7.5.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 175/10


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Aktionsplan für kritische Rohstoffe

(2021/C 175/03)

Berichterstatterin:

Isolde RIES (DE/SPE)

Erste Vizepräsidentin des Landtages des Saarlandes

Referenzdokument:

COM(2020) 474 final

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Allgemeine Bemerkungen

1.

betont, dass moderne Gesellschaften und Volkswirtschaften ohne eine zuverlässige, sichere, wettbewerbsfähige und umweltverträgliche Rohstoffversorgung nicht dauerhaft funktionieren können. Kritische Rohstoffe sind dabei jene Rohstoffe, die von hoher ökonomischer Bedeutung sind, für die jedoch zum jetzigen Zeitpunkt keine gesicherte und dauerhafte Versorgung aus heimischen Rohstoffquellen in der Europäischen Union gegeben ist;

2.

vertritt die Auffassung, dass die EU eine starke industrielle Basis braucht, die aufgrund der Verpflichtungen zu dem Übergang zu einer CO2-emissionsärmeren Wirtschaft und der zunehmenden Digitalisierung in hohem Maße auf eine angemessene Rohstoffversorgung und eine effiziente Nutzung und Wiederverwertung dieser Rohstoffe angewiesen ist;

3.

weist darauf hin, dass einer Studie der Europäischen Kommission (1) zufolge der Bedarf an kritischen Rohstoffen für strategische Technologien und Sektoren bis 2030 bzw. 2050 auf der Grundlage der derzeit verfügbaren Informationen stark ansteigen wird und zum Beispiel die EU für Elektrofahrzeugbatterien und Energiespeicher 2030 bis zu 18-mal mehr Lithium und 5-mal mehr Kobalt als heute sowie 2050 fast 60-mal mehr Lithium und 15-mal mehr Kobalt als heute benötigen würde;

4.

gibt zu bedenken, dass weltweit betrachtet weniger als 5 % der kritischen Rohstoffe in der EU gewonnen bzw. produziert werden, während auf die Industrie der EU rund 20 % des globalen Verbrauchs kritischer Rohstoffe entfallen. Die EU hängt in besonders starker Weise von Importen kritischer Rohstoffe ab, die eine Schlüsselrolle für zukünftige Technologien besitzen und wie zum Beispiel seltene Metalle und Elemente für innovative technische Anwendungen wichtig sind. Sie werden damit für jene Produktion und Wertschöpfung benötigt, in denen die europäische Wirtschaft eine wichtige globale Führungsrolle einnehmen will. Das betrifft zum Beispiel den Rohstoffeinsatz im europäischen Grünen Deal für einen vorgesehenen Übergang zu einer sicheren, sauberen und bezahlbaren Energieversorgung auf der Basis erneuerbarer Energieträger, dem Weg zu einer sauberen und mehr zirkulären Wirtschaft oder auch Mobilität und Bauen in energie- und ressourceneffizienterer Weise;

5.

stellt fest, dass der gesamte Rohstoffsektor in der EU rund 350 000 Arbeitsplätze bietet und mehr als 30 Millionen Arbeitsplätze in den nachgelagerten verarbeitenden Industriezweigen von einem zuverlässigen und diskriminierungsfreien Zugang zu Rohstoffen abhängen;

6.

unterstreicht, dass unter anderem auch die COVID-19-Krise gezeigt hat, dass Europa bei kritischen Rohstoffen zu stark auf Nicht-EU-Lieferanten angewiesen ist, und dass sich Versorgungsstörungen auf industrielle Wertschöpfungsketten und andere Sektoren negativ auswirken können;

Auswirkungen auf die Industrie

7.

hebt hervor, dass einer übermäßigen Abhängigkeit von Nicht-EU-Ländern bei kritischen Rohstoffen entgegengewirkt und die Widerstandsfähigkeit kritischer Lieferketten erhöht werden muss, um die Versorgungssicherheit, die Energiewende sowie den Übergang zu einer digitalen Wirtschaft zuverlässig zu gewährleisten;

