1.7.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 217/15


Zusammenfassung der Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zur Aufnahme von Verhandlungen über eine neue Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich

(Der vollständige Text dieser Stellungnahme ist in englischer, französischer und deutscher Sprache auf der Internetpräsenz des EDSB unter www.edps.europa.eu erhältlich)

(2020/C 217/07)

Zusammenfassung

Am 3. Februar 2020 hat die Europäische Kommission eine Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über eine neue Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland angenommen.

Ziel der Verhandlungen ist es, eine Partnerschaft zwischen der Union — sowie je nach Sachlage Euratom — und dem Vereinigten Königreich zu begründen‚ die umfassend ist und die in der Politischen Erklärung genannten Interessenbereiche abdeckt. Diese Partnerschaft würde drei Hauptkomponenten umfassen: allgemeine Regelungen (einschließlich u. a. Bestimmungen zu den Grundwerten und Grundlagen für die Zusammenarbeit sowie zur Governance) sowie eine Wirtschaftspartnerschaft und eine Sicherheitspartnerschaft.

Der EDSB begrüßt und unterstützt das Ziel der Kommission, eine umfassende Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich zu vereinbaren, welche eine Zusammenarbeit vorsieht, deren wesentliche Elemente insbesondere die Achtung und die Wahrung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit sein sollten, womit bekräftigt wird, dass sich die Parteien dafür einsetzen, ein hohes Schutzniveau für personenbezogene Daten zu gewährleisten und die Vorschriften der Union über den Schutz personenbezogener Daten uneingeschränkt einzuhalten.

Da die enge Zusammenarbeit zwischen der Union und dem Vereinigten Königreich nach dem Ende des Übergangszeitraums voraussichtlich weitergehen wird, begrüßt und unterstützt der EDSB auch, dass sich die Kommission in ihrer Empfehlung dafür einsetzt, auf die Annahme von Angemessenheitsbeschlüssen hinzuwirken, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

Diese Stellungnahme zielt darauf ab, konstruktiven und objektiven Rat bezüglich der geplanten Partnerschaft und der Angemessenheitsbeurteilung zu erteilen.

Der EDSB gibt die folgenden drei Hauptempfehlungen bezüglich der geplanten Partnerschaft:

Es sollte sichergestellt werden, dass die Sicherheits- und die Wirtschaftspartnerschaft durch ähnliche Verpflichtungen zur Wahrung der Grundrechte, einschließlich des angemessenen Schutzes personenbezogener Daten, untermauert sind.

Es sollten Prioritäten dafür festgelegt werden, in welchen anderen Bereichen als der Strafverfolgung Regelungen für die internationale Zusammenarbeit abgeschlossen werden sollten, insbesondere für die Zusammenarbeit zwischen Behörden, einschließlich der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union.

Die Frage der Weitergabe personenbezogener Daten sollte sowohl für die Wirtschafts- als auch die Sicherheitspartnerschaft im Lichte des Gutachtens 1/15 des Gerichtshofs beurteilt werden.

Hinsichtlich der Beurteilung der Angemessenheit weist der EDSB auf folgende Punkte hin:

die Bedeutung dieser Beurteilung nach Maßgabe der Strafverfolgungsrichtlinie und der DSGVO für die behördliche Zusammenarbeit und deren Auswirkungen auf die Weitergabe durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Union an das Vereinigte Königreich;

die Bedeutung der Festlegung des Gegenstands der geplanten Angemessenheitsbeschlüsse, insbesondere nach Maßgabe der Strafverfolgungsrichtlinie;

dass die Annahme von Angemessenheitsbeschlüssen besonderen Bedingungen und Voraussetzungen unterliegt und dass der EDSA, falls die Kommission einen Entwurf für einen Angemessenheitsbeschluss vorlegt, ordnungsgemäß und rechtzeitig einbezogen werden sollte;

dass wegen der besonderen Situation des Vereinigten Königreichs jede erhebliche Abweichung vom Besitzstand der Europäischen Union im Bereich Datenschutz, durch die das Schutzniveau abgesenkt würde, ein wichtiges Hindernis wäre, dass der Angemessenheitsfeststellung entgegenstünde.

Abschließend empfiehlt der EDSB, dass die Union Maßnahmen ergreifen sollte, um sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten, auch darauf, dass einer oder mehrere Angemessenheitsbeschlüsse nicht innerhalb des Übergangszeitraums gefasst werden können, dass gar kein Angemessenheitsbeschluss gefasst wird oder dass ein solcher nur in Bezug auf einige Bereiche gefasst wird.

