27.7.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 300/58


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Förderung einer klimaneutralen Wirtschaft: Eine EU-Strategie zur Integration des Energiesystems

(2021/C 300/11)

Berichterstatter:

Gunārs ANSIŅŠ (LV/RE), Mitglied des Stadtrats von Liepāja

Referenzdokumente:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Förderung einer klimaneutralen Wirtschaft: Eine EU-Strategie zur Integration des Energiesystems

(COM(2020) 299 final)

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Eine EU-Strategie zur Nutzung des Potenzials der erneuerbaren Offshore-Energie für eine klimaneutrale Zukunft

(COM(2020) 741 final)

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über eine EU-Strategie zur Verringerung der Methanemissionen

(COM(2020) 663 final)

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Aufrechterhaltung der Stromversorgung, Stromverbundnetze der Europäischen Union und Energiewende

1.

betont, dass in der aktuellen Krise deutlich die Notwendigkeit zutage getreten ist, die Kontinuität der Energie- und Stromversorgung in allen europäischen Regionen sicherzustellen, u. a. in Situationen, in denen es zu einer Unterbrechung der globalen Lieferketten kommen könnte;

2.

ist der Auffassung, dass Europa auch innerhalb der einzelnen Länder eine große Vielfalt an regionalen Energielandschaften aufweist, die sich hinsichtlich Stromnachfrage, Erzeugungspotenzial und verfügbarer Infrastruktur unterscheiden; erachtet es deshalb als notwendig, neben den grenzüberschreitenden Verbindungsleitungen zwischen Energiesystemen auch interregionale Infrastrukturen innerhalb der einzelnen Länder auszubauen, um insbesondere die Weiterleitung regionalen erneuerbaren Überschussstroms zu gewährleisten; fordert, diesen Ausbau aus einer übergeordneten europäischen Perspektive zu betrachten, zumal er zum Zusammenhalt des europäischen Strommarkts beiträgt;

3.

erachtet es ferner als wichtig, die transnationale Zusammenarbeit im Hinblick auf die gemeinsame Umsetzung von Energieprojekten und den Ausbau der grenzüberschreitenden Stromverbindungskapazitäten zu stärken, um potenzielle Stromversorgungsengpässe in Lastspitzenzeiten auszugleichen. Dabei dürfen jedoch nationale Mindestumfänge an sicheren Kraftwerkskapazitäten nicht unterschritten werden;

4.

weist darauf hin, dass die Europäische Union derzeit 58 % ihres Energiebedarfs durch Importe, hauptsächlich in Form von Erdöl und Erdgas, deckt. Die Umstellung auf saubere Energie wird die Abhängigkeit der EU von fossilen Brennstoffen und deren Einfuhr verringern. Die EU Strategie zur Integration des Energiesystems wird hierzu beitragen und auch die Erreichung der Energie- und Klimaziele fördern. Im Zuge der Umstellung auf saubere Energieträger wird die EU zusammen mit Maßnahmen der Effizienz der Energieverwendung in ihrer Gesamtheit weniger Energie verbrauchen, zunehmend einheimische erneuerbare Ressourcen nutzen, verstärkt auf Eigenerzeugung, Eigenverbrauch und Energiegemeinschaften setzen und ihre Energieeinfuhren schrittweise diversifizieren. Diese Energieeinsparungen, die Diversifizierung und die lokale Energieerzeugung sollen die europäische Wirtschaft widerstandsfähiger machen und ihre Außenabhängigkeit verringern;

5.

unterstreicht die in der EU-Strategie zur Integration des Energiesystems hervorgehobene Bedeutung von sauberem Wasserstoff, vorrangig aus erneuerbaren Energien, für die weitere Integration und Dekarbonisierung des Energiesystems; fordert hierbei eine zügige Umsetzung der EU-Wasserstoffstrategie und verweist dazu auf seine Stellungnahme zu sauberem Wasserstoff; erwartet, dass das von der EU-Kommission angekündigte „Fit für 55“-Legislativpaket und die anstehende Revision des EU-Gasmarktes die Forderungen dieser Stellungnahme mit umsetzt und die Sektorenintegration fördert;