8.

weist darauf hin, dass kritische Rohstoffe vor allem auch in vielen europäischen Schlüssel- und Zukunftsindustrien wie zum Beispiel der Automobil-, Stahl-, Luftfahrt-, IT-, Gesundheits- oder Erneuerbare-Energien-Branche benötigt werden. Innovative Produkte und neue Technologien wie Elektromobilität, Digitalisierung, Industrie 4.0 und die Energiewende verändern und erhöhen den Rohstoffbedarf. Die Nachfrage nach Rohstoffen wird auch durch das Bevölkerungswachstum, die Industrialisierung sowie die schrittweise Dekarbonisierung der Sektoren Verkehr und Energie weltweit ansteigen;

9.

betont, dass ein fairer und diskriminierungsfreier Zugang zu Rohstoffen, eine sichere Rohstoffversorgung sowie stabile und berechenbare Rohstoffpreise von zentraler Bedeutung für die Entwicklungsmöglichkeiten, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und der KMU, die Innovation und die Erhaltung von Industriestandorten in der EU sind;

10.

ist davon überzeugt, dass ein strategischerer Ansatz erforderlich ist, um eine nachhaltige Versorgung mit kritischen Rohstoffen sicherzustellen und die Abhängigkeit von Dritten bzw. von Rohstoffimporten zu verringern; unterstreicht, dass dies den Aufbau diversifizierter Wertschöpfungsketten, die Senkung der Rohstoffabhängigkeiten, die Stärkung der Kreislaufwirtschaft, die Förderung von Innovationen für Alternativen sowie die Gewährleistung umweltgerechter und sozial verantwortlicher gleicher Wettbewerbsbedingungen im globalen Markt erfordert;

11.

begrüßt, dass die Europäische Kommission einen Aktionsplan zu kritischen Rohstoffen sowie ihre erste strategische Vorausschau vorgelegt hat, in der die Abhängigkeit der EU von Einfuhren kritischer Rohstoffe als strategische Schwachstelle ausgemacht wird;

12.

unterstützt die im Aktionsplan enthaltenen Zielsetzungen, widerstandsfähige industrielle Wertschöpfungsketten in der EU zu entwickeln, die Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen durch kreislauforientierte Ressourcennutzung, nachhaltige Produkte und Innovationen zu reduzieren, die inländische Rohstoffbeschaffung in der EU zu stärken, die Beschaffung aus Drittländern zu diversifizieren sowie in WTO-konformer Weise Verzerrungen des internationalen Handels zu beheben;

13.

unterstreicht, dass die Regionen in unterschiedlichem Maße von kritischen Rohstoffen abhängen; ruft deshalb dazu auf, regionale Abhängigkeiten von kritischen Rohstoffen und sich daraus ableitende regionale Handlungsbedarfe zum Aufbau nachhaltiger und innovativer Wertschöpfungsketten zu identifizieren;

14.

betont, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Rahmen des Aktionsplans eine wesentliche Ebene darstellen, um eine Akzeptanz für die rohstoffstrategischen Ziele der EU und industrielle Projekte zu erreichen;

15.

plädiert in Hinblick auf die mögliche Ausweitung des Anwendungsbereichs der EU-Taxonomiekriterien auf die noch nicht erfassten Wirtschaftssektoren dafür, dass die für den Abbau, die Gewinnung und die Verarbeitung von Rohstoffen anzuwendenden Kriterien auf der Bewertung des Lebenszyklus über einen Ressourcenkreislauf (Cradle-to-Cradle-)Ansatz und sozioökonomischen Überlegungen beruhen sollten. Ferner sollte bei der Bewertung eines Unternehmens zwischen Investitionen in bestehende Produktionsanlagen und in neue Anlagen unterschieden werden, um zu vermeiden, dass sehr wenig Investitionen als nachhaltig eingestuft werden und damit die Finanzierungskosten für die unverzichtbare Transformation der Wirtschaft steigen;

