Brüssel, den 12.4.2021

COM(2021) 172 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

zur Frage, ob Geschäfte, die unmittelbar auf Dienste zur Verringerung von Nachhandelsrisiken zurückgehen, von der in der EMIR festgelegten Clearingpflicht für OTC-Derivate ausgenommen werden sollten


BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

zur Frage, ob Geschäfte, die unmittelbar auf Dienste zur Verringerung von Nachhandelsrisiken zurückgehen, von der in der EMIR festgelegten Clearingpflicht für OTC-Derivate ausgenommen werden sollten

1.Einleitung

Nach Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister 1 (im Folgenden „EMIR“), geändert durch die Verordnung (EU) 2019/834 2 (im Folgenden „EMIR REFIT“), muss die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht darüber vorlegen, ob Geschäfte, die unmittelbar auf Dienste zur Verringerung von Nachhandelsrisiken (im Folgenden „PTRR-Dienste“) zurückgehen, darunter die Portfoliokomprimierung, von der in Artikel 4 Absatz 1 EMIR festgelegten Clearingpflicht ausgenommen werden sollten. In dem Bericht sollte untersucht werden, inwieweit diese Dienste Risiken, vor allem das Gegenparteiausfallrisiko und das operationelle Risiko, mindern, welche Möglichkeiten bestehen, die Clearingpflicht zu umgehen, und welche Umstände von einem zentralen Clearing abhalten könnten.

Im vorliegenden Bericht werden Beiträge aus einem Bericht der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), Antworten von Interessenträgern auf die öffentliche Konsultation der ESMA und Diskussionen mit Interessenträgern berücksichtigt. Der Bericht der ESMA wurde am 10. November 2020 angenommen; 3 er wurde in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) 4 erstellt und trägt den Ergebnissen einer öffentlichen Konsultation 5 Rechnung.

2.Was sind Dienste zur Verringerung von Nachhandelsrisiken?

Es existiert keine harmonisierte oder allgemein anerkannte Definition von PTRR-Diensten. Dennoch gibt es einige gemeinsame Merkmale, die eine nicht erschöpfende Beschreibung von PTRR-Diensten wie folgt erlauben: als Verfahren oder Mechanismen, mit denen Gegenparteien eine oder mehrere Arten von Risiken eines Portfolios verringern, ihre Marktrisiken neutral halten und einen PTRR-Dienstleister als Dritten einschalten.

Der einzige im europäischen Recht definierte PTRR-Dienst ist die Portfoliokomprimierung; sie wird als ein „Dienst zur Risikoverringerung, bei dem zwei oder mehr Gegenparteien einige oder alle in die Portfoliokomprimierung einzubeziehenden Derivatepositionen ganz oder teilweise beenden und diese durch andere Derivatepositionen ersetzen, deren Gesamtnennwert geringer ist als der der beendeten Derivatepositionen 6 .

Die ESMA konzentrierte sich auf zwei PTRR-Dienste: Portfoliokomprimierung und Portfolioanpassung. In ihrem Bericht hat die ESMA deren wichtigste Merkmale zusammengefasst (siehe nachstehende Tabelle).

Portfoliokomprimierung

Portfolioanpassung

Vorrangiger Zweck

Grundsätzlich Verringerung des ausstehenden Nominalbetrags und der Anzahl der Transaktionen und damit des operationellen Risikos.

Verringerung des Gegenparteiausfallrisikos.

Mechanismus

Vollständige oder teilweise Beendigung von Geschäften und (letztlich) Ersetzung der beendeten Derivatepositionen durch neue Geschäfte, häufig mit reduziertem Nominalwert.

Zuführung neuer Geschäfte, um das Risiko des Portfolios zu mindern. Es werden keine Geschäfte beendet und ersetzt, und der Nominalwert wird eher erhöht als verringert.

Zugrunde liegendes Portfolio

Gecleartes oder nicht gecleartes Portfolio.

Nicht geclearte oder gemischte Portfolios.

Marktneutralität

Transaktionen, die unter Anwendung symmetrischer Toleranzen für alle Teilnehmer erfolgen.

Die Marktneutralität wird durch Kauf- und Verkaufsrisikopositionen in gleicher Höhe gewährleistet.

