Brüssel, den 2.6.2021

COM(2021) 512 final

Empfehlung für eine

EMPFEHLUNG DES RATES

mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Italiens 2021

{SWD(2021) 501 final}


Empfehlung für eine

EMPFEHLUNG DES RATES

mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Italiens 2021

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken 1 , insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

nach Anhörung des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)Am 20. März 2020 nahm die Kommission eine Mitteilung über die Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel 2 des Stabilitäts- und Wachstumspakts 3 an. In dieser Mitteilung legte sie dar, dass die Bedingungen für die Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel angesichts des durch den COVID-19-Ausbruch zu erwartenden schweren Konjunkturabschwungs aus ihrer Sicht erfüllt seien. Dieser Einschätzung schlossen sich die Finanzministerinnen und minister der Mitgliedstaaten am 23. März 2020 an. Durch die Aktivierung dieser Klausel wurde den Mitgliedstaaten mehr Haushaltsflexibilität bei der Krisenbewältigung eingeräumt und die Koordinierung der Haushaltspolitik in Zeiten eines schweren Konjunkturabschwungs erleichtert. Die Aktivierung der Klausel ermöglicht eine vorübergehende Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel, sofern die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen dadurch nicht gefährdet wird. Am 17. September 2020 kündigte die Kommission in ihrer Jährlichen Strategie für nachhaltiges Wachstum 4 an, dass die allgemeine Ausweichklausel im Jahr 2021 weiterhin Anwendung finden würde.

(2)Am 20. Juli 2020 empfahl der Rat Italien 5 , im Einklang mit der allgemeinen Ausweichklausel alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die COVID-19-Pandemie wirksam zu bekämpfen, die Wirtschaft zu stützen und die darauf folgende Erholung zu fördern. Ferner empfahl er Italien, sobald die wirtschaftlichen Bedingungen dies zulassen, eine Haushaltspolitik zu verfolgen, die darauf abzielt, mittelfristig eine vorsichtige Haushaltslage zu erreichen und die Schuldentragfähigkeit zu gewährleisten, und gleichzeitig die Investitionen zu erhöhen.

(3)Nach der Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets sollten die haushaltspolitischen Maßnahmen in allen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets während des gesamten Jahres 2021 weiterhin einen stützenden Charakter aufweisen und die politischen Maßnahmen auf die länderspezifischen Gegebenheiten zugeschnitten werden sowie zeitnah, befristet und zielgerichtet sein. 6 Sobald es die Pandemie- und die Wirtschaftslage zulassen, sollten die Sofortmaßnahmen schrittweise beendet und gleichzeitig die Auswirkungen der Krise auf die Gesellschaft und auf den Arbeitsmarkt bekämpft werden. Ferner sollte eine Haushaltspolitik verfolgt werden, die auf die mittelfristige Erreichung einer vorsichtigen Haushaltslage und die Gewährleistung der Schuldentragfähigkeit ausgerichtet ist und gleichzeitig die Investitionen erhöht. Die Mitgliedstaaten sollten Reformen verfolgen, durch die der Leistungsumfang, die Angemessenheit und die Nachhaltigkeit der Gesundheits- und Sozialschutzsysteme für alle verbessert werden.  

(4)Am 18. November 2020 nahm die Kommission Stellungnahmen zu den Übersichten über die Haushaltsplanung 2021 der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets an, die auf einer qualitativen Bewertung der haushaltspolitischen Maßnahmen beruhten. Darin vertrat sie die Auffassung, dass die Übersicht über die Haushaltsplanung Italiens den haushaltspolitischen Empfehlungen des Rates vom 20. Juli 2020 weitgehend Rechnung trug und dass die meisten der in dieser Übersicht enthaltenen Maßnahmen vor dem Hintergrund beträchtlicher Unsicherheit eine konjunkturstützende Wirkung haben würden. Einige der Maßnahmen schienen jedoch weder befristet zu sein noch durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert zu werden.

