29.7.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 290/90


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen — Neuer EU Aktionsplan gegen die Schleusung von Migranten (2021-2025)“

(COM(2021) 591 final)

(2022/C 290/15)

Berichterstatter:

José Antonio MORENO DÍAZ

Mitberichterstatter:

Pietro Vittorio BARBIERI

Befassung

Europäische Kommission, 1.12.2021

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

Annahme in der Fachgruppe

7.3.2022

Verabschiedung im Plenum

23.3.2022

Plenartagung Nr.

568

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

212/0/5

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Die Schleusung von Migranten ist eine grenzüberschreitende kriminelle Aktivität, die das Leben von Menschen gefährdet, gegen Grundrechte verstößt und die geordnete Steuerung der Migrationsströme beeinträchtigt. In den letzten 20 Jahren hat die Schleuserkriminalität infolge mehrerer Druckfaktoren in den Herkunftsländern (z. B. Menschenrechtsverletzungen, Gewalttätigkeiten, Konflikte und Ungleichheiten sowie wirtschaftliche und ökologische Bedingungen), aber auch aufgrund fehlender legaler Wege in die Hoheitsgebiete vieler Länder zugenommen. Aufgrund vermehrter Beschränkungen durch die COVID-19-Pandemie ist die Zahl der Menschen gestiegen, die diese illegalen Netze trotz der damit verbundenen Risiken nutzen.

1.2.

Es gehörte von Anfang an zu den Zielen der europäischen Migrationspolitik, diese kriminelle Aktivität zu bekämpfen, die Ausbeutung von Migranten durch kriminelle Netze zu verhindern und Anreize für die irreguläre Migration abzubauen. Der neue EU-Aktionsplan gegen die Schleusung von Migranten (2021–2025) versteht sich als Instrument zur Fortsetzung und Verbesserung der Bekämpfung dieser kriminellen Aktivität durch die EU.

1.3.

Laut Europol nutzten über 90 % der Menschen, die irregulär in die EU einreisten, für einen Teil der Strecke Schleusernetze. Im Rahmen der Bekämpfung der Schleuserkriminalität räumt die EU der Zusammenarbeit mit Partnerländern Priorität ein, und zwar um die Anreize für diese gefährlichen Reisen abzubauen, um den Ursachen der irregulären Migration entgegenzuwirken, um die reguläre Migration sowie legale und sichere Wege in die EU-Mitgliedstaaten zu fördern, um die Verwaltung der gemeinsamen Grenzen zu unterstützen, um Sogfaktoren wie etwa die Schattenwirtschaft anzugehen und um die Rückkehr und Wiedereingliederung jener Personen zu erleichtern, die sich auf dem Unionsgebiet in einer irregulären Situation befinden.

1.4.

Der EWSA begrüßt den neuen EU-Aktionsplan und den darin vorgeschlagenen umfassenden Ansatz als Fortsetzung der Anstrengungen der EU zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität. Es liegt auf der Hand, dass durch die kriminelle Aktivität der Schleusung das Leben von Migranten gefährdet wird und ihre Rechte verletzt werden, dass Menschen, die auf das Unionsgebiet gelangen möchten, ausgenutzt werden und dass damit auch eine Bedrohung für die europäische Sicherheit einhergeht.

1.5.

Der EWSA erkennt an, dass der Schutz der Außengrenzen eine Priorität für die EU darstellt. Er weist jedoch darauf hin, dass in diesem Zusammenhang immer die Achtung der Menschenrechte und die Unverletzlichkeit des Völkerrechts zu gewährleisten sind, wobei es stets die Betroffenen zu schützen und die Kriminalisierung von Solidarität zu vermeiden gilt. In jedem Falle darf sich die Bekämpfung der Schleuserkriminalität niemals gegen die Migranten selbst oder gegen die für sie bestimmte humanitäre Hilfe oder Unterstützung richten.

1.6.