Auf der Grundlage des Berichts der ESMA an die Europäische Kommission über Dienste zur Verringerung von Nachhandelsrisiken in Bezug auf die Clearingpflicht (Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe a EMIR) vom 10. November 2020, ESMA70-156-3351, ESMA70-156-3351 Final Report PTRR Services - Article 85(3a) of EMIR (europa.eu) , S. 14.

Dies wirft mehrere Fragen auf. Erstens sind die Beschreibungen der Portfoliokomprimierung und der Portfolioanpassung im Bericht der ESMA weitgefasst und deskriptiv. Etwaige Ausnahmen müssten jedoch sorgfältig ausgestaltet werden. Ferner ist unklar, in welchem Verhältnis diese Beschreibungen zur Definition der Portfoliokomprimierung im Besitzstand stehen. Zweitens entwickeln sich die PTRR-Dienste stets weiter, auch wenn sie bereits seit einigen Jahren bestehen. Darüber hinaus werden diese Dienste nicht isoliert verwendet, sondern können miteinander kombiniert werden, was auch tatsächlich häufig geschieht. Es scheint beispielsweise gängige Praxis zu sein, Portfolios von OTC-Derivaten nach einer Portfolioanpassung zu komprimieren und somit beide Dienste in Kombination zu verwenden. Dadurch können sich die Auswirkungen ändern, einschließlich der in diesem Bericht untersuchten. Je größer die bei der Portfoliokomprimierung angewandten Risikotoleranzen sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein typischerweise risikoneutraler Vorgang die Merkmale verändert und ähnliche Effekte wie eine Portfolioanpassung haben könnte.

3.ESMA-Bericht

Der Bericht der ESMA konzentriert sich auf die Portfoliokomprimierung und die Portfoliooptimierung bzw. die Portfolioanpassung. Es wird darin der Schluss gezogen, dass Portfoliokomprimierung und Portfoliooptimierung/Portfolioanpassung nützliche Instrumente für das Risikomanagement sowohl bei geclearten als auch bei nicht geclearten Portfolios sind.

Der ESMA zufolge kann aufgrund der aktuellen Zahlen zur Komprimierung nicht beurteilt werden, inwieweit die Clearingpflicht die PTRR-Dienste behindert hat, da diese im Einklang mit den bestehenden regulatorischen Anforderungen durchgeführt werden. Die ESMA ist der Auffassung, dass dies bedeutet, dass komplexere Geschäfte für die Komprimierung und Anpassung genutzt werden, um die Clearingpflicht zu umgehen.

Die ESMA kommt ferner zu dem Schluss, dass eine Ausnahme bestimmter Transaktionen, die aus Portfoliokomprimierungen und ‑anpassungen resultieren, zu einer stärkeren Verwendung dieser PTRR-Dienste und zur Risikominderung beitragen würde. Die ESMA ist der Auffassung, dass durch eine solche Ausnahme die Komprimierung von Altgeschäften erleichtert werden könnte; des Weiteren ließe sich dadurch die Teilnahme von Gegenparteien an PTRR-Diensten steigern, die derzeit wenig Interesse daran zeigen, und es wäre möglich, die Komplexität des Marktes zu verringern, indem einfachere Geschäfte für die Portfolioanpassung eingesetzt werden.

Da keine überzeugenden Belege oder Gründe für das Gegenteil vorliegen, ist die ESMA der Auffassung, dass die positiven Auswirkungen unter anderem die höhere operative Belastung der Marktteilnehmer und der Regulierungsbehörden und die Zunahme des Bruttorisikos in den nicht geclearten Netting-Sätzen (bei Portfolioanpassungen) aufwiegen. Die ESMA stellt ferner fest, dass die bloße Ausnahme von PTRR-Transaktionen von der Clearingpflicht, wenn diese sich auf nicht geclearte Portfolios von Transaktionen beziehen, den Umfang der durch die zentrale Gegenpartei (CCP) geclearten Transaktionen nicht verringern würde, da es diese Transaktionen andernfalls nicht gäbe. Laut der ESMA wird das Risiko in Portfolios derzeit durch die Verwendung von Instrumenten kompensiert, die nicht der Clearingpflicht unterliegen. Durch eine Ausnahme von der Clearingpflicht wäre es daher nach Ansicht der ESMA möglich, das Risiko durch standardisierte Kontrakte zu kompensieren, die andernfalls unter die Clearingpflicht fielen und die weniger riskant sind als die derzeit eingesetzten Instrumente. Dies würde wiederum das Risiko von komprimierten oder angepassten nicht geclearten Portfolios verringern.