(5)Das Aufbauinstrument NextGenerationEU, einschließlich der Aufbau- und Resilienzfazilität, wird eine nachhaltige, inklusive und faire Erholung gewährleisten. Am 19. Februar 2021 trat die Verordnung (EU) 2021/241 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität 7 in Kraft. Im Rahmen dieser Fazilität wird finanzielle Unterstützung für die Durchführung von Reformen und Investitionen bereitgestellt und so für einen – durch die EU finanzierten – fiskalischen Impuls gesorgt. Ferner wird die Fazilität zur wirtschaftlichen Erholung, zur Durchführung nachhaltiger und wachstumsfördernder Reformen und Investitionen, insbesondere zur Förderung des ökologischen und des digitalen Wandels, beitragen und die Widerstandsfähigkeit und das Potenzialwachstum der Volkswirtschaften stärken. Dies wiederum wird auf kurze Sicht die Erholung der öffentlichen Finanzlage erleichtern und mittel- und langfristig zur Stärkung ihrer Tragfähigkeit sowie zum Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen.

(6)Am 3. März 2021 nahm die Kommission eine Mitteilung 8 mit weiteren politischen Leitlinien an, die die haushaltspolitische Koordinierung und die Ausarbeitung der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme der Mitgliedstaaten erleichtern sollen. Der fiskalische Gesamtkurs, der sich aus den nationalen Haushalten und der Aufbau- und Resilienzfazilität ergibt, sollte in den Jahren 2021 und 2022 stützend bleiben. Gleichzeitig sollten die haushaltspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten angesichts der für die zweite Jahreshälfte 2021 erwarteten allmählichen Normalisierung der Wirtschaftstätigkeit im Jahr 2022 differenzierter gestaltet werden und dem Stand der Erholung, der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sowie der Notwendigkeit, wirtschaftliche, soziale und territoriale Unterschiede zu verringern, Rechnung tragen. Da in der EU eine nachhaltige Erholung gefördert werden muss, sollten Mitgliedstaaten mit geringen Tragfähigkeitsrisiken 2022 weiterhin einen stützenden haushaltspolitischen Kurs anstreben, wobei den Auswirkungen der Aufbau- und Resilienzfazilität Rechnung zu tragen ist. Mitgliedstaaten mit hohen Schuldenständen sollten eine vorsichtige Haushaltspolitik verfolgen, gleichzeitig aber an national finanzierten Investitionen festhalten und Zuschüsse aus der Aufbau- und Resilienzfazilität nutzen, um zusätzliche hochwertige Investitionsvorhaben und Strukturreformen zu finanzieren. Für die Zeit nach 2022 sollte bei den haushaltspolitischen Kursen weiter berücksichtigt werden, wie kräftig die Erholung ausfällt, wie sich die wirtschaftliche Unsicherheit entwickelt und wie tragfähig die öffentlichen Finanzen sind. Eine Neuausrichtung der Haushaltspolitik, mit der – unter anderem durch die Beendigung von Unterstützungsmaßnahmen zu gegebener Zeit – eine vorsichtige mittelfristige Haushaltsposition erreicht werden soll, wird dazu beitragen, mittelfristig die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu gewährleisten.

(7)In ihrer Mitteilung vom 3. März 2021 legte die Kommission zudem ihre Auffassung dar, dass der Beschluss über die Deaktivierung oder weitere Anwendung der allgemeinen Ausweichklausel auf einer Gesamtbewertung der Wirtschaftslage beruhen solle, wobei das Niveau der Wirtschaftstätigkeit in der EU oder im Euro-Währungsgebiet im Vergleich zum Vorkrisenniveau (Ende 2019) als zentrales quantitatives Kriterium zu betrachten sei. Auf der Grundlage ihrer Frühjahrsprognose 2021 gelangte die Kommission am 2. Juni zu der Einschätzung, dass die Voraussetzungen für die weitere Anwendung der allgemeinen Ausweichklausel im Jahr 2022 und ihre Deaktivierung im Jahr 2023 erfüllt seien. Länderspezifische Gegebenheiten werden auch nach der Deaktivierung der Klausel weiterhin berücksichtigt werden. 9

(8)Am 30. April 2021 legte Italien im Einklang mit Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 sein Stabilitätsprogramm 2021 vor.