6.

betont, wie wichtig es ist, eine Vielzahl unterschiedlicher Lösungen zu ermöglichen und zu fördern, wobei technologischen Entwicklungen und unterschiedlichen Voraussetzungen in den Regionen der EU hinsichtlich Klima, geografischer Lage, Infrastruktur, Energiesysteme usw. Rechnung zu tragen ist. Der EU-Rechtsrahmen sollte möglichst technologieneutral in Bezug auf Emissionsverringerungen und Nachhaltigkeit sein, wobei sämtlichen, insbesondere auf lokaler Ebene verfügbaren Optionen Rechnung zu tragen ist, und Überregulierung und einen erhöhten Verwaltungsaufwand für nachhaltige und sichere Lösungen vermeiden und die Verringerung der Energiearmut der Familien anstreben. Energieerzeugung unter Nutzung der Kernspaltung erfüllt das Nachhaltigkeitskriterium nicht;

7.

ist zutiefst besorgt über den Bau der Pipeline Nord Stream 2, der die europäische Energiesicherheit gefährdet, die Abhängigkeit der EU von der Russischen Föderation erhöht, die Interessen zahlreicher EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten außer Betracht lässt und aufgrund der Emissionssenkungsziele der EU als solcher von vorzeitiger Obsoleszenz bedroht ist; schließt sich dem Standpunkt des Europäischen Parlaments an, dass Arbeiten zur Fertigstellung dieses politischen Vorhabens sofort gestoppt werden müssen;

8.

verweist auf die fünf Dimensionen zur Verwirklichung der Energieunion — Erhöhung der Energieversorgungssicherheit, Stärkung des Energiebinnenmarkts, Steigerung der Energieeffizienz, Verringerung der CO2-Emissionen („Dekarbonisierung der Wirtschaft“), Förderung von Forschung und Innovation im Energiesektor. Die Stromversorgungssicherheit muss dabei Priorität haben, damit insbesondere in potenziellen Krisenzeiten, auch in Energiekrisen, der kontinuierliche Betrieb der kritischen Infrastrukturen in allen Regionen sichergestellt ist. In diesem Zusammenhang sind neben ausreichenden und flexiblen Erzeugungskapazitäten lokale Energieerzeugungs-, Speicherungs- und Flexibilitätslösungen erforderlich, um für jedes bewohnte Gebiet Lösungen für Not- und Krisenzustände und Nichtverfügbarkeiten zu schaffen, insbesondere in weniger entwickelten Regionen, in dünn besiedelten Regionen und in Regionen mit isolierten Energiesystemen. Gleichzeitig ist hervorzuheben, dass die Stromübertragung modernisiert werden muss. Beim Ausbau eines stabilen Stromverbunds zwischen allen Regionen der EU muss die Beseitigung physischer Hemmnisse im Vordergrund stehen, um eine echte Integration des Stromversorgungssystems zu gewährleisten. Der synchrone Verbund mehrerer nationaler Energiesysteme trägt dazu bei, die Betriebskosten eines Energiesystems erheblich zu senken und die Sicherheit zu verbessern, indem die potenziellen negativen Auswirkungen örtlicher Ausfälle auf die Stabilität des Energiesystems verringert werden und die Aufrechterhaltung wesentlicher Betriebsparameter des Energiesystems, wie z. B. der Netzfrequenz, vereinfacht wird;

9.

betont, dass auch die Effizienz und Kostenwirksamkeit der Verwaltung des Stromversorgungssystems sowie lokale Lösungen bei der Energieerzeugung und -speicherung (kosteneffiziente Batterien, Pumpspeicherkraftwerke und andere Lösungen) und in Form von Eigenverbrauchsgemeinschaften besonders wichtig sind;

Die besondere Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften

10.