Der EWSA erachtet es als unerlässlich, die Migrantenschleusung über ein Gesamtrouten-Konzept zu bekämpfen. Dies beinhaltet die Stärkung der vorgeschlagenen Maßnahmen gegen Schleusernetze durch eine bessere Zusammenarbeit von Justiz und Polizei, die Verbesserung der Zusammenarbeit und des Dialogs mit Nachbarländern bei der Bekämpfung von Schleusernetzen, die Stärkung von Maßnahmen gegen Ausbeutung und zur Gewährleistung des Schutzes von geschleusten Personen und eine besser abgestimmte und nachdrücklichere Bekämpfung der irregulären Beschäftigung und der Ausbeutung von Arbeitskräften.

1.7.

Der EWSA stimmt zu, dass es notwendig ist, der Nachfrage ein Ende zu setzen, um die Profite aus Schleusernetzen zu schmälern. Er warnt jedoch vor den Problemen, die auftreten können, wenn nur die Angebotsseite (Netze) betrachtet wird. In diesem Zusammenhang weist der EWSA darauf hin, dass das Vorhandensein legaler, wirksamer und sicherer Kanäle sowie der Schutz des Asylrechts entscheidend sind, um weite Teile dieses gesetzwidrigen Geschäfts lahmzulegen.

1.8.

Zudem verurteilt der EWSA nachdrücklich die Instrumentalisierung von Migranten sowie Asylsuchenden zum Zweck der Destabilisierung der EU (1).

1.9.

Der EWSA weist darauf hin, dass Handlungen im Zusammenhang mit dem Schutz von Menschen sowie medizinischer Versorgung (2) und solidarischer Hilfe nicht kriminalisiert und auf die gleiche Stufe mit Schleusernetzen gestellt werden dürfen und dass sie nur dann strafrechtlich verfolgt werden sollten, wenn sie absichtlich und mit dem Ziel vorgenommen wurden, auf direkte oder indirekte Weise einen finanziellen oder anderen materiellen Vorteil zu erlangen (3). Die Klausel des obligatorischen Haftungsausschlusses muss also ausdrücklich aufgenommen werden, wenn es um humanitär motivierte Hilfs- oder Unterstützungsmaßnahmen geht.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1.

Die Schleusung von Migranten ist eine grenzüberschreitende kriminelle Aktivität, die das Leben von Menschen gefährdet, gegen Grundrechte verstößt und die geordnete Steuerung der Migrationsströme beeinträchtigt.

2.2.

In den letzten 20 Jahren hat die Schleuserkriminalität infolge mehrerer Druckfaktoren in den Herkunftsländern (z. B. Menschenrechtsverletzungen, Gewalttätigkeiten, Konflikte und Ungleichheiten sowie wirtschaftliche und ökologische Bedingungen), aber auch aufgrund fehlender legaler Wege in die Hoheitsgebiete vieler Länder zugenommen. Aufgrund vermehrter Beschränkungen durch die COVID-19-Pandemie ist die Zahl der Menschen gestiegen, die diese illegalen Netze trotz der damit verbundenen Risiken nutzen (4).

2.3.

Der Hauptunterschied zwischen der Schleusung von Migranten und dem Menschenhandel besteht darin, dass sich Migranten bei der Schleusung freiwillig am Migrationsprozess beteiligen und für die Dienste eines Schleusers bezahlen, um eine internationale Grenze zu überqueren; beim Menschenhandel werden Menschen verschleppt, um sie als Arbeitskraft, zu sexuellen Zwecken oder für die Organentnahme auszubeuten, und die Opfer benötigen Hilfe und Unterstützung. Menschenhandel geschieht nicht unbedingt grenzüberschreitend. Die beiden Phänomene hängen häufig zusammen, da geschleuste Personen möglicherweise von Menschenhändlern als Arbeitskräfte, auf sexuelle Weise oder in anderer Form ausgebeutet werden.