(9)Gemäß von Eurostat validierten Daten belief sich das gesamtstaatliche Defizit Italiens im Jahr 2020 auf 9,5 % des BIP, während der gesamtstaatliche Schuldenstand in dem Jahr auf 155,8 % des BIP anstieg. Die jährliche Veränderung des Primärsaldos betrug 8,0 % des BIP, wobei diskretionäre haushaltspolitische Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft sowie die Wirkung automatischer Stabilisatoren berücksichtigt wurden. Außerdem stellte Italien Liquiditätshilfen für Unternehmen und Haushalte (etwa in Form von Garantien und Steuerstundungen, die keine unmittelbaren und sofortigen Auswirkungen auf den Haushalt haben) im Umfang von schätzungsweise 24,8 % des BIP bereit.

Am 2. Juni 2021 veröffentlichte die Kommission einen Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV. In diesem Bericht wird die Haushaltslage Italiens erörtert, da sein gesamtstaatliches Defizit im Jahr 2020 den im Vertrag festgelegten Referenzwert von 3 % des BIP überstieg, während sein gesamtstaatlicher Schuldenstand über dem vertraglichen Referenzwert von 60 % des BIP lag und nicht rasch genug zurückging. Laut Schlussfolgerung dieses Berichts wurde weder das Defizitkriterium noch das Schuldenstandskriterium erfüllt.

(10)Den Haushaltsprojektionen der Regierung für 2021 und 2022 liegt ein realistisches makroökonomisches Szenario zugrunde. Nach dem Stabilitätsprogramm 2021 dürfte das reale BIP-Wachstum 2021 bei 4,5 % und 2022 bei 4,8 % liegen. Im Vergleich dazu wird in der Frühjahrsprognose 2021 der Kommission von einem moderateren Rückgang des realen BIP-Wachstums von 4,2 % im Jahr 2021 und 4,4 % im Jahr 2022 ausgegangen, was hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, dass auf der Grundlage der aktuelleren Daten, die im nationalen Aufbau- und Resilienzplan aufgeführt sind, mit einer geringeren Inanspruchnahme von Zuschüssen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität in den Jahren 2021 und 2022 gerechnet wird.

(11)In ihrem Stabilitätsprogramm 2021 plant die Regierung einen Anstieg des gesamtstaatlichen Defizits von 9,5 % des BIP im Jahr 2020 auf 11,8 % des BIP im Jahr 2021, während sich der öffentliche Schuldenstand 2021 auf 159,8 % des BIP erhöhen soll. Dem Programm zufolge dürfte die Veränderung des Primärsaldos 2021 im Vergleich zum Vorkrisenniveau (2019) 10,4 % des BIP betragen, was auf die diskretionären haushaltspolitischen Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft sowie auf die Wirkung automatischer Stabilisatoren zurückzuführen ist. Diese Projektionen stehen im Einklang mit der Frühjahrsprognose 2021 der Kommission.