weist darauf hin, dass die EU-Strategie zur Integration des Energiesystems für die wirtschaftliche Erholung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften maßgebend ist, gerade auch nach der COVID-19-Krise. Beim Übergang zu einem stärker integrierten Energiesystem sollte die Energieeffizienz ein Hauptziel der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sein, wobei dem breiteren Kontext Rechnung zu tragen ist, insbesondere der Verringerung der Treibhausgasemissionen und den weniger entwickelten Regionen. Eine größere Energieeffizienz führt zu einem geringeren Gesamtinvestitionsbedarf und niedrigeren Kosten für die Energieerzeugung und -nutzung und die zugehörige Infrastruktur. Außerdem werden der damit verbundene Flächen- und Materialverbrauch sowie Beeinträchtigungen der Umwelt und der Verlust an biologischer Vielfalt gemindert. Die Systemintegration kann dazu beitragen, die Energieeffizienz der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu steigern, da die verfügbaren Ressourcen dazu genutzt werden, auf effizientere Energietechnologien umzustellen;

11.

ist der Ansicht, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sowohl eine Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien als auch eine Verbesserung der Strategien und Maßnahmen fördern sollten, und zwar insbesondere für die Wärme-/Kälteversorgung und den Verkehr. Darüber hinaus muss ein klarerer Plan für Energieeinsparungen insbesondere im Verkehrs- und Gebäudebereich aufgestellt werden;

12.

macht darauf aufmerksam, dass der Verkehrssektor einen Anteil von ca. 30 % am Endenergieverbrauch der Europäischen Union ausmacht und in erster Linie von Erdölerzeugnissen abhängt; gibt zu bedenken, dass die Dekarbonisierung des Verkehrssektors eine stärkere Diversifizierung des Endverbrauchs erfordert, und zwar sowohl durch die Diversifizierung der Verkehrsmittel selbst als auch durch die Erzeugung neuer Energieträger als Brennstoffe, ohne jedoch Technologien aus nicht zu rechtfertigenden Gründen zu untersagen; hält es ferner für notwendig, die einschlägige Energieinfrastruktur auszubauen und damit die Energieaußenabhängigkeit umfassend zu reduzieren sowie letztlich die Energiesicherheit Europas zu verbessern;

13.

weist darauf hin, dass 40 % des Energieverbrauchs in Europa auf Gebäude entfallen und dass deshalb ein systematischer Plan zur Senkung des Energieverbrauchs und zur Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien im Gebäudebestand erheblich dazu beitragen kann, die Energieabhängigkeit von Drittländern zu verringern und somit die Energieversorgungssicherheit Europas zu erhöhen;

14.

weist darauf hin, dass für Investitionen zur Verbesserung der Gebäudeenergieeffizienz angemessene Finanzmittel vorgesehen werden sollten, um die Bürgerinnen und Bürger bei dieser äußerst vorteilhaften Investition zu unterstützen, und dass die lokalen Gebietskörperschaften in die Planung und Verwaltung dieser Mittel einbezogen werden sollten;

15.

fordert die Kommission auf, die Prüfung der Optionen zur Renovierung von Gebäuden, die Einschränkungen in Verbindung mit dem Erhalt von Kulturlandschaften oder historischer Baukultur unterliegen, möglichst zu unterstützen und so sicherzustellen, dass in diesen Gebäuden unter Einhaltung der jeweiligen Auflagen erneuerbare Energien genutzt werden können; fordert ferner, diesen Aspekt zu einem der Eckpfeiler des neuen europäischen Bauhauses zu machen;

Ausbau der Infrastruktur der Regionen durch stärker regional differenzierte Entwicklungspfade

16.

hält es für wesentlich, bei der Integration des Energiesystems die Auswirkungen der Maßnahmen auf das Wachstum in den einzelnen Regionen und insbesondere auf die Verwirklichung der im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegten kohäsionspolitischen Ziele zu bewerten. Nur so sind eine ausgewogene Entwicklung und ein echter Wettbewerb auf einem offenen Markt zu erreichen. Dies wird bedauerlicherweise u. a. durch die erheblichen Unterschiede bei den Energiepreisen für die Endverbraucher behindert;

17.