Für weitere Beratung während der Verhandlungen und vor dem endgültigen Abschluss der geplanten Partnerschaft steht der EDSB der Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Verfügung.

1.   EINLEITUNG

1.

Am 1. Februar 2020 ist das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland (im Folgenden „Vereinigtes Königreich“) aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft ausgetreten. Die Einzelheiten des Austritts sind im Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft festgelegt (1).

2.

Im Austrittsabkommen, das am 1. Februar 2020 in Kraft trat, ist ein Übergangszeitraum vorgesehen, in dem nach dem Abkommen das Unionsrecht für das Vereinigte Königreich und im Vereinigten Königreich gilt. Dieser Zeitraum endet am 31. Dezember 2020, es sei denn, der mit dem Austrittsabkommen eingesetzte Gemeinsame Ausschuss erlässt vor dem 1. Juli 2020 einen einzigen Beschluss zur Verlängerung des Übergangszeitraums um höchstens ein oder zwei Jahre. Dem Austrittsabkommen (2) war die Politische Erklärung zur Festlegung des Rahmens für die künftigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich (2020/C 34/01) (im Folgenden „Politische Erklärung“) (3) beigefügt.

3.

Am 3. Februar 2020 hat die Europäische Kommission eine Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über eine neue Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (4) (im Folgenden „Empfehlung“) angenommen. Der Anhang zur Empfehlung (im Folgenden „Anhang“) enthält die Verhandlungsrichtlinien des Rates für die Kommission, also die Ziele, die die Kommission im Namen der Union im Zuge der Verhandlungen erreichen sollte.

4.

Die Empfehlung wurde auf der Grundlage des Verfahrens gemäß Artikel 218 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) für Übereinkünfte zwischen der EU und Drittländern angenommen. Als materielle Rechtsgrundlage für den Beschluss empfiehlt die Kommission zum gegenwärtigen Zeitpunkt Artikel 217 AEUV (Assoziierungsabkommen), wobei anerkannt wird, dass „[d]ie materielle Rechtsgrundlage für die Unterzeichnung und den Abschluss der neuen Partnerschaft … erst am Ende der Verhandlungen bestimmt werden [kann]“.

5.

„Bei der geplanten Partnerschaft handelt es sich um ein Gesamtpaket, das drei Hauptkomponenten umfasst:

allgemeine Regelungen (einschließlich Bestimmungen zu den Grundwerten und Grundsätzen sowie zur Governance),

wirtschaftliche Regelungen (einschließlich Bestimmungen über den Handel und die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen) und

Regelungen im Bereich der Sicherheit (einschließlich Bestimmungen über Strafverfolgung und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen sowie über Außenpolitik, Sicherheit und Verteidigung)“ (5).

6.

Am 12. Februar 2020 hat das Europäische Parlament eine Entschließung zu dem vorgeschlagenen Mandat für Verhandlungen über eine neue Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (6) angenommen.

Der EDSB begrüßt, dass er am 12. Februar 2020 von der Europäischen Kommission bezüglich der Empfehlung konsultiert wurde. Diese Stellungnahme lässt etwaige zusätzliche Anmerkungen, die der EDSB auf der Grundlage weiterer, in Zukunft verfügbarer Informationen abgeben könnte, unberührt. Der EDSB geht davon aus, dass er gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 zu gegebener Zeit bezüglich des Wortlauts des Entwurfs für das Partnerschaftsabkommen konsultiert wird.

5.   SCHLUSSFOLGERUNG

20.

Der EDSB begrüßt und unterstützt das Ziel der Kommission, eine umfassende Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich zu vereinbaren, welche eine Zusammenarbeit vorsieht, deren wesentliche Elemente insbesondere die Achtung und die Wahrung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit sein sollten, womit bekräftigt wird, dass sich die Parteien dafür einsetzen, ein hohes Schutzniveau für personenbezogene Daten zu gewährleisten und die Vorschriften der Union über den Schutz personenbezogener Daten uneingeschränkt einzuhalten.

21.

Da die enge Zusammenarbeit zwischen der Union und dem Vereinigten Königreich nach dem Ende des Übergangszeitraums voraussichtlich weitergehen wird, begrüßt und unterstützt der EDSB auch, dass sich die Kommission in ihrer Empfehlung dafür einsetzt, auf die Annahme von Angemessenheitsbeschlüssen hinzuwirken, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

22.