2.4.

Es gehörte von Anfang an zu den Zielen der europäischen Migrationspolitik, diese kriminelle Aktivität zu bekämpfen, die Ausbeutung von Migranten durch kriminelle Netze zu verhindern und Anreize für die irreguläre Migration abzubauen. Im 2020 von der Europäischen Kommission vorgelegten Migrations- und Asylpaket heißt es, dass der Bekämpfung der Schleuserkriminalität Priorität eingeräumt wird und dass die EU „die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern intensivieren [wird], um gefährliche Reisen und irreguläre Grenzübertritte zu verhindern, und dazu unter anderem mit Drittländern gezielte Partnerschaften zur Bekämpfung der Migrantenschleusung eingehen [wird].“

2.5.

Laut Europol nutzten über 90 % der Menschen, die irregulär in die EU einreisten, für einen Teil der Strecke Schleusernetze.

2.6.

Der neue EU-Aktionsplan gegen die Schleusung von Migranten (2021–2025) versteht sich als Instrument zur Fortsetzung der Bekämpfung dieser kriminellen Aktivität durch die EU. Die Schleusung von Migranten ist nicht nur als Migrationsproblematik anzusehen, sondern auch als eine Bedrohung für die Sicherheit der EU-Außengrenzen. Dabei sind eine angemessene Verwaltung und ein wirksamer Schutz der EU-Außengrenzen unter Wahrung des internationalen Rechtsrahmens und der Grundrechte entscheidende Faktoren. Zur Verhinderung der Schleusung von Migranten in die EU muss diese gemeinsame Normen und Verfahren unter Einhaltung der Menschenrechte und internationalen Normen stärken.

2.7.

Im Rahmen der Bekämpfung der Schleuserkriminalität räumt die EU der Zusammenarbeit mit Partnerländern Priorität ein, und zwar um die Anreize für diese gefährlichen Reisen abzubauen, um den Ursachen der irregulären Migration entgegenzuwirken, um die reguläre Migration sowie legale und sichere Wege in die EU-Mitgliedstaaten zu fördern, um die Verwaltung der gemeinsamen Grenzen zu unterstützen und um die Rückkehr und Wiedereingliederung jener Personen zu erleichtern, die sich auf dem Unionsgebiet in einer irregulären Situation befinden (5).

2.8.

Die Bekämpfung der Schleuserkriminalität beinhaltet zudem die striktere Anwendung der Richtlinie über Sanktionen gegen Arbeitgeber (6) und die Erkenntnis, dass die irreguläre Beschäftigung ein Faktor ist, der die irreguläre Migration begünstigt, und dass sie mit der Schleusung von Migranten zusammenhängen kann. Es darf nicht vergessen werden, dass sich irregulär aufhältige ausländische Arbeitskräfte in der EU befinden, weil es Arbeitgeber gibt, die eine illegale Beschäftigung anbieten, welche die Mindestarbeitsstandards in Bezug auf Lohn, Arbeitszeit, Arbeitsschutz usw. nicht erfüllt.

2.9.

Im neuen EU-Aktionsplan gegen die Schleusung von Migranten (2021–2025) finden die Ergebnisse zielgerichteter Konsultationen und einer öffentlichen Anhörung Berücksichtigung, die zwischen dem 19. März und 11. Juni 2021 stattfanden. Indem er dabei hilft, kriminelle Vereinigungen zu zerschlagen, unterstützt der Aktionsplan ferner die Ziele der EU-Strategie für eine Sicherheitsunion (7) sowie der EU-Strategie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität 2021–2025 (8) und der EU-Strategie zur Bekämpfung des Menschenhandels 2021-2025 (9).

3.   Bemerkungen zum neuen EU-Aktionsplan gegen die Schleusung von Migranten (2021-2025)

3.1.

Der EWSA begrüßt den neuen EU-Aktionsplan und den darin vorgeschlagenen umfassenden Ansatz als Fortsetzung der Anstrengungen der EU zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität und des Menschenhandels.