(12)Als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen Konjunkturabschwung hat Italien haushaltspolitische Maßnahmen verabschiedet, um die Kapazität seines Gesundheitssystems zu stärken, die Pandemie einzudämmen und besonders betroffene Menschen und Wirtschaftszweige zu unterstützen. Durch diese kraftvolle politische Reaktion konnte der BIP-Rückgang abgefedert werden, was wiederum dafür sorgte, dass sich der Anstieg des gesamtstaatlichen Defizits und des öffentlichen Schuldenstands in Grenzen hielt. Die Erholung sollte durch haushaltspolitische Maßnahmen maximal unterstützt werden, ohne künftige Fiskalpfade vorwegzunehmen. Die Maßnahmen sollten die öffentlichen Finanzen also nicht dauerhaft belasten. Bei der Einführung dauerhafter Maßnahmen sollten die Mitgliedstaaten deren angemessene Finanzierung sicherstellen, um mittelfristig Haushaltsneutralität zu gewährleisten. Die von Italien in den Jahren 2020 und 2021 ergriffenen Maßnahmen stehen mit der Empfehlung des Rates vom 20. Juli 2020 in Einklang. Einige der von der Regierung in den Jahren 2020 und 2021 verabschiedeten diskretionären Maßnahmen scheinen weder befristet zu sein noch durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert zu werden. Im Jahr 2023, das nicht mehr in den Zeitraum der Kommissionsprognose fällt, dürften sich die Auswirkungen dieser unbefristeten Maßnahmen nach vorläufigen Schätzungen noch auf rund 1 % des BIP belaufen, wobei es sich vor allem um eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge in ärmeren Regionen, die Ausweitung der Steuergutschriften für Arbeitseinkommen und die Einführung eines Familienbonus handelt. Diese unbefristeten Maßnahmen beinhalten auch Investitionen in Höhe von annähernd ⅓ % des BIP, die dem mittelfristigen Potenzialwachstum und somit der Nachhaltigkeit förderlich sein dürften.

(13)Im Stabilitätsprogramm 2021 wird davon ausgegangen, dass sich die durch Zuschüsse aus der Aufbau- und Resilienzfazilität finanzierten Investitionen und Reformen 2021 auf 0,6 %, 2022 auf 0,9 %, 2023 auf 1,4 %, 2024 auf 0,5 % und 2025 auf 0,2 % des BIP belaufen werden. Ferner wird im Programm davon ausgegangen, dass sich die durch Darlehen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität finanzierten Investitionen und Reformen 2020 auf 0,3 %, 2021 auf 0,8 %, 2022 auf 0,9 %, 2023 auf 0,7 %, 2024 auf 1,3 %, 2025 auf 1,2 % und 2026 auf 1,0 % des BIP belaufen werden. In Übereinstimmung mit den aktuelleren Daten im nationalen Aufbau- und Resilienzplan, der nach dem Stabilitätsprogramm fertiggestellt wurde, werden diese Zuschüsse in den Haushaltsprojektionen der Kommission im Rahmen ihrer Frühjahrsprognose nicht in vollem Umfang berücksichtigt. Stattdessen wird in der Prognose der Kommission davon ausgegangen, dass sich die durch Zuschüsse aus der Aufbau- und Resilienzfazilität finanzierten Investitionen und Reformen 2021 auf 0,3 % und 2022 auf 0,7 % des BIP belaufen werden.

(14)Die in der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 festgelegten Indikatoren für die Haushaltsanpassung müssen vor dem Hintergrund der derzeitigen Lage betrachtet werden. Erstens sind die Produktionslückenschätzungen mit erheblicher Unsicherheit behaftet. Zweitens bedarf es einer Haushaltspolitik, die rasche Anpassungen an die Pandemieentwicklung ermöglicht und von Sofortmaßnahmen zu gezielteren Maßnahmen übergeht, sobald die Gesundheitsrisiken nachlassen. Drittens ist die gegenwärtige Lage durch eine signifikante Politikreaktion zur Stützung der Wirtschaft gekennzeichnet. Angesichts umfangreicher Transfers aus dem EU-Haushalt (wie jener aus der Aufbau- und Resilienzfazilität) wird der Impuls, der von haushaltspolitischen Maßnahmen auf die Wirtschaft ausgeht, durch die festgelegten Indikatoren nicht in vollem Umfang erfasst. Vor diesem Hintergrund scheint der strukturelle Saldo unter den derzeitigen Umständen kein angemessener Indikator zu sein. Der Ausgabenrichtwert hingegen muss angepasst 10 und um zusätzliche Informationen ergänzt werden, damit der haushaltspolitische Kurs umfassend beurteilt werden kann.