Absicherung von industriellen Wertschöpfungsketten in der EU

16.

fordert, dass Lücken und Schwachstellen in den bestehenden Rohstofflieferketten mit Hilfe eines strategischeren Ansatzes geschlossen werden. Zielführend ist zum Beispiel eine angemessene Lagerhaltung, um unerwartete Unterbrechungen der Produktion und Versorgung zu vermeiden. Auch sind alternative Bezugsquellen im Falle einer Unterbrechung sowie engere Partnerschaften zwischen Akteuren kritischer Rohstoffe und nachgelagerten Verbrauchssektoren erforderlich, die Investitionen in strategische Entwicklungen auslösen;

17.

begrüßt, dass die Europäische Kommission in der aktuellen Liste der kritischen Rohstoffe Kokskohle als einen der wichtigsten Rohstoffe für die Stahlindustrie erneut bestätigt hat; weist darauf hin, dass dieser Rohstoff für die Stahlindustrie weiter unabdingbar bleibt, so lange keine technologisch und wirtschaftlich tragfähigen Alternativen großmaßstäblich umgesetzt werden können; bittet die Europäische Kommission darüber hinaus mit Blick auf die Entwicklung der Wasserstoffmetallurgie um Prüfung der Potenziale einer möglichen Aufnahme von heiß brikettiertem Eisen (hot briquetted iron — HBI) und direkt reduziertem Eisen (direct reduced iron — DRI) in die Liste der kritischen Rohstoffe der EU;

18.

befürwortet Industrieallianzen wie die Europäische Batterieallianz, mit der umfangreiche öffentliche und private Investitionen angestoßen werden sollen, die nach Möglichkeit zu einer weitgehenden Deckung des europäischen Lithium-Bedarfs führen; fordert darüber hinaus, auch zukunftsweisende Allianzen für die Grundstoffindustrien zu unterstützen;

19.

unterstützt insbesondere die neue Europäische Rohstoffallianz, die darauf abzielt, die Widerstandsfähigkeit der EU in der gesamten Wertschöpfungskette der seltenen Erden und Magnete zu stärken; begrüßt, dass diese Allianz allen relevanten Stakeholdern offensteht, zu denen auch die Regionen zählen, und zu deren Auftaktveranstaltung der Ausschuss der Regionen eingeladen wurde (2);

20.

bewertet es positiv, dass die Europäische Investitionsbank aktuell angekündigt hat, Projekte zur Sicherstellung der Versorgung mit kritischen Rohstoffen, die für kohlenstoffärmere Prozesse in der EU benötigt werden, finanziell zu unterstützen;

21.

fordert, dass sichergestellt wird, dass diese Projekte nicht den Wettbewerb verzerren, ressourceneffizient und nachhaltig sind sowie zur strategischen Widerstandsfähigkeit der EU beitragen;

Wiederverwertung und Substitution von Rohstoffen

22.

stellt fest, dass in Europa eigene kritische Rohstoffe nicht ausreichend genutzt werden, und die Kapazitäten der EU-Mitgliedstaaten für Verarbeitung, Recycling, Raffination und Trennung bislang nicht hinreichend sind;

23.

betont, dass ein geringerer Verbrauch, Abfallvermeidung und Wiederverwertung die Kernbestandteile des Übergangs zu einer ressourceneffizienten Wirtschaft sein müssen; fordert, Verbraucher über die Rohstoffsituation in unserer Überfluss- und Wegwerfgesellschaft und auch über für die Recyclingindustrie geltenden marktwirtschaftlichen Bedingungen transparent und ausreichend aufzuklären. Die Verbraucher tragen jedoch nur eine sekundäre Verantwortung dafür, dass Produkte eine hohe Recyclingfähigkeit haben und dass weniger konsumiert wird. Die primäre Verantwortung liegt in erster Linie bei den Herstellern, die in die Pflicht genommen werden müssen. Die Hersteller müssen dafür sorgen, dass die in der EU hergestellten Produkte bestimmte Anforderungen erfüllen. Entsprechende Anforderungen müssen freilich auch für die in den Binnenmarkt eingeführten Produkte gelten;