Um eine missbräuchliche Verwendung einer solchen Ausnahme von der Clearingpflicht zu verhindern, schlägt die ESMA eine Reihe von Anforderungen für die Erbringung von PTRR-Diensten 7 sowie bestimmte Bedingungen für die Gewährung solcher Ausnahmen vor, wobei zwischen Bedingungen für die Portfoliokomprimierung einerseits 8 und die Portfolioanpassung andererseits 9 zu unterscheiden ist. Die vorgeschlagene Ausnahme ist daher enger gefasst für Portfoliokomprimierungen, bei denen die Ausnahme von der Clearingpflicht nur für PTRR-Geschäfte gelten sollte, die unmittelbar aus der Komprimierung nicht geclearter Transaktionen resultieren (in erster Linie Alttransaktionen, d. h. Geschäfte, die gegenwärtig noch nicht gecleart werden, aber technisch der Clearingpflicht unterliegen würden, und Anpassungstransaktionen). Im Falle der Portfolioanpassung wäre der Geltungsbereich der Ausnahme umfassender, da die ESMA vorschlägt, Transaktionen, die aus der Anpassung nicht geclearter Portfolios hervorgehen, sowie Transaktionen, die aus gemischten Portfolios resultieren, welche sich aus zentral geclearten und nicht geclearten Geschäften zusammensetzen, auszunehmen. Diese breitere Anwendung der Ausnahme würde ein portfolioübergreifendes Risikomanagement ermöglichen, was sich auf bereits zentral geclearte OTC-Derivate auswirken würde.

4.Bewertung durch die Kommission

Um eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob Geschäfte, die unmittelbar auf PTRR-Dienste zurückgehen, von der Clearingpflicht ausgenommen werden sollten, muss die Kommission gemäß Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe c der EMIR die folgenden drei Aspekte berücksichtigen:

a)inwieweit PTRR-Dienste Risiken, vor allem das Gegenparteiausfallrisiko und das operationelle Risiko, mindern;

b)welche Möglichkeiten bestehen, die Clearingpflicht zu umgehen, wenn eine Ausnahme gewährt würde;

c)welche Umstände von einem zentralen Clearing abhalten könnten, wenn eine Ausnahme gewährt würde.

Da die Clearingpflicht aufgrund einer internationalen Verpflichtung der G20 eingeführt wurde, um zu sichereren und widerstandsfähigeren Märkten beizutragen, werden in diesem Bericht auch die quantitativen Belege für den Nutzen von PTRR-Diensten und die Frage geprüft, ob durch die Einführung einer solchen Ausnahme neue Risiken entstehen könnten.

a.Grad, in dem PTRR-Dienste Risiken, vor allem das Gegenparteiausfallrisiko und das operationelle Risiko, mindern

Allgemein wird davon ausgegangen, dass PTRR-Dienste dazu dienen, das Risiko im gesamten Portfolio zu verringern, und alle risikomindernden Transaktionen müssen das bilaterale Risiko in dem Portfolio, in dem sie verbucht werden, reduzieren.

Zum einen weist die ESMA in Bezug auf die Portfoliokomprimierung darauf hin, dass solche Dienste darauf abzielen, die Anzahl der Kontrakte, den Bruttonominalwert oder eine andere Risikomessgröße zu verringern, ohne das Marktrisiko des Portfolios wesentlich zu beeinflussen. Dadurch ließen sich letztendlich Systemrisiken mindern, indem die Anzahl der Geschäfte, der Posten und/oder das nominale Risiko zwischen Gegenparteien verringert werden. Dies steht im Einklang mit internationalen Arbeiten; z. B. beschreibt die Internationale Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden (International Organisation of Securities Commissions, IOSCO) das Ergebnis der Komprimierung als „verringertes operationelles Risiko für einzelne Marktteilnehmer, was wiederum das Systemrisiko mindern und die Finanzmarktstabilität insgesamt verbessern könnte“ 10 . 