Erstens wurden – ähnlich wie bei der Bewertung der Übersichten über die Haushaltsplanung 2021 – befristete Sofortmaßnahmen bei der Berechnung der Gesamtausgaben unberücksichtigt gelassen. Im Rahmen solcher krisenbedingten befristeten Sofortmaßnahmen werden beispielsweise die Gesundheitssysteme unterstützt und Arbeitnehmer und Unternehmen für Einkommenseinbußen infolge von Ausgangsbeschränkungen und Störungen der Lieferkette entschädigt; diese Maßnahmen werden von den zuständigen Behörden beendigt, wenn sich die Lage im Bereich der öffentlichen Gesundheit und die Wirtschaftslage wieder normalisieren.

Zweitens sollten die umfangreichen Transfers aus dem EU-Haushalt (wie jene aus der Aufbau- und Resilienzfazilität) bei der Berechnung der entsprechenden Gesamtausgaben berücksichtigt werden, damit der fiskalische Gesamtkurs in der gegenwärtigen Situation beurteilt werden kann.

Der fiskalische Kurs wird dann an der Veränderung der Primärausgaben (ohne diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen und krisenbedingte befristete Sofortmaßnahmen), einschließlich der durch Zuschüsse aus der Aufbau- und Resilienzfazilität und aus anderen EU-Fonds finanzierten Ausgaben, gemessen.

Neben dem fiskalischen Gesamtkurs soll im Rahmen der Analyse auch bewertet werden, ob die nationalen Haushaltspolitiken vorsichtig sind und ihre Zusammensetzung eine nachhaltige Erholung begünstigt, die im Einklang mit dem ökologischen und digitalen Wandel steht. Ein Hauptaugenmerk liegt daher auf der Entwicklung der national finanzierten laufenden Primärausgaben und Investitionen.

(15)In seinem Stabilitätsprogramm 2021 projiziert Italien für 2022 einen Rückgang des gesamtstaatlichen Defizits auf 5,9 % des BIP, was in erster Linie auf die Beendigung der in den Jahren 2020 und 2021 eingeführten befristeten Stützungsmaßnahmen sowie auf die geringere Wirkung automatischer Stabilisatoren zurückzuführen ist. Die gesamtstaatliche Schuldenquote soll 2022 auf 156,3 % des BIP sinken. Diese Projektionen stehen im Einklang mit der Frühjahrsprognose 2021 der Kommission.

Ausgehend von der Prognose der Kommission wird der fiskalische Gesamtkurs nach obiger Definition – bei dem auch berücksichtigt wird, wie sich aus dem nationalen und dem EU-Haushalt, insbesondere aus der Aufbau- und Resilienzfazilität, finanzierte Investitionen auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage im Jahr 2022 auswirken – auf -2,2 % des BIP geschätzt. 11 Der positive Beitrag der durch Zuschüsse aus der Aufbau- und Resilienzfazilität und andere EU-Mittel finanzierten Ausgaben wird sich voraussichtlich um 0,4 BIP-Prozentpunkte erhöhen. Bei national finanzierten Investitionen wird von einem expansiven Beitrag von 0,3 BIP-Prozentpunkten ausgegangen. 12 Bei den national finanzierten laufenden Primärausgaben (ohne diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen) wird ein expansiver Beitrag von 1,3 BIP-Prozentpunkten erwartet.

(16)Der Qualität der haushaltspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten kommt besondere Bedeutung zu. Haushaltspolitische Strukturreformen, die auf eine bessere Zusammensetzung der nationalen Haushalte abzielen, können das Potenzialwachstum fördern, den dringend benötigten haushaltspolitischen Spielraum schaffen und dazu beitragen, die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sicherzustellen, auch im Hinblick auf die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel und im Gesundheitsbereich. Auf der Einnahmenseite haben infolge der COVID-19-Krise Reformen, mit denen effizientere und gerechtere Systeme für öffentliche Einnahmen angestrebt werden, weiter an Bedeutung gewonnen. Auf der Ausgabenseite ist es umso wichtiger geworden, den Umfang und die Qualität nachhaltiger und wachstumsfördernder Investitionen, die auf die Stärkung des Wachstumspotenzials und der wirtschaftlichen und sozialen Resilienz sowie auf den ökologischen und digitalen Wandel ausgerichtet sind, zu erhöhen. Die Aufbau- und Resilienzpläne werden es ermöglichen, die Zusammensetzung der nationalen Haushalte zu verbessern.