24.

unterstreicht die Bedeutung einer anwendungs- und praxisnahen Forschung und Entwicklung bei der Rohstoffgewinnung und der Effizienz des Rohstoffeinsatzes;

25.

fordert, die Forschung und Entwicklung im Bereich der Rohstoffgewinnung und der Kreislaufwirtschaft einschließlich der Metallurgie als sogenannter „key enabler“ insgesamt verstärkt und nachhaltig zu fördern; mahnt, dass bei der Entwicklung neuer Materialien deren Recyclingfähigkeit künftig stets Bestandteil der Forschungsförderung sein sollte;

26.

hebt hervor, dass dabei auch das Ziel verfolgt werden sollte, die Lebensdauer und Reparaturfreundlichkeit von Produkten, für deren Herstellung kritische Rohstoffe erforderlich sind, durch ein nachhaltiges Konstruktionsprinzip (Ökodesign) deutlich zu verlängern und kritische Rohstoffe durch leichter verfügbare Materialien zu ersetzen, zumal wenn ihre Lebensdauer durch technologischen Fortschritt und geplante Obsoleszenz begrenzt wird; plädiert dafür, in die Anforderungen für die CE-Kennzeichnung ehrgeizige Kriterien der Recyclingfähigkeit von Produkten, die kritische Rohstoffe enthalten, aufzunehmen;

27.

weist darauf hin, dass für diese Zwecke Horizont Europa, der Europäische Fonds für regionale Entwicklung sowie nationale Forschungs- und Entwicklungsprogramme in Anspruch genommen werden können, zum Beispiel konnte in diesem Rahmen eine strategische Forschungs- und Innovationsagenda für die europäische Kreislaufwirtschaft erarbeitet werden (CICERONE Circular economy platform for European priorities strategic agenda), und die europäischen GeoMontanregionen konnten mit dem Vorhaben MIREU (Mining and Metallurgy Regions) ihre Vernetzung vorantreiben und auf die Stärkung und Priorisierung des Themas Rohstoffsicherung verstärkt ausrichten;

28.

vertritt die Auffassung, dass die Verbraucher fortwährend über die externen Effekte informiert werden sollten, die mit dem Kauf bzw. der häufigen Ersetzung billiger, minderwertiger Haushaltsartikel verbunden sind; gibt zu bedenken, dass eine schrittweise Rückkehr zu einer Wartungs- und Reparaturkultur die Entstehung neuer, nicht verlagerbarer Arbeitsplätze fördern könnte;

29.

stellt fest, dass sich in Europa hinter der Bezeichnung „Abfall“ in vielen Fällen wertvolle Ressourcen und kritische Rohstoffe verbergen; verweist hierzu auf die kürzlich verabschiedete Stellungnahme des Ausschusses der Regionen „Neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“ (3);

30.

hebt hervor, dass recycelte Materialien in weitaus höherem Maße verwendet werden sollten, um die Nutzung von Primärrohstoffen und kritischen Rohstoffen zu verringern; bittet die Europäische Kommission, wettbewerbskonforme Kriterien zu prüfen, wonach neue Produkte nach Möglichkeit einen erheblichen Rezyklatanteil enthalten sollten, und empfiehlt, diese Kriterien bei dem Ansatz für die zentralen Produktwertschöpfungsketten zu berücksichtigen (4);

31.