3.2.

Schleuserkriminalität führt dazu, dass das Leben von Migranten gefährdet wird und ihre Rechte verletzt werden und zudem ein ungerechtfertigter Vorteil aus der Situation von Menschen gezogen wird, die auf das Unionsgebiet gelangen möchten. Der EWSA ist daher der Auffassung, dass die nötigen Mechanismen und Instrumente eingerichtet werden sollten, um diese kriminelle Aktivität zu bekämpfen.

3.3.

Der EWSA erkennt an, dass der Schutz der Außengrenzen eine Priorität für die EU darstellt. Er weist jedoch darauf hin, dass in diesem Zusammenhang immer die Achtung der Menschenrechte und die Unverletzlichkeit des Völkerrechts zu gewährleisten sind, wobei es stets die Betroffenen zu schützen und die Kriminalisierung von Solidarität zu vermeiden gilt. In jedem Falle darf sich die Bekämpfung der Schleuserkriminalität niemals gegen die Migranten selbst oder gegen die für sie bestimmte humanitäre Hilfe oder Unterstützung richten oder aber als Vorwand für die Abschaffung des Rechts auf Asyl auf EU- und internationaler Ebene herhalten.

3.4.

Handlungen im Zusammenhang mit dem Schutz von Menschen sowie medizinischer Versorgung (10) und solidarischer Hilfe dürfen nicht kriminalisiert und auf die gleiche Stufe mit Schleusernetzen gestellt werden und sollten nur dann strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie absichtlich und mit dem Ziel vorgenommen wurden, auf direkte oder indirekte Weise einen finanziellen oder anderen materiellen Vorteil zu erlangen (11). Die Klausel des obligatorischen Haftungsausschlusses muss jedoch ausdrücklich aufgenommen werden, wenn es um humanitär motivierte Hilfs- oder Unterstützungsmaßnahmen geht.

3.5.

Der EWSA erachtet es als unerlässlich, die Schleusung von Migranten über ein Gesamtrouten-Konzept zu bekämpfen und zur Kenntnis zu nehmen, dass fehlende legale und sichere Wege einen der Gründe darstellen, aus denen Schleusernetze florieren können.

3.6.

Überdies ist der EWSA der Ansicht, dass die irreguläre Beschäftigung mit Schleusernetzen in Verbindung gebracht werden kann, an deren Ende oft die Ausbeutung von Arbeitskräften steht. Der EWSA ist deshalb davon überzeugt, dass Anstrengungen unternommen werden sollten, um die Richtlinie über Sanktionen gegen Arbeitgeber besser umzusetzen und um die irreguläre Beschäftigung und die Ausbeutung von Arbeitskräften besser abgestimmt und nachdrücklicher zu bekämpfen.

3.7.

Der EWSA erachtet es als notwendig, die vorgeschlagenen Maßnahmen gegen Schleusernetze durch eine bessere Zusammenarbeit von Justiz und Polizei, die Unterstützung der Arbeit der Europäischen multidisziplinären Plattform gegen kriminelle Bedrohungen (EMPACT) und Eurojust sowie eine verbesserte Informationserfassung und Informationskampagnen zu den Risiken der Migrantenschleusung vor Ort zu stärken.

3.8.

Der EWSA begrüßt, dass dieser integrierte Ansatz zudem eine Verbesserung der Zusammenarbeit und des Dialogs mit den Nachbarländern bei der Bekämpfung von Schleusernetzen beinhaltet, warnt jedoch vor einer möglichen Beeinträchtigung der Kooperationsbeziehungen mit diesen Ländern, was die Schleusernetze durch eine falsche Verwendung von Konzepten wie Rückkehr und Wiedereingliederung letztlich stärken könnte. In dieser Hinsicht ist festzuhalten, dass in der Mitteilung der Kommission zu Recht darauf hingewiesen wird, dass staatliche Akteure irreguläre Migration zunehmend künstlich herbeiführen und erleichtern, um die EU zu destabilisieren.