ist der Ansicht, dass die zusätzlichen Anstrengungen berücksichtigt werden sollten, die in den Gebieten in äußerster Randlage erforderlich sind, um die technischen Schwierigkeiten nicht an das Verbundnetz angeschlossener Systeme ohne Zugang zum Energiebinnenmarkt und den damit verbundenen Dienstleistungen zu überwinden: Nur durch massive Investitionen in die Energieinfrastruktur (Reservekapazität, Übertragungsnetze einschließlich Unterseekabel zwischen Inseln, Energiespeichersysteme, intelligente Netze und Logistik für den Zugang zu weniger umweltschädlichen Brennstoffen sowie für deren Transport und Vorratshaltung) können die Sicherheit und Qualität der Energieversorgung und die Integration der heimischen Energiequellen, insbesondere der verschiedenen erneuerbaren Energien, gewährleistet werden;

18.

gibt zu bedenken, dass unbeschadet innovativer Lösungen im Zuge der Integration des Energiesystems in erster Linie die bereits vorhandene regionale Basisinfrastruktur ausgebaut werden sollte, deren Stärken und Vorteile sich in der Praxis bewährt haben. Angesichts der sehr unterschiedlichen regionalen klimatischen und infrastrukturellen Gegebenheiten sollte für die Schwachstellen der vorhandenen regionalen Basisinfrastruktur nach kreativen und intelligenten Lösungen gesucht werden. Demzufolge müssen auch nicht unbedingt in allen Regionen die Gebäude verstärkt mit Strom beheizt werden, denn einige Länder verfügen über ein gut ausgebautes Fernwärmenetz. So werden bspw. mehr als 70 % der Einwohner Lettlands mit Fernwärme versorgt. Die Menge der so bereitgestellten Energie entspricht in etwa dem Stromverbrauch in Lettland. Fernwärme kann zur Energiespeicherung, Stromerzeugung und Nutzung von Energieträgern beitragen, die auf Gebäudeebene nicht genutzt werden können; dabei ist bei der Fern- und Nahwärme und Wärmenetzen auch die sukzessive Umstellung der Energieträger auf erneuerbare Energien umzusetzen;

Kosteneffizienz für die Bürger und Unternehmen

19.

betont, dass bei einer Weiterentwicklung des Energiesystems stets bewertet werden sollte, ob Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger dadurch Kosten sparen können. Der Grundsatz „Energieeffizienz an erster Stelle“ sollte mit den Zielen Klimaschutz und Ressourceneffizienz sowohl für integrierte Energieversorgungssysteme als auch für die Erhöhung der Endnutzereffizienz gelten. Gleichzeitig muss jedoch darauf geachtet werden, dass der Übergang nicht den Verbraucherinteressen schadet. Die Bemühungen um eine bessere Energieeffizienz dürfen ohne einen angemessenen Ausgleich nicht zu höheren Energiepreisen oder anderen Kosten für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen führen;

20.

ist der Meinung, dass das Ziel der Treibhausgasemissionssenkung in der aus Sicht des betreffenden Mitgliedstaats vorteilhaftesten und wirksamsten Weise, insbesondere für seine sozial schutzbedürftigen Gruppen, umgesetzt werden sollte. Auch muss bei der zukünftigen Umstellung auf erneuerbare Energieträger weiterhin dem Vorrecht jedes Mitgliedstaats sowie jeder regionalen und lokalen Gebietskörperschaft Rechnung getragen werden, ihren Energiemix und die allgemeine Struktur ihrer Energieversorgung zu bestimmen;

21.

unterstreicht, dass die Kommission sowohl im Kontext der EU-Rechtsvorschriften als auch im Rahmen ihrer künftigen Arbeiten umfassend dazu beitragen sollte, das Wissen und die Information der Öffentlichkeit in der EU über die Nutzung von Erneuerbare-Energien-Technologien sowie über die Förderung der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen zu verbessern, denn die öffentliche Ablehnung bestimmter Erneuerbare-Energien-Technologien bzw. Erzeugungsverfahren stellt zusammen mit nicht an die technologische Entwicklung angepassten Vorschriften ein wesentliches Hemmnis für den Ausbau der erneuerbaren Energien dar. Es ist auch wichtig, die lokale Gemeinschaft nicht nur zu sensibilisieren, sondern auch zu vermitteln, dass erneuerbare Energien gerade für die lokale Gemeinschaft einen praktischen Nutzen bringen;