Diese Stellungnahme zielt daher darauf ab, den Organen der Union konstruktiven und objektiven Rat zu erteilen bezüglich des Ersuchens der Kommission um Genehmigung der Verhandlungen über eine neue Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich und ihrer Absicht, auf Angemessenheitsbeschlüsse hinzuwirken, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind.

23.

Zu diesem Zweck empfiehlt der EDSB hinsichtlich der geplanten Partnerschaft:

Es sollte sichergestellt werden, dass die Sicherheits- und die Wirtschaftspartnerschaft durch ähnliche Verpflichtungen zur Wahrung der Grundrechte, einschließlich des angemessenen Schutzes personenbezogener Daten, untermauert sind.

Es sollten Prioritäten dafür festgelegt werden, in welchen anderen Bereichen als der Strafverfolgung Regelungen für die internationale Zusammenarbeit abgeschlossen werden sollten, insbesondere für die Zusammenarbeit zwischen Behörden, einschließlich der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union.

Die Frage der Weitergabe personenbezogener Daten sollte sowohl für die Wirtschafts- als auch für die Sicherheitspartnerschaft im Lichte des Gutachtens 1/15 des Gerichtshofs beurteilt werden, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Verarbeitung von PNR-Daten, sondern auch im Hinblick auf die Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaften.

24.

Hinsichtlich der Beurteilung der Angemessenheit wird vom EDSB hingewiesen auf die Wichtigkeit:

dieser Beurteilung nach Maßgabe der Strafverfolgungsrichtlinie und der DSGVO für die Zusammenarbeit zwischen Behörden sowie deren Auswirkungen auf die Weitergabe durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Union an das Vereinigte Königreich;

der Festlegung des Gegenstands der geplanten Angemessenheitsbeschlüsse, insbesondere nach Maßgabe der Strafverfolgungsrichtlinie.

25.

Er erinnert daran, dass die Annahme von Angemessenheitsbeschlüssen besonderen Bedingungen und Voraussetzungen unterliegt, und dass der EDSA, falls die Kommission einen Entwurf für einen Angemessenheitsbeschluss vorlegt, ordnungsgemäß und rechtzeitig einbezogen werden sollte. Er betont, dass wegen der besonderen Situation des Vereinigten Königreichs jede erhebliche Abweichung vom Besitzstand der Europäischen Union im Bereich Datenschutz, durch die das Schutzniveau abgesenkt würde, ein wichtiges Hindernis wäre, dass der Angemessenheitsfeststellung entgegenstünde. Außerdem empfiehlt der EDSB, dass die Union Maßnahmen ergreift, um sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten, auch darauf, dass einer oder mehrere Angemessenheitsbeschlüsse nicht innerhalb des Übergangszeitraums gefasst werden können, dass gar kein Angemessenheitsbeschluss gefasst wird oder dass ein solcher nur in Bezug auf einige Bereiche gefasst wird.

26.

Abschließend weist der EDSB darauf hin, dass er der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament in den weiteren Phasen dieses Prozesses zur Konsultation zur Verfügung steht. Die Anmerkungen in dieser Stellungnahme lassen zusätzliche Anmerkungen, die der EDSB im Hinblick auf etwaige weitere Problematiken auf Grundlage dann vorliegender weiterer Informationen ergänzen könnte, unberührt. Er erwartet, dass er zum Wortlaut des Entwurfs für das Partnerschaftsabkommen vor dessen Fertigstellung zurate gezogen wird.

Brüssel, den 24. Februar 2020

Wojciech Rafał WIEWIÓROWSKI

Europäischer Datenschutzbeauftragter


(1)  ABl. L 29 vom 31.1.2020, S. 7.

(2)  Artikel 184 des Austrittsabkommens lautet: „Die Union und das Vereinigte Königreich bemühen sich nach besten Kräften, in gutem Glauben und unter uneingeschränkter Achtung ihrer jeweiligen Rechtsordnung die erforderlichen Schritte einzuleiten, um die in der politischen Erklärung vom 17. Oktober 2019 genannten Abkommen über ihre künftigen Beziehungen rasch auszuhandeln, und die entsprechenden Verfahren zur Ratifizierung oder zum Abschluss dieser Abkommen durchzuführen, um sicherzustellen, dass diese Abkommen, so weit als möglich ab dem Ende des Übergangszeitraums gelten.“

(3)  ABl. C 34 vom 31.1.2020, S. 1.

(4)  COM(2020) 35 final.

(5)  Seite 2 der Empfehlung.

(6)  2020/2557(RSP) Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. Februar 2020 zu dem vorgeschlagenen Mandat für Verhandlungen über eine neue Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (P9_TA(2020)0033).