fordert dazu auf, die Rückgewinnung von kritischen Rohstoffen aus städtischen Abfällen mit Blick auf die Anwendbarkeit und ökonomische Realisierbarkeit zu erforschen und im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Möglichen zu erhöhen. Insbesondere Rohstoffe, die für erneuerbare Energien oder innovative technische Anwendungen benötigt werden, wie seltene Erden, Gallium oder Indium, werden nicht oder nur zu einem geringen Teil wiederverwertet, weil die Wiederverwertung bisher technisch und wirtschaftlich verhältnismäßig aufwendig ist. Der Ausschuss hält es ferner für wichtig, eine effiziente energetische Verwertung in Kombination mit der Rückgewinnung von Metallen und Salzen aus Abfällen zu fördern, die aus bestimmten Gründen (z. B. Umweltbelastung, Materialermüdung, komplexe Werkstoffe) nicht anderweitig verwertet werden können. Europäische Union, Mitgliedstaaten, Regionen mit ihren öffentlichen Forschungseinrichtungen und Unternehmen sind daher gefordert, mehr Forschungsarbeit in diesem Bereich zu leisten und die Verwertung der Ergebnisse zu ermöglichen, um zu verhindern, dass wertvolle Rohstoffe als Abfälle deponiert werden müssen;

32.

stellt fest, dass erhebliche Mengen an Abfällen und Schrott exportiert werden, obwohl sie in der EU potenziell zu Sekundärrohstoffen recycelt werden könnten; fordert deshalb, insbesondere vor dem Hintergrund der teils katastrophalen Umweltschäden, die durch den Export von Abfällen und Schrott in Entwicklungs- und Schwellenländer mit unzureichenden Recyclingfähigkeiten verursacht werden, zur deutlichen Stärkung der Recyclingkapazitäten innerhalb der EU auf;

33.

weist darauf hin, dass derzeit statistisch nicht erfasst wird, wie viele Rohstoffe in mineralischen Abfällen deponiert sind. Die Europäische Kommission wird daher aufgefordert, unter Mithilfe der Mitgliedstaaten, Regionen und Kommunen die Menge an gelagerten Materialien zu evaluieren und zu kartieren;

34.

betont, dass den Herstellern eine wichtige Rolle beim Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zukommt. Diese müssen innovative Produkte entwickeln, die ein stoffliches Trennen erlauben, damit umweltschonend sind und einen möglichst geringen Einsatz von fossilen Primärrohstoffen erfordern. Die Hersteller sollten außerdem bestehende Geschäftsmodelle im Hinblick darauf überprüfen, ob der Ressourcenverbrauch verringert werden kann; weist darauf hin, dass gleichzeitig auch der Staat originäre Aufgaben hat, so zum Beispiel bei der Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen und entsprechender rechtlicher Regelungen sowie der Setzung ökonomischer Anreize;

Stärkung nachhaltiger Beschaffung und Verarbeitung von Rohstoffen in der EU

35.

unterstreicht, dass sich die EU im Rahmen des Möglichen langfristig auch aus eigenen Quellen mit Rohstoffen versorgen und vorausschauende Entwicklungsstrategien erarbeiten und in diesem Zusammenhang neue Kapazitäten zur Erschließung und Verarbeitung von kritischen Rohstoffen in der EU aufbauen sowie ein nachhaltiges Finanzierungsmodell für die Umstellung derzeitiger Bergbaubetriebe auf den Abbau kritischer Rohstoffe entwickeln muss;

36.

betont, dass eine verstärkte heimische Rohstoffgewinnung in der EU im Rahmen der bewährten und hohen Umwelt- und Arbeitsschutzstandards erfolgen muss; weist darauf hin, dass diesbezügliche Best-Practice-Beispiele bereits im Rahmen von EU-Projekten berücksichtigt werden, diese aber insgesamt noch nicht zu einem deutlichen Anstieg der Investitionsvorhaben für mehr Rohstoffgewinnung und -verarbeitung geführt haben. Zur Versorgung der Wirtschaft mit kritischen Rohstoffen aus eigenen Quellen gehört neben der Absicherung ehemaliger und aktueller bergbaulicher Aktivitäten jedoch auch neuer Bergbau;

37.

