24.8.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 341/66


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/794 in Bezug auf die Zusammenarbeit von Europol mit privaten Parteien, die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Europol zur Unterstützung strafrechtlicher Ermittlungen und die Rolle von Europol in Forschung und Innovation“

(COM(2020) 796 final — 2020/0349 (COD))

(2021/C 341/10)

Berichterstatter:

Philip VON BROCKDORFF

Befassung

Europäische Kommission, 24.2.2021

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

Annahme in der Fachgruppe

26.5.2021

Verabschiedung auf der Plenartagung

9.6.2021

Plenartagung Nr.

561

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

233/2/3

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag der Kommission zur Stärkung des Mandats von Europol insofern, als damit Datenschutzgarantien und Forschungskapazitäten verbessert werden, was dazu beitragen wird, zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und terroristischer Aktivitäten zu intensivieren und die operative polizeiliche Zusammenarbeit in den EU-Mitgliedstaaten zu stärken.

1.2.

Der EWSA begrüßt ebenfalls die vorgeschlagene Zusammenarbeit von Europol mit Drittstaaten und die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit privaten Parteien oder Anbietern, insbesondere im Hinblick auf den Austausch von Daten. Der EWSA ist der Ansicht, dass private Anbieter eine Anlaufstelle auf EU-Ebene haben sollten, der sie Informationen melden können, die für strafrechtliche Ermittlungen von Belang sein könnten. Mit dem Vorschlag der Kommission wird dieser Mangel behoben.

1.3.

Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission auch deshalb, weil er die für Verbrechensverhütung zuständigen Behörden darin unterstützen soll, innovative Lösungen zur Bekämpfung der internationalen Kriminalität zu finden und mit den Entwicklungen in diesem Bereich Schritt zu halten. Mit dem Vorschlag sollen auch die Kompetenzen und Forschungskapazitäten von Europol und den nationalen Strafverfolgungsbehörden weiterentwickelt werden.

1.4.

Der EWSA betont, dass bei der Stärkung der Fähigkeiten von Europol grenzüberschreitende Ermittlungen, insbesondere in Fällen schwerwiegender Angriffe auf Hinweisgeber und investigative Journalisten, die eine wesentliche Rolle bei der Aufdeckung von Korruption, Betrug, Misswirtschaft und anderem Fehlverhalten im öffentlichen und privaten Sektor spielen, eine Priorität sein sollten.

1.5.

Der EWSA hat des Weiteren keine Bedenken hinsichtlich des Schutzes der Privatsphäre und der Grundrechte bei der Datenverarbeitung. Durch modernisierte und harmonisierte Rechtsvorschriften würde vielmehr eine effektivere Prüfung von Datenschutzfragen ermöglicht und gleichzeitig ein Gleichgewicht zwischen den Sicherheitsanforderungen der einzelnen Mitgliedstaaten und denen der EU erreicht.

1.6.

Derzeit kann Europol den Strafverfolgungsbehörden in den Mitgliedstaaten Informationen zu kriminellen Tätigkeiten aus Drittstaaten oder von internationalen Organisationen nicht direkt und in Echtzeit zur Verfügung stellen. Daher soll mit den vorgeschlagenen Änderungen diese Sicherheitslücke geschlossen und eine neue Ausschreibungskategorie eingeführt werden, die in klar definierten Fällen ausschließlich von Europol verwendet wird. Der EWSA begrüßt dementsprechend die Einführung einer neuen Ausschreibungskategorie zur Festigung des Schengener Informationssystems.

1.7.

Die Ausweitung der Befugnisse und Ressourcen von Europol geht mit dem Bemühen um Effizienz einher, da Größenvorteile ein kosteneffizientes Vorgehen ermöglichen. Der EWSA ist der Auffassung, dass die vorgeschlagene Aufstockung des Haushalts von Europol eine positive Reaktion im Sinne eines stärkeren Schutzes der EU-Bürger sowie der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Europol und nationalen Strafverfolgungsbehörden ist. Er erwartet jedoch auch, dass sich diese Aufstockung in der Zahl der Einsatzkräfte von Europol und in einer größeren organisatorischen Effizienz niederschlägt.

1.8.

Insgesamt ist der EWSA der Auffassung, dass die Vorschläge ein Schritt in die richtige Richtung sind, da die Rolle von Europol mit Blick auf die sich verändernde Lage ausgeweitet wird. Die Arbeit von Europol hängt jedoch weiterhin stark von den Tätigkeiten und Maßnahmen der Mitgliedstaaten sowie den von nationalen Strafverfolgungsbehörden erfassten Daten ab. Daher stellt sich insbesondere angesichts einer zunehmend globalisierten Welt die Frage, ob es nicht an der Zeit ist, Europol ein Tätigwerden auf eigene Initiative zu ermöglichen.