(17)Gemäß den im Programm dargelegten mittelfristigen Haushaltsplänen soll das gesamtstaatliche Defizit von 4,3 % des BIP im Jahr 2023 auf 3,4 % im Jahr 2024 zurückgehen. Während der Programmlaufzeit soll das gesamtstaatliche Defizit daher nicht wieder unter 3 % des BIP sinken.

Ausgehend von dem Programm wird der fiskalische Gesamtkurs – bei dem auch berücksichtigt wird, wie sich aus dem nationalen und dem EU-Haushalt, insbesondere aus der Aufbau- und Resilienzfazilität, finanzierte Investitionen auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage auswirken – für die Jahre 2023 und 2024 auf durchschnittlich 0,4 % des BIP geschätzt. 13 Der positive Beitrag der durch Zuschüsse aus der Aufbau- und Resilienzfazilität und andere EU-Mittel finanzierten Ausgaben wird voraussichtlich um 0,4 BIP-Prozentpunkte sinken. Bei national finanzierten Investitionen wird von einem expansiven Beitrag von 0,2 BIP-Prozentpunkten ausgegangen. 14 Der Beitrag der national finanzierten laufenden Primärausgaben (ohne diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen) dürfte neutral ausfallen.

Der 10-Jahres-Durchschnitt des nominalen Potenzialwachstums wird aktuell auf 2 % geschätzt. 15 Diese Schätzung lässt jedoch die Auswirkungen der im Aufbau- und Resilienzplan vorgesehenen Reformen unberücksichtigt, die dem Potenzialwachstum Italiens einen Schub verleihen könnten.

(18)Für die gesamtstaatliche Schuldenquote ist ein Rückgang von 155 % des BIP 2023 auf 152,7 % des BIP 2024 geplant. Angesichts der hohen Schuldenquote, die den Projektionen zufolge im Laufe der Zeit nur allmählich sinken wird, wird davon ausgegangen, dass in Italien – wie auch aus der jüngsten Schuldentragfähigkeitsanalyse 16 hervorgeht – mittelfristig hohe Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen bestehen.

(19)In Anbetracht der nach wie vor außerordentlich hohen Unsicherheit sollten die haushaltspolitischen Leitlinien weiterhin vornehmlich qualitativer Natur sein. Detailliertere quantitative Leitlinien für die Folgejahre sollten 2022 bereitgestellt werden, sofern der Grad an Unsicherheit bis dahin hinreichend zurückgegangen ist.

Der Rat hat das Stabilitätsprogramm 2021 und die Maßnahmen Italiens zur Umsetzung der Empfehlung des Rates vom 20. Juli 2020 bewertet —

EMPFIEHLT ITALIEN,

1.im Jahr 2022 die Aufbau- und Resilienzfazilität zu nutzen, um zusätzliche Investitionen zur Unterstützung der Erholung zu finanzieren, und gleichzeitig eine vorsichtige Haushaltspolitik zu verfolgen; die national finanzierten Investitionen aufrechtzuerhalten; das Wachstum der national finanzierten laufenden Ausgaben zu begrenzen;

2.sobald die wirtschaftlichen Bedingungen dies zulassen, eine Haushaltspolitik zu verfolgen, die darauf abzielt, mittelfristig eine vorsichtige Haushaltslage zu erreichen und die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu gewährleisten; gleichzeitig die Investitionen zu erhöhen, um das Wachstumspotenzial zu steigern;

3.besonderes Augenmerk auf die Zusammensetzung der öffentlichen Finanzen – sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite des Haushalts – sowie auf die Qualität der haushaltspolitischen Maßnahmen zu richten, um eine nachhaltige und inklusive Erholung zu gewährleisten; nachhaltigen und wachstumsfördernden Investitionen, insbesondere zur Unterstützung des ökologischen und des digitalen Wandels, Vorrang einzuräumen; haushaltspolitischen Strukturreformen Vorrang einzuräumen, die dazu beitragen werden, die politischen Prioritäten zu finanzieren und die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu stärken, unter anderem durch die Verbesserung des Leistungsumfangs, der Angemessenheit und der Nachhaltigkeit der Gesundheits- und Sozialschutzsysteme für alle.