3.9.

Der EWSA erachtet es als wesentlich, Maßnahmen zur Verhinderung von Ausbeutung zu stärken und für den Schutz geschleuster Menschen zu sorgen. In diesem Zusammenhang hält er es für notwendig, Pilotaktionen nach dem Gesamtrouten-Konzept zu entwickeln, in die Verwaltungen und soziale Akteure aus den Herkunfts-, Transit- und Zielländern eingebunden sind.

3.10.

Der EWSA ist der Ansicht, dass der Aufbau operativer Partnerschaften zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität mit Drittländern von Interesse ist, weist jedoch darauf hin, dass diese Vereinbarungen weder gegen die Leitprinzipien der EU verstoßen noch mit Ländern geschlossen werden dürfen, in denen es zu systematischen Menschenrechtsverletzungen kommt.

3.11.

Nach Auffassung des EWSA gelingt es im neuen EU-Aktionsplan gegen die Schleusung von Migranten (2021–2025) die Risiken zu ermitteln, die die Schleuserkriminalität und die Geschwindigkeit, mit der sich Schleusernetze an die Gegebenheiten anpassen und neue Techniken zu ihrem größtmöglichen Vorteil einsetzen, mit sich bringen.

3.12.

Der EWSA stimmt zu, dass es notwendig ist, der Nachfrage ein Ende zu setzen, um die Profite aus Schleusernetzen zu schmälern, wie im neuen Aktionsplan dargelegt. Er warnt jedoch vor den Problemen, die auftreten können, wenn nur die Angebotsseite (Netze) betrachtet wird, ohne die Notwendigkeit von Strukturreformen zur Verringerung der Nachfrage zu erkennen. In diesem Zusammenhang weist der EWSA darauf hin, dass das Vorhandensein legaler, wirksamer und sicherer Kanäle sowie der Schutz des Asylrechts entscheidend sind, um weite Teile dieses gesetzwidrigen Geschäfts lahmzulegen.

3.13.

Der EWSA hat die Sorge, dass eine bessere Verhinderung der Schleuserkriminalität — ein Ziel, das er teilt — eine Verletzung der Verfahren zur Unterstützung schutzbedürftiger Migranten implizieren könnte. Er unterstreicht, dass Parteien und Regierungen in den letzten Monaten zunehmend Maßnahmen ergriffen haben, um Akte der Solidarität unter Strafe zu stellen. Der EWSA weist darauf hin, dass der Schutz gefährdeter Personen und die medizinische Versorgung (12) und solidarische Hilfe nicht kriminalisiert und auf die gleiche Stufe mit Schleusernetzen gestellt werden dürfen (13).

3.14.

Der EWSA ist der Ansicht, dass den Opfern der Schleuserkriminalität — insbesondere jenen, die besonders schutzbedürftig sind wie etwa (unbegleiteten) Minderjährigen (14), Menschen mit Behinderungen und Frauen — besondere Aufmerksamkeit zukommen sollte (15). Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, eine Richtlinie zum Schutz unbegleiteter minderjähriger Ausländer in Zusammenhang mit dem Wohl des Kindes vorzulegen. Des Weiteren sollte die Rolle von zivilgesellschaftlichen Akteuren, sozialen Einrichtungen und Nichtregierungsorganisationen bei der Hilfe und Unterstützung für die Opfer der Schleuserkriminalität als humanitäres Handeln zur Bekräftigung der Grundsätze der EU anerkannt werden.

3.15.