bedauert vor diesem Hintergrund, dass eine deutlich höhere Umsetzung von F&E-Ergebnissen in der unternehmerischen Praxis zur Rohstoffgewinnung und -verarbeitung bislang noch fehlt und dass neuer Bergbau auf Hochtechnologierohstoffe in der EU auf den Ergebnissen von F&E-Vorhaben für innovativen Low-impact-Bergbau fußen muss; begrüßt in diesem Zusammenhang, dass die Europäische Kommission im Rahmen von Horizont Europa ab 2021 die Reduzierung der Umweltauswirkungen weiter vorantreiben will und regt an, dabei insbesondere die Bereiche Wassermanagement und Renaturierung in den Blick zu nehmen;

38.

hebt hervor, dass Abbaugenehmigungen neben Umwelt- und Arbeitsschutzstandards auch Lösungen zum Ausgleich für den Verlust an Umwelt- und Erholungswert vorsehen sollten, damit Bergbaugebiete während und nach Beendigung des Abbaus weiterhin für Freizeitzwecke oder andere für die örtliche Bevölkerung wichtige Zwecke genutzt werden können;

39.

hebt hervor, dass die Regionen aufgrund ihrer diesbezüglichen Expertise eine grundlegende Rolle spielen; weist darauf hin, dass Batterierohstoffressourcen der EU in mehreren Kohleregionen, aber auch in anderen Regionen vorkommen und viele Bergbauabfälle reich an kritischen Rohstoffen sind; fordert deshalb, dass stillgelegte oder neue Bergwerke und Tagebaue, in denen kritische Rohstoffe vorkommen, auf eine Rohstoffgewinnung hin untersucht werden; weist darauf hin, dass mit der Gewinnung dieser Rohstoffe neue Arbeitsplätze in ehemaligen und aktuellen Bergbauregionen geschaffen werden könnten;

40.

unterstreicht, dass in den ehemaligen und aktiven Bergbauregionen der EU ein erhebliches fachliches Know-how besteht; Erfahrung und Wissen sollten an neue Mitarbeitergenerationen weitergereicht und die Kompetenzen der Fachkräfte durch gezielte Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen gestärkt werden;

41.

betont, dass die Erschließung von Rohstoffvorkommen sowie die Eröffnung neuer Bergwerke und Tagebaue die Abhängigkeit der EU von Drittstaaten reduzieren kann, die dazu erforderliche Exploration und Förderung innerhalb der EU aber oftmals in Konkurrenz zu anderen Flächennutzungsoptionen stehen und daher raumordnerischen Beschränkungen unterliegen; setzt sich daher dafür ein, dass Nutzungskonflikte im Sinne der Rohstoffsicherung möglichst einvernehmlich gelöst werden;

42.

stellt fest, dass der öffentliche Widerstand gegen Bergbauprojekte in vielen EU-Ländern zunimmt, und die Bemühungen der Industrie, ihren ökologischen Fußabdruck zu verbessern, bislang noch nicht in hinreichender Weise anerkannt werden. Europäische Union, Mitgliedstaaten, Regionen und Kommunen sind daher gefordert, die Vor- und Nachteile wiedereröffneter und neuer Bergwerke und Tagebaue transparent und aktiv zu kommunizieren, die Beteiligung aller relevanten Stakeholder sicherzustellen und damit für Akzeptanz und Verständnis in der Zivilgesellschaft zu sorgen;

43.

weist darauf hin, dass die Wieder- und Neueröffnung von Bergwerken und Tagebauen unter anderem aufgrund der in der EU geltenden hohen Umwelt- und Sicherheitsstandards mit hohen Investitions- und auch Betriebskosten verbunden ist, was im weltweiten Vergleich für europäische Bergbauregionen ein wirtschaftlicher Nachteil ist; bittet daher die Europäische Union und deren Mitgliedstaaten um Prüfung, ob und in welchem Umfang solche Vorhaben mit EU-Mitteln oder im Rahmen der beihilferechtlichen Regelungen finanziell unterstützt werden können;

44.