Geschehen zu Brüssel am […]

   Im Namen des Rates

   Der Präsident

(1)

   ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)

   Die in Artikel 5 Absatz 1, Artikel 6 Absatz 3, Artikel 9 Absatz 1 und Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 sowie in Artikel 3 Absatz 5 und Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 vorgesehene Klausel erleichtert die Koordinierung der Haushaltspolitik in Zeiten eines schweren Konjunkturabschwungs.

(3)

   Mitteilung der Kommission an den Rat über die Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts (COM(2020) 123 final vom 20.3.2020).

(4)

   Mitteilung der Kommission – Jährliche Strategie für nachhaltiges Wachstum 2021 (COM(2020) 575 final vom 17.9.2020).

(5)

   Empfehlung des Rates vom 20. Juli 2020 zum nationalen Reformprogramm Italiens 2020 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Italiens 2020 (ABl. C 282 vom 26.8.2020, S. 74).

(6)    Vorbehaltlich der endgültige Annahme durch den Rat nach Billigung durch den Europäischen Rat. Der von der Euro-Gruppe am 16. Dezember 2020 vereinbarte Wortlaut ist abrufbar unter: https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-14356-2020-INIT/de/pdf  
(7)

    ABl. L 57 vom 18.2.2021, S. 17.

(8)

   Mitteilung der Kommission an den Rat — Ein Jahr nach dem Ausbruch von COVID-19 – die fiskalpolitische Reaktion (COM(2021) 105 final vom 3.3.2021).

(9)

   Mitteilung der Kommission – Wirtschaftspolitische Koordinierung im Jahr 2021: Überwindung von COVID-19, Unterstützung der Erholung und Modernisierung unserer Wirtschaft (COM(2021) 500 final vom 2.6.2021).

(10)    Insbesondere die im Ausgabenrichtwert angelegte 4-jährige Glättung der Investitionsausgaben macht eine ordnungsgemäße Bewertung der fiskalischen Unterstützung der Erholung durch national finanzierte Investitionen unmöglich.
(11)    Ein negatives Vorzeichen des Indikators bedeutet, dass das Wachstum der Primärausgaben das mittelfristige Wirtschaftswachstum übersteigt, was auf eine expansive Haushaltspolitik hinweist.
(12)    Die sonstigen national finanzierten Investitionsausgaben werden den Projektionen zufolge einen expansiven Beitrag von 0,2 BIP-Prozentpunkten leisten.
(13)    Die in diesem Absatz angegebenen Schätzungen basieren auf den detaillierten Haushaltsprojektionen, die Italien im Rahmen des Stabilitätsprogramms 2021 übermittelt hat. Mit Ausnahme der Gesamtzahlen zum gesamtstaatlichen Defizit und Schuldenstand fand das für Mai 2021 angekündigte Fiskalpaket in den Projektionen Italiens keine Berücksichtigung. Dieses Paket vom 20. Mai 2021 umfasste zusätzliche Soforthilfen für 2021 sowie weitere Mittel für national finanzierte Investitionsvorhaben in den kommenden Jahren.
(14)    Die sonstigen national finanzierten Investitionsausgaben dürften einen kontraktiven Beitrag von 0,2 BIP-Prozentpunkten leisten.
(15)    Schätzung der Kommission nach der gemeinsam vereinbarten Methode.
(16)    Siehe Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen – Statistischer Anhang mit für die Bewertung der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme 2021 relevanten Hintergrunddaten.