Die Rolle der Portfoliokomprimierung wird in der EMIR bestätigt. In Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe b der EMIR in Verbindung mit Artikel 14 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 149/2013 der Kommission 11  wird anerkannt, dass die Portfoliokomprimierung Risiken mindert, und es wird verlangt, dass die Portfoliokomprimierung für nicht zentral geclearte OTC-Derivative angewandt wird. In Erwägungsgrund 30 dieser Delegierten Verordnung heißt es weiterhin: „Auch die Portfoliokomprimierung kann je nach den Umständen, wie Umfang des Portfolios gegenüber einer Gegenpartei, Laufzeit, Zweck und Standardisierungsgrad von OTC-Derivatekontrakten, ein effizientes Mittel der Risikominderung sein. Finanzielle und nichtfinanzielle Gegenparteien mit einem nicht über eine CCP geclearten Portfolio von OTC-Derivatekontrakten, das die in dieser Verordnung festgelegte Höhe übersteigt, sollten Verfahren eingerichtet haben, mit denen sie analysieren können, ob sie ihr Gegenparteiausfallrisiko durch eine Portfoliokomprimierung verringern könnten.“ 

Zum anderen weist die ESMA darauf hin, dass die Portfolioanpassung das Ziel hat, Ungleichgewichte innerhalb der Portfolios zu verringern, die entstanden sind, weil Kreditrisiken geclearter Geschäfte nicht mit bilateralen Geschäften zwischen verschiedenen nicht clearingfähigen Anlageklassen aufgerechnet werden können. Daher beruht die Portfolioanpassung auf dem Abschluss neuer OTC-Derivatekontrakte zur Minderung des Gegenparteirisikos, indem ein bestimmtes zwischen zwei Gegenparteien ermitteltes Risiko (d. h. Zins- oder Währungsrisiko) verringert wird, ohne die Geschäfte im zugrunde liegenden Portfolio zu verändern. Marktteilnehmer sehen dies als Möglichkeit, das Systemrisiko zu verringern, indem das gesamte Marktrisiko zwischen Gegenparteien reduziert wird.

Dennoch sind beide Dienste in einigen Punkten nur begrenzt in der Lage, Risiken zu verringern. Anpassungen mindern operationelle Risiken nicht notwendigerweise, da die neu abgeschlossenen OTC-Derivatekontrakte (für die eine Ausnahme nur im bilateralen Bereich gewährt wird) zusätzliche operationelle Risiken mit sich bringen könnten. Selbst wenn das Risiko im nicht geclearten Bereich verringert wird, indem Plain-Vanilla-OTC-Derivate anstelle komplexerer Derivate verwendet werden, um Geschäfte in einer Portfolioanpassung zu ersetzen oder zu ändern, würde dieser Teil der OTC-Derivate nicht von CCPs verwaltet, was das Risiko im kombinierten System erhöhen könnte. Wenn solche OTC-Derivate von der Clearingpflicht ausgenommen würden, würden sie nicht von dem Risikomanagement profitieren, das ein zentrales Clearing bietet. Dadurch könnte sich das Gesamtrisiko im zentral geclearten Bereich und im nicht geclearten Bereich zusammengenommen erhöhen, auch wenn das Risiko im nicht geclearten Bereich aufgrund der Anpassung bis zu einem gewissen Grad verringert worden wäre.

Die von der ESMA vorgelegten Daten veranschaulichen die weitverbreitete Nutzung der Portfoliokomprimierung und Portfolioanpassung in der Branche. Allerdings enthält der Bericht keine Quantifizierung der durch diese Dienste bewirkten Risikominderung (Gegenparteiausfallrisiko und operationelles Risiko). Die Bewertung basiert eher auf einer eingehenden theoretischen Bewertung als auf empirischen Daten, die eine ganzheitlichere Analyse und Ermittlung potenzieller Risikoveränderungen ermöglichen könnten. Eine solche Bewertung ist angesichts der Tatsache, dass es noch keine Ausnahme gibt, nicht einfach; jedoch könnte eine quantitative Bewertung ähnlicher Ausnahmen in Drittländern, auf die die ESMA im Anhang ihres Berichts verweist, zur weiteren Erhellung beitragen. Während eine Portfolioanpassung die Risiken innerhalb des angepassten Portfolios mindert, erscheint die Bewertung der Gesamtrisikominderung unter einem stärker systembezogenen Blickwinkel schwierig. Die ESMA hat zwar eine fundierte theoretische Analyse der potenziellen Probleme erbracht und einige Daten über die Verwendung dieser Dienste vorgelegt, doch ist (noch) nicht hinreichend klar, ob die Vorteile, Transaktionen, die auf PTRR-Dienste zurückgehen, von der Clearingpflicht auszunehmen, mögliche Risiken aufwiegen.

b.Möglichkeiten, die Clearingpflicht zu umgehen

Gemäß Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe c EMIR muss die Europäische Kommission in ihrem Bericht prüfen, ob eine Ausnahme von der Clearingpflicht für PTRR-Dienste eine mögliche Umgehung der Clearingpflicht bewirken könnte.