unterstreicht, dass der Fonds für den gerechten Übergang dazu beitragen soll, die sozioökonomischen Auswirkungen des Übergangs zur Klimaneutralität in kohle- und kohlenstoffintensiven Regionen zu mildern und die Wirtschaft in den Regionen auch durch Investitionen in die Kreislaufwirtschaft zu diversifizieren. Das Finanzierungsfenster „Nachhaltige Infrastruktur“ des Fonds „InvestEU“ könnte ebenfalls die regionale Entwicklung von kritischen Rohstoffen unterstützen;

45.

spricht sich dafür aus, dass in der EU hinreichende Fachkompetenzen aufgebaut und angewandt werden müssen, um bestimmte kritische Rohstoffe wie zum Beispiel Lithium aufarbeiten oder veredeln zu können; fordert, dass sich Europäische Union, Mitgliedstaaten sowie regionale und lokale Gebietskörperschaften aktiv für den Auf- und Ausbau entsprechender Fähigkeiten einsetzen;

46.

fordert eine bessere Abstimmung der relevanten Stakeholder in den Bereichen Exploration, Förderung, Verteilung, Verarbeitung, Wiederverwendung und Recycling; in diesem Zusammenhang spielen regionale und lokale Gebietskörperschaften eine grundlegende Rolle;

47.

unterstreicht, dass Rohstoffstrategien und Rohstoffplanungen der Mitgliedstaaten sowie der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften maßgebliche Beiträge zur Absicherung heimischer Rohstoffe leisten können;

48.

erkennt, dass es zur Umsetzung eines neuen, innovativen, akzeptierten, sicheren und umweltverträglichen Bergbaus auf kritische Rohstoffe in der EU rechtssicherer Genehmigungen bedarf und fordert, dass die zuständigen nationalen, regionalen und kommunalen Behörden und Stellen der wachsenden Bedeutung ihrer Zuständigkeit und Aufgabe entsprechend aufgestellt, organisiert und ausgestattet werden, damit transparente, effiziente und abgestimmte Verwaltungsverfahren die Gewinnung von Rohstoffen auf dem Gebiet der EU ermöglichen;

Regionale Zusammenarbeit

49.

erachtet die Förderung nationaler und regionaler Rohstoffverbünde als wichtig, die einen auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Sektor Rohstoffgewinnung in der EU verkörpern und in denen die Industrie, die Bergbehörden, die geologischen Dienste, vor- und nachgelagerte Dienstleistungsunternehmen, Anlagen- und Ausrüstungshersteller, in der Rohstoffgewinnung und -aufbereitung tätige Unternehmen sowie Transportunternehmen und die Sozialpartner vereint sind und auch neue Rohstoffgewinnungstechnologien zur Anwendung kommen;

50.

unterstreicht die Notwendigkeit, dass die lokalen, regionalen, nationalen und europäischen Ebenen zusammenwirken müssen, um die Auswirkungen vor Ort zu bewältigen und die notwendigen Investitionsbedarfe abzudecken;

51.

fordert, die Vernetzung von europäischen Regionen mit hohen Abhängigkeiten von kritischen Rohstoffen zu verstärken, um so gemeinsame Lösungen zu finden und eine aktive Rolle der Regionen in der Europäischen Rohstoffallianz sicherzustellen;

Beschaffung von Rohstoffen aus Drittstaaten

52.

stellt fest, dass die EU trotz aller Bemühungen auch weiterhin maßgeblich auf die Einfuhr von kritischen Rohstoffen aus Drittstaaten angewiesen sein wird; weist darauf hin, dass es mittlerweile einen intensiven Wettbewerb um kritische Rohstoffe zwischen zahlreichen Staaten gibt;

53.

unterstreicht, dass es im Rohstoffhandel zu steigenden Handelsbeschränkungen und Wettbewerbsverzerrungen kommt; fordert die Europäische Kommission auf, Ausfuhr- und Einfuhrbeschränkungen kontinuierlich zu beobachten und auf regionaler, bilateraler und multilateraler Ebene zur Sprache zu bringen; ist der Ansicht, dass außenhandelsverzerrende Maßnahmen im Hinblick auf Rohstoffe und insbesondere kritische Rohstoffe vollumfassend geprüft werden müssen und erforderlichenfalls weitergehende rechtliche Schritte im Rahmen der Vorgaben der Welthandelsorganisation (WTO) zu ergreifen sind;