Der EWSA erkennt an, dass mit dem Plan ebenfalls die derzeitigen Probleme im Zusammenhang mit der Instrumentalisierung der Migration, bei der die direkte Beteiligung staatlicher Akteure offenkundig ist, auf zweckdienliche und deutliche Weise angegangen werden. Ebenso wie der Europäische Rat (16) verurteilt der EWSA scharf die Instrumentalisierung von Migranten und Asylsuchenden zu Zwecken der Destabilisierung, so wie jüngst an den Grenzen zu Marokko und insbesondere Belarus (17) zu beobachten war.

3.16.

Der EWSA weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten stets die völkerrechtlichen Verpflichtungen erfüllen müssen. So müssen sie zusätzlich zum gesamten Rechtsrahmen der EU beispielsweise die Genfer Flüchtlingskonvention (1951) und das New Yorker Protokoll über das Asylrecht (1967) einhalten.

3.17.

Die Umdeutung der Migration in eine Bedrohung und der Diskurs, in dem Migranten als Gefahr dargestellt werden, haben eine entmenschlichende Wirkung und nutzen nur jenen, die Migranten für geostrategische oder nationale politische Zwecke missbrauchen möchten.

3.18.

Der EWSA bedauert, dass die Bekämpfung der Schleuserkriminalität mehr Beachtung findet als die Bekämpfung des Menschenhandels, der nach wie vor die einträglichste kriminelle Aktivität ist und nicht nur eine Menschenrechtsverletzung, sondern auch eine echte Bedrohung für die nationale Sicherheit, das Wirtschaftswachstum und die nachhaltige Entwicklung darstellt (18).

Brüssel, den 23. März 2022

Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Christa SCHWENG


(1)  Siehe die demnächst veröffentlichte EWSA-Stellungnahme REX/554.

(2)  CPME statement on criminalisation of acts of solidarity. Siehe auch den Bericht des Europäischen Parlaments (2019): Fit for purpose? The Facilitation Directive and the criminalisation of humanitarian assistance to irregular migrants: 2018 update.

(3)  Artikel 6 des Zusatzprotokolls gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität.

(4)  Global Initiative (2021), The Global Illicit Economy.

(5)  ABl. C 517 vom 22.12.2021, S. 86.

(6)  Richtlinie 2009/52/EG.

(7)  COM(2020) 605 final.

(8)  COM(2021) 170 final.

(9)  COM(2021) 171 final.

(10)  CPME statement on criminalisation of acts of solidarity. Siehe auch den Bericht des Europäischen Parlaments (2019): Fit for purpose? The Facilitation Directive and the criminalisation of humanitarian assistance to irregular migrants: 2018 update.

(11)  Artikel 6 des Zusatzprotokolls gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität.

(12)  CPME statement on criminalisation of acts of solidarity. Siehe auch den Bericht des Europäischen Parlaments (2019): Fit for purpose? The Facilitation Directive and the criminalisation of humanitarian assistance to irregular migrants: 2018 update.

(13)  Sachverständigenrat für das Gesetz über nichtstaatliche Organisationen — Konferenz der internationalen nichtstaatlichen Organisationen des Europarates: Using criminal law to restrict the work of NGOs supporting refugees and other migrants in Council of Europe Member States (2019).

(14)  ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 24.

(15)  Ziel 9 des globalen Pakts für eine sichere, geordnete und reguläre Migration: Verstärkung der grenzübergreifenden Bekämpfung der Schleusung von Migranten. Siehe auch Ziffer 25 (c): geschlechtersensible und kindergerechte Protokolle für die Kooperation entlang der Migrationsrouten erarbeiten, in denen Schritt für Schritt Maßnahmen zur adäquaten Identifizierung und Unterstützung geschleuster Migranten aufgeführt sind.

(16)  JOIN(2021) 32 final, Responding to state-sponsored instrumentalisation of migrants at the EU external border.

(17)  https://www.eesc.europa.eu/de/news-media/presentations/eesc-expresses-its-concern-about-situation-border-belarus.

(18)  Bigio, J., & Vogelstein, R. B. (2021), Ending Human Trafficking in the Twenty-First Century, Council on Foreign Relations.