Einerseits weist die ESMA darauf hin, dass PTRR-Dienste derzeit die Clearingpflicht umgehen, indem sie darauf achten, dass die resultierenden Geschäfte nicht zu einer clearingpflichtigen Kategorie von OTC-Derivaten gehören, z. B. kompliziertere Swaptions anstelle von Plain-Vanilla-Derivaten. Sollten solche aus PTRR-Diensten hervorgehenden Derivate künftig von der Clearingpflicht ausgenommen werden, könnten Gegenparteien, die PTRR-Dienste erbringen, diese einfacheren und stärker standardisierten Instrumente einsetzen. Die ESMA hält es für unwahrscheinlich, dass eine solche Ausnahme zu einer Umgehung der Clearingpflicht führen würde, da diesbezügliche Derivatekontrakte ohne die Ausnahme nie abgeschlossen worden wären. Nur die Ausnahme würde ihre Verwendung im nicht zentral geclearten Bereich für PTRR-Zwecke ermöglichen. Die ESMA betrachtet solche Derivatgeschäfte lediglich als „administrativ“. Sie würden aus keinem anderen Grund eingegangen. Der ESMA zufolge würde eine Ausnahme den Marktteilnehmern keinen Anreiz bieten, diese Technik als Mittel zur Umgehung eines zentralen Clearings zu nutzen, da eine solche Technik keine Auswirkung auf der Clearingpflicht unterliegende OTC-Derivate hätte, die aus gewöhnlichen Handelstätigkeiten hervorgehen.

Andererseits weisen einige Interessenträger darauf hin, dass eine Ausnahme von der Clearingpflicht umfassende Möglichkeiten für Aufsichtsarbitrage und „cleveren“ Handel eröffnen würde, um derzeit in geclearten Portfolios enthaltene OTC-Derivate zu extrahieren und in den ungeclearten Bereich einzubringen. Dies könnte als Anreiz für die Umgehung der Clearingpflicht wirken, was eher zu mehr als zu weniger Risiken führt.

Um eine solche Umgehung der Clearingpflicht zu vermeiden, empfiehlt die ESMA, Bedingungen für eine etwaige Ausnahme von der Clearingpflicht zu entwickeln. Solche Bedingungen könnten jede Ausnahme auf bestimmte OTC-Derivate, z. B. Altgeschäfte, oder auf bestimmte PTRR-Dienste beschränken. Die ESMA schlägt ferner vor, einige Anforderungen für PTRR-Dienste einzuführen, z. B. sollten sie gegenüber Marktrisiken neutral sein, das bilaterale Risiko in dem Portfolio, in dem sie verbucht werden, verringern und von einem unabhängigen Dienstleister erbracht werden.

Auch wenn die von der ESMA vorgeschlagenen Anforderungen und Bedingungen für die Gewährung einer Ausnahme von der Clearingpflicht unter Umständen die Möglichkeiten einschränken, mithilfe einer solchen Ausnahme die Clearingpflicht zu umgehen, bedarf es weiterer Analysen. Der Gedanke, gemischte (zentral geclearte und nicht geclearte) Portfolios von OTC-Derivaten in Portfolioanpassungsdienste einzubeziehen, für die die Ausnahme von der Clearingpflicht gilt, und PTRR-Dienste im nicht geclearten Bereich mit Transaktionen zur Verlagerung des Risikos auf ein zentrales Clearing zu kombinieren (siehe Ende von Abschnitt 3), würde insbesondere die Beziehung zwischen dem zentral geclearten Bereich und dem nicht geclearten Bereich ändern und die Tatsache außer Kraft setzen, dass im zentral geclearten Bereich und im nicht geclearten Bereich unterschiedliche Risikominderungsinstrumente eingesetzt werden sollten.