1.9.

In diesem Zusammenhang vertritt der EWSA ebenfalls die Ansicht, dass künftig möglicherweise noch entschiedenere Schritte zur Erweiterung des Mandats und des Tätigkeitsbereichs von Europol unternommen werden müssen. Wie im Vorschlag festgestellt wird, geht die organisierte Kriminalität immer trickreicher vor, und die gefährlichsten kriminellen Netzwerke haben zunehmend einen grenzübergreifenden Charakter. Da sich die organisierte Kriminalität ständig weiterentwickelt, muss das Mandat von Europol langfristig angepasst werden, damit der Agentur bei der europäischen Sicherheit eine noch zentralere Rolle zukommt.

1.10.

Aus diesem Grund empfiehlt der EWSA zu gegebener Zeit eine unabhängige Überprüfung der Rolle und Zuständigkeiten von Europol. Bei der Überprüfung sollte auch untersucht werden, wie sich die nationalen Verfahren zur Strafverfolgung und Datenerhebung auf die von Europol vorgelegten Analysen auswirken. Bei dieser Überprüfung wären auch die Standpunkte der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner sowie sonstiger wichtiger Interessenträger zu berücksichtigen.

2.   Vorschlag der Europäischen Kommission

2.1.

In Reaktion auf die zunehmenden Sicherheitsbedrohungen, insbesondere durch kriminelle Organisationen, hat die Europäische Kommission am 9. Dezember 2020 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/794 in Bezug auf die Zusammenarbeit von Europol mit privaten Parteien, die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Europol zur Unterstützung strafrechtlicher Ermittlungen und die Rolle von Europol in Forschung und Innovation veröffentlicht.

2.2.

Der Vorschlag zielt insbesondere auf folgende zentrale Punkte ab:

i)

Befähigung von Europol zur wirksamen Zusammenarbeit mit privaten Parteien;

ii)

Befähigung von Europol, die Mitgliedstaaten bei der Analyse umfangreicher und komplexer Datensätze (Big Data) zu unterstützen;

iii)

Europol unabhängig von der grenzüberschreitenden Dimension einer Straftat die Möglichkeit geben, die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats zu ersuchen, Ermittlungen zu einer Straftat, die ein gemeinsames Interesse verletzt, das Gegenstand einer EU-Politik ist, einzuleiten, durchzuführen oder zu koordinieren.

2.3.

Die Kommission hält es auch für notwendig, die Zusammenarbeit von Europol mit der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) sowie mit Drittstaaten zu stärken. Europols Rolle bei Forschung und Innovation, ihr Datenschutzrahmen und die entsprechende parlamentarische Kontrolle werden ebenfalls gestärkt.

2.4.

Im Hinblick auf die verstärkte Zusammenarbeit mit privaten Parteien enthält der Vorschlag Bestimmungen, nach denen Europol personenbezogene Daten mit privaten Parteien austauschen kann (um die Agentur in die Lage zu versetzen, personenbezogene Daten von privaten Parteien zu erhalten) sowie diese Parteien über fehlende Informationen informieren und die Mitgliedstaaten ersuchen kann, andere private Parteien zur Weitergabe zusätzlicher Informationen aufzufordern.

2.5.

Mit den Bestimmungen wird auch die Möglichkeit eingeführt, dass Europol als technischer Kanal für den Austausch zwischen den Mitgliedstaaten und den privaten Parteien fungiert. Zur Verbesserung der Krisenreaktion wird in weiteren Vorschriften die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei ihren Bemühungen geregelt, die großflächige Verbreitung terroristischer Inhalte (die sich auf aktuelle oder kürzlich stattgefundene reale Ereignisse beziehen und in denen Angriffe auf das Leben oder die körperliche Unversehrtheit anderer gezeigt werden oder unmittelbar zu Angriffen auf das Leben oder die körperliche Unversehrtheit anderer aufgerufen wird) über Online-Plattformen zu verhindern.

2.6.

Um umfangreiche und komplexe Datensätze verarbeiten zu können, beabsichtigt die Kommission, die Möglichkeit zu schaffen, eine Vorabanalyse personenbezogener Daten durchzuführen, deren einziger Zweck darin besteht, festzustellen, ob diese Daten in die einzelnen Kategorien von betroffenen Personen fallen und mit einem Verbrechen in Zusammenhang stehen.

2.7.