54.

vertritt die Auffassung, dass eine Rohstoffpolitik mit Mitteln der Diplomatie für die EU von großer Bedeutung ist, und zwar nicht nur mit Blick auf die Industrie- und Energiepolitik sowie den internationalen Handel, sondern auch als Querschnittsthema, das verschiedene Bereiche der Innen-, Außen- und Sicherheitspolitik berührt;

55.

stellt fest, dass es für die wirtschaftliche und finanzielle Widerstandsfähigkeit der EU vorteilhaft wäre, wenn kritische Rohstoffe in europäischer Währung gehandelt würden, weil sich damit die Preisvolatilität und die Abhängigkeit der EU-Importeure und der Exporteure aus Drittländern von den USD-Finanzierungsmärkten verringern würde; fordert die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten dazu auf, sich verstärkt dafür einzusetzen, dass mit europäischer Währung gehandelt wird;

56.

fordert, dass die EU vermehrt strategische Partnerschaften mit rohstoffreichen Drittstaaten eingeht; begrüßt den Ansatz der Europäischen Kommission, vor der Einleitung von Pilotpartnerschaftsprojekten im Jahr 2021 mit den Mitgliedstaaten und der Industrie über Prioritäten zu beraten, auch in den betreffenden Ländern, da diese über lokales Fachwissen und ein Netz von Botschaften der Mitgliedstaaten verfügen;

57.

betont, dass eine verstärkte Zusammenarbeit mit strategischen Partnern mit einer verantwortungsvollen Beschaffung verbunden sein muss. Eine hohe Angebotskonzentration in Ländern mit niedrigeren sozialen und ökologischen Standards stellt nicht nur ein Risiko für die Versorgungssicherheit dar, sondern kann auch soziale und ökologische Probleme verschärfen. Anzustreben ist daher zunächst eine internationale Vereinbarung auf WTO-Ebene, die eine hohe Transparenz und durchgängige Nachverfolgbarkeit von Liefer- und Handelsketten in Bezug auf die zur Anwendung kommenden sozialen und ökologischen Standards bei der Rohstoffgewinnung in Drittstaaten zum Ziel hat. Im Anschluss daran sollten möglichst zeitnah Verhandlungen über die systematische Verbesserung dieser Standards in Angriff genommen werden, wie dies bereits in den bestehenden Freihandelsabkommen der EU der Fall ist; begrüßt die zum 1. Januar 2021 in Kraft getretene Verordnung über Konfliktmineralien und ermutigt die Europäische Kommission, möglichst zeitnah einen ausgewogenen Vorschlag für Sorgfaltspflichten in Lieferketten vorzulegen;

58.

unterstreicht, dass die Beschaffung von Rohstoffen für einzelne Unternehmen in stark konsolidierten Liefermärkten und im Wettbewerb mit nachfragestarken Märkten (insbesondere China) zunehmend schwierig wird; fordert, unternehmerische Allianzen wie zum Beispiel Einkaufsverbünde gezielt zu unterstützen.

Brüssel, den 19. März 2021

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Apostolos TZITZIKOSTAS


(1)  Critical Raw Materials for Strategic Technologies and Sectors in the EU — A Foresight Study: https://ec.europa.eu/docsroom/documents/42881

(2)  Internetauftritt der Europäischen Rohstoffallianz: https://erma.eu/ und Beitrittsformular: https://erma.eu/about-us/join-erma/

(3)  AdR-Stellungnahme „Neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“ (ABl. C 440 vom 18.12.2020, S. 107).

(4)  AdR-Stellungnahme „Neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“ (ABl. C 440 vom 18.12.2020, S. 107).