22.

merkt an, dass besondere Aufmerksamkeit solchen Lösungen gelten sollte, die die erheblichen Unterschiede bei den Energiepreisen (einschließlich aller damit verbundenen Kosten) für Endverbraucher im EU-Binnenmarkt beseitigen könnten. Auch die verstärkte Nutzung erneuerbarer Ressourcen im Energiesystem sollte unter dem Aspekt der Kosten für die Endverbraucher bewertet werden. In diesem Bereich sind die Möglichkeiten für die Entwicklung von innovativen und für die Verbraucher kostengünstigen Lösungen noch lange nicht ausgeschöpft;

Weg zur Klimaneutralität bis 2050

23.

verweist darauf, dass die zusätzlichen Anstrengungen berücksichtigt werden sollten, die in Gebieten mit isolierten Elektrizitätssystemen erforderlich sind, in denen es keine innovativen Technologien für den Anschluss an andere, integrierte Netze gibt. Betroffen sind bspw. Regionen in äußerster Randlage, in denen alternative Lösungen geprüft werden müssen, die insgesamt die Sicherheit und Qualität der Energieversorgung gewährleisten können und gleichzeitig dem Anspruch der Klimaneutralität gerecht werden;

24.

vertritt die Auffassung, dass Treibhausgas- bzw. Klimaneutralität bis 2050 nur erreicht werden kann, wenn die Anstrengungen in den Bereichen Energieeinsparung, Energieeffizienz, erneuerbare Energien und Abwärmenutzung miteinander verknüpft werden. Zur Senkung der Treibhausgasemissionen in allen Sektoren müssen neben der Steigerung der Energieeffizienz und der Förderung der Nutzung erneuerbarer Energieressourcen auch die Verbindungen zur Basisinfrastruktur ausgebaut werden;

25.

gibt zu bedenken, dass es, wenn ganz Europa bis 2050 das Ziel der Klimaneutralität erreichen will, im Energiesystem der einzelnen Regionen weniger darum geht, um wieviel Prozent der bestehende Anteil grüner Energie am Gesamtenergieverbrauch erhöht wird. Gefordert sind vielmehr konkrete Pläne, wie jede einzelne Region das gemeinsam in der EU vereinbarte Ziel erreichen will, d. h. es geht darum, welchen Anteil die grüne Energie insgesamt am Energieverbrauch der jeweiligen Region hat. Angesichts des bislang Erreichten (1) liegt es auf der Hand, dass in den einzelnen Mitgliedstaaten und Regionen zur Integration des Energiesystems sehr unterschiedliche Anstrengungen erforderlich sein werden. Einige Regionen werden sich anstrengen müssen, um den Anteil der grünen Energie am Energieverbrauch zu erhöhen. Für andere wird die Herausforderung darin bestehen, die notwendigen Maßnahmen für eine effizientere Energienutzung zu ergreifen, und für wieder andere darin, die Basisinfrastruktur zu verbessern. Daher ist der regionale Ansatz bei der Umsetzung der EU-Strategie für die Integration des Energiesystems vor Ort Voraussetzung für eine dynamische klimaneutrale Wirtschaft;

Ausblick auf Technologien für erneuerbare Offshore-Energie

26.

begrüßt die „EU-Strategie zur Nutzung des Potenzials der erneuerbaren Offshore-Energie für eine klimaneutrale Zukunft“; betont, dass es eine konkrete Planung geben muss, damit die Kapazität erneuerbarer Energiequellen — darunter auch die installierte Offshore-Windenergiekapazität — gesteigert werden kann. Für das Erreichen der Klimaziele 2030 und 2040 ist der zeitnahe Ausbau der etablierten und kostengünstigen erneuerbaren Energien wie Onshore-Windenergie und Solarenergie erforderlich. Die Mitgliedstaaten sind auf den Ausbau der erneuerbaren Energie angewiesen, um bis 2050 das Null-Schadstoff-Ziel und die Klimaneutralität zu erreichen. So ist der Ausbau mit bedeutend für die Produktion von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien für die Dekarbonisierung von Sektoren, in denen Emissionen schwer zu verringern sind;