Um die strafrechtlichen Ermittlungen in den Mitgliedstaaten oder durch die EUStA in bestimmten Fällen wirksam zu unterstützen, würde Europol Daten, die die nationalen Behörden oder die EUStA im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen erlangt haben, im Einklang mit den nach nationalem Strafrecht geltenden Verfahrensanforderungen und -garantien verarbeiten können. Zu diesem Zweck wäre es Europol erlaubt, alle in einer vom Mitgliedstaat oder der EUStA zur Verfügung gestellten Ermittlungsakte enthaltenen Daten so lange zu verarbeiten (und auf Ersuchen zu speichern), wie Europol diese bestimmte strafrechtliche Ermittlung unterstützt.

2.8.

Die Kommission schlägt ferner die Einführung einer neuen Ausschreibungskategorie in das Schengener Informationssystem vor. Dieser Vorschlag geht darauf zurück, dass Europol nicht in der Lage ist, den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten direkt und in Echtzeit Informationen aus Drittländern oder von internationalen Organisationen über Personen zur Verfügung zu stellen, die einer Straftat oder terroristischen Straftat verdächtigt beziehungsweise aufgrund einer solchen verurteilt wurden.

2.9.

Im Hinblick auf den Haushalt wären laut dem Vorschlag für den Zeitraum des mehrjährigen Finanzrahmens 2021–2027 zusätzliche Haushaltsmittel in Höhe von etwa 180 Mio. EUR und rund 160 zusätzliche Stellen erforderlich.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Europa ist in allen (privaten und öffentlichen) Tätigkeitsfeldern mit sich verändernden und immer komplexeren Sicherheitsbedrohungen konfrontiert. Der digitale Wandel, moderne Technologien und die Tatsache, dass es für Kriminelle leicht ist, ihre Tätigkeiten über das Internet abzuwickeln, haben zu einer Zunahme krimineller Aktivitäten in Europa und weltweit sowie zu einem exponentiellen Anstieg der Cyberkriminalität geführt.

3.2.

Auch der Terrorismus stellt nach wie vor eine erhebliche Bedrohung für die Freiheit und die Lebensweise der EU und ihrer Bürgerinnen und Bürger dar. Durch die COVID-19-Krise haben sich diese Bedrohungen verschärft, kriminelle Organisationen haben sich die Krise zunutze gemacht und ihre Vorgehensweisen angepasst oder neue kriminelle Tätigkeiten entwickelt.

3.3.

Diese sich entwickelnden Sicherheitsbedrohungen erfordern eine wirksame Unterstützung der Arbeit nationaler Strafverfolgungsbehörden auf EU-Ebene. Diese Bedrohungen breiten sich über Grenzen hinweg aus, erstrecken sich über eine große Bandbreite von Straftaten und manifestieren sich in organisierten kriminellen Vereinigungen, die an einem breiten Spektrum krimineller Tätigkeiten beteiligt sind.

3.4.

Angesichts dieser Entwicklungen reichen Maßnahmen auf nationaler Ebene allein nicht aus, um die grenzüberschreitenden Sicherheitsprobleme zu bewältigen. Die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten greifen zunehmend auf die Unterstützung und das Fachwissen zurück, die Europol — die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung — zur Bekämpfung von schwerer Kriminalität und Terrorismus bietet.

3.5.

Europol bildet auf EU-Ebene das Kernstück der Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von schwerer Kriminalität und Terrorismus. Die Agentur bietet den nationalen Strafverfolgungsbehörden Unterstützung und Fachwissen bei der Prävention und Bekämpfung der schweren Kriminalität, die zwei oder mehrere Mitgliedstaaten betrifft, des Terrorismus und der Kriminalitätsformen, die ein gemeinsames Interesse verletzen, das Gegenstand einer EU-Politik ist. Seit Inkrafttreten der Europol-Verordnung im Jahr 2016 hat sich die operative Bedeutung der Aufgaben der Agentur erheblich verändert, und ihre operative Unterstützung hat weiter zugenommen. Europol ist nun an fast allen größeren Ermittlungen zur Bekämpfung des Terrorismus in der EU beteiligt.

3.6.

Vor dem Hintergrund sich entwickelnder und zunehmend komplexer werdender grenzüberschreitender Sicherheitsbedrohungen, bei denen die Grenzen zwischen der physischen und der digitalen Welt verschwimmen, sowie der anhaltend hohen Bedrohung durch den Terrorismus in Europa wird eine Stärkung der Fähigkeiten und Instrumente von Europol zur wirksamen Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von schwerer Kriminalität und Terrorismus als begrüßenswerte Reaktion betrachtet, die zur rechten Zeit kommt.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission zur Stärkung des Mandats von Europol, da er darauf abzielt, die Datenschutzgarantien zu verbessern und die Rolle von Europol im Bereich der Forschung auszuweiten.