Eine weitere Analyse der möglichen Liquiditätsverschiebungen vom zentral geclearten in den nicht geclearten Bereich sollte ebenfalls in Betracht gezogen werden.

c.Umstände, die von einem zentralen Clearing abhalten könnten

In Bezug auf die Umstände, die von einem zentralen Clearing abhalten könnten, welche sich aus einer Ausnahme von der Clearingpflicht für aus PTRR-Diensten hervorgehende Geschäfte ergeben können, ist der Markt geteilt. Die ESMA kommt daher zu dem Schluss, dass es zwar keine Anhaltspunkte für Umstände gibt, die von der Clearingpflicht abhalten könnten, dies jedoch sorgfältig beobachtet werden sollte, um sicherzustellen, dass etwaigen Risiken durch weitere Regulierungs- und/oder Aufsichtsmaßnahmen begegnet werden könnte.

Sollte die Ausnahme von der Clearingpflicht in Zukunft eine kostengünstigere Option im Hinblick auf die Kosten für Eigenkapital- und Einschussanforderungen zur Absicherung von Geschäften im bilateralen Bereich darstellen, könnte dies Umstände zur Folge haben, die von einem zentralen Clearing abhalten könnten. Unter solchen Umständen könnte ein bilaterales Clearing hinsichtlich der Kosten für Eigenkapital- und Einschussanforderungen nur dann wirtschaftlich rentabler sein, je größer der Netting-Satz ist.

Das freiwillige zentrale Clearing zeigt, dass diese potenziellen Umstände nicht vollständig wegfallen: Es liegt auf der Hand, dass Gegenparteien, die ein OTC-Derivat zentral clearen könnten, sich aber dagegen entscheiden, diese Wahl treffen, weil ein bilaterales Clearing für sie wirtschaftlich sinnvoll ist. Darüber hinaus wäre eine mögliche Verringerung der Liquidität ein Negativanreiz für die Teilnahme an einem zentralen Clearing.

Die Auswirkungen von PTRR-Diensten auf die Umstände, die von einem Clearing abhalten könnten, sind nicht eindeutig. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Auffassungen der Interessenträger und des Berichts der ESMA wäre eine weitere Analyse seitens der ESMA von Vorteil, insbesondere zu der Frage, wie sich Anreize für ein zentrales Clearing auswirken würden, die höher wären, wenn es mehr Liquidität im zentral geclearten Bereich gäbe.

5.Schlussfolgerung

In der EMIR haben sich die gesetzgebenden Organe dafür entschieden, den im Rahmen der G20 eingegangenen Verpflichtungen hauptsächlich durch zentrales Clearing nachzukommen; dieses sollte das vorrangige Instrument zur Risikominderung für Plain-Vanilla-OTC-Derivate sein, die der Clearingpflicht unterliegen. Für andere, nicht unter die Clearingpflicht fallende OTC-Derivate sollten nicht so weitreichende Risikominderungstechniken angewandt werden. Sowohl das zentrale Clearing als auch die PTRR-Dienste werden in ihren jeweiligen Bereichen erfolgreich eingesetzt. Allgemein sollten bestimmte OTC-Derivate nur dann von der Clearingpflicht ausgenommen werden, wenn die Risiken, die mit der Gewährung einer solchen Ausnahme verbunden sind, geringer sind als die Risiken, die sich aus der Beibehaltung der derzeitigen Situation ergeben.

Die ESMA hat in Zusammenarbeit mit dem ESRB eine umfassende und eingehende Analyse der PTRR-Dienste vorgenommen. Dennoch bleiben wichtige Fragen offen. Insbesondere erfordern einige Aspekte des Berichts eine weitere quantitative Bewertung und Analyse, damit die Kommission eine fundiertere Entscheidung hinsichtlich potenzieller Vorschläge für eine Änderung der Rechtsvorschriften treffen kann.

Im Einzelnen bedürfen folgende Punkte einer weiteren Prüfung:

-die Definition von PTRR-Diensten, z. B. wie verschiedene Arten von PTRR-Diensten konkreter definiert werden könnten;

-mögliche Verflechtungen zwischen PTRR-Diensten und den Auswirkungen ihrer kombinierten Anwendung auf die in diesem Bericht angesprochenen Aspekte;

-die Wesentlichkeit des Risikos einer Umgehung der Clearingpflicht, insbesondere mögliche Marktpraktiken, die für eine solche Umgehung genutzt werden könnten;

-mögliche Bedingungen zur Begrenzung des Risikos eines solchen Missbrauchs einer möglichen Ausnahme von der Clearingpflicht;

-Anreize für ein zentrales Clearing unter Berücksichtigung einer möglichen Ausnahme von der Clearingpflicht;

-Bewertung möglicher Liquiditätsverschiebungen von zentral geclearten Bereichen zu nicht geclearten Bereichen.