27.

teilt die Sicht, wonach Technologien für erneuerbare Energie (z. B. für Wasserkraft, Erdwärme, Solarenergie, Gezeiten- und Wellenenergie, schwimmende Offshore-Windkraft- und -Solaranlagen sowie Offshore-Erzeugung von Wasserstoff) gezielt zu fördern sind. Dabei sollen die entsprechenden technologischen Lösungen gleichzeitig dazu beitragen, die wirtschaftlichen und ökologischen Ziele der EU miteinander in Einklang zu bringen. Gleichzeitig ist ein klarer Plan erforderlich, um künftig die Netze und Anlagen zur erneuerbaren Energieerzeugung — wie Offshore-Netze und die Offshore Windenergieerzeugung — mit direktem Anschluss an grenzüberschreitende Verbindungsleitungen weiter auszubauen. Die Offshore Energieerzeugung in Verbindung mit einer grenzüberschreitenden Energieübertragung würde erhebliche Einsparungen bei den Kosten und der Nutzung des Meeresraums ermöglichen. Die Fischerei und der Schiffsverkehr dürfen dabei jedoch nicht eingeschränkt werden;

28.

fordert mit Blick auf die biologische Vielfalt klare und praktische Vorgaben für die Nutzung erneuerbarer Offshore-Energiequellen. Die Ziele „grüne Energie“ und „biologische Vielfalt“ sollten nicht als Gegensätze gesehen werden. Vielmehr geht es darum, konkrete Wege für ihre Verwirklichung zu finden, um das Offshore-Energiepotenzial schneller ausschöpfen zu können und eine konkrete maritime Raumplanung zu gewährleisten, die nicht nur im Einklang mit den Erfordernissen der natürlichen Vielfalt und geringeren Störungen des Meereslebens steht, sondern auch dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach Erhalt der marinen Landschaft, dem stetig wachsenden Potenzial des Ökotourismus und den Anforderungen an die Attraktivität der natürlichen Umwelt Rechnung trägt;

29.

unterstreicht das Potenzial der Inselregionen und der Regionen in äußerster Randlage im Bereich der Entwicklung erneuerbarer Meeresenergien, die ihren Wandel hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft maßgeblich voranbringen könnten und auch für die Industrie, die Wirtschaft und die Gesellschaft der gesamten EU von Vorteil wären;

30.

weist darauf hin, dass die Nutzung von Offshore-Energie dazu führen kann, dass neue Arbeitsplätze entstehen oder mehr Arbeitnehmer umgeschult werden. Allerdings dürfen hierdurch nicht die bestehenden Beschäftigungsformen und die damit verbundenen Chancen eingeschränkt werden. Es ist unbedingt für eine Umschulung der Arbeitskräfte zu sorgen, wobei die Weiterbildung im Einklang mit den spezifischen Bedürfnissen der Branche für erneuerbare Offshore-Energie erfolgen muss;

31.

fordert in der EU-Strategie für erneuerbare Offshore-Energie eine besondere Rolle für die Häfen. Sie sollten modernisiert werden und diese neuen Geschäftsmöglichkeiten — Montage, Fertigung und Instandhaltung der Anlagen für die Offshore-Energieerzeugung — nutzen können;

32.

begrüßt die Auffassung der Kommission, dass zur Verwirklichung des in der „EU-Strategie zur Nutzung des Potenzials der erneuerbaren Offshore-Energie für eine klimaneutrale Zukunft“ vorgeschlagenen Ausbaus alle Beteiligten — Mitgliedstaaten, lokale und regionale Gebietskörperschaften, EU-Bürger, Sozialpartner und NRO — zusammenarbeiten müssen; betont, dass zur Gewährleistung kontinuierlicher und zunehmender Fortschritte im Bereich der erneuerbaren Offshore-Energie Rechtssicherheit und -klarheit erforderlich sind, da Investitionen im Allgemeinen sehr kapitalintensiv sind, insbesondere in der Anfangsphase der Vorhaben;