4.2.

Der EWSA begrüßt ebenfalls die vorgeschlagene operative Zusammenarbeit mit Drittstaaten und die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit privaten Parteien, insbesondere im Hinblick auf den Austausch von Daten. Der EWSA hält den Vorschlag, eine Zusammenarbeit mit privaten Parteien zu ermöglichen, nicht für unverhältnismäßig. Vielmehr wird der Vorschlag angesichts der fortschreitenden Entwicklung der internationalen Internet- und Mobilgerät-Kriminalität als durchaus notwendig erachtet. Kriminelle Organisationen nutzen für ihre Kommunikation und die Durchführung rechtswidriger Handlungen zunehmend grenzüberschreitende Dienstleistungen privater Parteien. Gegenwärtig besteht für private Anbieter auf EU-Ebene jedoch keine Anlaufstelle, der sie Informationen melden können, die für strafrechtliche Ermittlungen von Belang sein könnten. Mit dem Vorschlag soll diese Lücke geschlossen werden. Durch die Änderung der rechtlichen Vorschriften würde Europol in die Lage versetzt, als Anlaufstelle zu fungieren und Straftaten oder Fälle, zu denen Ermittlungen in einem oder mehreren Mitgliedstaaten laufen, zentral zu untersuchen. Diese Regelung ermöglicht die Entwicklung der notwendigen Zusammenarbeit zwischen Europol und privaten Parteien.

4.3.

In der Änderung wird vorgeschlagen, dass Europol bei der Unterstützung der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Entwicklung neuer technischer Lösungen auf der Grundlage künstlicher Intelligenz zum Nutzen der nationalen Strafverfolgungsbehörden in der gesamten EU eine Schlüsselrolle zukommt. Die Suche nach innovativen Lösungen ist ein wichtiger Teil der Bekämpfung der internationalen Kriminalität und soll sicherstellen, dass die für die Verbrechensbekämpfung zuständigen Behörden mit dem sich verändernden Umfeld Schritt halten können. Dies kann nur durch eine abgestimmte Forschungstätigkeit erreicht werden. Der EWSA befürwortet daher die proaktive Rolle von Europol bei der zentralen Unterstützung von Strafverfolgungsbehörden in den Mitgliedstaaten bei i) der Ermittlung von Innovationen und ii) der Entwicklung von Kompetenzen und Fähigkeiten dieser Behörden, wobei in der EU entwickelte Technologien und Innovationen genutzt werden sollten, statt auf Sicherheitslösungen aus Drittstaaten zurückzugreifen.

4.4.

Im Hinblick auf den Datenschutz von Einzelpersonen soll mit den Änderungen sichergestellt werden, dass die Privatsphäre und die Grundrechte bei der Verarbeitung verschiedener Arten von Daten uneingeschränkt geschützt werden. Der EWSA ist ferner der Ansicht, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten bereits sehr streng geregelt ist und daher keine Probleme zu erkennen sind. Durch modernisierte und harmonisierte Rechtsvorschriften würde vielmehr eine effektivere Prüfung von Datenschutzfragen ermöglicht und gleichzeitig ein Gleichgewicht zwischen den Sicherheitsanforderungen der einzelnen Mitgliedstaaten und der EU als Ganzes erreicht.

4.5.

Der EWSA stellt ferner fest, dass Europol derzeit nicht in der Lage ist, den Strafverfolgungsbehörden in den Mitgliedstaaten direkt und in Echtzeit Informationen aus Drittländern oder von internationalen Organisationen über Personen zur Verfügung zu stellen, die einer Straftat oder terroristischen Straftat verdächtigt beziehungsweise aufgrund einer solchen verurteilt wurden. Diese Sicherheitslücke soll mit dem Vorschlag der Kommission geschlossen werden. Der EWSA begrüßt dies ebenso wie die Einführung einer neuen Ausschreibungskategorie, die in bestimmten und klar definierten Fällen und Umständen ausschließlich von Europol verwendet wird.

4.6.