Die weitere Arbeit in Bezug auf die vorstehend genannten Punkte, insbesondere hinsichtlich der Definition von PTRR-Diensten und der Sammlung von mehr quantitativen Belegen, würde eine umfassendere und ausgewogene Beurteilung ermöglichen; diese könnte in den allgemeinen Bericht zur Bewertung der EMIR einfließen, welcher dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 18. Juni 2024 vorgelegt werden sollte. 12

(1)

     ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1.

(2)

     ABl. L 142 vom 28.5.2019, S. 42.

(3)

     ESMA, Report to the European Commission, Report on post trade risk reduction services with regards to the clearing obligation (EMIR Article 85(3a)) (Bericht an die Europäische Kommission, Bericht über Dienste zur Verringerung von Nachhandelsrisiken in Bezug auf die Clearingpflicht (Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe a EMIR)) vom 10. November 2020, ESMA70-156-3351, ESMA70-156-3351 Final Report PTRR Services - Article 85(3a) of EMIR (europa.eu) .

(4)

     ESRB, ESRB opinion on ESMA's report on post trade risk reduction services with regards to the clearing obligation (EMIR Article 85(3a)) (Stellungnahme des ESRB zum Bericht der ESMA über Dienste zur Verringerung von Nachhandelsrisiken in Bezug auf die Clearingpflicht (Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe a EMIR)) vom 12. Juni 2020, ESRB opinion on ESMAs report on post trade risk reduction services with regards to the clearing obligation (europa.eu) .

(5)

     ESMA, Consultation Paper, Report on post trade risk reduction services with regards to the clearing obligation (EMIR Article 85(3a)) (Konsultationspapier, Bericht über Dienste zur Verringerung von Nachhandelsrisiken in Bezug auf die Clearingpflicht (Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe a EMIR)) vom 26. März 2020, ESMA70-151-2852, esma70-151-2852_consultation_report_ptrr_services_-_article_853a_of_emir.pdf (europa.eu) .

(6)

     Artikel 2, Absatz 1, Nummer 47 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 84).

(7)

     ESMA, Bericht an die Europäische Kommission über Dienste zur Verringerung von Nachhandelsrisiken in Bezug auf die Clearingpflicht (Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe a EMIR) vom 10. November 2020, ESMA70-156-3351, ESMA70-156-3351 Final Report PTRR Services - Article 85(3a) of EMIR (europa.eu) , Kapitel 8.1, Rn. 332.

(8)

     ESMA, Bericht an die Europäische Kommission über Dienste zur Verringerung von Nachhandelsrisiken in Bezug auf die Clearingpflicht (Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe a EMIR) vom 10. November 2020, ESMA70-156-3351, ESMA70-156-3351 Final Report PTRR Services - Article 85(3a) of EMIR (europa.eu) , Kapitel 8.2, Rn. 333 bis 338.

(9)

     ESMA, Bericht an die Europäische Kommission über Dienste zur Verringerung von Nachhandelsrisiken in Bezug auf die Clearingpflicht (Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe a EMIR) vom 10. November 2020, ESMA70-156-3351, ESMA70-156-3351 Final Report PTRR Services - Article 85(3a) of EMIR (europa.eu) , Kapitel 8.3, Rn. 339 bis 347.

(10)

     FR09/2015, 28. Januar 2015, S. 13,  FR01/2015, Risk Mitigation Standards for Non-centrally Cleared OTC Derivatives (Risikominderungsstandards für nicht zentral geclearte OTC-Derivate) (iosco.org) .

(11)

     Delegierte Verordnung (EU) Nr. 149/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für indirekte Clearingvereinbarungen, die Clearingpflicht, das öffentliche Register, den Zugang zu einem Handelsplatz, nichtfinanzielle Gegenparteien und Risikominderungstechniken für nicht durch eine CCP geclearte OTC-Derivatekontrakte (ABl. L 52 vom 23.2.2013, S. 11).

(12)

     Artikel 85 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister.