabilität II 19 bewertet und ist zu dem Schluss gelangt, dass angesichts der durch die COVID-19-Pandemie verursachten wirtschaftlichen Unsicherheiten sowie der Notwendigkeit, sich auf die wirtschaftliche Erholung zu konzentrieren, Maßnahmen zur Annäherung der Vorschriften für Sicherungssysteme zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht angezeigt sind.

Da eine solche Maßnahme für die Versicherungsnehmer EU-weit aber mit einem erheblich besseren Schutz einherginge, ist die Kommission entschlossen, die Angemessenheit und den Zeitrahmen einer solchen Annäherung künftig erneut zu prüfen.

5.2. Die Rolle von Versicherungen in Pandemiezeiten und vor dem Hintergrund sonstiger Ereignisse, die wirtschaftliche Störungen in großem Umfang nach sich ziehen

Die COVID-19-Pandemie hat einige Fragen im Zusammenhang damit aufgeworfen, welche Rolle Versicherer und Rückversicherer beim Schutz vor den Folgen systemweiter Ereignisse spielen können, die eine Störung der Wirtschaftsabläufe bewirken, und zwar insbesondere dann, wenn Regierungen beschließen, das öffentliche Leben und private Wirtschaftstätigkeiten lahmzulegen.

Diese Erfahrungen sollten es ermöglichen, Lehren zu ziehen und Wege zu finden, wie die Gesellschaft künftig besser auf derartige Störungen großen Maßstabs vorbereitet werden kann.

Die Pandemie hat gezeigt, dass insbesondere in Bezug auf Betriebsunterbrechungen und Reiseversicherungen klarere und einfachere Informationen über die Bedingungen des Versicherungsschutzes und die Garantien für Verbraucher erforderlich sind, und dass kontinuierlich sichergestellt werden muss, dass die Versicherungsprodukte auch weiterhin den Bedürfnissen der Verbraucher entsprechen. Aus diesem Grund will die Kommission eng mit der EIOPA zusammenarbeiten, um die Aufsicht über Versicherungsprodukte zu intensivieren und die Bedürfnisse und Erwartungen der Verbraucher im Post-Pandemie-Kontext zu analysieren.

Längerfristig wird die Kommission u. a. über das Instrument der Vorausschau über mögliche Wege nachdenken, wie sowohl unsere Vorsorge mit Blick auf Pandemien und ähnliche Ereignisse als auch unsere diesbezügliche Resilienz erhöht werden kann. Um zu sondieren, mit welchen Mechanismen und Anreizen das Bewusstsein und der Versicherungsschutz für pandemiebezogene Risiken in Versicherungsverträgen, einschließlich des Risikos von „Betriebsunterbrechungen ohne sonstige Schäden“ gestärkt werden kann, und um die Resilienz der Wirtschaft gegenüber verschiedenen Ereignissen großen Maßstabs zu erhöhen, führt sie Diskussionen mit allen Interessenträgern.

Es handelt sich um eine komplexe Debatte, bei der die Versicherungsfähigkeit verschiedener Arten von Systemrisiken beurteilt werden muss. Um die Resilienz gegenüber künftigen, noch nicht absehbaren Ereignissen zu erhöhen, muss die Kommission auch verschiedenen Herausforderungen Rechnung tragen und in diesem Kontext u. a. die Verfügbarkeit finanzieller Mittel nach der Pandemie und im allgemeinen Kontext der Erholungsphase bewerten.

Hierzu muss auch beurteilt werden, inwieweit die Versicherungsbranche in der Lage ist, den Versicherungsschutz für pandemiebedingte Risiken zu verbessern, und muss – auch über das Instrument der Vorausschau – der Bedarf der Unternehmen (verschiedener Größe) an Versicherungsprodukten im Post-Pandemie-Umfeld zuverlässig festgestellt werden.

Die EIOPA hat in diesem Bereich relevantes Fachwissen gesammelt und bereits damit begonnen, Optionen und Maßnahmen hinsichtlich der Versicherungsfähigkeit pandemiebedingter Verluste auszuloten, wozu auch Mechanismen für die Prävention von Pandemierisiken und Formen des Versicherungsschutzes gegen pandemiebedingte Betriebsunterbrechungen zählen.

Bei einigen Punkten des vorstehenden Versicherungsschutzes gegen pandemiebedingte Betriebsunterbrechungen wird die Kommission auch weiterhin eng mit der EIOPA und allen einschlägigen Interessenträgern zusammenarbeiten.

Abgesehen von den während der COVID-19-Pandemie gesammelten Erfahrungen haben die Überschwemmungen und Brände, die Europa in den Sommermonaten 2021 heimgesucht haben, einmal mehr die zunehmenden Folgen der Klimakrise gezeigt und unterstrichen, wie wichtig es ist, das Bewusstsein für die Vorteile eines Versicherungsschutzes gegen Klimarisiken zu stärken. Während die Versicherer beträchtliche Entschädigungen gezahlt haben, lag der Gesamtschaden für die Immobilienbesitzer weitaus höher und waren viele Objekte überhaupt nicht gegen die erlittenen Schäden versichert.

Der Versicherungsschutz gegen Klimarisiken ist von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich, und die durchschnittliche Entschädigung für Verluste aus Klimarisiken lag in einigen Teilen Europas bei 5 % oder weniger. Angesichts zusätzlicher Risiken wie schwerem saisonalen Wassermangel kann dieses Problem durch den Klimawandel noch verschärft werden.

Um all diese Probleme zu analysieren und die Bemühungen um Verringerung der Lücke hinsichtlich der Absicherung gegen klimawandelbedingte Risiken zu intensivieren, wird die Kommission bis 2022 einen Dialog zum Thema Klimaresilienz ins Leben rufen, der Versicherer, Rückversicherer, öffentliche Stellen und andere relevante Interessenträger zusammenbringen soll.

6.Schlussfolgerungen

Abschließend ist festzustellen, dass der Versicherungs- und Rückversicherungsbranche bei der Erreichung mehrerer prioritärer Ziele der EU eine zentrale Rolle zukommt. Die Überarbeitung von Solvabilität II ist in dieser Hinsicht von elementarer Bedeutung, da sie den Sektor resilienter und effizienter macht und seine Anlagekapazitäten steigert.

Die Kommission ruft das Europäische Parlament und den Rat deshalb auf, zügig mit den interinstitutionellen Verhandlungen über die Änderung der Richtlinie 2009/138/EG und die Schaffung eines Abwicklungsrahmens für Versicherungsunternehmen voranzukommen.

(1)

Die Zahlen für Prämien und Schadensregulierungen werden ohne Abzug der Rückversicherung und aggregiert für das Direktversicherungsgeschäft in der EU-27 dargestellt.

(2)

Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (ABl. L 335 vom 17.12.2009, S. 1).

(3)

Mitteilung der Kommission: Eine Kapitalmarktunion für Menschen und Unternehmen – neuer Aktionsplan (COM(2020) 590).

(4)

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: „Der europäische Grüne Deal“ (COM(2019) 640).

(5)

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Ein klimaresilientes Europa aufbauen – Die neue EU-Strategie für die Anpassung an den Klimawandel (COM(2021) 82).

(6)

EIOPA: „Opinion on the 2020 review of Solvency II“, Dezember 2020 (EIOPA-BoS-20/749).

(7)

EIOPA: „Opinion on Sustainability within Solvency II“, September 2019 (EIOPA-BoS-19/241).

(8)

COM(2021) 750, siehe strategischer Handlungsbereich 6 (Aufbau krisenfester und zukunftssicherer Wirtschafts- und Finanzsysteme).

(9)

COM(2021) 581.

(10)

COM(2021) 582.

(11)

Beispiele für in Abschnitt 4 aufgeführte Bereiche, in denen Änderungen der Richtlinie „Solvabilität II“ und der Delegierten Verordnung koordiniert werden müssen: Volatilitätsanpassung, Matching-Anpassung und Extrapolation.

(12)

Mitteilung der Kommission: Eine Kapitalmarktunion für Menschen und Unternehmen – neuer Aktionsplan (COM(2020) 590).

(13)

Die im neuen Plan für die Kapitalmarktunion dargelegten Ziele für die Solvabilität-II-Überarbeitung werden im Rahmen der beiden in Abschnitt 2 dieser Mitteilung genannten Ziele „Schaffung von Anreizen für Versicherer, einen Beitrag zur langfristigen nachhaltigen Finanzierung der Wirtschaft zu leisten“ und „Minderung der übermäßigen kurzfristigen Volatilität der Solvabilitätspositionen der Versicherer“ berücksichtigt.

(14)

Delegierte Verordnung (EU) 2019/981 der Kommission vom 8. März 2019 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (ABl. L 161 vom 18.6.2019, S. 1).

(15)

Die EIOPA empfahl in ihrer Stellungnahme an die Kommission, die Kalibrierung des Zinsrisikos bei der Standardformel zu überarbeiten, und schlug eine neue Methodik („Relative Shift Approach“) vor, um Zinsschocks in einem Niedrigzinsumfeld besser modellieren zu können.

(16)

Dem einjährigen Zeithorizont für die Berechnung der Solvenzkapitalanforderung und der Methodik für Bestimmung und Aktualisierung der „Ultimate Forward Rate“ entsprechend wird die Kommission in Betracht ziehen, für die „Ultimate Forward Rate“ solche Stressbedingungen zugrundezulegen, dass sie beim „Stress“-Szenario 15 Basispunkte unter oder – je nach Fall – über der „normalen“ Ultimate Forward Rate liegt.

(17)

Belgien (Beihilfe SA.57188, geändert durch SA.58045, SA.59113 und SA.60548), Dänemark (SA.57112, geändert durch SA.59637), Frankreich (SA.56903, geändert durch SA.59571 und SA.63316; und SA.57607), Deutschland (SA.56941, geändert durch SA.60071), Italien (SA.57937, geändert durch SA.59681), Litauen (SA.58540), Luxemburg (SA.57708, geändert durch SA.59682), Niederlande (SA.57095, geändert durch SA.60287), Polen (SA.59800), Portugal (SA.58082), Rumänien (SA.58531), Spanien (SA.58458, geändert durch SA.63690). Sämtliche Maßnahmen zielten darauf ab, die Versorgung mit Kreditversicherungen in der COVID-19-Krise aufrechtzuerhalten.

(18)

Im Juni 2021 einigten sich die gesetzgebenden Organe auf eine Änderung der Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie (2009/103/EG), die die Mitgliedstaaten zur Benennung einer Verwaltungsstelle verpflichtet, die für die Entschädigung von Unfallopfern aufkommt, wenn deren Versicherer Insolvenz angemeldet hat. Dieser Legislativtext ist von der beschlossenen Verschiebung der Arbeiten zu Sicherungssystemen für Versicherungen nicht betroffen.

(19)

SWD(2021) 260.