EU-Strategie zur Verringerung der Methanemissionen — neue Chancen

33.

stellt fest, dass laut der „EU-Strategie zur Verringerung der Methanemissionen“ nur 5 % der weltweiten Methanemissionen durch die EU verursacht werden. Demnach würden selbst die ehrgeizigsten Pläne der EU zur Verringerung der Methanemissionen nur geringe Auswirkungen auf die Verringerung der globalen Treibhausgasemissionen haben. Einfuhren in den Binnenmarkt sollten nur aus Ländern (oder Teilen davon) gestattet sein, die dieselben Standards für die Verringerung der Treibhausgasemissionen wie die EU haben. Nur so kann sichergestellt werden, dass die von der EU festgelegten Klimaziele die globale Wettbewerbsfähigkeit der EU und ihrer Unternehmen nicht beeinträchtigen;

34.

fordert, dass Methanleckagen schneller erkannt werden, und zwar sowohl mithilfe des Copernicus-Programms als auch durch andere Instrumente, wenn Copernicus nicht in der Lage ist, ausreichende Daten zu liefern. Entscheidend ist, genau zu ermitteln, wo in Drittländern große Mengen Methan freigesetzt werden. Diese Informationen müssen veröffentlicht werden, damit die EU-Bürger fundierte Entscheidungen darüber treffen können, ob sie an solchen Orten hergestellte Waren kaufen möchten. Laut dem „World Energy Outlook“ der Internationalen Energieagentur emittieren die Öl- und Gasanlagen weltweit sehr unterschiedliche Mengen Methan. Demnach gibt es in diesem Bereich ein bedeutendes Potenzial zur Verringerung der Methanemissionen. Daher wird sowohl innerhalb der EU eine Vermeidung des Entweichens von Methan entlang der Erzeugungs-, Transport- und Verwertungsketten gefordert als auch das Verhindern von Importen fossiler Energieträger mit Vorbelastungen durch Entweichen von Methan bei der Förderung, der Verarbeitung und dem Transport;

35.

weist darauf hin, dass laut der „EU-Strategie zur Verringerung der Methanemissionen“ etwa 41 % der globalen Methanemissionen aus natürlichen (biogenen) Quellen wie Feuchtgebieten oder Waldbränden stammen. Die Verhütung und wirksame Bekämpfung von Waldbränden in der EU sollte zu einem vordringlichen Ziel erhoben werden. Sie wirken sich nämlich nicht nur auf die Erderwärmung aus, sondern können der Natur sowie den Menschen und Unternehmen in Europa erheblich schaden. Der AdR fordert ferner zu prüfen, inwieweit die EU wirkungsvoller dazu beitragen könnte, dass in Drittländern, in denen jedes Jahr bedeutende Waldflächen abbrennen, Waldbrände gelöscht und verhindert werden;

36.

fordert gleichzeitig, dafür zu sorgen, dass die Methanreduktionsziele die Konvergenz der europäischen Regionen nicht beeinträchtigen und die sozioökonomischen Unterschiede zwischen den europäischen Regionen nicht vergrößern;

37.

fordert bei der Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wirksame Maßnahmen für die Reduktion der Methanemissionen aus der Landwirtschaft. Dazu können im Rahmen der neuen Ökoregelungen sowohl extensive Bewirtschaftungsformen wie Weidehaltung als auch Maßnahmen des Bodenschutzes einen wichtigen Beitrag leisten;

38.

fordert, bei der Entwicklung von Technologien und deren Nutzbarmachung europäische Hersteller stärker zu berücksichtigen, damit die Methanreduktionsziele nicht zu noch mehr Kosten für Bürger und Unternehmen, insbesondere für die Landwirte und Viehzüchter, führen. Zugleich muss sichergestellt werden, dass die Reduktion der Methanemissionen aus der Landwirtschaft und Viehzucht nicht zu einem Preisanstieg bei den Lebensmitteln führt;

Schlussfolgerungen

39.

betont, dass es neben der Nutzung der neuen Möglichkeiten der Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen weiterhin wichtig ist, dafür zu sorgen, dass vorrangig das europäische Netz ausgeweitet und jede Region an das gemeinsame europäische Energienetz angebunden wird. Dadurch können die an verschiedenen Orten vorhandenen erneuerbaren Ressourcen einander besser ergänzen. Dringend sind zudem auch Mindeststandards für eine sichere Stromversorgung und zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität;

40.

weist darauf hin, wie wichtig es ist, bestehende regionale Unterschiede zu berücksichtigen, wobei insbesondere ländlichen und dünn besiedelten Gebieten Rechnung zu tragen ist, und auch kosteneffiziente Lösungen zu unterstützen, indem sichergestellt wird, dass die europäischen Bürger und Unternehmen, insbesondere die schutzbedürftigen Gruppen, bei den Kosten für die Senkung des Energieverbrauchs entlastet werden, wodurch vermieden wird, dass eventuelle Energiearmut in schwächeren Teilen der Bevölkerung zunimmt;

41.

stellt fest, dass die COVID-19-Pandemie die Notwendigkeit einer Energiewende noch deutlicher macht, die zu einer nachhaltigeren Gesellschaft und Wirtschaft beiträgt und die Fähigkeit jeder europäischen Region zur Erbringung grundlegender Dienstleistungen in Krisen sicherstellt. Der Übergang muss fair, abgestuft und unumkehrbar sein, da kurzfristige, nicht nachhaltige Lösungen eher Schaden als Vorteile bringen könnten;

42.

betont, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften systematischer in die Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit der Energiewende einbezogen werden müssen. Es muss sichergestellt sein, dass die betroffenen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften — ggf. über einen klima- und energiepolitischen Mehrebenendialog — in die Ausarbeitung nationaler Energie- und Klimapläne einbezogen werden. Der AdR wiederholt seine Forderung an die Mitgliedstaaten und die Kommission, eine ständige Plattform für den Mehrebenendialog zu Energiefragen einzurichten. So könnte die aktive Beteiligung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, der Organisationen der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und anderer Interessenträger an der Gestaltung der Energiewende gefördert werden. Der AdR weist darauf hin, dass mit der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates (2)) eine sehr gute Grundlage für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften geschaffen wurde. Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, bei der Umsetzung dieser Richtlinie für mehr Bürgerbeteiligung in Bürgerenergiegemeinschaften zu sorgen.

43.

weist darauf hin, dass es mit Blick auf die Verwirklichung der neuen Ziele unbedingt erforderlich ist, bei der Politikgestaltung und -umsetzung mit den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zusammenzuarbeiten und für eine angemessene Information und Sensibilisierung der Bürger und Unternehmen zu sorgen. Dies bildet die Grundlage für die nachhaltige Gestaltung unserer Zukunft;

44.

betont, dass angesichts der so wichtigen Bürgerbeteiligung berücksichtigt werden muss, dass die erfolgreiche Umsetzung der EU-Strategie zur Integration des Energiesystems undenkbar ist ohne Initiativen, die einen Bottom-up-Informationsfluss, den Informationsaustausch und die Bildung auf lokaler Ebene fördern. Der AdR stellt fest, dass eine angemessene Einbeziehung der Interessenträger nicht nur die Akzeptanz der Politikmaßnahmen in der Öffentlichkeit, sondern auch die umfassende und transparente Bewertung der erzielten Fortschritte erleichtert.

Brüssel, den 7. Mai 2021

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Apostolos TZITZIKOSTAS


(1)  Eurostat, „Share of renewable energy in the EU up to 19,7 % in 2019“, https://ec.europa.eu/eurostat/web/products-eurostat-news/-/ddn-20201218-1.

(2)  Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82).