Seines Erachtens könnte es jedoch erforderlich sein, dass die Kommission künftig noch entschiedenere Schritte unternimmt, um das Mandat und den Tätigkeitsbereich von Europol auszuweiten. Wie im Vorschlag festgestellt wird, hat sich die Kriminalität weiterentwickelt; die gefährlichsten kriminellen Netzwerke haben zunehmend einen grenzübergreifenden Charakter. Daher ist eine Zusammenarbeit zwischen den europäischen Staaten und Polizeikräften wichtig. Das Mandat von Europol muss langfristig angepasst werden, damit der Agentur bei der europäischen Sicherheit eine noch zentralere Rolle zukommt.

4.7.

Der EWSA betont, dass bei der Stärkung der Fähigkeiten von Europol grenzüberschreitende Ermittlungen, insbesondere in Fällen schwerwiegender Angriffe auf Hinweisgeber und investigative Journalisten, die eine wesentliche Rolle bei der Aufdeckung von Korruption, Betrug, Misswirtschaft und anderem Fehlverhalten im öffentlichen und privaten Sektor spielen, eine Priorität sein sollten. Dies steht im Einklang mit der Entschließung des Europäischen Parlaments vom Juli 2020, in der eine Stärkung des Mandats zur Sprache gebracht wird, damit Europol bei schwerwiegenden Angriffen auf Hinweisgeber und investigative Journalisten die Einleitung grenzüberschreitender Ermittlungen beantragen kann (1).

4.8.

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Ausweitung der Befugnisse von Europol mit dem Bemühen um Effizienz einhergeht, da Größenvorteile ein kosteneffizientes Vorgehen ermöglichen. Eine weitere Stärkung des Mandats der Agentur und eine Aufstockung ihrer Ressourcen sind notwendig, wenn die europäische Gesellschaft sich geschützt fühlen und geschützt werden soll.

4.9.

Eine weitere Stärkung des Mandats von Europol bedeutet nach Ansicht des EWSA, dass die Abstimmung zwischen den nationalen Strafverfolgungsbehörden und Europol weiter verbessert werden muss, wobei Europol als Zentrum für Analyse und Innovation dienen sollte. In diesem Zusammenhang wird der Legislativvorschlag als Schritt in die richtige Richtung gesehen. Eine Abstimmung zwischen Europol und den Mitgliedstaaten ist dabei äußerst wichtig; die Vorschläge bieten eine solide Grundlage für eine Verbesserung dieser Abstimmung.

4.10.

Kriminelle Tätigkeiten kennen jedoch keine Grenzen, und so wirft der EWSA die Frage auf, ob es in einer zunehmend globalisierten Welt nicht an der Zeit ist, Europol die Möglichkeit zu geben, aus eigener Initiative tätig zu werden. Sollte Europol das Recht haben, Ermittlungen einzuleiten und proaktiv Strafverfolgungsmaßnahmen in den Mitgliedstaaten durchzuführen? Dies ist derzeit nicht gestattet. Aufgrund der Entwicklungen bei den kriminellen Tätigkeiten wäre es eventuell jedoch notwendig, dass eine Diskussion darüber geführt wird, ob Europol in der Lage sein sollte, strafrechtliche Ermittlungen in einem größeren Umfang einzuleiten.

4.11.

Wie bereits festgestellt, sind die Vorschläge ein Schritt in die richtige Richtung, da die Rolle von Europol ausgeweitet wird, um auf die sich verändernde Lage zu reagieren. Die Arbeit von Europol wird jedoch weiterhin stark von den Tätigkeiten und Maßnahmen der Mitgliedstaaten und den von nationalen Strafverfolgungsbehörden erfassten Daten abhängen. Der EWSA ist daher der Ansicht, dass eine unabhängige Überprüfung der Effektivität, mit der Europol ihre Aufgaben und Tätigkeiten durchführt (die in erheblichem Maße auch von der Effektivität der nationalen Strafverfolgungsbehörden abhängen), äußerst sinnvoll sein könnte. Im Rahmen der Überprüfung, die evtl. von einer kleinen Gruppe ranghoher Justiz- und Polizeikräfte im Ruhestand durchgeführt wird, würde ebenfalls untersucht werden, wie sich Strafverfolgungsverfahren und Datenerhebung auf nationaler Ebene auf die Analysen und Bewertungen von Europol auswirken und wie dies wiederum die nationale Strafverfolgung beeinflusst. Bei dieser Überprüfung müssten auch die Standpunkte der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner sowie der entsprechenden Interessenträger berücksichtigt werden, insbesondere von Gruppen und Einzelnen, deren Leben durch Strafverfolgungsmaßnahmen unangemessen oder ungerechtfertigt beeinträchtigt werden könnte.

Brüssel, den 9. Juni 2021

Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Christa SCHWENG


(1)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Juli 2020 zu einer umfassenden Politik der Union zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (2020/2686(RSP).